SERVICE Welt-Jagdzeiten Verlorene Karpaten-Träume: Rumänien heute

Verlorene Karpaten-Träume: Rumänien heute


Als Rumänien 1990 nach 16 Jahren Sperre seine berühmten Karpatenreviere für Jagdgäste wieder öffnete, gab es eine Euphorie unter den Auslandsjägern und Karpatenliebhabern (siehe JAGEN WELTWEIT 2/1991). Seit Mitte der 90er Jahre ist es aber um Rumänien still geworden. Ein Bericht über die Höhen und Tiefen dieses einst vielgepriesenen Jagdlandes.

Von Thomas Schwarzenberg

Ein Bild aus der „guten,alten Zeit“: Strecke einer Drückjagd auf Sauen.
Rumänien hat politisch und jagdlich eine ganz besondere (Vor-)Geschichte, ohne deren Kenntnis man weder seine bisherige Entwicklung als Jagdland noch die heutige Situation verstehen kann.
Mehr als 20 Jahre lang hatte die einzige erlaubte Partei des Landes, die „Rumänische Kommunistische Partei“ unter Führung von Nicolae Ceausescu, die Politik Rumäniens bestimmt. Ceausescu war Parteichef, Staatspräsident, zugleich Vorsitzender des Staats- und Verteidigungsrates sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Seine Familienmitglieder besetzten ebenfalls wichtige Posten.
Am 22. Dezember 1989 wurde Ceausescu gestürzt, und die „Front der Nationalen Rettung“ übernahm die Macht, eine Sammelbewegung, die sich auch bei den ersten freien Wahlen am 20. Mai 1990 durchsetzte. Mit der neuen rumänischen Verfassung kam auch eine marktwirtschaftliche Orientierung des Landes, die neue Republik Rumänien garantierte ihren Staatsbürgern Glaubens-, Presse- und Meinungsfreiheit.
Hiermit wurde auch in der internationalen jagdlichen Landschaft eine gänzlich neue Situation geschaffen. Ab 1990 war nach 16jähriger Sperre die Jagd in den Ostkarpaten Rumäniens wieder möglich. „Alle sprechen über Rumänien – wir auch!“ So warben zahlreiche westliche Jagdagenturen für ein neues, faszinierendes Jagdland.
Die rumänischen Ostkarpaten mit ihren urigen Hirschen, starken Keilern und gewaltigen Bären waren durch die einzigartige „Karpatenliteratur“ berühmt geworden, in der bekannte Jäger Zeugnis ablegten von den Karpaten als dem schönsten Jagdgebiet auf Erden. Mit dem Verlust dieses Jagdgebietes verschwanden auch die Bücher in den Ramschkisten der Antiquariate. Vorbei schienen die goldenen Zeiten ursprünglichen Jagens zu sein, verstummt das Bekenntnis des Menschen zu seiner jagenden Natur.
Nach der Öffnung Rumäniens tauchte dann ziemlich schnell auch die Karpatenliteratur wieder aus der Versenkung auf; die einschlägigen Bücher wurden teils als Rarität zu hohen Preisen verkauft, teils wurden die Titel sogar neu verlegt und verlockten so nicht wenige Jäger zu einer Reise in das fast schon vergessene osteuropäische Jagdidyll. Diesmal begleitete also nicht nur Wehmut die Lektüre, sondern die Jäger waren zugleich von der Spannung ergriffen, die legendären Jagdgründe der Karpaten wieder oder erst neu zu entdecken.
Anfängliche Erfolge

Als Rumänien im Jahre 1990 seine Pforten öffnete, waren die Gastjäger von dem relativ hohen Wildbestand und der hervorragenden Trophäenqualität angenehm überrascht. Die außerordentliche Hege und Bewahrung des Wildes hing damit zusammen, daß die Jagd in Rumänien und erst recht die kapitalen Trophäenträger in der Ceausescu-Ära eher ein Privileg der herrschenden Parteibonzen waren. So verwunderten nicht die hohen Strecken und die große Anzahl von Spitzentrophäen, die in den ersten drei Jahren von den Gästen erzielt wurden.

Auf den winterlichen Treibjagden kamen Keiler mit hohen Körpergewichten und bis zu 28 Zentimeter langen Waffen zur Strecke. Obwohl sie nur in freier Wildbahn leben und nicht zusätzlich gefüttert werden, wurden auch gewaltige Karpatenhirsche erlegt. Ein Recke erreichte mit einem Geweihgewicht von 13,7 Kilogramm 257,2 CIC-Punkte, ein anderer mit 15 Kilo sogar fast unglaubliche 270 CIC-Punkte.
Der rumänische Bär ist bekanntlich der stärkste Braunbär in ganz Europa. Deshalb verwundert es nicht, wenn sowohl der SCI-Weltrekord als auch die drei weiteren Bären der Ränge 2 bis 4 im SCI-Rekordbuch aus den rumänischen Ostkarpaten stammen.
Auch der Karpatengams zählt zu den stärksten Gamstrophäen überhaupt. Von den 50 weltstärksten Gamstrophäen des CIC-Systems kommen über 30 aus Rumänien, auch der offizielle Weltrekord (mit 141,10 CIC-Punkten). Den jetzigen SCI-Weltrekordgams erlegte ein deutscher Jäger 1993 ebenfalls in Rumänien.
Diese und andere herausragenden Jagderfolge begründeten in den Jahren 1990 bis 1993 den Ruf Rumäniens als eines der interessantesten Jagdländer Osteuropas. Mit solchen mächtigen Trophäen wurde intensiv in der westlichen und amerikanischen Jagdpresse für Rumänien geworben. Jeder Gast kam in dieses vielversprechende Land in der Hoffnung, auch er könnte eine Toptrophäe erbeuten.
In den ersten Jahren schien es so, als ob die Gäste aus dem Vollen schöpften. Auch damals gab es Gruppen, die auf Drückjagden kleine Strecken machten oder in wildleeren Revieren jagten, nur fiel das nicht so auf bei der Menge anderer herausragender Jagderfolge oder wurde einfach verharmlost.
Diese anfänglichen Erfolge der Gastjäger wurden begleitet vom stetig wachsenden Neid der Einheimischen, die – im Unterschied zur Praxis in der ehemaligen Sowjetunion – in der kommunistischen Zeit als Jäger nicht zum Zuge gekommen waren und in der neuen Zeit die nun nachrückenden Gastjäger als Konkurrenten betrachteten.
Seit 1997 gilt in Rumänien auch ein neues Jagdgesetz, das zum letzten Mal 1976 noch unter Ceausescu novelliert worden war (die folgenden Informationen nach R. Rösler). Bei der Ausarbeitung dieses rumänischen Gesetzes wurden in erster Linie die Jagdbestimmungen der westlichen Industrienationen herangezogen und außerdem die Washingtoner- sowie Berner-Artenschutzabkommen berücksichtigt.
Nach dem neuen Gesetz muß jeder angehende Waidmann auch eine Jägerprüfung ablegen. Dadurch wurde auch eine Neuverteilung der Jagdfläche vorgenommen. Seitdem werden 30 Prozent der Jagdfläche von der rumänischen Forstverwaltung, 68 Prozent von den Jagdgesellschaften und zwei Prozent von Forschungsstellen und Berufsjägerschulen bejagt. Von dem neuen Jagdgesetz sind aber auch die Jagdgäste betroffen, die insgesamt 30 Prozent des Gesamtabschusses nutzen dürfen.
Die Sicherheitssituation war meines Wissens in Rumänien immer gut. Überfälle auf Gäste oder deren Eigentum (Fahrzeuge, Waffen etc.) – wie wir es in letzter Zeit immer wieder von Bulgarien und Ungarn hören – hat es in Rumänien nie gegeben. Anders als dort immer wieder feststellbar, verhielten sich Polizei und andere staatliche Behörden in der Regel sehr korrekt zu den Jagdgästen und waren aufrichtig darum bemüht, bei eventuellen Problemen zu helfen.
Das verlorene Paradies
Dennoch hielt die anfängliche Euphorie in Rumänien leider nicht lange an. Schon in den Jahren 1993 und 1994 hat es bei einer solchen Vielzahl von Gruppen und Jagden derart massive Schwierigkeiten gegeben, daß sich seitdem mehrere Jagdagenturen aus Rumänien zurückgezogen und viele Jäger dieses Karpatenland vorsorglich gemieden haben und bis heute meiden.
Mit einem Schlag war der große Run auf Rumänien vorbei, ohne daß darüber in der Jagdpresse viel geschrieben und diskutiert worden wäre. Seit Mitte der 90er Jahre ist Rumänien kein nennenswertes Ziel aktiver Auslandsjäger mehr, und es ist seltsam still um dieses Jagdland geworden.
„Die Gründe hierfür liegen vorwiegend in der katastrophal anmutenden wirtschaftlichen Situation“, so die Meinung des CIC-Experten Dr. Herbert Tomiczek, die zwar richtig ist, jedoch nicht das ganze Problem erklären kann. Denn fast alle neuen Jagdländer Osteuropas und Asiens haben gravierende wirtschaftliche Probleme. Sie alle hatten sich zur selben Zeit wie Rumänien den westlichen Jagdgästen geöffnet, dennoch ist die jagdtouristische Situation bei ihnen bei weitem nicht so problematisch wie in diesem Karpatenland.
Die Jagdgäste, die nach Rumänien kamen, waren von den „hochgezüchteten“ Jagdrevieren Bulgariens, Ungarns und Polens verwöhnt und brachten auch in dieses gatterlose Land eine ähnliche Erwartungshaltung mit. Jeder erwartete, auch in der rumänischen freien Wildbahn Tagesstrecken von zehn und mehr Sauen auf den Treibjagden zu erzielen und in den wilden Karpaten wie selbstverständlich Rothirsche zwischen zehn und 14 Kilogramm zu erlegen.
Es kam aber ganz anders. Bereits 1993/94 konnten Treibjagdgruppen in den Vorbergen der Karpaten in drei oder vier Tagen gerade noch zehn Stück Schwarzwild zur Strecke bringen. In den letzten Jahren hat es dann Gruppen gegeben, die im gleichen Zeitraum kein einziges Stück Schwarzwild mehr schießen konnten.
Die schwierige wirtschaftliche Lage hat sicherlich mit dazu beigetragen, daß es mit den Jagden bergab ging. Förster, Jagdführer, Helfer und das übrige Personal verdienten im Monat immer noch so wenig, daß sie kaum davon leben konnten. Die wirtschaftliche Not hat viele an der Jagd Beteiligten – trotz der traditionellen Ehrlichkeit und oft rührenden Gastfreundschaft der rumänischen Bevölkerung – dazu gezwungen, Abschüsse, Trophäen und andere Leistungen unter der Hand zu verkaufen, zu wildern oder auf eine andere Art auf Kosten der Jagdgäste zu überleben. So konnte es passieren, daß die offiziell gebuchten Jagdgäste 1994 zur Hirschbrunft in ein Spitzenrevier der rumänischen Ostkarpaten kamen (das für sie viele Monate im voraus reserviert war), dort aber sechs andere Jäger trafen, die als „Gäste“ des Forstdirektors das Jagdhaus bereits besetzt hatten und im gleichen Revier schon jagten.
Da war es natürlich aus mit dem Karpaten-Traum des „offiziellen“ Hirschjägers, der nach viel Fahrerei gerade noch einen jungen, fälschlicher-, ja, im Hinblick auf die Hege, sogar sträflicherweise freigegebenen Hirsch erlegen konnte.
Wer schnell reagierte und gleich nach der Öffnung Rumäniens zur Hirschbrunft in die Karpaten fuhr, der hatte noch die Chance gehabt, in freier Wildbahn einen Spitzenhirsch zu erlegen. Ein paar Jahre später hat man an den tatsächlichen Abschüssen schnell ersehen können, daß alte, starke Hirsche fehlten. Immer noch warb man mit alten Fotos und versprach gewaltige Geweihte, die Gäste schossen aber nur noch junge und mittelalte Hirsche, und nur selten kam ein wirklich alter und kapitaler zur Strecke.
Die Not der Bevölkerung nutzten leider auch manche unehrliche Jagdgäste, die für „Peanuts“ in Rumänien jagen wollten. Vor allem in den ersten Jahren kamen viele Jäger aus dem Westen auf private Einladung und ohne Waffen nach Rumänien, jagten schwarz und brachten Trophäen (oft sogar auch das Wildbret) mit nach Hause. Deshalb wurden später offizielle Trophäen verplombt; aber bis heute bleibt die Bestechlichkeit ein großes Problem für das ganze Land.
 
Eine weitere Unsitte der Gäste war auch die Bezahlung einer erlegten Trophäe weit unter dem Preis, und zwar schwarz und direkt an den Jagdführer, der dann im Protokoll vermerkte, der Gast habe nichts geschossen. Leider gab es und wird es auch unter den Auslandsjägern solche schwarzen Schafe immer geben, die die Not der Gastgeber zu ihrem Vorteil nutzen.
 
Das gelingt ihnen vielleicht manchmal in Osteuropa, nicht aber in den USA. Ich selbst habe solche Betrüger aus dem Westen in Montana erlebt, die ihre Söhne als Nichtjäger angemeldet haben und sie dann jagen lassen wollten. Natürlich alles ohne Lizenzen, wobei auch sie selbst nicht einmal für alle Wildarten legale Lizenzen erworben hatten, weil sie davon ausgegangen waren, mit ein paar Dollar würde man das schon mit dem amerikanischen Outfitter vor Ort regeln können. Dieser ließ sich aber nicht für dumm verkaufen und erlaubte das illegale Jagen auch für Dollarsummen nicht, die deutlich höher waren als die normalen Jagdpreise. Ich hoffe nur, daß es auch rumänischen Förstern und Jägern einmal so gut gehen wird, daß sie ein solches Selbstbewußtsein zeigen und den Versuchungen des schwarzen Geldes widerstehen können.
Auch der ausgezeichnete Ruf Rumäniens als Gamsland wurde sehr schnell verspielt. Passionierte Berg- und Alpenjäger kamen in die Karpaten, um einmal auf einen Spitzengams zu jagen, viele von ihnen gingen aber mit leeren Händen oder mit nur einer geringen Trophäe enttäuscht nach Hause. Sie wurden von unerfahrenen Jagdführern geführt, jagten in wildleeren Revieren oder wurden einfach in den Bergen spazierengeführt, weil sie nicht bereit waren, so manchem geldgierigen Jagdführer eine Extraprämie zu zahlen.
Sogar die Gäste, die starke Gamsböcke erlegen konnten, hatten nicht selten viel Ärger vor Ort, und trotz ihres Erfolges empfahlen sie diese Jagd nicht weiter. Ein bekannter deutscher Auslandsjäger konnte im Dezember 1993 einen Rekordgams in den rumänischen Karpaten erlegen, für den er auch in den USA viel Anerkennung erhielt. Ich wollte deshalb ein Streckenfoto von ihm in diesem Beitrag bringen und bat ihn um ein paar Abzüge. Er lehnte mein Ansinnen ab und – weil er sich gerade im Ausland befand – ließ mich durch sein Sekretariat wissen, daß „er über seine Erfahrungen in Rumänien sehr enttäuscht war, trotz kapitaler Gamstrophäe, und er möchte nicht als Aushängeschild benutzt werden für etwas, dem er nicht positiv gegenübersteht“.
Es gibt auch Experten, nach deren Meinung sich in Rumänien jagdlich vieles zum Besseren gewendet hat. Als Beleg dafür führt Dr. Herbert Tomiczek die hervorragenden Trophäen an, die auf der Nationalen Jagdausstellung Bukarest ’97 gezeigt wurden und daß von 4.200 Trophäen der verschiedenen rumänischen Wildarten, 2.331 mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurden.
Hohe Preise für wildleere Reviere?
Einige der früheren großen Rumänien-Anbieter sehen gerade in der Wilderei die Hauptursache für den Zusammenbruch des rumänischen Jagdtourismus. So zum Beispiel der Chef einer österreichischen Jagdagentur, die einst bis zu 300 Jäger nach Rumänien schickte, heute aber dieses Karpatenland nicht mehr im Programm hat. Nach seiner Meinung ist die jagdliche Situation heute dort „katastrophal“. Daran sei vor allem die starke Wilderei schuld. Die meisten Reviere seien wildleer, weshalb Rumänien nach seiner Einschätzung keine Zukunft mehr als Jagdland habe. Es gebe zwar noch ein paar gute Reviere, die seien aber eher die Ausnahme.
Ein anderer Anbieter, der einst fast ausschließlich Jagden in Rumänien vermittelte, ist dagegen der Meinung, daß die Wilderei selbst kein so großes Problem für den Jagdtourismus darstelle. Die Wilderer schössen zwar recht viel, aber vorwiegend weibliche und jüngere Stücke fürs Fleisch, nur selten altes, kapitales Wild. Auch das ist sicher richtig beobachtet, und wie so oft wird auch in dieser Frage die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen.
Eine erfolgreiche Hege ist aufwendig und teuer. Wer denkt aber an die Hege des Wildes, wenn die wirtschaftliche Notlage die Menschen selbst zu Überlebenskünstlern macht und Förster und Jagdführer sehr oft dazu zwingt, die schnelle Mark zu machen? Da kommen wohlhabende Jagdgäste aus dem reichen Westen, und mit ihnen kommt viel Geld – was ist da naheliegender, als sich als Notleidender an den lieben Gast heranzuschmeißen und ihn abzuzocken.
Das kennen die meisten Rumänienjäger viel zu gut. Aber auch wenn man sich nicht selbst vor Ort davon überzeugt hat, genügt es schon, nur den Blick auf die rumänische Preisliste zu werfen, damit einem klar wird, woher der Wind hier weht: Für jede, auch die kleinste „Dienstleistung“ wird vom Jagdgast Geld kassiert. Ein – wie sich herausstellte – verhängnisvoller Fehler, der schon im letzten Jugoslawien-Bericht in dieser Zeitschrift angeprangert wurde (siehe JAGEN WELTWEIT 5/97, S. 13-14). Denn die Folge ist, daß sich solche Praktiken unter den Auslandsjägern (egal, ob darüber in der Jagdpresse berichtet wurde oder nicht) sehr schnell herumsprechen und die Gäste ausbleiben.
Ob der Gast im Revier herumfährt oder sich ausruht, ob er fehlt oder ein Cape mitnehmen will – für alles muß er bezahlen, und zwar je mehr, desto besser. Daß man mit einer solchen Einstellung zum Gast (der vom „König“ weit entfernt ist) nicht weit kommen kann, mußte Rumänien teuer mit dem nun fast völligen Ausbleiben der Gäste bezahlen , und es werden ihm bald sicherlich auch die Länder folgen, die sich eine solche unfaire Abrechnungspraxis nach wie vor leisten.
Bei den Abschuß- und Servicepreisen hatte Rumänien offenbar schlechte Vorbilder gewählt. Es orientierte sich in erster Linie an Ungarn, hatte daher sehr hohe Preise, für die es aber in Rumänien keine entsprechende Gegenleistung gab. In Ungarn war schon immer von Wildbestand und Unterbringung bis zum Service alles erstklassig, um nicht zu sagen luxuriös, was natürlich auch seinen Preis hatte. In Rumänien dagegen wurden zum gleichen Preis eine schlichte Unterkunft, schlechter Service und mittelmäßige Reviere angeboten.
Während zu Beginn der 90er Jahre mehrere Dutzend westlicher Agenturen die Jagd in Rumänien anboten, gibt es heute nur einige wenige, die seriös Jagden dorthin zu vermitteln versuchen. Das was an guten Revieren noch übriggeblieben ist, haben diese Jagdagenturen unter sich aufgeteilt und schicken heute noch ihre Gäste in die Karpaten. Man bemüht sich nach Kräften, möglichst alles unter Kontrolle zu halten und mit jeder Gruppe vor Ort zu sein, aber auch mit diesem Aufwand gibt es noch Höhen und Tiefen: Die eine Gruppe macht eine gute Strecke, die andere geht enttäuscht nach Hause.
Natürlich gibt es auch heute nach wie vor gute Jagdreviere in Rumänien, die Toptrophäen liefern, und wer den Angaben und Versprechungen seines Vermittlers vertraut, der fährt dorthin und versucht sein Glück. So ist auch die Bitte einiger weniger übriggebliebener Rumänienanbieter verständlich, nicht nur über die negativen Seiten des Jagdtourismus der letzten Jahre zu berichten, sondern auch auf die Bemühungen derjenigen Agenturen hinzuweisen, die gute Reviere immer noch unter Vertrag hätten und deren Jäger im großen und ganzen mit Rumänien zufrieden seien.
In diesem Kontext sollten auch positive Meldungen (bis zu den Formulierungen vom Beginn dieses Jahres wie „Die Jagd in Rumänien erfreut sich zunehmender Beliebtheit“) über Rumänien verstanden werden, die die Kenner der Situation natürlich etwas stutzig machen. Oder die Feststellungen wie „In den rumänischen Forstämtern herrscht Aufbruchstimmung. Man möchte unbedingt mehr Westkontakte mit Jägern“, die 1998 publiziert sind, aber eher für die Jahre 1990 oder 1991 passen würden.
Hirsche und Keiler
Keine Wildart ist unter den westlichen Auslandsjägern so populär wie der mächtige Karpatenhirsch. In Rumänien lebten zu Beginn der 90er Jahre etwa 42.000 Stück Rotwild, die Jahresstrecke beträgt 4.600 Stück.
Der stärkste Rothirsch des Landes nimmt mit 261,25 CIC-Punkten Platz acht in der CIC-Weltrangliste ein, ein weiterer Spitzenhirsch wurde 1989 in Glodeni-Mures erlegt und erreichte mit einem Geweihgewicht von 14,22 Killogramm 255,96 CIC-Punkte.
Die beste Zeit des Hirschjagens ist schon vorbei. In den letzten Jahren häufen sich die Fälle, daß ganze Gruppen zur Hirschbrunft in die Karpaten kommen und schließlich von den angereisten nur wenige Waidmänner überhaupt zum Schuß gelangen, wobei der stärkste Hirsch dann gerade noch 7,5 Kilogramm auf die Waage bringt. „Für einen solchen Hirsch fahre ich doch nicht 2 000 Kilometer nach Rumänien“, war der Kommentar des „glücklichen“ Erlegers aus einer solchen Gruppe.
Das Schwarzwild wird in Rumänien als Hauptwildart angesehen und ist im ganzen Land weit verbreitet. Die Gesamtpopulation zählt etwa 46 000 Stück, die Jahresstrecke beläuft sich auf 17 600 Sauen.
Von den 985 Keilertrophäen, die auf der Nationalen Jagdausstellung Bukarest ’97 gezeigt wurden, erreichten 562 die Goldmedaille und drei mehr als 140 CIC-Punkte. Auch in den letzten Jahren kamen gewaltige Keiler zur Strecke, deren Gewehre Spitzenwerte auch bis zu 29,6 Zentimeter und Gewehrbreiten bis 31,5 Millimeter aufwiesen.
Auf die Probleme mit Keilerjagden und den besonders populären Sautreiben habe ich oben bereits hingewiesen. Reviere mit schweren und starken Keilern gibt es immer noch, wo sie auch gezielt am Ansitz an der Kirrung bejagt werden können. Solche Möglichkeiten sind aber heute seltener geworden und werden in der Regel als Geheimtip gehandelt, tauchen also in den offiziellen Angeboten kaum auf.
Karpatengams
Rumänien ist in erster Linie als Bärenland berühmt. Es gibt aber noch eine weitere Wildart, für die Rumänien weltbekannt ist – der Gams. Dort findet man eine ganz besondere Gamsunterart, den Karpatengams. Er wird sowohl vom SCI wie vom CIC offiziell als solche anerkannt. Der Karpatengams ist sowohl im Wildbret als auch in der Trophäe die stärkste Gamsunterart überhaupt. Und von den zehn weltstärksten Gams in der CIC-Bewertung kommen neun aus Rumänien. Auch der offizielle Weltrekord, der „Hessheimer Gams“ (141,10 CIC-Punkte), wurde 1934 in den rumänischen Südkarpaten erlegt. Neu hinzugekommen ist ein Gamsbock mit 119,47 CIC-Punkten, der 1989 in Prislop-Maramures zur Strecke kam, und die beste Gamsgeiß mit 112,83 CIC-Punkten.
Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat es ein Bestandstief von nur etwa 2 000 Stück gegeben (diese und folgende Daten nach R. Rösler). Danach hat sich die Population relativ schnell erholt und erreichte zu Beginn der 80er Jahre einen Optimalbestand von 8 200 Stück. Mitte der 90er Jahre schätzte man den Gesamtbestand auf etwa 9 000 Stück (Jahresstrecke 600).
Durch die Wiedereinbürgerungen zwischen 1962 und 1983 wurde der Lebensraum des Karpatengams deutlich erweitert. Das ursprüngliche Gamsvorkommen umfaßte vornehmlich die Südkarpaten, die Einbürgerungen erfaßten folgende Bergmassive: Rodnaer-Gebirge, Kelemen-Gebirge, Ceahlau-Berge, Hagymasch-Gebirge, Vrancea-Gebirge, Bodzaer-Gebirge, Csukas-Gebirge und Siebenbürgisches Erzgebirge.
Die Gamsjagd wurde bis zu Beginn des vorigen Jahrhunderts vornehmlich von Bergbauern betrieben. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die rumänischen Gamsjagden des Grafen Kendeffy im Retezat-Gebirge unter den Bergjägern bekannt. Das Problem mit den rumänischen Gamsjagden sind vor allem die hohen Abschußgebühren, die zu Beginn der 90er Jahre manchmal von Jahr zu Jahr bis zu 20 Prozent stiegen.
Nach der neuesten Preisliste würde der offizielle Weltrekordgams fast 20.000 (!) Mark kosten. Rumänienkenner führen die astronomisch hohen Gamspreise auf den Umstand zurück, daß die von den Jagdbehörden geplanten Einnahmen von den niedrigen Strecken nicht erreicht wurden. Daraufhin wurde versucht, die fehlenden Beträge durch einen Preisanstieg wieder auszugleichen.
Aber der Preis allein ist nicht das größte Problem, wenn es tatsächlich genügend Spitzentrophäen in der Klasse zwischen 120 und 130 CIC-Punkten in Rumänien gäbe. Denn es gibt genug passionierte Bergjäger, die bereit wären, für eine solche Toptrophäe so viel Geld zu bezahlen. Bisher wurden so herausragende Trophäen entweder unter der Hand verkauft, oder die Gäste wurden mit hohen Erwartungen in die Bergreviere gelockt, in denen es gar nicht solche starken Böcke gegeben hat. Darunter hat bis jetzt vor allem Rumäniens Ruf als Gamsparadies gelitten.
Böcke und Schaufler
Der Rehwildbestand zu Beginn der 90er Jahre belief sich auf etwa 215.000 Stück, die Jahresstrecke auf 22.000. Die Bockreviere sind sehr groß, die Wilddichte aber viel geringer als in den klassischen Rehbockländern. Dafür ist die Trophäenqualität hervorragend.
Der Landesrekord liegt bei stattlichen 211,67 CIC-Punkten. Eine der stärksten Bocktrophäen Rumäniens aus den letzten Jahren wurde auf der Nationalen Jagdausstellung Bukarest ’97 gezeigt. Sie wurde 1992 in Smirdivosa-Teleorman erbeutet und brachte 189,35 CIC-Punkte.
Ich habe öfters Gelegenheit gehabt, sowohl bei den einheimischen Jägern wie bei den Gästen Spitzenrehkronen zu bewundern. In der Regel waren das Bocktrophäen mit hohen, dicken Stangen, langen Enden und grober Perlung. Auch beim Rehbock hat man das Gefühl, daß die für die Jagd zuständigen Stellen gar nicht wußten, was für einen Schatz sie im Lande horten.
Anstatt für Rumänien als neues Bockparadies mit attraktiven Preisen und besten Revieren zu werben, waren die Bockabschüsse viel zu teuer. Aus diesem Grund hat es in Rumänien nie einen großen „Bock-Boom“ gegeben. Die Überlegung der Gäste war einfach: Wozu großen Aufwand treiben, wenn man einen gleichstarken Bock auch in Ungarn, 600 Kilometer näher, preisgünstiger und mit exzellentem Service bekommen kann?
 
Das Damwild hatte in Rumänien eine besondere Attraktivität. Sein Bestand war relativ hoch (knappe 12.000 Stück, mit einem Jahresabschuß von 4.800), die Trophäenqualität war gut und die Schauflerjagd konnte man in freier Wildbahn genießen.
 
Gleich nach der Öffnung Rumäniens gab es viele Reviere, die Damhirschjagden zu teilweise recht niedrigen Preisen anboten. So konnte es passieren, daß in den ersten Jahren zuviel Damwild geschossen wurde. Es sind auch Fälle bekannt, daß in einigen Revieren nur ein Drittel des Abschusses angemeldet wurde, den Rest aber schoß der Jagdgast schwarz für den Fleischbedarf seines Jagdführers. Es gab auch Reviere, wo die Schaufler zusammen mit Schwarzwild auf Treibjagden wahllos geschossen wurden. Heute gibt es dort kaum noch Damwild.
Bären & Co.
Rumänien war schon immer für seinen großen Bärenbestand (5.500 Stück) bekannt, der außerdem auch Trophäen der Weltklasse lieferte. Alle zehn weltstärksten Bärendecken des Europäischen Braunbären in der CIC-Bewertung kommen aus Rumänien, und von den Bärenschädeln sind von den zehn ersten fünf Schädel aus den rumänischen Karpaten. Den neuen Weltrekord (69,47 CIC-Punkte) nach Schädelgröße stellt ebenfalls Rumänien mit einem Bären, der 1994 in Colibita-Bistrica erlegt wurde.
Der Bär wurde von Anfang an im Frühjahr vom Ansitz und im Herbst bei großen Treibjagden in den Eichenwäldern bejagt. Das Problem war damals aber, daß man diese Jagden zwar legal durchführen konnte, die Einfuhr der Trophäen in die EU-Staaten aber verboten war.
Die Lage hat sich jetzt aber grundsätzlich geändert, weil am 1. Juni 1997 ein neues EU-Artenschutzrecht in Kraft trat. Die wichtigste Änderung für Rumänien-Jäger ist, daß die Einfuhr von Braunbärtrophäen in die EU-Staaten jetzt möglich geworden ist! Das hat für die Bärenjäger eine neue Situation geschaffen, doch sieht es ganz so aus, daß diese Änderung zu spät gekommen ist und Rumänien seine Attraktivität als Bärenland bereits verloren hat.
Wer in den rumänischen Vorbergen, Karpaten oder entlegenen Revieren schon gejagt hat, hat sicherlich eine Begegnung mit Isegrim gehabt. Das ist kein Wunder, weil Rumänien einen relativ hohen Wolfsbestand hat.
Um aber ein vernünftiges Wolf-Management betreiben zu können, fehlen in Europa immer noch die wichtigsten Daten über die Reproduktion, Lebensdauer, Todesursachen und Abwanderungen der Wölfe. In Rumänien findet der Wolf naturnahe, ja fast ursprüngliche Lebensbedingungen. In solchen Gebieten werden die Wölfe seit 1994 untersucht, und es wird ein Forschungsprojekt in Rumänien durchgeführt und zwar durch die Wildbiologische Gesellschaft München und das Wildforschungsinstitut des Rumänischen Umweltministeriums (diese und folgende Informationen nach Promberger/Ionescu).
Jedes Jahr werden in Rumänien etwa 20 Wölfe mit Halsbändern versehen und vom Boden oder aus der Luft täglich lokalisiert und erforscht. Dadurch sollen alle wichtigen Informationen über die Lebensgewohnheiten der Wölfe und deren Einfluß auf das Schalenwild gesammelt werden. Alle diese Informationen konnten bisher nur von nordamerikanischen Wildbiologen genutzt werden, also in ökologischen Bedingungen, die sich von denen in Osteuropa wesentlich unterscheiden und nicht einfach übertragen werden können.
Das war auch der Hauptgrund, warum hier überhaupt mit einem Forschungsprojekt begonnen wurde. Wenn dieses Projekt abgeschlossen ist, wird es leichter sein, auch die Abschußzahlen für die rumänische Population genau zu bestimmen. Auch wird untersucht, wie sich die Jagd auf die Sozialstruktur der Wölfe auswirkt.
Nach dem neuen Jagdgesetz genießt der Wolf auch eine Schonzeit und darf vom 1. April bis zum 15. Juni nicht bejagt werden. Der Wolf ist eine Zufallstrophäe (Abschußgebühr 1.000 Mark), insbesondere auf den winterlichen Treibjagden. Im Januar dieses Jahres wurde auf einer solchen Jagd ein hochkapitaler Wolfsrüde mit fast 45 Kilogramm Körpergewicht von einem deutschen Jäger zur Strecke gebracht, dessen Decke in die Goldmedaillenklasse rückte. Das ist kein Zufall, weil Karpatenwölfe bekanntlich sehr stark sind und eine Wolfsdecke aus Rumänien mit ihren 186,17 IP sogar den offiziellen CIC-Weltrekord stellt.
Neben den 2.500 Wölfen leben in Rumänien heute 1.500 bis 1.700 Luchse. Nur Rußland hat in Europa einen größeren Luchsbestand als dieses Karpatenland. Aus diesem Grund hat auch Pinselohr eine Jagdzeit (Jahresstrecke liegt um 120 Stück) und wird vorwiegend im Winter bei Schnee bejagt. Die Abschußgebühr für einen Luchs beträgt etwa 2 000 Mark. In dieser Zeit ist auch der Balg von bester Qualität, nicht selten kommen sehr starke Kuder mit Körpergewichten bis 38 Kilogramm zur Strecke. Da die Einfuhr der Luchstrophäen in die EU-Länder verboten ist, ist die Luchsjagd für deutsche und österreichische Jäger weniger attraktiv.
Auerhahn und Niederwild
Der Gesamtbesatz des Auerwildes wird auf etwa 10 000 Stück geschätzt, der Jahresabschuß liegt bei 200 Stück. Birkwild ist zur Zeit geschont. Es bestehen immer noch gute Jagdmöglichkeiten auf den Urhahn in den Ost- und Südkarpaten. Der Abschuß eines Auerhahns kostet etwa 2 000 Mark, der Henne 1 000. Die beste Jagdzeit ist Ende April, wenn die Balz voll im Gange ist.
Rumänien hat auch sehr gute Jagdmöglichkeiten auf Wachteln, Tauben, Fasanen, Enten, Gänse und Hasen, die aber bisher kaum beachtet wurden.
Ungewisse Zukunft
Einst als Jagdland der Zukunft gepriesen, ist Rumänien heute zum abschreckenden Beispiel für all die Jagdländer geworden, die kein nachhaltiges Wildmanagement betreiben und ihre Preise für erfundene Leistungen lediglich dem Abzocken der Gäste dienen. Wenn einmal der gute Ruf eines Jagdlandes verspielt ist, ist es sehr schwer, ihn wieder herzustellen. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob es den engagierten rumänischen Jägern, Förstern und Wildbiologen gelingen wird, dieses Kunststück zu vollbringen und wieder viele Jagdgäste in den dunklen Wäldern der Karpaten begrüßen zu können.
 
Hansgeorg Arndt

Hansgeorg Arndt
Besonders gleich nach der Öffnung wurde Damwild zu stark bejagt. In einigen Revieren war binnen eines Jahres beinahe der gesamte Damwild-Bestand ausgelöscht.
Hansgeorg Arndt

Bilder:

Hansgeorg Arndt

Foto: Thomas Schwarzenberg, Alfred Löprich

Hansgeorg Arndt

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