2 Schweizer Jäger wollen je einen Bison erlegen und pirschen gemeinsam mit ihren Guides los. Es kommt zum Doppelschlag … Von Bruno Ertle
Der Verfasser mit 2 Bisons, doch nur einer ist von ihm erlegt. Und der andere? Am Ende des Beitrages finden Sie die Antwort (Fotos: Bruno Ertle)
Es ist bereits dunkel, als wir in Edmonton ankommen. Die Guides Willi und Edi empfangen uns in der Wartehalle. Beide sprechen Deutsch, sie haben es in den vergangenen 35 Jahren nicht verlernt, seit sie aus Österreich ausgewandert sind.
Starker Regen empfängt uns. Wir laden unsere Habseligkeiten auf einen nagelneuen GMC Jeep und fahren in die Stadt Edmonton, welche unglaubliche Abmessungen hat. 60 Kilometer ist die Nord-Süd Ausdehnung, also die Größe eines Kantons. Im Hotel Travelodge kommen wir zur Ruhe. Der Schlummerbecher ist gestrichen, alles bereits geschlossen.
Bevorzugte Äsung der Bisons ist im Sommer Präriegras, während des Winters sind es Flechten, Moose und Altgras
Es ist 7 Uhr in der Früh. Wir beiden Jäger, Marco und ich, sind bester Laune und bereit zur Jagd. Die Guides holen uns ab und geben Änderungen bekannt. „Wir jagen nicht wie vorgesehen bei den Cree-Indianern, sondern auf great white holdings.“ Etwas enttäuscht nehmen wir dies zur Kenntnis.
Häuptling Poundmaker und die Büffel
Schade, ich hatte mich mit der höchst interessanten Vergangenheit der Cree auseinandergesetzt. Es war am 9. August 1877, als die Cree mit der kanadischen Monarchie den Vertrag 6 unterzeichneten. Es ging um das Gebiet in der Ebene Wood Cree, genau um 68,71 Quadratkilometer.
Weil für den Folgetag stürmisches Wetter angesagt ist, beginnt die Büffelpirsch bereits am Anreisetag
Zu dieser Zeit waren Büffel das Hauptnahrungsmittel der Menschen, die in diesem Gebiet lebten. Ihre Führer, vor allem Häuptling Poundmaker, erkannten, dass die Büffelvorkommen immer mehr abnahmen. Falls sie nicht unterzeichneten, wäre der Hungertod des Stammes die logische Folge gewesen.
Ein 2. wichtiger Grund, den Vertrag zu schließen, waren die Pocken, die viele Cree getötet hatten. Durch den Vertrag wurde jede 5-köpfige Familie mit 4,45 Quadratmeilen Land bedacht, die sie verkaufen konnten. Jede Person erhielt sofort 12 und zusätzlich 5 US Dollar pro Jahr. Der Häuptling bekam 1 Pferd, 1 Trapez sowie 1 oder 2 Wagen.
Der Weißwedelhirsch gilt als Kulturfolger und findet sich häufig auf landwirtschaftlichen Flächen, sofern auch Deckung vorhanden ist
Den Indianern gab man jährlich 1.500 US-Dollar für Munition, Fischernetze und Garn. Eine wichtige Klausel für die Cree war, dass eine Apotheke eingerichtet und unterhalten sowie die Unterstützung bei Hunger und Seuchen zugesichert wurde. Also auf great white holdings werden wir Büffel jagen, einem Gebiet mit einer Größe von 15 x 15 Quadratkilometer direkt am Saskatchewan-Fluss, ganz in der Nähe der Cree.
„Die Cree haben den Vertrag nicht eingehalten. Es ist schwierig, mit ihnen Verträge zu machen. Da hat man die Konditionen ausgehandelt, und sie halten sich nicht daran“, ärgert sich Guide Willi. Nachdenklich steigen wir beiden Schweizer in die Jeeps. Es geht nach Osten, Highway 16, Richtung Two Hills. Schon nach einer halben Stunde durchfahren wir den Nationalpark Elk Island, welcher schon 1906 eingerichtet wurde.
Das kurze gebogene Horn und der kräftige Bart, der bis zur Brust reicht, sind typisch für den nordamerikanischen Büffel
Ich genieße die Fahrt. Das leise Brummen des V8-Motors, der im Eco-Modus automatisch auf V4 umschaltet, ersetzt uns das Autoradio. Ja, wir sind in Kanada. Wir haben die Stadt verlassen, es ist kaum Verkehr, wir sind fast alleine unterwegs. Links und rechts der Autobahn riesige Kornfelder sowie Grasflächen. Alle abgemäht, von Wäldern keine Spur. Verstreut liegen die großen Farmen. Nach knapp 2 Stunden ändert sich das Landschaftsbild: Wiesen und Kornfelder verschwinden. Laubwald sowie Steppengras prägen das neue Landschaftsbild. Schade, vom Indian summer und seinen Farben ist nichts mehr zu spüren.
Wir sind zu spät. Der Wald ist kahl, doch das goldgelbe Steppengras lässt ein wenig jagdliche Stimmung aufkommen.
Gerade eingetroffen, und los geht’s
Wir biegen links ab und stehen vor dem Tor great white holdings. Vor uns ein großes Jagdhaus, mitten im Wald. Im Innern eine riesige Halle mit Trophäen von Bison, Weißwedelhirsch, Gabelbock, Wapiti, Elch, Bär, Puma und allen kanadischen Schafen. Links hinter der Halle liegen die Schlafzimmer. Hier, auf great white holdings, werden alljährlich Bisons, Maultier- und Weißwedelhirsche erlegt. Auch Schwarzbären und Gänse gehören zu den jagdlich interessanten Wildarten.
Der Senior Chef Lloyd verkündet seinen Plan: „Für morgen ist Sturm angesagt. Die Bisons werden sich in den Busch zurückziehen. Wir werden große Schwierigkeiten haben, sie zu finden. Wir sollten schon heute unsere Chancen nutzen.“ Wir beiden Schweizer Jäger nicken.
Nach dem Probeschuss beginnt die Pirsch. Wir durchstreifen das wechselhafte Land. Einmal sind es offene ungenutzte Flächen, dann wieder schmale Birkenwälder. Wir pirschen auf einem Bisonwechsel.
Ein „Misthaufen“ bestätigt die Anwesenheit der legendären Büffel, und bald sehe ich das 1. Trittsiegel. „Big Buffalo“, kommt vom Führer. Wir kommen auf dem Wechsel immer tiefer in einen Birkenwald. Sicht und Schussfeld werden immer schlechter. Mit lautem Knacken auf der linken Seite bricht ein Stück weg.
Gepirscht wird den ganzen Tag über, oft in deckungsloser Prärie, in waldreichen Tälern oder in hügeligem Gelände
Meine Mauser ist entsichert. In großen Sprüngen sucht ein Weißwedelhirsch das Weite. Wir pirschen weiter und kommen auf eine Lichtung. Kaum 80 Meter vor uns ruhen 2 starke Weißwedel im goldgelben Präriegras. Ein herrlicher Anblick!
„Ab nächsten Montag, also am 1. November, wären sie frei“, flüstert Lloyd und prüft mit dem Daumen den Wind. „Wir nehmen den Pfad nach rechts“, befiehlt er. So erreichen wir bei gutem Wind nach einer Weile eine Kuppe. Weit schweift unser Blick über das raue Land und auf das Saskatchewan-Delta. Die Herbstsonne lässt den Fluss wie ein Silberband erscheinen. Vor 2 Wochen hätten wir hier den Indian summer mit seinen Farben erlebt. Nun sind die riesigen Laubwälder grau. Vereinzelt sind Tannengruppen zu sehen. Kein Dorf, keine Stadt ist auszumachen, nur Wasser und Wald.
Es muss sorgfältig angesprochen werden: Büffelkühe (Foto links) schauen den männlichen Bisons zum Verwechseln ähnlich
Gemütlich fließt der Saskatchewan-River nach Westen, durch die Stadt Edmonton.
5 Kilometer mögen es sein bis zum Fluss. „Wir nehmen diese Richtung“, entscheidet Lloyd und zeigt mit der rechten Hand Richtung Norden. Ja, in diesen Birkenwäldern müssen sie stecken, aber in welchem? Wir nehmen den rechten Büffelpfad und pirschen lautlos Richtung Fluss. Wieder bricht ein Hirsch weg und signalisiert mit hochgestelltem weißen Wedel, dass wir nicht zum Freundeskreis gehören. Mit einem Achselzucken quittiert dies mein Begleiter Marco.
Wie verschieden doch das Biotop ist. Waren wir noch vor einer Stunde mitten im Birkenwald, so sind wir nun auf einer offenen Grasfläche. Nur einzelne junge Birken sind anzutreffen. Routiniert suchen wir mit den Gläsern das Gebiet ab. Ob man einen Büffel auch ohne Feldstecher findet in dem meterhohen Büffelgras? Ich weiß es noch nicht.
Die Freude über den erlegten Büffel ist Marco ins Gesicht geschrieben. Es ist der Bison, den die Jäger zuerst ausmachten
Lautlos durchqueren wir das offene Land und gelangen in eine Senke. Der feuchte Boden hier lässt uns ganz frische Büffelfährten erkennen. Auf der linken Seite beginnt wieder unendlicher Birkenwald. Wir pirschen vorsichtig durch die Birken und machen einen Bogen in Richtung Westen.
Gleichzeitig oder nacheinander?
Auf der rechten Seite sind ganz kleine Hügel und Senken. „Das ist Büffel-Land“, denke ich. Doch kein Haar von einem Büffel. Lloyd zeigt die offenen Handflächen wie ein Pfarrer und zieht die Achseln hoch. Mit der rechten Hand gibt er die Marschrichtung vor. Wir folgen ihm lautlos.
Ein Zischen von Jon, seinem Sohn, der hinter uns pirscht, lässt uns zusammenfahren. Mit ausgestrecktem Arm zeigt er auf seine Fundstelle. Ich eräuge nichts, auch nicht mit dem Glas. Lloyd winkt uns herbei. Mein Herz macht einen Sprung, als ich den Bison im Glas erkenne. 200 Meter weit entfernt ist er. Lloyd mustert uns Jäger: „Who shoots?“ Wir schauen uns an, Marco nickt. „Bis zu den 3 Birken werde ich pirschen“, flüstert Marco und bewegt sich Schritt für Schritt vorwärts. Lloyd hinterher. Plötzlich reißt er beide Arme hoch und deutet nach rechts. „Do you see him?“ Vorsichtig pirsche ich ihm entgegen. Natürlich sehe ich ihn. Einen mächtigen 2. Bisonbullen.
Ein Büffel wird abgeschwartet. Das Foto veranschaulicht, dass der Bison bis zu 3,5 Meter Körperlänge haben kann
Lloyd wirft mir einen fragenden Blick zu. Keine Frage, das ist die Gelegenheit. Vor mir schleicht Marco zu den 3 Birken. Hoffentlich hält der Wind. Noch einmal blickt er zurück, dann ist er am Ziel. Seinen Take Down-Repetierer (Kaliber 8 x 68 S) hat er längst feuerbereit. Eine unglaubliche Spannung liegt in der Luft: Keine 100 Meter von uns entfernt steht das gesuchte Wild, 2 alte Bullen. Wilde Gedanken kreisen in meinem Kopf: „At the same time?“ „Shoot one after the other“, kommt die Antwort. „Marco first, Bruno second.“
Im Zielfernrohr sehe ich nur Büffelgras und Birken. Weiter oben, bei einer einzelnen Birke, müsste es passen. Wie eine Katze schleiche ich dorthin, jeden Tritt prüfend. Jetzt ist der Blick frei und ich sehe den Koloss.
Regungslos steht er da wie eine Statue. Er hat nichts mitbekommen von seinem Verfolger. Goldenes Büffelgras umgibt ihn. Ein Sujet für einen Maler. Hinter ihm leichter Birkenwald.
Nicht nur auf den Bison lässt sich in Alberta weidwerken, auch die Bestände des Weißwedelhirsches sind beachtlich
Das Winterhaar ist schon deutlich ausgebildet. Der massige Kopf hat dunkelbraunes, langes Haar, die Schulterpartie ebenso, aber hellbraun, die Hinterhand ist kurzhaarig und viel dunkler.
Er steht knapp 100 Meter vor mir. Meine .375 H&H ist gespannt. Ich warte auf den Schuss von Marco. Dumpf vernehme ich ihn, ein Büffel liegt. Mein Zielfernrohr sucht den Maschinenraum des alten Herren. Ich verlasse mich auf die Kraft der .375 H&H. Wie vom Blitz erschlagen, fällt der Koloss im Knall zu Boden, macht noch einen Versuch hochzukommen, aber meine 2. Kugel lässt ihn verenden. Ungläubig stehen wir vor unserer Beute. Es ist ein großer Tag heute, ein ganz großer.
Die Rote Arbeit ist gemacht, das Fleisch verladen. Am folgenden Tag liefern wir Wildbret und Trophäen in Edmonton ab. Die Filets nehmen wir mit. Mit einem Mietauto durchfahren wir anschließend die Nationalparks Jasper und Banff. Ein großartiges Erlebnis. Noch beeindruckender aber war unsere letzte Pirschfahrt durchs Revier, und zwar nach dem Erlegen der Büffel und vor Einbruch der Dämmerung. Zum Saskatchewan River wäre ich auch noch gerne gefahren, doch dorthin führt kein Weg. Pirschen auf Weißwedel werden wir das nächste Mal, wenn wir wiederkommen zur Jagd.