In den einsamen, teils versumpften und großflächigen Waldgebieten Russlands ist die Jagd auf Auerhahn, Birkhahn, Haselhahn aber auch auf Waldschnepfe und Bekassine ein jagdlicher Leckerbissen. Gerade jetzt im Frühjahr.
Von Siegfried Kursch
Mühsam folge ich meinem russischen Jagdführer Sergej. Um uns lichter Kiefern- und Fichtenbestand mit reichlichem Unterholz, immer wieder eingestreut auch Birken. Am nassen Waldboden ein Teppich aus abgestorbener Gras- und Krautschicht. Erst jetzt, Ende April, blüht hier der Seidelbast. Auch das Lungenkraut zeigt in einzelnen Horsten seine blauen und violetten Blütenblätter.
Die hüfthohen Gummistiefel leisten gute Dienste. Oft stehen wir bis über die Knie im Sumpf. Umgestürzte und von langen, welken Gräsern überwucherte Baumstämme wirken wie Fußangeln. Nun folgen wir einem ausgetretenen, tiefen Elchwechsel. Keine Pause hat Sergej eingelegt. Knapp zwei Stunden sind es bis zu dem von ihm ausgemachten und vielversprechenden Balzplatz der Auerhahnen.
Einige hundert Meter davon entfernt richtet er unseren Lagerplatz und die Feuerstelle ein. Bei Sonnenuntergang werden die balzenden Hahnen verhört. Es weht ein kräftiger Wind. Das ist nicht gut. Kein Auerhahn ist auszumachen.
Nachts campieren wir hier draußen, um zur Morgenbalz pünktlich an Ort und Stelle zu sein. Die ganze Nacht über halten wir abwechselnd das Feuer am Brennen und liegen unter freiem Himmel auf einem Lager aus Fichtenreisern dicht am Feuer.
Noch bei Dunkelheit stehen wir vollkommen durchfroren von unserem Lager auf. Die Wasserblänken sind mit einer dünnen Eisschicht überfroren. Über dem Feuer kocht schon bald das Teewasser.
Dann vorsichtige Pirsch im Dunklen durch den Bestand, etwa 400 Meter hinüber zum Balzplatz. Ich zittere vor Kälte, aber auch vor Aufregung. Es ist meine erste Jagd auf den Auerhahn. Gestern nachmittag hat man uns Hahnenjäger im Jagdhaus Vologda mit dem Balzgesang von einem Band und mit der Methode des Anspringens vertraut gemacht. Heute muss die Theorie in die Praxis umgesetzt werden.
Nur zwei Hahnen knappen zaghaft, dann verstummen sie. Wir ziehen uns möglichst lautlos zurück, um die Hahnen nicht zu vergrämen. Zur Abendbalz, eine Stunde vor Sonnenuntergang, pirscht Sergej mit mir erneut in das Balzgebiet vom Morgen. Bis zum Sonnenuntergang hält sich das Auerwild im Regelfall am Boden auf, bevor es die Schlafbäume aufsucht. Es gilt, bei der Pirsch möglichst keine Auerhennen zu vergrämen. Ihr lautes, scharfes Gocken warnt alle Hahnen nah und fern.
Baum-Balz
Es ist gutgegangen. Wartend verharren wir beide auf einem umgestürzten Kiefernstamm im Balzgebiet. Ich will gerade ein Foto von der untergehenden Sonne machen, da ist der schwere Schwingenschlag eines aufbaumenden Hahnes zu vernehmen. Ausmachen können wir ihn nicht, man hört ihn aber nadeln. Jetzt baumt er fort, direkt in unsere Richtung und fällt etwa in 50 Meter Entfernung vor uns in einer alten Kiefer ein. Nach kurzer Zeit beginnt der Hahn mit seinem Reviergesang. Er spielt sich ein.
P-d, p-d, p-d, so klingt sein Knappen. Nun fließen die Silben ineinander. Es klingt wie ein Triller, und schon folgt das Schleifen. Es hält etwa drei bis vier Sekunden an. Während dieser Zeit vernimmt der Auerhahn nichts, er ist taub. Genau dies ist auch der Zeitpunkt, an dem man sich dem Hahn nähern kann. Während des Schleifens zwei maximal drei Schritte in Richtung Auerhahn, dann bewegungslos verharren. Ich „springe“ den Hahn allein an, Sergej bleibt zurück. Beim nächsten Schleifen wieder drei Schritte vor, so komme ich dem Hahn unter Nutzung jeglicher Deckung immer näher.
Endlich habe ich ihn in Anblick. Der Urhahn hat auf einem starken, fast waagerechten Kiefernast unterhalb der Baumkrone aufgebaumt. Mit erhobenem Stingl, hängenden, leicht abgespreizten Schwingen und gefächertem Stoß trippelt er auf dem Ast hin und her. Plötzlich hört er auf zu melden. Hat der Hahn mich vernommen? Es folgen bange Minuten der Ungewissheit. Er steht wie erstarrt. Für einen Schuss ist die Entfernung noch zu weit. Nur langsam spielt sich der Urhahn wieder ein. Noch vorsichtiger „springe“ ich ihn nun mit jeweils nur noch ein oder zwei Schritten an. Nur keinen Fehler machen, sonst reitet er noch ab und alle Mühe war umsonst. Noch bis an den nächsten Kiefernstamm, dann bin ich auf sichere Schrotschuss-Entfernung von etwa 25 Metern heran.
Deutlich ist jetzt der Auerhahn aus der Dämmerung des Waldes gegen den hellen Abendhimmel anzusprechen. P-d, p-d, p-d, immer schneller, jetzt folgt der Triller, dann das Schleifen. Donnernd beendet der Schrotschuss aus dem Vollchoke-Flintenlauf die abendliche Idylle. Taumelnd lässt die Schrotgarbe den Hahn aus dem Baum fallen. Dumpf schlägt er auf den Waldboden. Eilig laufe ich zu meinem Hahn. Voller Freude und doch ein wenig betroffen halte ich meinen ersten Auerhahn Sergej entgegen.
Boden-Balz
Boden-Balz
Wieder mal bin ich Ende April zur Hahnenbalz in Russland, diesmal in der Region Smolensk. Andrejs komfortables Jagdhaus, nahe Vjasma, ist uns eine angenehme Bleibe. Von hier aus ist es eine Autostunde bis zu Aleksey. Aleksey hat ein Revier von 35 000 Hektar gepachtet. Ein guter Platz für die Balzjagd auf Auer- und Birkhahn.
Heute früh haben wir bereits um drei Uhr nach einem schnellen Frühstück das Jagdhaus verlassen. Mir brummt etwas der Schädel. Der Grund: zu viel Wodka und zu wenig Schlaf. Am vereinbarten Treffpunkt wartet bereits mein jugendlicher, russischer Jagdführer auf mich. Nach kurzer Begrüßung stapfen wir los. Es ist noch stockdunkel und nasskalt. Wir folgen einem ausgefahrenen Weg. Schon bald sind wir tief im Forst. Hier liegt noch an vielen Stellen harscher Schnee. Das Balzgebiet ist erreicht.
Jetzt beginnt das Warten auf das Melden der ersten Auerhahnen. Aber keiner meldet. Nach etwa einer Stunde, es dämmert bereits, pirschen wir vorsichtig weiter. Vor uns dichter Tann. Jetzt ein lautes, schlagendes Geräusch hinter der Dickung. Nun ist es kurz ruhig, da hört man es wieder. Was ist das? Ich kann es nicht deuten. Sind es Sauen? Mein Jagdführer pumpt mit angewinkelten Armen auf und ab und sagt „Glouhar“, der russische Name für den Auerhahn. Er gibt mir zu verstehen, ich solle allein weiter pirschen. Ist es wirklich Auerwild? Vorsichtig passiere ich die Dickung. Jetzt kann ich noch in Deckung der Bäume auf eine schneebedeckte, frei Fläche blicken.
Zwei Auerhahnen sind es, die am Boden auf dem Schnee immer wieder aneinander geraten. Sie springen hoch, kämpfen mit den Brockern und den Ständern und schlagen heftig mit den Schwingen. Ein Revierkampf um die Vorherrschaft auf dem Balzplatz. Aus etwa 50 Metern Entfernung kann ich den Kampf verfolgen. Jetzt nimmt sich einer der Auerhahnen auf und reitet ab. Der Sieger beginnt nun in typischer Balzpose über den Schnee zu trippeln. Das ist mein Hahn, mich packt das Jagdfieber.
Ich muss näher heran. Dazu muss ein scheinbar flaches Stillgewässer mit Erlen- bestand durchwatet werden. Es wird jedoch immer tiefer, das moorige Wasser läuft mir schon eiskalt in die Stiefel. Ich muss den Schuss wagen, die Schrote werden ihr Ziel schon finden.
Zwischen zwei Erlen habe ich freies Schussfeld. Mit angebackter Flinte warte ich im knietiefen Wasser bis der Hahn breit steht. Der Schuss aus beiden Schrotläufen, unmittelbar hintereinander abgegeben, lässt den Urhahn nach vorn in den Schnee fallen. Er hat den Knall nicht mehr gehört.
Morgen-Balz der Birkhähne
Morgen-Balz der Birkhähne
Stockdunkel ist die Nacht, kalt und klamm. Bereits vor vier Uhr morgens hat mich Aleksey in ein Feuchtgebiet zum Schirm geführt. Nun sitze ich hier auf einem feuchten Heuballen und warte auf Birkhähne. Mit 3,5 Millimeter Schrotstärke im oberen Lauf und 3,0 Millimeter im unteren ist meine Flinte geladen.
Nach etwa einer Stunde warten beginnen sie von ihren Schlafbäumen hierher zum Balzplatz zu streichen. Sehen kann ich nichts, es ist noch zu dunkel. Urplötzlich beginnt um mich ein Kullern, Fauchen, Zischen und Schwingenschlagen. Die Morgenbalz der Birkhähne beginnt schon recht früh, noch bei Dunkelheit.
Man hat das Gefühl, die Hähne seien ganz dicht am Schirm. Eine Täuschung, wie ich bei Einsetzen der Morgendämmerung feststellen muss. Mehr als 60 Meter von meinem Schirm entfernt balzen vier Birkhähne. Viel zu weit für einen sicheren Schrotschuss. Es wäre unverantwortlich durch einen Weitschuss-Versuch einen Birkhahn anzuflicken und zu verlieren. Mit einer kleinen Kugel als Vollmantel wäre es kein Problem, einen Hahn zu erbeuten. Ich habe mir aber vorgenommen meine Auerhahnen und meinen ersten Birkhahn mit der Schrotflinte zu erlegen.
Es ist ein grandioses Schauspiel der Balz der schneidigen „schwarz-blauen Ritter“ beizuwohnen. Ist es nicht zum „Mäuse Melken“? Kein Hahn kommt auf Schrotschuss-Entfernung an meinen Schirm heran. Zwei Bekassinen sind vor mir an einer Blänke eingefallen. Mit gleichmäßigem Schwingenschlag streicht ein Brachvogel über meinen Schirm. Sein typischer Flötenton ist weit hörbar.
Blutrot steht bereits der aufgehende Sonnenball am Horizont. Wie auf Kommando verschweigen die Hähne, nehmen sich auf und streichen von mir weg in den entfernten Birkenwald. Nur in weiter Ferne hört man noch vereinzeltes Kollern. „Das war´s denn wohl“, murmele ich mir in den Bart. In einer knappen Stunde, gegen acht Uhr, wird mich Aleksey von hier abholen.
Diana sei Dank Ich döse so vor mich hin und nicke kurz ein. Als mein Kopf nach vorn fällt, wache ich auf. Was ist denn das. Etwa 40 Meter vor meinem Schirm steht breit, wie erstarrt, ein Birkhahn. Vorsichtig schiebe ich meine Flinte durch den mit Zweigen und Gras verblendeten Schirm und nehme Ziel. Der Hahn steht noch immer wie angegossen. Donnernd bricht der Schuss. Regungslos fällt der Hahn nach vorn, als wenn ich auf eine Kippscheibe geschossen hätte. Ich kann es kaum begreifen, das glaubt mir niemand. Eilig verlasse ich den Schirm und laufe zu meinem Birkhahn. Wie schlafend liegt er im fahlgelben Gras. Nur eine kleine Feder vom Stingl hat er durch den Schuss verloren.
Wieder zu Hause, erfahre ich später vom Präparator, dass der Hahn nur von drei Kugeln der 3,5-Millimeter-Schrote direkt auf dem Stingl getroffen war.
Verschneite Taiga
Die ganze Nacht über hat es geschneit. Etwa 20 Zentimeter Neuschnee sind gefallen. Mit Vladimir, einem russischen Jäger, bin ich auf der Pirsch in der urigen, fernöstlichen Taiga der Chabarovsker Region. Es ist nicht sehr kalt, etwa minus fünf Grad Celsius. Jedoch fällt weiter ein feiner unangenehmer Schnee. Vielleicht gelingt es uns, hier einen Keiler hoch zumachen, der sich in seinen Kessel eingeschoben hat oder einen Isubra-Hirsch zu überraschen. Ausgerüstet bin ich mit einer Repetierbüchse. Vladimir hat eine russische Baikal-Doppelflinte und sowohl selbstgeladene Schrotpatronen als auch Flintenlaufgeschosse in seiner Jackentasche.
Haselwild
Uns nimmt die verschneite Taiga auf. Hang rauf und runter geht die Pirsch. Vorbei an alten, dicken Bäumen, über am Boden liegende Totholzstämme, weiter durch dichtes Unterholz und durch stacheliges Araliengestrüpp. Es steht keine neue Fährte im Schnee. Alte Fährten und Spuren hat die Neue letzte Nacht zugedeckt.
Purrend steht nun vor uns ein Haselhuhn vom Boden auf und streicht in eine hohe Fichte. Ich tausche meine Büchse gegen Vladimirs Flinte und lade sie schnell mit zwei Schrotpatronen, die Vladimir mir reicht. Das Haselhuhn sitzt noch immer auf dem Fichtenast. Vorsichtig zwei Schritte nach links. Jetzt ist es frei. Der Schuss bricht, und das kleine Rauhfußhuhn fällt in den Schnee. Nach dem Schuss steht seitlich von uns noch ein zweites Haselhuhn auf und baumt auf dem Ast einer unweit stehenden Eiche auf. Ein weiterer Schrotschuss stört die Stille. Ein alter und ein junger Haselhahn sind meine Beute.
Aus dem Schnee nehme ich meine beiden Haselhähne auf und streiche ihre Federn glatt. Wunderschön gezeichnet ist das graubraune Gefieder mit dem schwarzbraunen Tropfenmuster. Der ältere Hahn hat einen ausgeprägten, weiß eingefassten tiefschwarzen Kehlfleck.
Leider ist bei uns zu Hause der deutsche Wirtschaftswald heute immer weniger ein Lebensraum für das kleinste der rauhfüßigen Waldhühner, sodass es bei uns nur noch an einigen Stellen vorkommt und seine Zahl stetig abnimmt. Hier jedoch, in den natürlichen Urwäldern des Fernen Ostens, entlang der Ströme Amur und Ussuri, hat das Haselwild noch ideale Lebensbedingungen. Es darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass die Forstwirtschaft in einigen Gebieten des Fernen Ostens rigorosen Raubbau betreibt. In Kooperation mit ausländischen Holzimporteuren werden große Gebiete der Taiga abgeholzt und das Stammholz außer Landes gebracht. Eine Wiederaufforstung erfolgt in den wenigsten Fällen. „Schmeckt sehr gut, hast du schon gegessen diesen Vogel?“ meint Vladimir mit hartem russischem Akzent zu mir. Wie sollte ich, noch nicht einmal in Anblick habe ich bisher Haselwild gehabt.
Wir machen eine Pause. Aus auf den Schnee geschichteten trockenen Fichtenreiser züngelt schnell ein Feuer. Schon bald kocht das aus Schnee bereitete Teewasser. Mit Brot und getrocknetem Amursalm aus dem Rucksack stillen wir unseren Hunger. Nur das Knistern des Feuers ist in der tief verschneiten Taiga zu vernehmen, sonst ist es still. Meine beiden Haselhähne hängen neben uns am Stamm einer Fichte. Das ist Jagdromantik, wie wir Jäger sie lieben.
Waldschnepfen
Waldschnepfen
Immer schon habe ich großes Interesse an der Frühjahrsjagd auf die suchende Waldschnepfe gehabt. Leider bisher nur theoretisch. Bei uns gilt für diese Jagd ein unsinniges Verbot, kommt man doch hier fast ausnahmslos auf den Schnepfenhahn zu Schuss.
In Russland ist die Schnepfenjagd auf die streichende Waldschnepfe im Frühjahr bei den dortigen Jägern sehr beliebt. Diese Jagd kann im Frühjahr mit der Jagd auf die rauhfüssigen Waldhühner gut kombiniert werden.
Mit Aleksey stehe ich an einer Weidenbusch-Gruppe auf einer Waldlichtung. Hinter uns beginnt der zu dieser Jahreszeit kahle Laubwald, durchmischt mit Fichtenhorsten. Hier streichen sie entlang, weiß Aleksey. Viele Waldschnepfen hat er hier schon erbeutet. Eine Stunde wird es wohl noch dauern, bis sie streichen werden. Ein relativ milder Vorfrühlingsabend mit klarem wolkenlosen Himmel.
Gestern Abend war es noch ganz anders, stürmischer Wind fegte Graupel und Regen über das Land, klassisches Aprilwetter. Viele Vogelstimmen sind um uns. Die stimmgewaltigen Amseln dominieren, aber auch der zarte, wispernde Abendgesang des Rotkehlchens ist zu hören. Langsam beginnt es zu dämmern. Der gelbrosa Abendhimmel ist verblasst. Es wird schwieriger, gegen die Kulisse der dunklen Waldbäume etwas zu erkennen.
Die Amseln haben ihren Abendgesang bereits beendet. Von Weitem ist nun ein Schrotschuss zu hören. Fertigmachen und auf den Abendhimmel konzentrieren. Lange passiert gar nichts. Jetzt vernimmt man ein leises Quorren, das näher kommt und sich verstärkt. Da ist sie am Himmel, eine einzelne Waldschnepfe. Sie ist auf der Suche nach einer Henne, das bei Paarungs-Bereitschaft vom Boden dem quorrenden Schnepfenhahn antwortet.
Wie groß sie erscheint mit ihren abgerundeten Schwingen und dem nach unten gerichteten, langen Stecher. Zu spät backe ich die Flinte an, schon ist die Schnepfe außer Schussweite. „Kein Problem“, tröstet mich Aleksey, „es kommen mehr“. Beim nächsten Mal bin ich aber schneller, denke ich. Jetzt weiß ich wie der Schnepfenstrich abläuft. Eine hohe und im Sinkflug „meckernde“ Bekassine fehle ich mit einem Doppelschuss. Schon wieder ist leises Quorren zu hören. Über dem laubfreien Geäst der Waldbäume sehe ich die Schnepfe fliegen. Hoch die Flinte, annehmen, mitschwingen und Schuss. Treffer, mit angelegten Schwingen fällt sie wie ein Stein vom Himmel. Meine erste Waldschnepfe hier in Russland. Noch eine zweite Schnepfe und einen Krickentenerpel werden auf diesem Stand heute Abend meine Beute.
Ich habe mir dieses Trio als Stillleben präparieren lassen. Es hängt bei mir zu Hause in meinem Jagdzimmer. Schmuck und Erinnerung an erlebnisreiche Jagdtage in der Smolensker Region in Russland.
Die Wasser-Theorie Es ist nicht immer einfach, als Jäger nach effektiven Jagdmethoden zu sinnen. Mein Jagdfreund Aloys hat sich für die Schnepfenjagd hier in Russland augenzwinkernd folgende Theorie einfallen lassen: „Schnepfen folgen beim Frühjahrsstrich Wasseradern“. Aleksey bestätigt Aloys Theorie mit breitem Grinsen. So muß es sein, sind wir uns einig. Nur unser ostfriesischer Jagdfreund ist skeptisch.
Bevor wir Jäger unsere Stände für den Schnepfenstrich einnehmen, benetzen wir aus einer Pfütze mit reichlich Wasser Gesicht und Hände. Es kostet viel Überredung, bis unser Skeptiker sich als letzter diesem Ritual widerwillig unterzieht. Dann ist er aber von der „Wassertheorie“ sogar so überzeugt, dass er seinen Stand mitten in einem flachen Gewässer einnimmt und bis zum Dunkelwerden hier aushält.
Genutzt hat es ihm allerdings überhaupt nichts; keine streichende Waldschnepfe hat er heute Abend in Anblick gehabt. Vielleicht hätte er, statt an die „Wassertheorie“ zu glauben, doch lieber ein kräftiges Stoßgebet zu Sankt Hubertus nach oben schicken sollen.