Wer „Monteria“ hört, denkt an Spanien, an riesige Treiben mit vielen Hunden aller Kreuzungen dieser Welt, angetrieben von Hundeführern. Man denkt an eine Vielzahl von Jägern, die so weit von einander abgestellt werden, dass man seinen Nachbarn nicht sieht, an lange Wartezeiten – aber auch mitunter an gute Hochwildstrecken. Aber Uruguay und eine Monteria?
Andreas von Zitzewitz
Mit Uruguay verknüpft man schier unerschöpfliche Flugwildstrecken in diesem schönen Land in Südamerika. Die Millionen von kleinen und großen Tauben, die Vielzahl an Enten sind nach wie vor ein Traum! Ganz besonders gilt das für die schnellen Perdices, eine kleine Rebhuhnart, die vor gut arbeitenden Vorstehhunden bejagt werden. Mein vierter Besuch seit 2000, diesmal im Juni, in diesem Land zeigte mir eine erfreuliche Entwicklung beim Axis- und Schwarzwild auf der Estancia, auf der ich immer jagen darf, direkt am Rio Uruguay zwischen Paysandu und Salto gelegen. Überall Fährten, Sauwitterung und Geräusche aus den vielen schier undurchdringlichen Dickungen. Da müssen gewaltig viele Sauen stecken! Das bestätigte schon mein erster Morgenansitz an einem abgeernteten Sonnenblumenfeld. Es war die Woche vor Pfingsten 2003 und der zunehmende Mond warf kaum Licht. Dennoch meinte ich bei Tagesanbruch eine größere Rotte außerhalb meiner Reichweite im Gebrech gesehen zu haben. Es werden wohl acht gewesen sein, dabei einige stärkere Stücke. Der Tageseinstand des Schwarzwildes ist meist unten im Auwald, einem feuchten und für Menschen kaum durchdringbaren Urwald entlang des Flusses, wo es vor allen Nachstellungen sicher ist. So verbrachte ich jeden Abend und jeden Morgen mit der Vermutung, sehr viel Schwarzwild um mich herum zu haben, es zu hören und zu riechen – aber nicht in Anblick zu bekommen.
OBEN: ABENTEUERLICHE GESTALTEN SIND DIE HUNDEFÜHRER, UND AUCH DIE HUNDE SIND MEIST EINE MISCHUNG AUS ABENTEUERLICHEN RASSEN.
Ansitz auf Sauen
Es waren sogar extra für mich als Gastjäger, das heißt natürlich für die Sauen, ein Schlag von zwei oder drei Hektar Sorghum (eine Art Hirse) ausgesät worden, der auch sehr kräftig angenommen wurde. Eine kleine Leiter stand 30 Meter neben dem ausgetretenen Wechsel, und man konnte, guten Wind vorausgesetzt, hervorragend im Dunkeln diese angehen und in die Feldfrucht hineinsehen. Ich saß dort sehr oft morgens, aber nichts rührte sich. Die bestehenden Löcher hätten in Deutschland schon größere Regressansprüche des Landwirts bedeutet, denn die durch das Schwarzwild verursachten Wildschäden wurden immer größer. Leider gelang es keinem der ständig anwesenden zwei Jäger, dort auch nur eine schwarze Borste zu sehen. Es war wie verhext. Eines Abends saß ich wieder an meinen geliebten Sonnenblumen. Ich hatte verabredet, dass man mich bei völliger Dunkelheit, 69 LINKS: WILD BERGEN AUF GAUCHO-ART. OBEN: ABENTEUERLICHE GESTALTEN SIND DIE HUNDEFÜHRER, UND AUCH DIE HUNDE SIND MEIST EINE MISCHUNG AUS ABENTEUERLICHEN RASSEN. 068_075_Uruguay_JWW_01 02.02.2005 13:22 Uhr Seite 3 Udo Neue_Datenbanken:jww:JWW_01_2005:068_075_Uruguay_JWW_01: Udo Neue_Da Am nächsten Morgen – nach dem obligatorischen Frühansitz – war ein Besuch beim Nachbarn angesagt, einer Estancia von 3200 Hektar, deren Betrieb sich neben der weitverbreiteten Schaf- und Viehzucht auf den biologischen Anbau von Zitrusfrüchten und Oliven beschränkt. Hier ist besonder sehr kleine Mond versteckte sich dazu noch hinter Wolken und die Sicht war sehr begrenzt, mit dem Geländewagen abholt. Bei schwindendem Büchsenlicht hörte ich hinter mir eine Rotte Sauen anwechseln, sehr vertraut und sehr langsam. Ich musste größere Verrenkungen auf meiner bescheidenen Leiter unternehmen, um die nur auf 20 Meter auf dem Weg stehenden Sauen – Bachen mit Frischlingen und eventuell ein Keiler dabei – einigermaßen ansprechen zu können. Das einzige freistehende Stück war mir zu stark, denn man konnte nicht erkennen, zu wem die Frischlinge gehörten.
Das Büchsenlicht schwand zusehends, und als Brillenträger hatte ich große Schwierigkeiten, eines der Stücke ins Zielfernrohr zu bekommen. In diesem Moment hö- re ich ganz leise und mit eingeschaltetem Licht das Auto hinter meiner Leiter halten, genau an der Stelle, wo eben gerade die Sauen rüberwechselten. Ich dachte: Jetzt oder nie und schoss auf eine etwas abseits stehende Sau, die mir „kürzer“ als die anderen vorkam. Ich hörte deutlichen Kugelschlag.
NACH DEM SCHUSS AUF DAS HUHN: SAUBER APPORTIERT DER HUND DAS WILD.
Ich stieg sofort von der Leiter, bedeutete dem Pick-up, mir auf den Schlag zu folgen und fand im Auto zum Glück den Handscheinwerfer, mit dem man von der erhöhten Ladefläche aus einen guten Überblick hatte. Es ist schon ärgerlich, wenn bei einer solchen Aktion die langen Sonnenblumenstengel ungünstige Schatten werfen, aber nach kurzer Suche fanden wir die Sau verendet neben dem Anschuss – ein Keiler von 90 Kilogramm. Das ist eine Situation, in der man sich verlegen am Hinterkopf kratzt: Es hätte auch eine Bache sein können! Am nächsten Morgen – nach dem obligatorischen Frühansitz – war ein Besuch beim Nachbarn angesagt, einer Estancia von 3200 Hektar, deren Betrieb sich neben der weitverbreiteten Schaf- und Viehzucht auf den biologischen Anbau von Zitrusfrüchten und Oliven beschränkt. Hier ist besonders viel Schwarzwild vorhanden, denn die Orangen- und Mandarinenbäume sind etwas über mannshoch und im unteren Bereich auch gut von Sauen zu „ernten“. Auch Oliven gehören zur bevorzugten Schwarzwildmast. Der Schaden ist erheblich.
Vorbereitungen
Don Pedro, ein Spanier, der sich vor Jahren in Uruguay und Argentinien eingekauft hat, ist passionierter Jäger und kennt den Ablauf und die Organisation von Monterias aus seiner Heimat. Er hat beschlossen, zusammen mit „unserer“ Ranch an den zwei kommenden Wochenenden den Versuch einer Gesellschaftsjagd nach spanischem Muster zu organisieren – ein völliges Novum für Uruguay! Er verfolgt damit zwei Ziele: Zum einen bedient er sich der vielen „Wilderergruppen“, meistens aus drei bis fünf Mann bestehend, dazu eine Vielzahl von passionierten Hunden aller Provenienzen, die zu Menschen ganz lieb sind, aber sehr scharf werden, wenn sie an eine Sau kommen. Das Prinzip dieser Gruppen ist stets gleich: Gegen den Wind tauchen sie bei Tag oder Nacht, bewaffnet mit Repetierflinten oder Halbautomaten, geladen mit Flintenlaufgeschossen, in die Dickung. Geben die Hunde Laut, läuft alles am Ort des Geschehens zusammen, bei Nacht mit Taschenlampen. Meist wird eine Sau von den Hunden gestellt und mit Fangschuss getötet oder, falls das Knäuel zu dicht ist, mit dem Facon, das jeder Einheimische auf dem Lande bei sich führt, abgefangen. Der sehr scharfe Dolch hat eine 30 Zentimeter lange Klinge. Letzteres gilt als sportlicher und sichert Anerkennung bei den Mitjägern. Da das Stellen von Sauen nicht immer klappt, sind die Streckenergebnisse solcher Aktionen naturgemäß limitiert. Pedro kennt diese „Wilderer“, es sind nicht unbedingt Wilderer in unserem Sinne. Die meisten führen ein bürgerliches Leben und stammen aus sehr ehrenwerten Berufen (Rechtsanwalt, Tierarzt, Ingenieur, Landwirt). Nicht alle Grundbesitzer üben die Jagd auf ihrem Besitz selbst aus und lassen diese Gruppen gerne zur Wildschadensabwehr bei sich jagen. Ohne sie und die Hunde wäre eine Bewegungsjagd ohnehin nicht möglich.
AUCH FÜR SEINE TAUBENJAGDEN IST DAS LAND BEKANNT. DIE STRECKE IST NUR VOM WOLLEN UND KÖNNEN DES SCHÜTZEN BEGRENZT.
Zurück zu unserem Besuch und den Vorbereitungen. Die Jagd sollte an den beiden kommenden Wochenenden durchgeführt werden, heute war Mittwoch. Der Plan war, drei Gruppen mit Hunden von drei verschiedenen Seiten in ein Gebiet von etwa 500 Hektar – Wald, Dickicht, Plantagen – auf ein Kommando eindringen zu lassen. Dazu kam eine vierte Gruppe mit vier unbewaffneten Reitern, die ein Feuchtgebiet durchkämmen sollten. Ohne die Wechsel genau zu kennen, wurden um das Gelände an die 16 Stände ausgezeichnet, alle so platziert, dass man ausreichendes Schussfeld hatte und seinen Nachbarn kaum sehen konnte. Nun muss man wissen, dass Uruguay offiziell nur Gewehre mit gezogenen Läufen bis maximal Kaliber .240 zulässt, was bisher auch manchen Jagdtouristen von der Einreise abgehalten hat. Mir war völlig unklar, wie man diese Stände „verteidigen“ konnte – ohne eine vernünftige Waffe. Dazu später mehr … Obwohl ich Pedro seit Jahren kenne, wurde ich zur VIP-Person erklärt, war also sozusagen der Ehrengast und durfte mir meinen Stand schon bei der Vorbesichtigung aussuchen. Wir fuhren alle sauber ausgezeichneten Stellen ab und ich entschied mich für Nr. 10: An einem breiten Fahrweg vor mir eine Plantage mit Zitrusfrüchten, hinter mir eine Dickung, die schon im letzten Jahr voller Sauen war. Der wichtigste Mann aber war Martin, ein drahtiger, großgewachsener, vollbärtiger Mittdreißiger, der selbst zwei Höfe bewirtschaftet und von einer tiefsitzenden Passion für die Saujagd besessen ist. Eine lange Narbe über dem rechten Auge zeugt von einem Nahkampf mit einem reifen Keiler. Er kennt das Gelände von früheren Jagden, verfügt über gute Hunde und ist überhaupt ein besonders netter Kerl. Martin oblag die Organisation der „furtivos“, der Wilderer, wie wir sie nannten. Es kam der langersehnte 14. Juni, eine Woche vor Winteranfang in der südlichen Hemisphäre. Das Stelldichein war auf halb sechs am Eingangstor zur Estancia festgesetzt, 15 Kilometer vom Haus entfernt. Ich fragte mich, was denn ein Treffen über zwei Stunden vor Büchsenlicht bedeuten sollte, hatte aber nicht mit der Redseligkeit der Latinos gerechnet. Natürlich waren nicht alle zur angesetzten Zeit eingetroffen. Aber es war schon ein Erlebnis, diese abenteuerlichen Gestalten zu erleben. Da standen sie nun, teilweise den in ein Maisblatt gewickelten übelriechenden schwarzen Tabak qualmend, und erzählten sich unter wilder Gestik die letzten Jagderlebnisse. Dann trugen hilfreiche Hände einen Tisch aus dem Haus mit etwas Gebäck und Kaffee. Endlich wurde das Licht auf eine Karte gerichtet und Martin ergriff das Wort: Es wurde das Gelände gezeigt, das heute bejagt werden soll, und wie die Gruppen zu gehen hätten. Es gab anschließend ein weiteres Palaver und endlich gegen halb acht fuhren Autos davon, wurden Hunde unter lautem Gebell und aufgeregtem Hecheln von offenen Anhängern abgeladen. Irgend etwas muss jetzt wohl passieren, dachte ich. Ich bemerkte eine Gruppe, die zurückblieb, fast alle ausgerüstet mit Büchsen in den Kalibern: .25-06 Remington, .30-06 Springfield, .270 Weatherby und dazu meine 7×64 Mannlicher. Aha, dachte ich, so ernst scheint man das also hier nicht zu nehmen mit dem Verbot größerer Kaliber als maximal .240. Anstatt der eingeladenen zwölf Büchsen waren wir nur acht, was bei 16 ausgezeichneten Ständen, die kilometerweit von einander entfernt waren, kaum Aussicht auf Erfolg versprach
Es geht endlich los
Nun setzte sich auch unsere Karawane in Bewegung. Einer nach dem anderen wurde abgesetzt und eingewiesen, das Fahrzeug irgendwo geparkt. Zum Glück hatte ich mir zwei klappbare Gartenstühle für meine Frau und mich geborgt, so dass wir es uns am Stand 10 in der zaghaft aufgehenden Sonne gemütlich machen konnten. Ich dachte an meine einzige Monteria im spanischen La Mancha, bei der ich auch stundenlang saß, ohne etwas zu erleben. Ich dachte an die Elchjagd in Schweden, wo man morgens in die Einsamkeit entlassen und abends wieder an verabredeter Stelle abgeholt wird. Dennoch: Die Sonne wärmte zusehends. Nach gut einer Stunde fielen die ersten weiten Schüsse. Bei uns regte sich nichts, kein Hundelaut, keine nahen Schüsse! Nach drei Stunden fiel ganz in der Nähe ein Schuss. Wie von der Tarantel gestochen, schnellte ich hoch und war schussbereit.
Vor mir ein Knacken und es erschien ein aufgeregter Durchgehschütze – wir nannten ihn wegen seiner Baskenmütze und seines Bartes Ché Guevara – wild gestikulierend. Ich meinte zu verstehen, warum ich nicht auf die starke Sau geschossen hätte, die er angeflickt hatte. Aber da war nichts! Es verging wohl eine weitere Stunde, und die treibenden Wilderer mit ihren Hunden versammelten sich vor mir auf der Straße. Nach langem Palaver – augenscheinlich war das nicht geplant – sollte der Teil hinter mir, eine sehr erfolgversprechende größere Dickung, genommen werden. Es war eine weitere halbe Stunde vergangen, als auch Martins Gruppe von meinem Stand aus eindrang. Es dauerte keine fünf Minuten, da gaben die Hunde aufgeregt laut und eine Sau klagte fürchterlich. Dann wurde es lebendig – Schüsse überall, sogar zwei KK-Schüsse konnte ich deutlich ausmachen! Dann erschien plötzlich ein starker Frischling am Dickungsrand und wollte über die Straße in die Plantage. Ich zögerte zuerst, denn er war pechschwarz, eine Re
DAS JAGDGEBIET BEI SALTO LIEGT IN DER NÄHE DES FLUSSES URUGUAY, DER NAMENSGEBER FÜR DAS KLEINE LAND IST UND DIE GRENZE ZU ARGENTINIEN BILDET.
Vor mir ein Knacken und es erschien ein aufgeregter Durchgehschütze – wir nannten ihn wegen seiner Baskenmütze und seines Bartes Ché Guevara – wild gestikulierend. Ich meinte zu verstehen, warum ich nicht auf die starke Sau geschossen hätte, die er angeflickt hatte. Aber da war nichts! Es verging wohl eine weitere Stunde, und die treibenden Wilderer mit ihren Hunden versammelten sich vor mir auf der Straße. Nach langem Palaver – augenscheinlich war das nicht geplant – sollte der Teil hinter mir, eine sehr erfolgversprechende größere Dickung, genommen werden. Es war eine weitere halbe Stunde vergangen, als auch Martins Gruppe von meinem Stand aus eindrang. Es dauerte keine fünf Minuten, da gaben die Hunde aufgeregt laut und eine Sau klagte fürchterlich. Dann wurde es lebendig – Schüsse überall, sogar zwei KK-Schüsse konnte ich deutlich ausmachen! Dann erschien plötzlich ein starker Frischling am Dickungsrand und wollte über die Straße in die Plantage. Ich zögerte zuerst, denn er war pechschwarz, eine Reaktion, die man ja von deutschen Drückjagden kennt – ist es eine Bache? Ich sah aber an der Größe, dass es einwandfrei ein Frischling war und schoss sofort. Der Kujel quittierte die Kugel kaum, überquerte noch die Straße und rollierte an der Böschung, nahm sich wieder auf und wollte in die Plantage eintauchen, was mein zweiter Schuss dann aber verhindern konnte.
DIE WENDIGEN FOURWHEELER LASSEN SICH SEHR GUT ZUM ABSTELLEN DER SCHÜTZEN ODER ZUM BERGEN DER BEUTE BENUTZEN
Ich hatte gerade nachgeladen, da erschien fast auf der gleichen Stelle wieder ein sehr schwarzer Frischling, den ich kurz vor den Apfelsinenbäumen etwas hinten packte. Bevor ich einen Fangschuss anbringen konnte, war schon die Hundemeute über ihm, und das fürchterliche Klagen beendete sehr bald ein hinzugeeilter Furtivo mit seinem Messer. Eine weitere Sau fehlte ich im Eifer des Gefechts. Es erschienen dann bald die Hunde mit ihren Führern, abgekämpft und schwitzend, aus der Bürstendickung; die erste „Monteria“ war beendet. Am Treffpunkt auf einem kleinen Gehöft gab es Suppe, Häppchen und Bier und es wurde Strecke gelegt: zehn Sauen aller Größenordnungen kamen zur Strecke. Die Stimmung war ausgelassen, damit hatte man nicht gerechnet. Am nächsten Morgen das gleiche Spiel: Treffen diesmal um sechs Uhr. Heute sollte der Wald rechts und links eines Baches genommen werden, der als Paradies für Sauen gilt und auf einer Seite zu „unserer“ Estancia gehörte. Wieder drehte sich alles um mich, wo wohl der beste Platz für mich sei. Ich kam auf eine Weide mit sehr gutem Schussfeld. Ein dort bereits stehender Jäger wurde vertrieben.
Da er links von mir, näher am Bach, einen Stand zugewiesen bekam, der ebenfalls sehr aussichtsreich war, ließ ich es gewähren. Ich machte es mir auf meinem Gartenstuhl bequem, denn es passierte zwei Stunden lang nichts. Mit meinem Funkgerät konnte ich Verbindung zu meinem Vetter auf der anderen Seite des Flusses aufnehmen, also auf seinem Besitz. Er war der einzige Schütze auf der gegenüberliegenden Seite, und um diese möglichst weiträumig verteidigen zu können, war er zu Pferde und stand auf einem kleinen Felsen mit guter Übersicht. Er sah Sauen allenthalben – nach vorne, nach hinten, in meine Richtung … Alles wurde mir über Funk avisiert, und er muss wirklich guten Anblick gehabt haben, aber die Entfernungen waren einfach für einen sicheren Schuss zu groß.
90-Kilo-Bache
Dann einige Schüsse in meiner Nähe. Plötzlich rappelt es am Zaun und eine schwere Sau flüchtete hinter mir in Richtung Wasser. Mein sehr schnell hingeworfener Schuss saß tief und durchschlug den linken Vorderlauf. Nach kurzem Einknicken wurde die einzelne Bache noch schneller, doch der nächste Schuss saß „mitten drauf“. Sie war zwar immer noch auf den Läufen, aber ich konnte auf 50 Meter den Schweiß auf der Einschussseite austreten sehen und sah sie auch bald zusammenbrechen. Wie ich später feststellte: Eine nicht führende Bache von etwa 90 Kilogramm. Ich sah Sauen von weitem, kam aber nicht heran. Inzwischen hatte ich das Gefühl, dass die Unternehmung in Auflösung begriffen war. Mein Vetter beobachtete von seiner Höhe aus, wie viele Gestalten und Hunde in eine bestimmte Richtung gingen. Da meine Abholung nicht ausdrücklich ausgemacht war, ging auch ich in die angegebene Richtung und fand nach gut einem Kilometer einen müden Haufen vor: gestikulierende und aufgeregt sprechende Menschen, ausgestreckt am Boden, und müde, hechelnde Hunde. Da erschien der Jagdherr, kurzes Palaver und ich wurde ins Auto beordert. Mit uns fuhren einige der Furtivos, um ihre morgens weit abgestellten Fahrzeuge zu holen. Alles ging sehr gemächlich zu. Pedro meinte, die Hälfte der Hundeführer seien müde, aber der Rest wollte weitermachen und ich sollte nun weiter vorne angestellt werden. Wir fuhren von der Fabrik eine Strecke von etwa sieben Kilometern, und hatten noch zwei weitere Jäger an Bord, einer mit Büchse. Als wir um eine kleine Kurve bogen, stand plötzlich – am helllichten Tage – eine Rotte von acht braunen Frischlingen mitten auf einer Wiese direkt an der Straße. Augenscheinlich fehlte hier die Bache und diese acht Waisen waren unerfahren. Pedro bremste hart und bedeutete uns, sofort zu schießen. Glücklicherweise hatte ich gleich das Magazin zur Hand und konnte sofort durchladen. Obwohl sich die Rotte nach dem Knallen der Türen und sonstiger Geräusche in Bewegung setzte, gelang mir eine Dublette, was mir bei allen Zuschauern höchste Anerkennung einbrachte. Ich war überglücklich: Fünf Sauen in zwei Tagen – und das mit einer geliehenen Repetierbüchse, die hier weitgehend unbekannt ist, da das Gros noch immer mit Flinte jagt, das war, wie ich später erfuhr, das Gespräch am abendlichen Lagerfeuer. Natürlich wurde heute nicht weiter gejagt, die Helden waren müde! Wir versammelten uns vor dem sehr schönen, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Herrenhaus, wo bereits Tische und Bänke vorbereitet waren und Erfrischungen bereitstanden. Es dauerte sehr lange, bis alles Wild mit Pferd und Trecker geborgen war, und ich sah mich etwas in der Umgebung um. Die ganze Strecke vom Vortag, also neun Sauen, war bereits zu Wurst verarbeitet. Auch das war ein geschickter Schachzug von Pedro, dass er das gesamte Wildbret den Furtivos zur Verfügung stellte, immerhin 380 Kilogramm reines Fleisch am ersten Tag. Und Würste lassen sich sehr gut unter mehreren aufteilen. Noch nie sind die „Wilderer“ in so kurzer Zeit zu soviel Fleisch gekommen! Langsam wurde es dunkel und die Strecke wurde gelegt: Alle Keiler bekamen ein Stück Holz ins Gebrech gesteckt, damit man die Waffen besser sah. Ansonsten wurden die Stücke möglichst im Halbkreis so platziert, dass sie aufrecht sitzen. Andere Länder, andere Sitten! An diesem Tag waren es 17 Sauen, also 26 Stück Wild in zwei Tagen, nicht schlecht für den ersten Versuch einer Monteria. Es wurden von allen Seiten Aufnahmen geschossen und zwei Tage später erschien sogar ein Artikel mit Bild in der lokalen Zeitung – solch eine Sensation war diese Jagd. Es herrschte allgemein gute Stimmung. Eine Sau vom Vortag wurde seit den frühesten Morgenstunden nach traditioneller Art auf einem Rost gebraten und nun wurde tüchtig zugelangt. Es ist ja auch eine Delikatesse, so ein frisch gegrilltes Stück Schwarzwild nach Germanenart ohne Besteck und Teller zu sich zu nehmen.
VON DER ARBEIT IM EINSTAND DER SAUEN GEZEICHNET: TREIBER UND HUNDE HABEN SICH ERSCHÖPFT NIEDERGETAN.
Flintenjagd zur Entspannung
Die darauf folgende Woche verbrachte ich mit Früh- und Spätansitzen ohne Beute. Tagsüber wurden gelegentlich Tauben oder Rebhühner bejagt, aber ich muss gestehen, nach ein oder zwei Stunden intensiven Flintenschießens und etwa 25 Tauben oder einem halben Dutzend Rebhühner war ich genossen gemacht. Nie werde ich die Leute verstehen, die in Uruguay oder Argentinien von morgens bis abends auf einem Stand über 1 000 Tauben schießen und diese noch nicht einmal bergen, sondern einfach auf dem Feld liegen lassen. Ist das noch Jagd? Das nächste Wochenende kam heran, und obwohl das erste und einzige Treiben diesen Tages bei uns stattfand, trafen sich alle Jäger beim Nachbarn auf der Estancia „Los Olivos“. Nach dem obglitatorischen Gerede, von dem ich wie immer nichts verstand, ging es in Kolonne über den Feldweg zu unserer Estancia. Auch wir hatten die Stände vorbereitet, und mir fiel die Aufgabe zu, zwei Schützen anzustellen, was mir auch ohne Schwierigkeiten gelang, obwohl das Gelände nicht einfach wiederzuerkennen ist. Ich hatte meinen Stand an einem aus dem Treiben herauslaufenden Bach, konnte etwa 50 Meter in den dichten Bestand sehen, hatte aber weite Sicht und Schussfeld nach beiden Seiten. Ich richtete mich ein und wartete. Plötzlich Hundelaut rechts von mir – nicht allzu weit. Es erschienen auf der Höhe zwei Axishirsche, ein Sechser im Bast, der andere ein junger Gabler.
DIE JAGDGESELLSCHAFT NACH EINEM ERFOLGREICHEN JAGDTAG: NEUN SAUEN SIND ZUR STRECKE GEKOMMEN.
Keine Verbesserung
Ein Jahr später: Diesmal erschien ich Ende April, da eine wesentlich verbesserte Monteria am 1. und 2. Mai 2004 stattfinden sollte. Wieder war ich an den Vorbereitungen – dem Auszeichnen der Stände – auf „unserer“ Seite beteiligt. Die geplante Verbesserung bestand darin, dass man mehr Durchgehschützen, Treiber und Hunde eingeladen hatte. Da eine Teilnahme für Vorstehschützen nur möglich war, wenn man mindestens drei Treiber und fünf Hunde mitbrachte, wobei beide Gruppen in der Regel über keinerlei Erfahrung verfügten, sah ich dem Beginn mit Skepsis entgegen. Und ich sollte mich nicht täuschen: Es trat bereits am ersten Tag das ein, was wir befürchtet hatten. Alle Gruppen hielten sich nicht an die Anweisungen, nämlich das Wild aus dem Dickicht herauszutreiben, sondern unternahm das, was man hier traditionell unter Schwarzwildjagd verstand. Anstatt zusammenzuarbeiten, veranstaltete man Privatjagden, hörte nicht auf den Funkverkehr, sah nur auf den eigenen Vorteil. Am Ende wurden 85 Prozent der Strecke von den Durchgehschützen und deren Hunden erbeutet, nur ein Bruchteil wurde außerhalb des Treibens von den angestellten Schützen erlegt. Bis zu acht Stunden spannendes Warten umsonst – ohne Beute und Anblick. Das konnte nur besser werden. Drei Jagdtage erlebte ich so und wusste nun, dass all die Ermahnungen, laut und effektiv zu treiben, nichts, aber auch gar nichts bewirkt hatten. Die Mehrzahl der Strecke wurde von den Durchgehschützen erbracht. Das Ziel der Organisatoren war nicht erreicht! Das hatte mit einer Monteria nach spanischem Vorbild nichts zu tun. Drei interessante, aber im nachhinein enttäuschende Jagdtage lagen hinter uns. Mit einem Riesenaufwand an Organisation betrug die Gesamtstrecke 44 Sauen – immerhin. Wenn man alle Beobachtungen zusammenfügt, müssen hunderte von Sauen vorgekommen sein. Wie aber will man erfolgreich bei den gegebenen Geländeverhältnissen diese Bestände bejagen? Das Wild wurde sofort verwurstet, die Keulen geräuchert (auch ein Novum in diesem Lande) und alles verwertet. Ich habe versucht hier darzustellen, dass trotz eines sehr hohen Schwarzwildbestandes die normale Ansitzjagd kaum nennenswerte Erfolge bringt. Nur Bewegungsjagden führen zu hohen Strecken und zur erwünschten Bestandsreduzierung. Der Anfang ist in Uruguay gemacht, vieles ist verbesserungswürdig bei Planung, Durchführung und Sicherheit. Wenn es aber gelingt, die Hundeführer alias „furtivos“ durch unbewaffnete Treiber zu ersetzen, die Treiben kleiner anzulegen, die angestellten Schützen zu veranlassen, auf ihren Ständen zu bleiben, wenn die Treiber Warnkleidung tragen, die Kommunikation durch mehr Funkgeräte auf einer gemeinsamen Frequenz verbessert wird und letztlich der Staat Uruguay endlich die Einfuhr großer Büchsenkaliber zulässt, dann sehe ich sehr gute Möglichkeiten, den Jagdtourismus in diesem bisher noch als Geheimtipp gehandelte Land zu fördern.
Drei Frischlinge und kein Schuss
Wieder hörte ich die Hunde, und plötzlich tauchte vor mir im Bestand ein Frischling auf. Also aufspringen, anbacken und Ziel suchen war eins. Weg war er – nichts mehr zu sehen! Ich mag da noch einige Sekunden gestanden haben, alle Sinne angespannt, aber nichts tat sich. Ich hatte mich gerade beruhigt, erschien auf dem gleichen Wechsel wieder ein Frischling von rechts. Es passierte das gleiche – anvisiert und weg war das Stück! Nach fünf Minuten geschah genau das Gleiche, und ich fiel vom Glauben ab: Drei Sauen in kürzester Zeit, und ich wurde keinen Schuss los! Wir hatten kurz nach neun Uhr begonnen, die Treiber und Hundeführer mussten eigentlich bei mir vorbeikommen. Wie sich später herausstellte, hatten sie sich in dem etwa 600 Hektar großen Treiben total verirrt. Sauen wurden viele gesehen, alle gingen heraus, wo nicht abgestellt war, und sie wechselten hinten wieder in den Bestand hinein. Das wurde mehrfach von diversen Berittenen (zum Bergen des Wildes eingesetzt) beobachtet. Nach drei Stunden holte ich meinen Nachbarschützen ab und wir fuhren absprachegemäß unterhalb des Hauses an den Fluss. Bei Einhaltung des Plans nach Erreichen des Flusses sollte in südlicher Richtung gedrückt werden, wo wir standen. Mein Nachbarschütze stand etwa 150 Meter entfernt, als ich es nach geraumer Zeit neben mir knallen hörte. Sehen konnte ich nichts, aber wie immer in solchen Situationen ist man sofort hellwach und wartet. Nichts passierte. In diesem Moment brach es vor mir, und eine stärkere Sau erschien. Bevor sie die schmale Schneise überqueren konnte, erreichte sie meine Kugel Hochblatt auf 30 Meter, wahrlich kein Kunstschuss. Mein Nachbar hatte einen geringen Keiler erlegt, und unsere Stimmung war prächtig. Im Ganzen wurden zehn Sauen geschossen und Strecke wieder beim Nachbarn gelegt. Der nachfolgende Sonntag, ein Tag nach Winteranfang, war warm und regnerisch. Hatten wir bisher stets großes Glück mit dem Wetter, mussten wir diesmal sicher nass werden. Es wurde nochmals das Flussstück genommen, das am letzten Sonntag nicht zu Ende gebracht wurde. Wieder waren eine Menge Sauen da, jedoch kamen viele durch. Ich stand auf „unserer“ Seite und hatte gutes Schussfeld nach beiden Seiten. Lange tat sich nichts, dann hörte ich Hunde auf mich zukommen. Vor mir im Dickicht vernahm ich Geplätscher im Fluss und dachte an die Hunde. Es erschien aber rechts von mir, nur 50 Meter entfernt, ein geringer Keiler. Ich schoss übereilt, weil er mir so sicher erschien, fehlte aber zweimal. Erst nach 150 Metern konnte ich ihm die Kugel antragen, eine weitere kurz bevor er, schwer krank, in den Büschen von Koppel No. 17 verschwinden wollte. Auf meine Kanonade hin erschienen aus der Dickung im Laufschritt die Furtivos und hasteten hin, um kurz darauf den Fangschuss anzubringen. Das Stück hatte beide Kugeln! Im Todeskampf wurde noch ein Hund verletzt, aber wenn man die etwa 30 Hunde betrachtete, war kaum einer ohne Blessuren. Außerdem war einer der „Wilderer“ ein bekannter Tierarzt aus Salto, der sofort erste Maßnahmen ergreifen konnte. Dieser letzte Jagdtag brachte „nur“ vier Sauen, obwohl eine Vielzahl vorgeführt wurde. Diesmal ging er früher zu Ende. Wir hatten uns alle das Churasco und die Getränke verdient. Es wurde viel erzählt, am Abend zuvor sogar zur Gitarre gesungen – eine Romantik, wie man sich Südamerika vorstellt. Ich hatte ein etwas schlechtes Gewissen, dass ich als Gast fast 20 Prozent der gesamten Strecke gemacht hatte, aber man freute sich mit mir über den guten Anlauf, denn Jagdneid ist diesen passionierten uruguayischen Jä- gern sicher fremd. Einige Tage später wurde alles noch einmal durchdiskutiert. Selbst der Skeptischte unter den Furtivos war überzeugt, dass es keinen anderen Weg gibt, um in so kurzer Zeit soviel Wildbret zu erbeuten. Man hatte seinen Spaß, wurde gut verpflegt und das Verwursten wurde auch noch vom Landbesitzer bezahlt. Was will man mehr? Das zweite Ziel war, Erfahrungen mit dieser Jagdart zu sammeln, so dass man auf lange Sicht zahlungskräftige Gäste zu einer Kombination von feinster Flintenjagd auf Tauben, Hühner und Enten und einer Saudrückjagd einladen könnte.