AUSRÜSTUNG Waffen Merkel Mod. 60E

Merkel Mod. 60E

Querflinten spielen bei Neukäufen nur noch eine untergeordnete Rolle. Wirklich elegante, handwerklich gefertigte Querflinten liegen im fünfstelligen Eurobereich. Will man nicht ganz so viel ausgeben, wird man bei Merkel fündig, wo schon seit vielen Jahren eine elegante Querflinte mit Seitenschlossen gebaut wird. Wir haben uns die Merkel Mod. 60E genauer angeschaut. Von Norbert Klups

Merkels Seitenschloss-Querflinte ist schon lange auf dem Markt und war als Suhler Antwort auf die „Best Guns“ aus traditioneller englischer Fertigung gedacht. In der Aufmachung zeigt die Flinte alte und bekannte Suhler Büchsenmachertradition. Hier ist immer noch ein hoher Anteil an Handarbeit enthalten. Bei dem Verschluss kommt eine doppelte Laufhakenverriegelung kombiniert mit einem Greener Querriegel zur Anwendung, wie er sich bei fast allen Kipplaufwaffen findet, die auf Suhler Konstruktionen zurückgehen.

Die Sicherung liegt auf der Scheibe und sichert automatisch beim Abkippen des Laufbündels (Fotos: PPZV/Norbert Klups)

Die beiden kräftig dimensionierten Laufhaken sind an den Schrotläufen eingekeilt und mit Hartlot verbunden. Auch die Schienenverlängerung mit der Bohrung für den Greener-Riegel ist zwischen die Läufe eingesetzt sowie hart verlötet. Eine sehr haltbare und langlebige Verbindung, die bei den modernen Stahlsorten heute eigentlich kaum noch notwendig ist. Als Hartlot wird ein Silberlot mit niedrigem Schmelzpunkt verwendet, um eine Veränderung des Stahlgefüges der Läufe auszuschließen.

Ein nicht zu vernachlässigendes Detail, denn bei Messinglot, das einen Schmelzpunkt von 870 Grad hat, wird der erste Umwandlungspunkt des Stahls bereits überschritten. Das kann bei Silberlot, dessen Arbeitstemperatur bei 750 Grad liegt, nicht passieren. Der vordere Laufhaken stützt sich mit einer halbkreisförmigen Ausnehmung gegen den Scharnierstift ab, beide Haken werden mit breiten Verschlusskeilen verriegelt. Die Passung ist saugend. Beide Haken werden zwischen den Kastenbanden straff geführt, und auch die Schienenverlängerung tritt ohne sichtbares Spiel in die Ausnehmung am Kasten ein.

Die 60 E ist für das Kaliber 12/76 mit Stahlschrotbeschuss eingerichtet. Alle modernen bleifreien Schrotpatronen können demnach bedenkenlos verschossen werden.

Seitenschlosse

Die Schlosse sind als Seitenschlosse ausgeführt, aber nicht nach dem sonst üblichen Holland & Holland-Vorbild, sondern in der Suhler Ausführung. Eine richtige Entscheidung, denn das Suhler Seitenschloss ist seinem englischen Konkurrenten technisch überlegen. Es hat keine vorliegenden Federn, sondern halbrückliegende mit zusätzlicher Fangstange. Das ermöglicht den Bau von relativ kurzen Schlossen und erlaubt eine gute Abzugseinstellung.

Suhler Seitenschlosse mit halb rückliegenden Federn. Die Schlossbleche sind innen zirkopoliert

Die Hahnwelle wird durch die Schlossplatte geführt, sie ist von außen sichtbar. Durch einen mittig verlaufenden Steg wird angezeigt, ob das Schloss ge- oder entspannt ist. Die Wellenenden als Signalwellen auszubilden, ist ebenfalls alte Suhler Schule, findet sich aber auch bei den englischen Seitenschlossen relativ häufig.

Die Schlosse lassen sich ohne Werkzeug ganz leicht von Hand entnehmen. Dazu muss nur die Verbindungsschraube der Schlossbleche entfernt werden, deren Ende als Kurbel ausgebildet ist und auf der rechten Schlossplatte aufliegt. Das Innere der Schlosse ist eine Augenweide. Alle Teile sind penibel poliert und die Innenseiten der Schlossplatten sogar zirkopoliert.

Automatisch safe

Merkel verwendet Doppelabzüge, und die Sicherung sitzt am gewohnten Platz auf der Scheibe. Die 60 E besitzt eine automatische Sicherung, der Sicherungsschieber wird bei jedem Abkippen der Läufe automatisch in die hintere, gesicherte Position gedrückt. Das bringt bei der Jagd einen gewissen Sicherheitsvorteil, da nach dem Nachladen die Flinte immer automatisch gesichert ist und ein „Vergessen“ des Sicherns nicht möglich ist.

Wem die automatische Sicherung nicht zusagt, kann sie sich aber von einem Büchsenmacher ohne großen Aufwand auch deaktivieren lassen. Die Abzüge stehen trocken und lösen bei 1,3 und 1,7 Kilo aus. Sehr gute Werte!

H & H-Ejektor

Bei der Ejektorkonstruktion wendet man sich wieder nach England und wählt die Holland & Holland-Bauweise. Bei diesem Schlaghammerejektor sind alle Teile im Eisenvorderschaft untergebracht. Das Laufbündel ist 71 Zentimeter lang und nicht für Wechselchokes ausgelegt. Sie gehören heute zwar zur gängigen Ausstattung bei Flinten, doch bei einer eleganten Querflinte könnten sie auch für Flintenliebhaber „zu viel des Guten“ sein und eher den Verkauf behindern. Wechselchokes lassen sich aber auch noch nachträglich anbringen.

Merkel verwendet eine klassische Hohlschiene, die 11,5 Millimeter breit ist und sich auf 8 Millimeter an der Mündung verjüngt. Die Schiene ist fein  guillochiert. Basküle und Schlossplatten sind aufwendig graviert. Bei der Jagdausführung werden klassische Niederwildmotive verwendet. Links spielende Füchse und rechts Schnepfen, ausgefüllt mit feinen Arabesken. Eine sehr hochwertige Jagdgravur in erstklassiger Ausführung. Die hohe Qualität setzt sich auch beim Schaft fort. Die englische Version besitzt einen feinen Ölschliff, und das Schaftholz kann sich ebenfalls sehen lassen.

Die Fischhaut ist erstklassig geschnitten sowie wirklich scharf. Der Vorderschaft in schmaler Jagdausführung wird mit einem Patentschnäpper befestigt. Am Schaftende bringt Merkel eine dünne, schwarze Kunststoffkappe an, die hervorragend gleitet. Der Hinterschaft ist 36,5 Zentimeter lang, so dass auch noch  ausreichend Möglichkeit für eine Schaftverlängerung gegeben ist, falls die Größe des Schützen dies erfordert. Die dünne Kappe ließe sich einfach gegen eine dickere Gummikappe austauschen, die dann natürlich beledert werden muss.

Der schmale Jagdvorderschaft der Merkel Querflinte 60 E wird mit einem Patentschnäpper befestigt

Mit 3.127 Gramm Gewicht ist die Merkel für eine elegante Querflinte nicht gerade leicht, vergleicht man sie etwa mit einer englischen oder belgischen Nobelflinte, die meist bei 2,8 Kilogramm liegt. Jedoch ist sie gut ausbalanciert. System und Hinterschaft wiegen 1.516 Gramm, das Laufbündel mit Vorderschaft 1.611 Gramm. Das Gewicht liegt genau zwischen den Händen. Die Flinte fühlt sich beim Handling leichter an als sie ist.

Die Merkel wird in einem einfachen Pappkarton geliefert. Offenbar geht man in Suhl davon aus, dass sich der Käufer einer solchen Flinte eh einen passenden Lederkoffer zulegen wird. Ein Gedanke, der sicher oft zutrifft. Riemenbügel sind nicht montiert, wie bei eleganten Querflinten normal und üblich. Konservative Flintenschützen würden Riemenbügel ablehnen.

Treffpunktlage

Auf dem Schießstand wurde die Testwaffe mit 2,5 Millimeter Schrotpatronen ausprobiert. Geschossen wurde auf 35 Meter auf die 16-Felder-Scheibe. Als Testpatrone diente die Rottweil Tiger, die mit ihrer 32 Gramm-Vorlage gern für klassische Querflinten bei der Jagd eingesetzt wird. Visiert wurde mit auf dem Kasten aufsitzenden Korn in die Mitte der Scheibe. Bei richtiger Laufgarnierung muss eine Waffe so Fleck schießen oder einen leichten Tiefschuss aufweisen. Wird mit etwas sichtbarer Schiene geschossen, wie jagdlich üblich, stellt sich der gewünschte leichte Hochschuss ein. Die Merkel schoss so Fleck mit einer ganz leichten Linksabweichung, die aber in der Praxis keine Rolle spielt.

Das Zusammenschießen der Läufe ist erstklassig. Von den 348 Schrotkörnern der Rottweil Tiger brachte die Merkel aus dem rechten Lauf 186 Körner auf die Scheibe, wovon 57 im Innenkreis lagen und links 231, mit 71 Treffern im Innenkreis. Damit schießt die 60E nicht zu eng, die Trefferverteilung ist jagdlich sehr gut. Auch Regelmäßigkeit sowie Deckung waren nicht zu beanstanden. Auch bei den Schrotpatronen lohnt es sich aber, verschiedene Sorten zu probieren, um die beste zu finden.

Schießstand

Hakenstück mit Laufhaken und Schienenverlängerung nach Greener. Alles wird weich eingelötet

Wir haben die Merkel auf dem Parcoursstand geschossen, wo die Leistung einer Jagdflinte besser beurteilt werden kann als bei Trap oder Skeet. Neben den leichten Sportpatronen wurden dabei auch Jagdladungen mit höherer Vorlage verschossen sowie zudem 12/76er Magnumpatronen. Hier zeigte sich dann ein 1. Kritikpunkt. Der vordere Abzug hat kein Rückgelenk, und es geht ziemlich eng zu zwischen den Abzügen. Das hat zur Folge, dass es passieren kann, dass der Abzugsfinger beim 2. Schuss geprellt wird, weil er durch den Rückstoß gegen den vorderen Ab Kritikzug prallt. Bei 24 oder 28 Gramm Wurftaubenpatronen fällt das nicht auf, bei einer Magnumladung kann es aber sehr weh tun.

Die Flinte schwingt sehr gut, und durch die englische Schäftung kann die rechte Hand leicht nach hinten gleiten, um den 2. Abzug zu bedienen.

Die Schussfolge ist bei dieser Flinte sicher nicht so schnell wie bei einer Bockflinte mit Einabzug. Außerdem liegt eine Querflinte nicht so ruhig im Schuss, aber wer eine solche Waffe kauft, weiß das und nimmt es in Kauf. Der Ejektor ist recht kräftig, er warf die leeren Hülsen weit und sicher aus.

Resümee

Für den verlangten Preis liefert Merkel eine klassisch aufgemachte, sehr hochwertig verarbeitete Querflinte. Es wurde nicht versucht, auf Biegen und Brechen eine Holland & Holland oder Purdey zu kopieren, sondern blieb der Suhler Büchsenmachertradition treu. Ein Rückgelenk im vorderen Abzug würde die Ausstattung vervollständigen. Durch den Stahlschrotbeschuss gewinnt die Flinte zusätzlich. Eine Waffe für Liebhaber klassischer Flinten, die gern auf die Produktion aus deutscher Wertarbeit setzen.

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