Während Sommerjagden auf Moschusochsen nach etlichen Berichten ziemlich unspektakulär verlaufen sollen, ist die Winterjagd mit Schlittenhunden und einheimischen Jägern noch immer eine Herausforderung in unserer technisierten Welt.
Nach Sichtzeichen werden die Hunde zum Richtungswechsel gebracht. Diese enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Tier ist unerlässlich in den Weiten der Eiswüste Grönlands |
Von Dr. Günter Klatt
Im Nordfriesischen Museum in Husum gibt es in der Abteilung Naturkunde Schaukästen mit nunmehr betagten Schwarzweiß-Abbildungen, die das Leben in Norddeutschland am Ende der Eiszeit illustrieren sollen. Diese aus Spitzbergen stammenden Fotos zeigen unter anderem Moschusochsen in einer kargen Landschaft.
Schon als Schüler faszinierte mich das, und es war immer mein Wunsch, die Jagd in einer derartigen Gegend auf dieses urtümliche Wild zu erleben.
Dadurch, dass sich mein Leben, und damit auch die Jagd, mehr auf Afrika konzentrierte, verlor sich das Interesse, blieb aber im Unterbewusstsein haften.
Es wurde wiedererweckt durch einen Artikel in Jagen Weltweit vom Mai 1993, den ich mit Spannung las. Als mich dann eines Tages der Tierpräparator Wolfgang Schenk anrief, ob ich Lust auf eine Winterjagd auf Moschusochsen in Grönland hätte, sagte ich sofort zu.
Wir hatten jeder einen Moschusochsen im voraus gebucht, und gegen eine Zuzahlung war es später möglich, noch einen zweiten zu erlegen.
Während meine Jagdgefährten davon begeistert Gebrauch machten, entschloss ich mich schon bald, diesmal darauf zu verzichten und lieber dieser erlebnisreichen Reise eine zweite folgen zu lassen.
Im vergangenen Winter einigten mein Freund Reinhard und ich uns mit Mathias auf eine gemeinsame Jagd mit zwei Schweizer Jägern. Der schon zwei Jahre im Jagdtourismus tätige Fischer und Jäger Mathias war mir schon von meiner ersten Reise her bekannt und hatte sich inzwischen selbständig gemacht.
Von Nordfriesland aus ging es im Wagen zum Flughafen in Kopenhagen, und nach einem wunderschönen Flug kamen wir zur gleichen Zeit in Kangerlussuaq an. Zeitverschiebung und Flugzeit halten sich fast die Waage.
Kangerlussuaq ist der zentrale Verteiler-Flughafen Grönlands, ein Überbleibsel einer US-Militärstation, von dem die anderen Orte bedient werden. Hier erwarteten uns Mathias mit Frau und Tochter, ein Teil der grönländischen Jäger und Jeppe vom Dansk Polar Center in Kopenhagen; auch die Schweizer Jäger Herbert und Christian hatten wir inzwischen kennengelernt.
Nur der Schnee erwartete uns zu unserem Erstaunen nicht, und die bange Frage beschlich uns, ob aus der Winterjagd vielleicht noch eine Art von kalter Sommerjagd werden könne.
Auf jeden Fall ging es erst einmal mit dem Toyota-Landcruiser zum Kiss, dem Kangerlussuaq International Science Support Center, das für diesen Tag unser Heim sein durfte.
Hier entpuppte sich dann Jeppe als Biologe, der zudem ein exzellentes Deutsch sprach und uns für die nächste Zeit als Dolmetscher und als Wissenschaftler zur Verfügung stand.
Im Kiss wurde uns eine Einführung in das Wesen der Moschusochsenjagd gegeben und natürlich alle unsere Fragen beantwortet, sei es zum Jagdgebiet, zu Art und Menge jagdbaren Wildes, zur Geologie und vor allem zu der Aussicht, wirklich mit dem Hundeschlitten jagen zu können.
Dies wurde uns versichert, wenn auch unter erschwerten Bedingungen, weil es in den Tagen vorher Föhnwinde gegeben hatte und die ohnehin schon geringe Schneeschicht an vielen Stellen weggeweht war und zudem die Schneereste noch mit Sand vermischt waren.
Auch auf dem Eis des Fjordes, der uns als Verkehrsweg zum Camp dienen musste, lag feinverteilter Sand. Man machte uns Mut, wenn auch die Schlittenfahrt nicht direkt vom Kiss abgehen konnte.
Am nächsten Morgen brachte uns der Landcruiser zu einem kleinen, zwölf Kilometer entfernten Hafen. Hier warteten unsere fünf Gespanne mit etwa 60 Hunden und brachten uns, die wir in dicker Kleidung etwas unbeholfen auf den Schlitten saßen, hinaus auf die blankgefegte grünschimmernde Eisfläche des Fjordes.
Auch der Geländewagen fuhr vor uns über das Eis, um noch Vorräte am Ende des Fjords abzulegen, die wir später mitnehmen sollten.
In ruhigem Trab zogen die Hunde unsere von den Grönländern gebauten Schlitten an dem grandiosen Panorama der aufsteigenden schwarzen Felsformationen vorbei.
In stetem Wechselspiel legten sich einige Hunde, die fächerförmig geschirrt waren, stärker ins Geschirr, während andere sich auszuruhen schienen und sich später zur Ablösung wieder einordneten.
Unter den Kufen knirschte der Sand, und die Hunde hatten Schwierigkeiten, auf der glatten Fläche immer den richtigen Tritt zu fassen.
Wenn auch das Eis dick erschien, so kamen wir doch auf dem anschließenden Flussbett, das zum Lager führte, an Stellen vorbei, wo Wasser auf dem Eis stand. Ohne irgendwelche Irritationen steuerten die Schlittenführer entweder daran vorbei oder auch mitten durch.
Nach etwa fünf Stunden näherten wir uns einer Kuppe, auf der eine schmale Hütte und ein großes buntes Zelt standen, die für die nächsten Tage als Unterkunft dienen sollten.
Nachdem in dieser Wildnis, weit weg von irgendwelchen Ortschaften oder gar einer menschlichen Behausung, alles verstaut und schnell klar war, wie die Hygiene der Jagdtage auszusehen hatte, machten wir uns auf die erste Abendpirsch und bestiegen einen kleinen Hügel in der Nähe des Lagers.
Im Streiflicht der untergehenden Sonne lagen sie vor uns: ein Trupp dieser urtümlich zotteligen Rinder, die zoologisch eigentlich mehr den Ziegen nahestehen. Keiner wollte natürlich hier schon die Büchse sprechen lassen, dennoch war es aufregend und erregend zugleich, aber auch Übung für das Auge auf dieses, den meisten unbekannte Wild.
Zurück im Lager und in unserem Zelt, das zugleich als Messe diente, gab es ein herzhaftes Essen zusammen mit unserer zahlreichen Mannschaft, zu der außer den Schlittenführern noch ein Koch, Jeppe, Mathias, dessen Ehefrau und deren Kinder gehörten.
Dank Jeppes Dolmetscherkünsten und einigen Brocken Englisch auf beiden Seiten klappte die Verständigung hervorragend.
Geschichten über Jagden in Grönland und anderswo machten die Runde in der kalten Messe, die nur von einem Petroleumofen erwärmt wurde. Wenn auch eine Flasche Aquavit die Runde machte, so blieb die den Grönländern nachgesagte Vieltrinkerei total aus.
Das sollten aber Gastjäger bei der vergangenen Sommerjagd getan und damit die Jagd in Misskredit gebracht haben. Dank unserer mitgebrachten Spezialschlafsäcke, die wir auf Rentierfellen ausbreiteten, wurde es eine angenehme Nacht.
Am dritten Tag unseres Aufenthaltes auf dieser größten und kältesten Insel der Erde ging es endlich zur Sache.
Mit unseren Schlitten fuhren wir über den nur mäßig hohen Schnee mitten durch die Krüppelbotanik entlang des Hügels vom Vorabend und suchten immer wieder die Gegend mit unseren Gläsern ab. Nicht weit vom Ort unseres ersten vorabendlichen Pirschganges entfernt, fanden wir unseren Trupp wieder.
Wir hatten uns am Vortag über die Reihenfolge des Schießens geeinigt, auch das selbstverständliche Einschießen der Büchsen war zu aller Zufriedenheit verlaufen. Den ersten Schuß hatte mein Freund Reinhard.
Allerdings zögerte er sehr, hatte er doch das Gefühl, damit sei sein Erlebnis der Jagd vorzeitig beendet.
Doch der Moschusbulle war wirklich alt, allerdings wie es bei dieser Wildart üblich ist, mit deutlich abgenutzten Hörnern. Nur junge Bullen haben eine verhältnismäßig große Auslage und erscheinen damit kapitaler.
Insofern ist auch die Klassifizierung im SCI-Rekordbuch mit der Überbetonung der Messung von Spitze zu Spitze nicht sehr sinnvoll, verleitet sie doch eher zum Erlegen von jüngeren Exemplaren mit verhältnismäßig schwachem Helm.
Nach längerer Diskussion, ob man soll oder nicht, und der Erinnerung an den 16. Mai, wo am ersten Tag der kapitale Bock vor einem stand, den man pardonierte und dann nie wieder sah, ließ Reinhard die Kugel fliegen.
Nachdem der erste Bulle versorgt war, ging es mit den Schlitten weiter in Richtung Osten. In den frühen Nachmittagsstunden bemerkten wir einige Moschusochsen am Rande eines kleinen zugefrorenen Sees.
Herbert zögerte nicht lange, nachdem Mathias ihn ermuntert hatte, und im Schuß lag der zweite Bulle unserer Jagd. Auch er war kapital. Die Hunde, die weit entfernt abgelegt waren, kamen mit den Schlittenführern heran, und nach dem Aufbrechen wurde die schwere Fracht von rund 350 Kilogramm verladen.
Der nur spärlich vorhandene Schnee machte den Transport der Beute nicht gerade leicht und nötigte uns allergrößte Hochachtung für die Leistung der Hunde ab.
Nun blieben nur noch Christian und ich übrig, und somit brachen wir am nächsten Tag allein mit unseren Schlitten und Mathias auf, unser Glück zu versuchen, während Reinhard und Herbert Schneehasen und Schneehühner jagen wollten.
Wie am Vortage erlebt, schien es ja nicht allzu schwer zu sein, Moschusbullen auszumachen, sich heranzupirschen und zu erlegen. Doch weit gefehlt.
Am Abend fanden wir uns beide unverrichteter Dinge ermüdet im Camp ein.
Vorausgegangen war nichts Spektakuläres, sondern nur die vergebliche Suche nach dem Bullen, der in etwa unseren Vorstellungen entsprach. Wir sahen Herden, wir konnten uns teilweise bis auf wenige Meter heranpirschen, nur die Kapitalen schienen sich geisterhaft in Luft aufgelöst zu haben.
So kam fast Neid auf, als wir den Jagderfolg von Herbert und Reinhard mit ihren Schneehasen erleben mussten.
Tröstend war die ständige Erklärung der Natur durch Jeppe. Jeder Strauch, jede Pflanze, Stock und Stein wurden begutachtet und uns in ihrer Bedeutung nahegebracht. Niemals in meinem Leben habe ich eine intensivere Naturkenntnis eines Landes vermittelt bekommen, wie dieses Mal in Grönland.
Wir haben natürlich nicht alles behalten, aber unser Verständnis wuchs von Tag zu Tag, für Grönland, für das ewige Eis, für die Tier- und Pflanzenwelt, für die Ökologie und für die Menschen. Alles dargebracht ohne die Scheuklappe ideologischer Verfremdung.
Die Begleitung durch Jeppe muß allerdings als ein einmaliges Erlebnis betrachtet werden. Er arbeitete an einer Studie über Tourismus in Grönland, wobei die Jagd nur ein Aspekt ist.
Jagd in fernen Ländern habe ich immer auch unter dem Winkel betrachtet, dass sich unter den Bedingungen der Jagd viele Aspekte eines Landes besser erschließen lassen.
Welcher Tourist kommt schon so eng mit Land und Leuten zusammen und ist bereit, seine Bequemlichkeit zu opfern, um bei minus 15 bis 35 Grad Celsius zu zelten und sich bei dringendem Bedürfnis dreimal des Nachts zu fragen, ob man sich unbedingt dem Kälteschock aussetzen müsse.
Die Temperaturen bewegten sich diesmal nur um minus 15 bis 25 Grad Celsius; auf dem Schlitten in fast sausender Fahrt über das Eis konnte es trotz der dafür vorgesehenen Kleidung schon mal recht kalt werden.
Beim Laufen allerdings, wie es an diesem vorletzten Jagdtag erforderlich sein sollte, kam man gewaltig ins Schwitzen. Es empfiehlt sich schon, einen Rucksack mit den verschiedensten Kleidungsstücken zum Wechseln dabei zu haben.
Am Flughafen kann man Seehundskleidung mieten oder auch kaufen, ein durchaus guter Rat. Diese Kleidung ist dichter als jeder noch so gute Spezialanorak, aber zum andauernden Laufen hinter dem ziehenden Wild denkbar ungeeignet, zumal wenn die Sonne scheint, was bei uns meistens der Fall war.
Überhaupt ist der Anteil der Sonnentage in Kangerlussuaq sehr hoch. Auch steht die Sonne schon so hoch, dass die Tage nicht zu kurz sind und man sich in windgeschützten Mulden schon wärmen kann.
Diesmal mussten wir tief in das Jagdgebiet eindringen, bis wir die ersten Trupps sahen. Die Hunde wurden wieder unten am Fluss abgelegt, und hinauf ging es die sandige Kante, in der unsere Sorel-Schuhe nur wenig Halt fanden.
Auch zum längeren Wandern oder schnelleren Laufen waren sie nicht geeignet. Doch die Wahl zwischen diesen Unzulänglichkeiten und abgefrorenen Zehenspitzen ließ kein anderes Schuhwerk zu.
Am Rande des Sees Ammalortup, der auch dem ganzen Jagdgebiet den Namen gibt, pirschten wir weit vor in Richtung Gletscherrand, bis wir uns hinter einem Felsen ducken und in Ruhe einige Moschusochsen beobachten konnten.
Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie schien Christian leichtes Jagdfieber zu haben. Er animierte mich wiederholte Male, den Schuß zu wagen. Aber weil ich der einzige der Gruppe war, der schon auf diese Wildart gejagt hatte, hatte ich mir fest vorgenommen, als letzter mein Glück zu versuchen.
Vielleicht war Christians Jagdfieber tatsächlich etwas zu groß, so ganz glücklich saß die Kugel nicht, und es bedurfte noch einiger mehr, um den Bullen endgültig zur Strecke zu bringen.
In einiger Entfernung davon sahen wir noch einige Moschusochsen, unter denen wir einen, wie mir schien, sehr guten Bullen ausmachten.
Sie zogen von uns weg, und die Aussicht, ihnen direkt zu folgen, erschien wenig aussichtsreich. So baten wir einen unserer Schlittenführer – alle erfahrene Jäger und Fischer – einen weiten Bogen zu schlagen und uns die Ochsen zuzudrücken.
Mit Mathias schlich ich hinter einen kleinen Felsen, der sich oberhalb einer Bodensenke erhob. Die Sonne war etwas verhangen, und so harrten wir in der Kälte fast eine halbe Stunde aus, bis wir in der Ferne unseren Jäger in seinem blauen Overall auf uns zuschlendern sahen.
Vom Wild war noch nichts zu sehen. Noch einige Minuten bangen Wartens, und in aller Seelenruhe zogen drei Moschusochsen auf uns zu.
Doch nur der graue Rücken und die Hörner waren erkennbar, der Körper blieb überriegelt. So mussten wir leider unsere günstig erscheinende Position verlassen und kriechend eine andere suchen.
Da standen sie, wenn auch leicht beunruhigt, breit vor uns. Die Unterschiede in der Hornstärke waren so klar erkennbar, was bei diesen zotteligen Urwesen nicht immer der Fall ist, dass ich es schnell wagen konnte, die Kugel fliegen zu lassen. Sie saß, aber vom Verenden im Schuß keine Spur.
Schnell lud ich meine Kipplaufbüchse im Kaliber 9.3 nach, stach, drückte ab – „klick“. Nochmals, wiederum „klick“. Patrone wechseln, ein dritter Versuch – und wieder „klick“! Inzwischen war schon über eine Minute vergangen, Mathias hatte kein Gewehr dabei, und Christian war weit weg.
Gerade wollte ich anfangen, mich ob meines jagdlichen Tuns zu schämen, als der Bulle, der sich nur wenig nach links weiterbewegt hatte, zusammenbrach und sich streckte.
Jeppe, der uns stetig begleitete, hat in seinem Tagebuch genau festgehalten, welche Zeit zwischen den jeweils ersten Schüssen und dem Verenden des Wildes durchschnittlich verging.
Der Durchschnitt lag für unsere gesamte Winterjagd bei etwa vier Minuten und für die Sommerjagd bei etwa neun Minuten. Hierbei ist zu bedenken, dass Mathias auf der Sommerjagd dieses Jahres wohl eine besonders schlechte Gruppe erwischt hatte, erreichte mich doch vor kurzem ein Brief mit der Bemerkung: „Leider ist es bei der Sommerjagd nicht so gut gegangen.
Der Hauptgrund ist, dass wir dieses Mal einige Säufer auf der Jagd gehabt haben. Sie haben gesoffen, waren verschmutzt und manchmal haben Sie betrunken geschossen.
Du kennst natürlich die Typen gut, aber für mich, und ich glaube auch für die Grönländer, war es ein Schock. Ich und Mathias finden, dass wir, wenn irgendwie möglich, diese TYpen von Trophäenjäger abschrecken sollten. Von denen möchten wir so wenig wie möglich in Grönland haben.“
Taktvollerweise hat er mir nicht verraten, wer diese Typen waren oder woher sie kamen.
Aber im Sinne der ökoverträglichen Jagd, wie es das Ziel in Grönland ist, sind derart jagende Schlächter fehl am Platz, nur leider weiß man es vorher nicht. Die Auffassung, dass Jagd ökologisch vertretbar integriert werden kann, setzt sich immer mehr durch.
Die Mauer der ideologischen Ökologen bekommt Risse und gibt den Blick zusehends frei eine für realistischen Betrachtungsweise. Dies darf nicht durch ,,säufende Jäger“ gefährdet werden.
Nachdem die rote Arbeit getan war, machten wir uns glücklich mit unseren Schlitten und Hunden, die die schwere Beute über Stock und Stein durch die fast schneelose Landschaft befördern mussten, auf den Heimweg, wo wir mit beginnender Dunkelheit leicht erschöpft nach diesem langen Jagdtag das Lager erreichten und bald dichtgedrängt eine warme Suppe mit etwas zähem Wildbret vom Moschus zu uns nahmen.
Im Hintergrund heulten unsere 60 Hunde wegen der frischen Wittrung.
Die eigentliche Jagd war vorüber, unsere einzige Flasche Gamle Dansk immer noch nicht zu Ende, und vier glückliche Jäger gaben mit ihren Erlebnissen, einem Gemisch aus Jägerlatein, Selbstdarstellung und wahren Begebenheiten, an.
Jeppe mit seinem detailreichen Wissen kommentierte jedes noch so unwichtig erscheinende Vorkommnis und übersetzte unsere Geschichten den Grönländern.
Am späten Abend huschten einige Nordlichter am Horizont vorbei, doch im Gegensatz zu meiner ersten Reise leider zu sparsam und ohne Möglichkeit, sie fotografisch einzufangen. Überhaupt kann das Fotografieren in dieser extremen Kälte Probleme machen.
Am geeignetsten sind zweifelsohne mechanische Apparate. Bei anderen Apparaten sollte man zumindest die Batterien herausnehmen und am Körper tragen, wenn man nicht eine Kompaktkamera hat und diese in die Hosentasche stecken kann.
Unseren letzten Tag hatten Reinhard und ich für eine Reise zum Inlandeis an den Rand der Gletscher, deren grünlich abfallende Wand wir von Ferne sehen konnten, vorgesehen. Herbert hatte sich leider beim Pirschgang auf Schneehasen den Fuß verstaucht, und Christian zog es vor, seine Trophäe selbst zu bearbeiten.
Mit zwei Schlitten machten wir uns auf die lange Reise auf dem Fluss nach Osten, durch ein Gewirr von kleineren Bachläufen, über den See Ammalortup, vorbei an Schutthalden und schwarzen Felsen bis auf die freie Eisfläche vor der steilen Wand einer Gletscherzunge.
Ein ständiges Knistern, Krachen und Knacken durchzog die weiße Stille, nur ein Kolkrabe schien sich außer uns hier draußen wohlzufühlen und flog krächzend von einem blaugrünen Eisvorsprung zum anderen.
Mit einem Hammer brachen wir jahrhundertealtes Eis aus einem Block und dachten an den Whisky, den wir nicht dabeihatten. Nach unserem Picknick aus Tee, Kaffee, Keksen und einer von uns mitgebrachten Salami machten wir uns auf den durchaus nicht einfachen Heimweg, zumal mir mein Kopf vom zweimaligen Ausgleiten auf der spiegelblanken Fläche vor dem Gletscher brummte.
Ich war mit dem Hinterkopf aufgeschlagen, und nur der Umstand, dass ich mir für diesen Trip den Seehundanorak mit einer dicken Fellkapuze von Christian ausgeborgt hatte, verhinderte Schlimmeres.
Noch einmal war mir das Jagdglück hold. An einem Hang erblickten wir einen Schneehasen, und da Reinhard schon zwei erlegt hatte, war es an mir, mit der alten, etwas ungenauen Kleinkaliberbüchse unserer grönländischen Freunde diesem zu folgen.
Nach mehreren Fehlschüssen kam ich nah genug heran, dass nichts mehr schiefgehen und ich wieder talwärts schreiten konnte. Noch näher, dass man es fast hätte greifen können, kam ich einem Schneehuhn, aber diesmal nahm ich die Kamera und robbte mich auf dem Bauch heran.
Die Fluchtdistanz war in der Tat sehr gering, ob Zufall oder normales Verhalten, ist mir nicht bekannt. Bei den grönländischen Jungen ist es zum Beispiel ein „Sport“, Schneehühner mit einem Stein zu erbeuten.
Der letzte Abend im Camp begann, die Trophäen waren, soweit bei der Kälte möglich, versorgt. Die Decke war vom Körper getrennt, aber mit dem Wildbret am Haupt verbunden; natürlich alles tiefgefroren.
Am nächsten Morgen konnten wir nur staunen, was die Hundegespanne zu leisten imstande waren, mussten sie doch jeweils zusätzlich zu unserer Ausrüstung, uns selbst und dem Hundeführer noch etwa 200 Kilogramm Wildbret transportieren.
Hatten wir schon auf der Hinreise offenes Wasser passieren müssen, so reichten diese Flächen jetzt an einigen Stellen von Ufer zu Ufer. Die Schlitten stoppten, und die Führer gingen voraus, um Tiefe und Tragfähigkeit zu testen.
Trotzdem ging es nicht ganz ohne Probleme ab, als wir ganz nahe an den, den Fjord begrenzenden, steil aufragenden Felsen heranfuhren und der Schlitten seitwärts abkippte.
Meine Waffe und der Rucksack gingen zu Bach, hingen aber noch am Schlitten und konnten nass geborgen werden.
Nach einem Picknick erreichten wir bald den Hauptfjord und wenig später den kleinen Hafen von Kangerlussuaq, wo uns ein Bus erwartete, um uns wieder auf der längsten Teerstraße Grönlands (12 Kilometer) zum Kiss zu bringen.
Mit einem festlichen Dinner im Flughafenrestaurant dankten wir unseren grönländischen Freunden, die aus der Stadt Sisimiut in mehreren Tagesmärschen mit ihren Hundeschlitten zu uns gekommen waren, um uns diese unvergesslichen Tage zu schenken.
Insbesondere wünschten wir Mathias Glück bei seinem Vorhaben, im kommenden Winter die große Schlittenreise über Thule und Ellesmere-Island nach Kanada zu wagen.
Es sind schon eigenwillige, harte und liebenswerte Menschen, diese Grönländer, und gleiches darf man von ihren Hunden behaupten. Nicht nur deren Geheul werde ich vermissen.
Nach dem ersten Schuss hatte ich einen Versager, doch der Bulle lag letztendlich doch. |
Fotos: Dr. Günter Klatt