Leichte Büchse für schweres Wild

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In dem kleinen, österreichischen Dorf Scharnitz baut der Büchsenmachermeister Phillipp Ollendorff in reiner Handarbeit exklusive und ausgefallene Jagdwaffen.

Norbert Klups

Ollendorff Kipplaufbüchse
Seine Ausbildung erhielt  Phillipp Ollendorff in Ferlach, und anschließend arbeitete er lange Jahre bei der Firma Hambrusch, wo er schon „Spezialitäten“ wie einen Kugeldrilling baute. Jetzt hat er sich selbstständig gemacht und auf den Bau exklusiver Jagdwaffen spezialisiert. Er fertigt in seiner kleinen Werkstatt so gut wie jedes Teil aus dem Vollen an. Sogar seine Federn macht er selbst.
So ist es nicht verwunderlich, dass in einem Werkstattbuch für die hier beschriebene Kipplaufbüchse 411 Arbeitsstunden verzeichnet sind. Der Seitenhebelverschluss mit doppelten Laufhaken ist alte englische Schule und häufig bei Waffen der Firma Purdey zu finden. Die lange Basküle hat einen Verschlussabstand von 58 Millimetern und ist aus dem vollen Material gefertigt.
Der 63,5 Zentimeter lange Achtkantlauf aus Böhler Rasant Stahl stammt als Rohling aus Ferlach. Die Viertelschiene und der Kornsattel sind nicht etwa aufgelötet, sondern aus dem vollen Laufmaterial herausgearbeitet. In die Visierschiene sind die Kimme und die Montageunterteile der Zielfernrohrmontage eingeschoben. Die Standkimme mit einer zusätzlichen Klappe hat einen V-Ausschnitt und ist auf 75 Meter eingeschossen. Das Messingperlkorn ist seitlich in den Kornsattel eingeschoben.
Der Verschluss arbeitet saugend, und die Bedienung über den langen Seitenhebel ist sehr bequem. Der Direktabzug ohne Stecher löst trocken und ohne spürbaren Weg bei 1.200 Gramm aus.

 

Seitenschloss und Ejektor

Das Seitenschloss ist eine genaue Kopie nach Holland&Holland mit Fangstange. Die Verarbeitung ist wie bei einem Schmuckstück. Alle Flächen sind gewissenhaft poliert. Auch der Ejektor arbeitet nach dem Holland&Holland-Prinzip, wobei alle Teile im Vorderschaft untergebracht sind.

Wenn eine einschüssige Kipplaufbüchse bei der Großwildjagd geführt wird, ist ein Ejektor unverzichtbar, um schnell nachladen zu können. Auf dem Ansitz kann das metallische Geräusch aber sehr störend wirken. Ollendorff hat daher einen abschaltbaren Ejektor konstruiert, der sich sehr bequem bedienen lässt. Unter dem Vorderschaft ist ein kleiner Drehhebel angebracht, über den sich die Schlagfeder des Ejektors blockieren lässt. Mit einem kleinen Dreh lässt sich so bestimmen, ob die Hülse automatisch ausgeworfen oder von Hand entnommen wird. Der schlanke Jagd-Vorderschaft ist mit einem Schwenkhebel befestigt.

Klassische Schäftung

Für Vorderschaft und Hinterschaft wurde ein sehr schönes Stück Nussbaumholz ausgewählt. Der Hinterschaft hat einen geraden Rücken, flachen Pistolengriff und eine deutsche Backe. Der Abzugsbügel ist bis zum Pistolengriffkäppchen heruntergezogen. Das Pistolengriffkäppchen besteht aus Stahl.

Der Vorderschaft wird mit einem Stück Büffelhorn und der Hinterschaft mit einer flachen Gummischaftkappe abgeschlossen. Die feine Fischhaut am Pistolengriff und am Vorderschaft hält auch eine Betrachtung unter der Lupe stand und ist sehr griffig.
Das Schaftholz ist auf Hochglanz poliert und mit einem Ölfinish versehen. Eine sehr aufwändige und schöne Ausführung, die aber auch entsprechend empfindlich ist.

Gravur von Florian Güllert

Basküle, Seitenschloss und alle anderen nicht brünierten Metallteile wie Öffnungshebel oder die Drehhebel der Vorderschaft-Befestigung und der Ejektor-Abschaltung sind Flächen deckend mit einer sehr feinen englischen Scrollgravur versehen, für die der Graveur Florian Güllert aus Krumpendorf verantwortlich zeichnet. Die aufwändige Gravur ist meisterlich und passt hervorragend zum Stil dieser feinen Büchse. Der Lauf und die Visierteile sind tiefschwarz streichbrüniert.

Auf dem Schießstand

Montiert war auf der Testwaffe ein Schmidt & Bender 1,25-4×20. Für eine Waffe dieses Kalibers sicher die passende Zieloptik. Die Munition stammt von Wolfgang Romey und war mit einem 300 Grains (19,4 Gramm) schweren Teilmantelgeschoss von Woodleigh laboriert. Die schlanke, elegante Kipplaufbüchse ist nur 108 Zentimeter lang und wiegt lediglich 3,18 Kilogramm.

Für die Patrone .375 H&H Flanged also nicht gerade sehr gewichtig.
Anfängliche Befürchtungen, dass die Patrone hier einen horrenden Rückstoß entwickeln würde, erwiesen sich aber als unbegründet. Das 300 Grains schwere Geschoss verteilt zwar nicht gerade Streicheleinheiten, wenn es den Lauf verlässt, aber sauberes Schießen ist durch die anatomisch sehr gute Schäftung kein Problem. Das zeigte auch das Schussbild, das auf 80 Meter 4,5 Zentimeter maß. In Anbetracht der nur 4-fachen Optik ein gutes Ergebnis, das für die mit einer solchen Waffe zu bejagenden Wildarten mehr als ausreicht.

Resümee

Die hier vorgestellte Kipplaufbüchse im Kaliber .375 H&H Flanged von Phillipp Ollendorff ist praxistaugliche Jagdwaffe und meisterliches Kunstwerk in Einem.

Die Verarbeitung wurde hier auf die Spitze getrieben, und die Detaillösungen wie die Verschlussauslegung und die sehr elegante Ejektorabschaltung zeigen höchste Büchsenmacherkunst. Die Fertigung ohne vorgefertigte Teile erfordert eine extrem hohe Zahl an Arbeitsstunden, und das hat seinen Preis. Für diese Büchse wären das 35.000 Euro.
Natürlich lässt es sich auch etwas günstiger machen, wenn ein runder Lauf verwendet wird, die Gravuren sparsamer ausfallen und auf den Ejektor verzichtet würde. Dann ist so eine Waffe „schon“ für 27.000 Euro zu haben.
8.000 Euro Ersparnis sind sicher eine Menge Geld, doch in diesem Fall würde ich den Käufer dann schon als geizig bezeichnen. In der „Sparversion“ würde eine solche Waffe längst nicht so wirken wie das hier vorgestellte Modell.
Über den Sinn oder Unsinn einer einschüssigen Kipplaufbüchse in einem Großwildkaliber lässt sich natürlich trefflich streiten. Doch wer sich mit einem einzigen Schuss auch in Afrika oder Kanada begnügen will, findet mit dieser Büchse sicher nicht nur die Erfüllung seiner Träume, sondern wohl noch ein kleines bisschen mehr. Aber man muss warten können: Die Bauzeit für eine solche Waffe beträgt etwa ein Jahr.

 

Vorteile & Nachteile

 

Technische Daten

Hansgeorg Arndt

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