LÄNDER Afrika Jagen auf Löwen – Herrscher der Savanne

Jagen auf Löwen – Herrscher der Savanne

Wilde Löwen werden in Zukunft wohl nur noch in ganz dünn besiedelten Landschaften Afrikas existieren: in großen Naturreservaten und Safari-Gebieten. Also in landwirtschaftlich wenig genutzten Räumen, wo die Vorteile aus der Wild-Haltung größer sind als die von Ackerbau und Viehzucht oder Industrialisierung. Wo nachts wilde Löwen brüllen, da ist noch ursprüngliches Afrika. Ein Situationsbericht aus Namibia (Stand Juni 2002).

Von Dr. Volker Guthörl
Zum Areal des Löwen gehörten einst ganz Afrika sowie weite Teile Asiens und Europas. Die alten Perser, Griechen und Römer jagten ihn noch in Nordafrika, Vorderasien, Süd- und Osteuropa, auf der Arabischen Halbinsel, in Persien und Indien. In Griechenland wurden die letzten Löwen um das Jahr 100 nach Christus ausgerottet. Die letzten Berberlöwen verschwanden aus Tunesien und Algerien um das Jahr 1891, aus Marokko 1920.Peter Kolb, der als früher Missionar wirkte, berichtet noch von häufigen Löwenvorkommen um Kapstadt und von den Löwenjagden der Hottentotten im Namaqualand (1719). Um 1860 waren die letzten Kaplöwen ausgerottet. Wie Berberlöwen trugen sie riesige Mähnen, die bis zum Bauch reichten. Gelegentlich sieht man Nachkommen dieser Rassen noch in Zirkussen.

Asiatische Löwen gibt es heute nur noch im indischen Gir-Urwald; der isolierte Bestand von etwa 200 Stück ist extrem verwundbar. Trotz der gravierenden Verkleinerung des Lebensraumes in historischer Zeit ist der Löwe als Art nicht gefährdet. Das Verbreitungsgebiet umfasst immer noch riesige, zusammenhängende Gebiete auf dem afrikanischen Kontinent. Der Löwe beherrscht fast alle Lebensräume, außer den tropischen Regenwald und das Innere ausgedehnter Wüsten. Doch selbst in Wüsten dringt er entlang der Galeriewälder weit vor.

In Namibia zum Beispiel entlang der Riviere (Trockenflüsse), die durch die Namib hindurch bis zur Skelettküste reichen. An dieser unwirtlichen Küste ernähren die Löwen sich von Robben und angespülten Walkadavern. Eigentlich braucht der Löwe nur genug große Beutetiere, um zu leben. Wasser nimmt er zwar sehr gerne, wenn es verfügbar ist. Wenn nicht, kommt er aber auch mit dem Wasser in Blut und Eingeweiden seiner Beutetiere aus.

Leben im Rudel

Als einzige Großkatze leben Löwen im Rudel. In Gebieten oder Zeiten geringen Beutevorkommens sind diese Rudel klein; größere Verbände zerfallen dann in kleine Trupps. Ist die Beute reichlich, werden Löwenrudel nicht selten über 30 Kopf stark. Überwiegend dämmerungs- und nachtaktiv jagen Löwen gelegentlich auch am Tage, wenn sie hungrig sind und die Witterung kühl ist. Doch in der heißen Mittagszeit, wenn die Sonne vom Himmel brennt, ruhen sie fast immer im Schatten nahe ihres letzten Risses oder einer Wasserstelle.

Kern des Rudels sind die Löwinnen. Sie jagen die Beute, die Mähnenlöwen beteiligen sich selten an der Jagd. Trotzdem haben die Paschas immer Vortritt am Riss. Junge Löwinnen bleiben in der Regel im Mutterrudel, junge Mähnenlöwen werden von ihren Vätern vertrieben, sobald sie geschlechtsreif werden. Alleine oder mit ein, zwei Kumpanen streifen sie dann umher, bis sie stark genug sind, ein eigenes Rudel zu erobern, das sie dann auch gemeinsam beherrschen.

Ein alter Mähnenlöwe, besiegt und aus dem Rudel verjagt, lebt nicht mehr lange. Meist ist er ernstlich verwundet; sein Jagderfolg ist zu gering, um ihn zu erhalten. Abgemagert und schwach, beenden Hyänen seine Laufbahn. Die letzten seiner Nachkommen werden von den neuen Paschas getötet. Die Zeit der Herrschaft über ein eigenes Rudel ist zu kurz, um sie mit der Aufzucht von Nachkommen des Vorgängers zu vergeuden!

Bei genügend Fraß sind Löwen äußerst vermehrungsfähig.
Fotos: Werner Layer, Jürgen Gauß

Keine Junglöwen ohne Mähnenlöwe

 

Keine Junglöwen ohne Mähnenlöwe

Die Vermehrungsrate ist erstaunlich, wenn genug Fraß verfügbar ist. Mit drei Jahren werden Löwinnen fortpflanzungsfähig und bringen dann alle zwei Jahre einen Wurf, bis sie etwa 15 Jahre alt sind. Zwischen eins und sechs, in der Regel zwei bis vier Köpfe, ist ein Wurf stark. Die Junglöwen werden abseits des Rudels zur Welt gebracht. Erst im Alter von vier bis sechs Wochen führt die Löwin sie zum Rudel. Allerdings nur, wenn dort keine stärkeren Junglöwen sind, die noch Milch saugen. Weil alle Jungen Zutritt zum Gesäuge jeder Löwin haben, wäre die Konkurrenz für die Kleinen zu stark. So kann ein neues Rudel entstehen, wenn sich noch ein Mähnenlöwe einfindet.

Das Überleben der Junglöwen hängt stark vom Beute-Angebot ab. Solange die Beute reichlich ist, werden sie sogar von den starken Mähnenlöwen am Riss geduldet. Herrscht jedoch Nahrungsmangel, dann ist die Rangordnung gnadenlos. Zuerst kommen die Mähnenlöwen, dann die Löwinnen und erst zuletzt die Kleinen.

Wenn das Rudel dann noch in kleinere Trupps zerfällt, die weit umherstreifen und sich von kleinerer Beute ernähren müssen, dann kommen die Junglöwen fast immer um. Wichtig für sie ist nämlich der Schutz der Mähnenlöwen, wenn die Löwinnen jagen. Ohne Beschützer werden sie leichte Beute für Adler, Leopard, Hyänen und Wildhunde. In der fast wasserlosen Einöde der inneren Kalahari kommt Großwild nur in geringer Dichte vor. Neuere Forschungen haben gezeigt, dass dort kein Junglöwe überlebt, wenn der Mähnenlöwe erlegt wird.

In Lebensräumen mit gutem Beuteangebot hingegen hat die Jagd nur geringen Einfluss. Dort bilden sich große Rudel mit mehreren Mähnenlöwen, die den Junglöwen Schutz bieten. Zudem sind Löwen überaus fruchtbar, wenn sie gut genährt sind. Gleich nach dem Werfen kommt die Löwin wieder in Hitze. Falls der Wurf umkommt, kann sie sofort wieder belegt werden und schon nach vier Monaten einen neuen Wurf bringen. Deshalb werden Löwinnen in manchen Naturreservaten sterilisiert. Es wäre dort aussichtslos, den Bestand nur durch Trophäenjagd regulieren zu wollen.

Die Jagd auf Löwen

Die Jagd auf Löwen

Löwenjagd ist an sich nicht gefährlich. Dem beeindruckenden Ganzpräparat in der Halle sieht man es kaum an, ob die Großkatze nach anstrengender und riskanter Jagd auf der Fährte im Busch oder vom sicheren Auto oder Hochsitz aus im diskret umzäunten Löwencamp erlegt worden ist. Es ist wohl Geschmacksache, wo da die Waidgerechtigkeit aufhört.

Hemingway schreibt: „Es gibt zwei Arten, einen Löwen zu ermorden. Die eine: man schießt ihn vom Auto aus; die andere: man schießt ihn aus dem Hinterhalt, von einem Versteck oder einem Machan in einer Dorn-Boma aus. Man braucht eine Taschenlampe, denn er kommt des Nachts, um sich den Köder zu holen, den der Schießer oder auch sein Führer ausgelegt haben. Sportlich gesehen, rangieren diese beiden Arten von Löwenmord auf der selben Ebene wie das Fischen mit Dynamit oder das Harpunieren eines Schwertfischs. Trotzdem haben viele Leute, die nach Afrika gegangen sind, um sich hinterher wie Jäger oder Großwildjäger vorzukommen, Löwen vom Auto aus oder aus dem Hinterhalt geschossen.“

Allerdings war Hemingway in seiner „sportlichen“ Einstellung nicht sehr konsequent. An anderer Stelle schildert er seine vergebliche Mühe, den Großen Kudu durch wochenlange Ansitze im Schirm an einer Salzlecke zu erbeuten.

Am Luder ist der Löwe ziemlich sicher zu erbeuten. Deshalb ist dies auch die Methode der Wahl bei den heute üblichen, dreiwöchigen Kurzsafaris im südlichen und östlichen Afrika. Sind Löwinnen im Gebiet, dann kommen sie früher oder später ans Bait, zusammen mit den Mähnenlöwen. Der Löwe ist viel zu faul, um selbst zu jagen, wenn er sein Futter bequem präsentiert bekommt. Und Löwen sind furchtlos. Meist nehmen sie das Luder auch an, wenn sie den Menschen bemerkt haben. Nur bei extrem hohem Jagddruck werden Löwen gewitzt und meiden das Luder.

Die Jagd auf der Löwenfährte, im frankophonen Afrika üblich, ist zweifellos eine größere jagdliche Herausforderung. Gute körperliche Kondition und sehr gute Schießfertigkeiten sind unverzichtbar. Wer hier schlapp macht, sei es wegen mangelnder Fitness oder fehlender Courage, der hat schlechte Aussichten, einen Löwen auch nur zu Gesicht zu bekommen. Doch auch hier kann der Berufsjäger helfen. Gar nicht so selten reicht der überforderte Jagdgast seinem Führer die Büchse mit der Bitte, das Wild für ihn zu erlegen.

„Sportlichkeit“ oder „Waidgerechtigkeit“ sind nicht nur eine Frage der Jagdmethode, sondern auch der inneren Einstellung. Wer die Saujagd mit dem „künstlichen Mond“ an der Kirrung betreibt, dem mag auch die Löwenjagd am Bait, vom sicheren Landrover aus, mit Territorialruf vom Tonband und Scheinwerfer behagen. Mit dieser Methode haben wir Löwen vor das Betäubungsgewehr gelockt. Für Forschungszwecke ist das sicher und effektiv. Es kann auch spannend und etwas riskant werden, wenn das restliche Rudel näherrückt, während der betäubte Löwe markiert wird. Mit Jagd hatte das für mich aber nie etwas zu tun.

Hinter einem Grasbüschel kann sich ein Löwe unsichtbar machen, bis man auf wenige Meter heran ist. Bei einer Kontrolljagd auf Schadlöwen in Simbabwe wurde ein Mähnenlöwe angeschweißt und zog ins Naturreservat. Entlang eines Fahrweges suchten wir nach der Fährte und stießen plötzlich auf zwei Löwinnen. Sie saßen gut sichtbar mitten auf der Fahrspur. Auf kurze Distanz konnte ich sie photographieren, bevor sie absprangen. Die weitere Nachsuche blieb leider ergebnislos. Den Mähnenlöwen hinter einem kleinen Busch neben den Löwinnen haben wir erst später auf dem Photo entdeckt!

Im Etoscha-Nationalpark wollten wir die Überreste einer Löwenmahlzeit für wissenschaftliche Untersuchungen einsammeln. Es war an der bekannten Wasserstelle, direkt am Touristencamp Okaukuejo. Von dort aus hatten wir die Umgebung des Risses sehr genau inspiziert. Wir waren ganz sicher, dass kein Löwe in der Nähe war. Auf zehn Meter herangekommen, wurden wir dann eines Besseren belehrt. Unmittelbar neben dem Oryxkadaver grollte plötzlich eine Löwin und setzte zum Sprung auf uns an. Nur mit einer Kamera bewaffnet, machte ich beim sehr langsamen Rückzug eine Photographie, war aber ziemlich sicher, dass es meine letzte sei.

Glücklicherweise zog sich die Löwin ebenfalls zurück. Die Aufnahme mit angriffsbereiter Löwin im Vordergrund und gaffenden Touristen auf der Bank im Hintergrund ist wohl einmalig. Die selbe Löwin, sie war gut bekannt und markiert, hat später einen Touristen nachts auf der selben Bank angegriffen und aufgefressen.

Wenn der Löwe überraschend springt, ist es für einen gezielten Schuss zu spät. Doch Löwen neigen dazu, vor einem Angriff zu grollen und geben damit etwas Vorwarnzeit. Im Gegensatz zum Leoparden macht der Löwe manchmal auch Scheinangriffe und dreht in letzter Sekunde ab, selbst wenn er angeschweißt ist. Scharfe Löwenhunde, die die Katze rechtzeitig anzeigen und binden, sind eine Lebensversicherung. Leider ist die Jagd mit Hunden in manchen Ländern nicht legal. Stattdessen scheint die Nachsuche mit dem Landcruiser gängige Praxis zu werden.

Sozialstruktur der Löwen

Sozialstruktur der Löwen

Angedeutet wurde bereits die Gefährdung der Junglöwen durch den Abschuss der Mähnenlöwen. Bei zu starkem Jagddruck kann dadurch die Sozialstruktur eines Bestandes empfindlich gestört werden. Im Rahmen der heute üblichen Kurzsafaris, ist es kaum praktikabel, ausschließlich überalterte Mähnenlöwen gezielt bejagen zu wollen. Sinnvoller erscheint es, ein überjagtes Gebiet zeitweise ganz zu sperren, bis wieder genug alte Mähnenlöwen herangewachsen sind. Das hilft nicht nur den Löwen, sondern auch den Jagdgästen. Für die betroffenen Berufsjäger mag es zunächst schmerzlich sein, langfristig ist es aber gut für den Bestand der Trophäenjagd.

Ob solche Uberlegungen bei dem kürzlich erlassenen Löwenjagd-Verbot in Botswana mit eine Rolle gespielt haben, ist fraglich. Bedeutender war wohl der politische Einfluss einiger Safariunternehmen, die sich durch die Trophäenjagd gestört fühlten. Es wird nicht bestritten, dass die jagdliche Nutzung des Löwen seiner Erhaltung in freier Wildbahn dienlich sein kann.

Angestrebt wird aber eine Beschränkung der Trophäenjagd auf Konzessions-Gebiete, die für den Foto-Tourismus uninteressant sind. Dieser Wettbewerb zwischen Foto- und Jagdsafariunternehmen um die besten Löwengebiete zeigt, wie groß die ökonomische Bedeutung des Löwen als Attraktion für Afrika-Touristen ist. Deshalb sind Löwen in Naturreservaten und unbesiedelten Safari-Konzessionen gern gelitten. Ganz anders die Situation auf Farmland. Da sind die Löwen fast ausgerottet, denn Löwen und kommerzielle Viehhaltung sind unvereinbar.

Der Nahrungsbedarf dieser Großkatze ist enorm. Zudem schlagen Löwen nicht selten weit mehr, als sie fressen können. Wenn sie in eine Rinderherde kommen und „in Blutrausch“ geraten, können sie alles töten, was in Reichweite ist. Kein Farmer kann den Verlust mehrerer Dutzend Rinder leicht verkraften, ganz zu schweigen von wertvollen Zuchtbullen. Einnahmen aus der Trophäenjagd wiegen solche Schäden nicht auf.

Den lnteressenskonflikt zwischen Großraubwild und kommerzieller Viehhaltung verdeutlichen die Meinungsverschiedenheiten um die Löwen des Etoscha-Nationalparkes. Dieses rund 22.000 Quadratkilometer große Naturreservat im Norden Namibias grenzt unmittelbar an kommerzielles Farmland. Etoscha hat einen Bestand von vielleicht 300 Löwen. Ganz genau weiß es zur Zeit niemand.

Noch vor wenigen Jahren gab es ein paar Naturschutzbeamte, die einen recht guten Überblick hatten. Während meiner Tätigkeit in Etoscha, vor knapp zehn Jahren, verbrachten wir viel Zeit damit, möglichst viele Löwen durch Brand zu markieren. Aus dem Verhältnis von markierten zu unmarkierten Tieren, lässt sich der Gesamtbestand dann recht genau hochrechnen.

Schadlöwen auf Grenzfarmen wurden möglichst eingefangen und in das Reservat zurückgebracht. Das half aber nicht viel, weil es sich meist um überzählige Halbstarke handelte, die bald wieder auf die Farmen auswanderten. Vieh, also leichte Beute für unerfahrene Junglöwen, gab es dort reichlich. Immerhin aber kannten die Naturschutz-Beamten ihren Löwenbestand. Das Verhältnis zu den Grenzfarmern war gut. Viele Beamte stammten selbst aus Farmerfamilien und kannten die Nöte des Farmlebens. Niemand regte sich auf, wenn ein Farmer Löwen schoss, die seinem Vieh zu Leibe gingen.

Kein Geld für Naturschutz

Diese Zeiten sind leider vorbei. Die Nationalpark-Verwaltung und das Ökologische Institut von Etoscha haben kaum noch Geld für Wildforschung oder Raubtier-Management. Es fehlt an den nötigen Mitteln und an brauchbarer Ausrüstung, wohin man auch schaut. Selbst Benzin für Kontrollfahrten ist zeitweise rationiert. Nach dem Abzug der südafrikanischen Mandatsmacht werden Beamte südafrikanischer Abstammung von ihren neuen Vorgesetzten und Kollegen bewusst diskriminiert, bis sie keine Zukunftsperspektive im Staatsdienst mehr sehen. So haben fast alle erfahrenen Naturschutzbeamte den Dienst quittiert, sobald sie ein attraktives Angebot von einer privaten Wilfarm oder einem Safariunternehmen bekamen.

Immer öfter melden sich nun junge Naturschützer und Ökologen zu Wort, die nicht selten aus Übersee stammen. Sie kennen weder die Nöte der Grenzfarmer aus eigener Erfahrung, noch die genaue Bestandssituation der Löwen. Als vor wenigen Jahren ein Farmer in einem Jahr über dreißig Löwen schoss, die seine Rinderherden zehnteten, ging ein Aufschrei durchs Land: Die Farmer rotten die letzten Löwen Namibias aus!

Tatsächlich lebt der Hauptteil des namibianischen Löwenbestandes in der Etoscha. Doch wieso wechseln so viele Löwen auf die Grenzfarmen? Das Argument, der Bestandsdruck im Park sei zu hoch und der Überschuss wandere ab, wird nicht von allen Tierschützern akzeptiert. Sie meinen, das Vieh und die guten Wildbestände auf den Grenzfarmen seien für die Löwen attraktiver als der Nationalpark. Durch ständigen Abschuss in der Nachbarschaft blute der Löwenbestand im Reservat regelrecht aus. Die ganze Population sei dadurch gefährdet.

Gelegentlich verlaufen die Fronten dieser Debatten sogar mitten durch Familien hindurch. Weil symptomatisch, sei hier ein Streit erwähnt, den zwei Brüder zeitweise öffentlich über die Tageszeitung führten. Beide sind alteingesessene Südwester und Grenzfarmer am Nationalpark. Der eine ist Rinderzüchter und Jagdfarmer. Seine Frau stammt aus einer alten Südwesterfamilie. Jahrelang mussten sie vieles entbehren, bis der Farmbetrieb aufgebaut war. Die Decke des ersten Mähnenlöwen, den der Mann zum Schutz seines Viehs erlegte, mussten sie aus Geldnot verkaufen. Mit Rinderhaltung und Jagdbetrieb kommen sie inzwischen ganz gut zurecht. Doch Löwen wollen sie auf ihrer Farm nicht dulden.

An den Rindern und dem Wild hängt die Existenz der Familie. Sie schießen die Löwen oder lassen sie von Jagdgästen erlegen, sobald sie aus der Etoscha herüberkommen. Beide sind Naturfreunde und grundsätzlich nicht gegen Löwen, solange sie nur im Reservat bleiben und ihr Vieh in Ruhe lassen. Der Bruder ist ebenfalls Rinderfarmer. Seine Frau ist nach Namibia eingewandert; sie hat eigene Ansichten zum Naturschutz. Als zweites Standbein haben sie eine Touristenlodge aufgebaut. Der Jagdbetrieb läuft eher nebenher, die Frau hat keinen besonderen Bezug zur Jagd. Ohnehin passen Phototouristen und Jagdgäste nicht gut zueinander. Löwenschäden erleiden sie kaum, weil ihre Farm nicht unmittelbar an die Etoscha angrenzt. Die bereits erwähnte Farm des Bruders liegt noch dazwischen.

Nun ist der Tourismus ein hartes Geschäft, wenn man eine Gästefarm am Ende der Welt betreibt. Um Gäste anzulocken, muss man sich etwas einfallen lassen. Landschaftlich gibt es keine Besonderheiten. Kudus, Oryx und Warzenschweine sind im ganzen Land zu sehen. Viele Gästefarmen haben ein paar Leoparden oder Geparden im Gehege. Sogar eine Gepardenlodge mit Streichelkatzen und passender Gepardenstiftung gibt es an der Hauptstrasse zur Etoscha. Doch Löwen wären gut! Die gibt es auf Gästefarmen bisher noch kaum. Ein Käfig ist schnell gebaut und ein paar Zoolöwen besorgt. Leider lockt ein Gehege allein noch keine Touristen an, denn Löwen sieht man auch im Nationalpark. Also wird eine Löwenstiftung gegründet, ähnlich der erfolgreichen Gepardenstiftung, zum Schutz der „bedrohten“ Großkatze. Nur, als „Löwenschützer“ muss man auch kräftig gegen die „Löwenkiller“ wettern, also gegen die Grenzfarmer. Und schon ist der Bruderzwist da.

Wildhege-Gebiete – für weniger Konflikte

Eine Möglichkeit, wie Konflikte zwischen Löwenschutz und Viehzucht gemildert werden können, ist die Schaffung von Wildhegegebieten. Beispiele dafür gibt es in mehreren afrikanischen Ländern. Privatfirmen, die an den südafrikanischen Krügerpark angrenzen, leben inzwischen gut vom Jagd- und Phototourismus. Sie haben die Rinder ganz abgeschafft. Die Grenzzäune zum Krügerpark wurden teilweise abgebaut. In Sambia, Simbabwe, Tansania, Namibia oder Botswana gibt es staatliche Jagdkonzessionen, die an Safariunternehmen verpachtet werden sowie kommunale oder private Hege-Gemeinschaften. Sie leben von der Wildnutzung und profitieren vom Wildreichtum der großen Nationalparke. Wildhegegebiete um die großen Naturreservate herum sind Pufferzonen zu den Viehzuchtgebieten. Doch diese Vorbilder lassen sich nicht einfach übertragen.

 

Der Grenzzaun des Etoscha-Nationalparks, der in den 70er Jahren um das ganze Naturreservat herum errichtet wurde, hat mehrere Funktionen. Er hält das Wild im Park, um es vor unkontrolliertem Abschuss zu bewahren und um die Grenzfarmen vor Wildschäden zu schützen. Über weite Strecken ist der Zaun deshalb elefantensicher gebaut und mit Eisenbahnschienen und Stahltrossen verstärkt. Der Südzaun ist aber auch Bestandteil der „Roten Linie“. Das ist ein Veterinärzaun, der sich von West nach Ost quer durch das ganze Land zieht und die seuchenfreien, kommerziellen Viehzuchtgebiete des Kernlandes von den nördlichen Landesteilen trennt.

Entlang der „Roten Linie“

Entlang der „Roten Linie“

Im Norden ist die Viehhaltung mit Hirten noch vorherrschend. Gefürchtete Seuchen wie Rinderpest, Brucellose, Milzbrand oder Maul- und Klauenseuche sind dort, aber auch in den Wildbeständen des Nationalparks, weit verbreitet. Die Veterinär-Richtlinien der Europäischen Union, ein Hauptmarkt für Rindfleisch, sind streng. Um den Export nicht zu gefährden, werden diese Bestimmungen in Namibia genau eingehalten.

Aus seuchenhygienischen Gründen verlangen die Veterinäre einen doppelten Grenzzaun zum Wildreservat. In Botswana oder Simbabwe sind die Verhältnisse übrigens ähnlich. Hinzu kommt dort noch die Kontrolle der Nagana-Seuche, die von der Tsetsefliege übertragen wird. Die Tsetse-Kontrollzäune in diesen Ländern sind ebenfalls doppelt gezogen.

So verlaufen an der rund 430 Kilometer langen Südgrenze des Etoscha-Nationalparks zwei Zäune parallel zueinander. Die breite Schneise dazwischen wird vegetationsfrei gehalten, um das Wild im Park von dem Vieh auf den Grenzfarmen wirksam zu trennen. Der innere Wildzaun ist knapp vier Meter hoch, unten in den Boden eingelassen und sollte auch raubwilddicht sein. Doch aus Geldmangel wird er seit Jahren schlecht gewartet. Schakale, Hyänen und Warzenschweine graben Löcher unter dem Zaun hindurch, und auch die Löwen finden einen Durchschlupf.

Diese Zäune wurden noch in der südafrikanischen Mandatszeit errichtet. Das wirtschaftlich starke Südafrika investierte erhebliche Mittel in die landwirtschaftliche Entwicklung des Territoriums, denn ganz Südwestafrika war eine strategische Pufferzone zum kommunistischen Angola. Zudem war der Veterinärzaun entlang der „Roten Linie“ eine Trennungslinie zwischen dem stark kommunistisch beeinflussten, aufrührerischen Norden des Territoriums und dem politisch stabileren Kernland.

Während der Verhandlungen zur politischen Unabhängigkeit Südwest-Afrikas forderten historisch gebildete Politiker sogar die Trennung des Territoriums entlang der „Roten Linie“. Aus völkerrechtlicher Sicht gehörte der Norden nämlich nicht eindeutig zum Mandatsgebiet. Owamboland war nicht von der deutschen Kolonialmacht, sondern erst später von der südafrikanischen Mandatsmacht unterworfen worden. Der dicht bevölkerte, mehrheitlich oshiwambo-sprachige Norden sollte in freien Wahlen von der SWAPO übernommen werden, die sich ohnehin weit überwiegend aus dem Volk der Owambo rekrutiert.

Das alte Kernland im Süden hingegen sollte nach den Vorstellungen dieser Politiker von der Demokratischen Turnhallen Allianz regiert werden, die die anderen wichtigen Volksgruppen Namibias – also Herero, Nama/Damara, Baster und Weiße – repräsentiert. Alle anderen Völker zusammengenommen sind immer noch eine Minderheit im Vergleich zur erdrückenden Mehrheit der Owambo. Es wurde befürchtet – und wie die heutige Lage mit Recht beweist – der Besetzung des Landes durch die Südafrikaner könnte eine Okkupation durch die Owambo folgen. Obwohl die Trennung des Territoriums Südwestafrika, auf Druck der SWAPO und der verbündeten Mächte, schließlich doch verworfen wurde, ist die ,,Rote Linie“ für viele Namibier noch immer auch eine politische Grenze.

Das Wild soll im Park bleiben!

Das Wild soll im Park bleiben!

Zur Schaffung einer Hege-Gemeinschaft mit Großraubwild und Anbindung an den Etoschapark müssten Grenzzäune fallen. Eine Verlagerung des Veterinärzaunes nach Süden wäre die zwangsläufige Folge. Das wäre ein kostspieliges Unterfangen, das nach dem Abzug der Südafrikaner wohl nur mit internationaler Finanzhilfe zu bezahlen wäre. In dem angedeuteten, historischen Kontext wäre die Verschiebung der ,,Roten Linie“ nach Süden auch politisch äußerst delikat. Die damit verbundene Abschaffung der kommerziellen Rinderzucht in der entstehenden Pufferzone wäre eine Teil-Enteignung der betroffenen überwiegend weißen Farmer!

Solange es Grenzfarmer gibt, die überwiegend Vieh bewirtschaften, kann eine Hegegemeinschaft mit Löwenhaltung nicht funktionieren. Viele Grenzfarmer sind mit der jetzigen Situation aber durchaus zufrieden. Die Löwen sollen im Nationalpark bleiben! Warum sollten sie die Rinder abschaffen, die ein wichtiger Bestandteil ihrer Existenz sind? Mancher Jagdfarmer fürchtet auch um seinen wertvollen Schalenwildbestand, der in den Park abwandern könnte oder vom Raubwild dezimiert würde.

Durch den Grenzzaun werden die uralten Wanderwege des Wildes abgeschnitten, mit negativen Folgen für das gesamte Ökosystem Etoscha. Dennoch hat die Parkverwaltung ganz ähnliche Bedenken gegen den Zaunabbau wie manche Farmer. Befürchtungen, das Wild könnte aus dem Park abwandern und von skrupellosen Grenzfarmern ausgebeutet werden, sind ziemlich unbegründet.

Denn im Rahmen einer Hegegemeinschaft (Conservancy) mit staatlich anerkannter Satzung, Hege- und Nutzungskonzept könnte man schwarze Schafe durchaus kontrollieren. Doch der namibianische Staat verdient nicht schlecht am Verkauf von Lebendwild aus der Etoscha. Schon vor Jahren wurde ein großes Gebiet im Westen des Reservats separat gezäunt. Es wird von Großräubern frei gehalten und dient der Hege seltener Arten wie Nashorn oder Pferdeantilope, die sich ohne Raubwilddruck dort prächtig vermehren. Auf staatlichen Wildauktionen werden Exemplare dieser seltenen Arten an private Wildfarmer verkauft. So brachten „Zuchtbullen“ der Pferdeantilope im vergangenen Jahr Erlöse von über 15.000 Euro. Dieses einträgliche Geschäft wäre natürlich gefährdet, sobald das Wild durch natürliche Wanderung den Besitzer wechseln könnte.

Der Zaun als „Schutzschild“

Der Zaun als „Schutzschild“

Eine weitere Funktion des Grenzzaunes, aus der Sicht mancher Naturschützer inzwischen die wichtigste, ist der Schutz des Nationalparks vor wilder Beweidung oder gar Besiedlung aus den bevölkerungsreichen Kommunalgebieten im Norden und Westen. Welcher Naturschutzbeamte könnte es wagen, einen Hirten samt Vieh und Anhang aus dem Naturreservat zu vertreiben, wenn diese Viehherde einem Häuptling gehört, der gute politische Beziehungen und Verwandtschaft in der SWAPO-Regierung hat?

Unmittelbar nördlich des Nationalparks, haben einflussreiche Mitglieder der Regierungspartei bereits große Stücke öffentlichen Landes widerrechtlich eingezäunt und als Privatfarmen in Besitz genommen. Obwohl diese illegalen Praktiken wiederholt in den öffentlichen Medien des Landes angeprangert wurden, hat die Regierung nichts dagegen unternommen.

Fast traumatisch für manche Naturschützer war ein Ereignis im benachbarten Südafrika. Eine Volksgruppe, die einst gegen ihren Willen aus ihrer angestammten Heimat ausgesiedelt worden war, hat kürzlich vor Gericht die alten Landrechte im Krüger-Nationalpark wiedererhalten. Das könnte ein Präzedenzfall sein!

Die größte Gefahr – Trägheit

Die größte Gefahr – Trägheit

Wenn kein politischer Kraftakt geschieht, stehen der Abbau des Grenzzaunes zum Etoscha-Nationalpark und die Schaffung einer großräumigen Wildhegegemeinschaft in weiter Ferne. Von der gegenwärtigen Regierung Namibias ist ein solcher Kraftakt kaum zu erwarten. Nicht aus Rücksicht auf die weißen Farmer, sondern aus Trägheit. Trotz mehrfacher politischer Willensbekundungen hat es die neue Administration in zehn Jahren politischer Unabhängigkeit noch nicht einmal geschafft, das bereits vorhandene, touristisch wichtige Grenztor Mata-Mata zum Kalahari-Gemsbock-Nationalpark in Südafrika wieder zu eröffnen.

Die Nationalparkverwaltung, Wildbiologen aus dem Ökologischen Institut von Etoscha, benachbarte Grenzfarmer und private Naturschutzorganisationen treffen sich inzwischen regelmäßig, um aktuelle Löwenprobleme zu besprechen und pragmatische Lösungen zu finden. Der Etoscha-Grenzzaun soll, auch mit Hilfe der privaten Löwenstiftung, besser instand gehalten werden.

Ein 32 Kilometer langes Teilstück des rund 430 km langen Südzaunes wird als Teststrecke sogar elektrifiziert. Doch selbst wenn es gelänge, die Löwen dadurch im Nationalpark zu halten, ist die Errichtung und Unterhaltung eines Elektrozaunes extrem teuer und auf Dauer wohl nur mit auswärtiger Hilfe zu finanzieren. So wird dieser Zaun wohl zu einem weiteren Symbol unüberbrückbarer Gegensätze zwischen westlichen Naturschutzidealen und afrikanischer Realität, zwischen europäischer Entwicklungshilfe und afrikanischer Renaissance.

Beispiel: Campfire-Gebiete in Simbabwe

Beispiel: Campfire-Gebiete in Simbabwe

In mehreren afrikanischen Ländern, zum Beispiel in Sambia, Simbabwe, Namibia, Botswana und Tansania, gibt es seit einigen Jahren auch Wildhegegebiete auf besiedeltem öffentlichem Land. Internationale Berühmtheit bei Auslandsjägern und fortschrittlichen Naturschützern haben die CAMPFIRE-Gebiete in Simbabwe erlangt. Diese kommunalen Conservancies werden von der örtlichen Bevölkerung ähnlich einer Jagdgenossenschaft verwaltet. Ortsansässige haben das Recht, ihr Wild im Rahmen eines behördlich genehmigten Bewirtschaftungsplanes zu nutzen. Sie können selbst jagen oder die Nutzungsrechte verpachten.

Durch Vergabe von Jagdkonzessionen an Berufsjäger und durch Safari- oder Lodge-Konzessionen an andere Tourismusunternehmen profitieren die Leute finanziell auch von dem Großraubwild, das in ihrem Gebiet vorkommt. Trotzdem geht es den Löwen in den kommunalen Wildhegegebieten nicht viel besser als auf privatem Farmland.

In Namibia sorgte kürzlich ein Fall für Aufsehen, der symptomatisch ist. Es geschah in der Tora-Hegegemeinschaft im Süden des fernen Kaokoveldes. Traditionell halten die Leute dort Rinder, Ziegen und Esel. Nach europäischen Maßstäben hat das Vieh keine besondere wirtschaftliche Bedeutung, wenn man sie ins Verhältnis zu dem touristischen Potenzial des Kaokoveldes setzt.

Die spektakuläre Naturlandschaft und das Großwild locken seit Jahren gut zahlende Touristenscharen aus aller Welt an. In der trockenen Bergwildnis des Kaokoveldes gibt es noch Spitzmaulnashörner, die berühmten Wüstenelefanten, Leoparden, Geparden, Löwen und Hyänen, außerdem Bergzebras, Strauße, Springböcke, Oryx, Kudu und das endemische Schwarznasenimpala. Die Zahl hochwertiger Arbeitsplätze im Tourismus wächst stetig an. Für die Himbas und Herero, nomadisierende Viehhalter seit Generationen, bleibt das Vieh aber ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität und des traditionellen Lebensstils.

Die Idee: Ein nutzender Naturschutz

Die Idee: Ein nutzender Naturschutz

Ein paar engagierte Naturschützer haben es dennoch geschafft, die Leute für den Wild- und Naturschutz zu motivieren. Seit Jahren gibt es eine freiwillige Wildhütertruppe, und seit kurzem ist die örtliche Wildhegegemeinschaft staatlich anerkannt. Sie bezieht finanzielle Einnahmen aus mehreren Konzessionen an Safarifirmen, darunter ein Jagdunternehmen. Zudem dürfen die Leute im Rahmen einer genehmigten Abschussquote selbst jagen und das Wildbret nutzen.

Doch dieses grundsätzlich vernünftige System eines nutzenden Naturschutzes, von Naturschützern und Jagdverbänden gleichermaßen gepriesen, ist noch nicht fest etabliert. Es wurde von Weißen mit europäischen Wert- und Naturvorstellungen aufgebaut und wird noch immer von westlichen Naturschutzverbänden wesentlich mit getragen. Als der für Raubtier-Forschung und -schutz zuständige Naturschutzbeamte einmal nicht zu erreichen war – er weilte auf einem wissenschaftlichen Kongress in Übersee – fiel man schnell in die alten Verhaltensmuster zurück. Eine Gruppe Geparden, die sich bei einer Ansiedlung eingestellt hatte und eine Attraktion für ein nahes Touristencamp geworden war, schlug ein paar Ziegen. Zum Entsetzen der Tourismusleute, fackelte der Ziegenhalter nicht lange und erschoss die Raubkatzen. Zu seiner Rechtfertigung meinte der Mann, ein Mitglied der Hegegemeinschaft, die Naturschützer müssten halt besser auf ihre Katzen aufpassen.

Einem Löwen, der zwei klapprige Esel geschlagen hatte, ging es kurz darauf nicht besser. Die nächste erreichbare Stelle der staatlichen Naturschutzbehörde, schickte die Anti-Wilderer-Einheit des Etoscha-Nationalparks zur Hilfe. Doch diese Truppe rekrutiert sich aus ehemaligen SWAPO-Guerillakämpfern. Das sind keine sanften Naturschützer, sondern im Buschkrieg geschulte, militärisch bewaffnete Krieger, die mit dem Schnellfeuergewehr argumentieren. Ohne weitere Rücksprache wurde das Löwenrudel aufgespürt und mit mehreren Salven eingedeckt. Zwei Löwen blieben auf der Strecke, die anderen entkamen angeschweißt. Als der zuständige weiße Naturschutzbeamte wenig später eintraf, war von seinen Löwen nicht mehr viel übrig. Sie waren bereits durch die Kochtöpfe in die Mägen der stets hungrigen Dorfbevölkerung gewandert.

Tradition und Fortschritt

Tradition und Fortschritt

Eine Ursache für diese scheinbare Unvernunft sind menschliche Schwächen im System. Es ist vorgekommen, dass die örtlichen Häuptlinge und Verwaltungschefs Einnahmen aus der Wildnutzung nicht aufteilten, sondern sich selbst bereicherten. Nicht nur sie, auch ihre Leute meinten, für einen Mann in herausragender Position sei das ein natürliches Anrecht. Naturschutzverbände und Entwicklungsorganisationen, die auf die Kooperation mit Schlüsselpersonen angewiesen sind, ignorieren gewisse Ungerechtigkeiten, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden.

So erklären sich auch Widersprüche zwischen dem international gepriesenen Erfolg der CAMPFIRE-Projekte in Simbabwe und der Realität vor Ort. Der kleine Mann in einem abgelegenen Dorf weiß nichts von einem Wildnutzungsprojekt. Irgendwelche Vorteile oder Einnahmen aus der Wildnutzung sind bis zu ihm nie vorgedrungen. Doch genau er ist es, der von den Wildschäden erdrückt wird.

Der Hauptgrund für solche Rückschläge ist aber die tiefsitzende Aversion der afrikanischen Landbevölkerung gegen gefährliches Großwild. Sie kann auch durch aufwendige Aufklärungs- und Ausbildungsprogramme nicht völlig beseitigt werden, weil sie zumindest teilweise begründet ist. Einnahmen aus Konzessions-Abgaben und Trophäen-Gebühren mögen wirtschaftliche Verluste durch Schadwild mehr als aufwiegen, doch die ständige Bedrohung, unter der die Leute leiden, ganz zu schweigen vom Verlust an Menschenleben, ist finanziell nicht kompensierbar.

Traditionelle Viehhalter, die mit dem Großraubwild wohl oder übel auskommen müssen, gibt es immer weniger. Oft beschrieben und weithin bekannt ist wohl das alte System der Massai in Ostafrika. Die Viehkräle werden mit Dornenverhauen vor Löwen geschützt. Ein junger Krieger wird erst zum Mann, wenn er einen Löwen mit dem blanken Speer getötet hat. Doch die Zeiten ändern sich. Nicht nur einzelne Schadlöwen, ganze Löwenrudel werden heute mit dem Schnellfeuergewehr oder mit Giftködern viel wirksamer und nachhaltiger beseitigt, als mit dem Speer.

Die Löwen, die auf manchen Jagd- und Wildfarmen in mehr oder weniger großen „Löwencamps“ für Phototouristen und „Trophäenjäger“ gehalten werden, seien hier nur kurz erwähnt. Sie können für den einzelnen Farmer wirtschaftlich wichtig sein. Zur Erhaltung einer möglichst großen genetischen Vielfalt der Art tragen sie ebenfalls bei. Aus jagdlicher Sicht sind sie aber nur bessere Zootiere.

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