1/2012
Passionierte Flintenschützen bekommen beim Stichwort Rothuhn glänzende Augen. Insbesondere getriebene Rothühner stellen den Jäger vor eine schwierige Aufgabe.
Von Norbert Klups
Auf einer Anhöhe inmitten von Olivenbäumen gelegen: das Jagdhaus von Vale do Manantio. Foto: N. Klups |
Das Jagdrevier Vale do Manantio liegt im Süden Portugals und hat eine lange Jagdtradition. Der Vater des jetzigen esitzers Joao Bravo war einer der bekanntesten Jäger Portugals und über viele Jahre Herausgeber der einzigen portugiesischen Jagdzeitung „Diana“. Wie kaum ein Anderer setzte er sich für die heimische Jagd ein und schrieb hierüber mehrere Bücher. Er kaufte das heutige Revier in den 1950er Jahren und machte es zu einem der besten familiengeführten Jagdreviere Portugals.
Das Herrenhaus steht mitten im über 1.000 Hektar großen Jagdgebiet und ist mehr als 200 Jahre alt. Lange Zeit war Vale do Manantio ausschließlich zum Jagen für den Besitzer und seine Freunde vorbehalten. Ein solches Revier zu unterhalten, ist aber eine sehr kostspielige Angelegenheit, und so öffnete Joao Bravo sein jagdliches Kleinod auch für zahlende Jagdgäste.
Jährlich werden 8 bis 10 Rothuhnjagden für Gäste abgehalten. Dabei werden zwischen 8.000 und 10.000 Hühner erlegt. Neben der Rothuhnjagd ist auch die Jagd auf Tauben und Enten möglich und sogar der Ansitz auf Sauen. Das ist aber eher „Nebensache“. Die meisten Jagdgäste kommen der Hühner wegen.
Von Dortmund nach Lissabon
Gute Hunde unterstützen die Arbeit der Sekretäre, die die Beute einsammeln und paarweise bündeln. Foto: N. Klups |
Der erste Kontakt zur Familie Bravo erfolgte vor zwei Jahren auf der Dortmunder Jagdmesse Jagd & Hund. Der kleine Stand fiel auf, weil neben den beeindruckenden Streckenfotos von erlegten Rothühnern und tollen Landschaftsaufnahmen auch die portugiesische Flagge zu sehen war. Rothühner hatte ich schon zweimal in Spanien bejagt, Portugal war dagegen ein weißer Fleck auf meiner jagdlichen Landkarte.
Die nächste angenehme Überraschung war, dass Joao Bravo und seine beiden Söhne fließend und nahezu akzentfrei Deutsch sprechen. Sie haben die Deutsche Schule in Lissabon besucht, und Joao hat ein Semester an der Heidelberger Uni verbracht. Das macht die Verständigung natürlich viel angenehmer und bei einem guten Glas portugiesischen Weins, der vom Winzer ganz in der Nähe von Vale do Manantio stammt, war schnell klar: Hier glitzert ein jagdliches Juwel, das unbedingt entdeckt werden muss.
Rothuhnjagen werden als Gruppenjagden für 6 bis 12 Schützen verkauft, und da ich als Einzeljäger dazustoßen wollte, waren die Termine vorgegeben. So dauerte es dann auch zwei Jahre, bis ein passendes Wochenende gefunden war.
Die Jagdsaison auf Rothühner in Portugal dauert vom 5. Oktober bis zum 31. Januar. Ich reiste gleich zur ersten Jagd im Oktober an. Keine Gästejagd, sondern eine Jagd im Freundeskreis der Familie Bravo.
Der Lufthansa-Flug von Dortmund nach Lissabon dauerte etwas mehr als zwei Stunden, und die Waffeneinfuhr in Portugal ist unproblematisch. Ein kurzer Blick in den EU-Feuerwaffenpass, ein weiterer aus zwei Metern auf die Flinte – und die Sache war erledigt. Kein Papierkram oder Stempel im EU-Feuerwaffenpass. Munition muss nicht mitgebracht werden, sie wird zur Verfügung gestellt. Joao Bravo ist auch Generalimporteur für Remington und besitzt zwei Waffengeschäfte in Lissabon.
Farbenprächtige Rothühner. Getrieben sind sie eine echte Herausforderug für Flintenschützen. Foto: N. Klups |
Vale do Manantio liegt im Herzen des Alentejos im Süden des Landes. Es grenzt an den Alqueva-Stausee. Mit seiner Fläche von 250 Quadratkilometern und einer Uferlänge von fast 1.200 Kilometern ist er der größte Stausee Europas.
Mit dem Auto ist man in gut zwei Stunden von Lissabon im Jagdgebiet, aber es geht auch schneller und bequemer, denn Vale do Manantio hat auch einen Landeplatz für Hubschrauber, und die Familie Bravo betreibt als Haupteinnahmequelle ein Luftfahrtunternehmen. Der Flug mit dem niedrig fliegenden Hubschrauber zunächst entlang der Küste und dann ins Landesinnere ist ein echtes Erlebnis und dauert nur etwa 40 Minuten.
Das Haus ist zwar alt, verfügt jedoch über 15 moderne und bestens ausgestattete Gästezimmer. Auch sonst bietet das Anwesen alles, was sich der Jäger nach einem anstrengenden Jagdtag wünscht. Der malerisch gelegene Pool ist beheizbar, hat einen Jakuzzi, Massagen sind möglich und auch ein Dampfbad ist vorhanden.
Wer vor der Jagd noch mal seine Schießfertigkeit überprüfen will, kann das auf dem hauseigenen Schießstand tun. Nichtjagende Begleitpersonen können mit den Pferden ausreiten oder die Wassersportmöglichkeiten am Stausee nutzen. Der Guadiana River durchfließt das Landgut auf einer Länge von vier Kilometern und ist reich an Fischen, ideal für Angler. Die meisten Jagden sind auf zwei Tage ausgelegt. Am ersten Tag Jagd auf getriebene Rothühner und am zweiten Tag eine Buschierjagd mit Hunden. Eigene Hunde können mitgebracht werden.
Ein Fall für Schwesternflinten
Flott muss man sein, wenn es saust und braust und die flinken Hühner angestrichen kommen. Foto: N. Klups |
Eigentlich war es für Anfang Oktober viel zu warm in Portugal, und bei zu heißen Temperaturen streichen Rothühner nicht so gut. Zunächst wurden die Flinten aus der hauseigenen Waffenkammer geholt, wobei sich schnell herausstellte, dass ich ziemlich unterbewaffnet angereist war: Ich hatte nur eine Flinte dabei, was mir schon so einige mitleidige Blicke meiner Mitjäger einbrachte, die durchweg Schwesternflinten führten. Nach dem ersten Treiben wusste ich auch, dass das hier durchaus angebracht ist. Wie ich später beim Abendessen erfuhr, führen viele Topschützen sogar drei oder vier Flinten bei solchen außergewöhnlichen Jagden.
Eine Jagd auf getriebene Rothühner ist auch ein gesellschaftliches Ereignis und wird mit hohem Aufwand betrieben. Da sind leicht an die 100 Personen beteiligt. Jeder Jäger hat mindestens einen Sekretär, der für das Laden hoch zu Pferde an. So hat er den besten Überblick und ist bei Bedarf schnell zur Stelle.
Die Landschaft ist leicht hügelig mit einem lockeren Baumbestand, meist Oliven und Korkeichen. Die Schützenstände sind so angelegt, dass sie sich unterhalb einer Hügelkuppe befinden. Getrieben wird von der Gegenseite aus, so dass die Hühner hoch und schnell über die Köpfe der Schützen kommen. Der Schütze steht hinter einem brusthohen Tarnnetz, das vom Sekretär schnell mit zwei Stangen aufgestellt wird. So wird verhindert, dass die anstreichenden Hühner den Schützen sofort sehen. Außerdem unterbindet es zu flache Schüsse.
Gedränge am Stand: Schütze, Sekretär ud ein weiterer Jagdhelfer. Foto: N. Klups |
Um 10 Uhr war der erste Stand eingenommen, und es ging los. Auf den Ständen links und rechts herrschte noch eine recht entspannte Atmosphäre. Die Flinten standen in den mitgebrachten Ständern. Die Schützen hatten sich auf ihre Sitzstühle niedergelassen.
Die Treiben sind weitläufig angelegt, und die Helfer treiben die Hühner aus beträchtlicher Entfernung in Richtung der Schützenkette. Davon bekommt der Schütze allerdings nicht viel mit, denn er steht auf der anderen Seite des Hügels und schaut angestrengt in den Himmel.
Dann fielen vereinzelte Schüsse, und plötzlich sausten auch bei mit zwei schnelle Schatten über den Stand. Der Sekretär grinste nur auf meinen fragenden Blick hin. Bei den nächsten drei Hühnern bekam ich zumindest schon mal die Flinte an die Schulter. Eine Chance hatte man hier nur mit Voranschlag auf die Hügelkuppe, denn in knapp zwei Sekunden waren die Hühner über den Stand und außer Schussweite. Das nächste halbe Dutzend begrüßte ich mit Schrot, was allerdings nicht mehr als Salutcharakter hatte.
Hier hieß es, das Vorhaltemaß völlig neu zu überdenken und sich von den gewohnten Rübenfasanen aus dem Müns terland gedanklich zu trennen. So in etwa eine Buslänge durfte es schon sein. Nach gut 20 verschossenen Patronen dann die ersten Erfolge, die erheblich zur Steigerung der Stimmung beitrugen. Na also, geht doch. Allerdings nicht lange, denn bisher war alles nur ein Vorspiel gewesen.
Querreiter von links: Da muss der Schütze schon heftig nach vorn schwingen. Foo: N. Klups |
Jetzt näherte sich die Treiberkette dem Hügel, und die Hühner kamen in stetem Strom über die Kuppe gesaust. Links und rechts knallte es nun ununterbrochen, und selbst die Schwesternflinten durften ziemlich heiß geworden sein. Die Flinte nachzuladen, wenn ständig weitere Vögel über den Kopf streichen, ist schon frustrierend.
Wenn dann auch noch mehr Fehlschüsse als Treffer notiert werden, steigert das die Stimmung auch nicht gerade. Die Hühner strichen extrem rasant, auch von links und rechts quer über den Stand, wenn die Ketten von den Nachbarschützen Dampf bekommen und abdrehen. Als die ersten Treiberfähnchen über der Hügelkuppe auftauchten, war Hahn in Ruh, und es ging ans Einsammeln der geschossenen Hühner. Das dauerte bei mir nicht lange, mein halbes Dutzend Rothühner war schnell am Hühnergalgen versorgt. Meine Nachbarschützen brauchten da schon etwas mehr Zeit. Beim besten Stand kamen 41 Hühner zusammen.
Das zweite Treiben brachte weniger Beute und war so angelegt, dass danach nur die Seite des Tarnnetzes gewechselt wurde, um dann das dritte Treiben von der anderen Seite zu erwarten. Hier kam es dann richtig heftig, die Hühner strichen sehr hoch und zahlreich. Hohe Hühner quer sind noch deutlich schwieriger als flache Hühner von vorn. Meine Trefferquote, die leicht angestiegen war, wanderte wieder in den Keller.
Das ließ sich aber noch steigern, denn beim vierten Treiben kamen die Hühner direkt aus der Sonne wie japanische Kamikazeflieger. Toll anzuschauen, wie die schwarzen Silhouetten plötzlich auftauchten, aber fast unmöglich zu treffen. Die Patronentasche wurde schnell leer, und es wurde neue Munition aus den Begleitfahrzeugen gebracht.
Auf einem Freisitz mit Panoramablick wird das opulente Mittagessen eingenommen. Foto: N. Klups |
Die Sonne stand jetzt hoch am Himmel, und das Thermometer kletterte auf die 30-Grad-Marke. Zeit für die Mittagspause, die hier als sogenanntes Taco, ein Essen im Freien, verbracht wird. Dafür sind zwei herrliche Freisitze im Revier vorhanden, die zudem über eine komplett ausgestattete Toilettenanlage verfügen. Von hier hat man einen herrlichen Blick auf den Stausee, und ein angenehm kühler Wind erfrischte zusätzlich. Besonders Hunde und Treiber haben bei den warmen Temperaturen eine Ruhepause nötig. Nach etwa zwei Stunden folgen dann zwei weitere Treiben in bewährter Manier.
Besonders das letzte Treiben hatte es in sich. Es wurden neu angepflanzte Olivenhaine durchgedrückt, und die steckten voller Hühner. In den letzten zehn Minuten des Treibens knallten die Flinten unaufhörlich, und die getroffenen Hühner lagen anschließend weit hinter der Schützenkette. Überall waren zufriedene Gesichter zu sehen.
Nach einer Brotzeit und einem kleinen Umtrunk auf der Terrasse des Hauses wurde Strecke im Innenhof gelegt. Und die konnte sich sehen lassen. 726 Rothühner lagen paarweise in Reihen zu je 40 Stück. Hört sich gewaltig an, ist aber hier nur ordentlicher Durchschnitt. Die Rekordstrecken liegen bei deutlich über 1.000 Hühnern.
Beim Abendessen gab es dann noch etwas Statistik, denn schließlich wird auf jedem Stand genau Buch geführt über die abgegebenen Schüsse und die erlegten Hühner. So erfuhr dann jeder Schütze seine persönliche Strecke und sein Trefferverhältnis. Beim besten Schützen des Tages lag das bei hervorragenden 1:1,8. Bei diesen rasanten Fliegern ein Spitzenergebnis. 1:3 bis 1:4 ist auch für gute Schützen in Ordnung.
Buschierjagd am zweiten Tag
Imposante Strecke, aber nicht rekordverdächtig: 762 Rothühner. Foto: N. Klups |
Am nächsten Morgen war es etwas wolkiger und nicht ganz so heiß. Für das geplante walk up damit gute Voraussetzungen. Es ging zu Fuß direkt vom Haus los. Jetzt zeigte sich, wie hügelig das Gelände wirklich ist. In lockerer Schützenkette ging es hinter den suchenden Hunden her, jeweils mit einem Begleiter, der Patronentasche und erlegte Hühner trug.
Rothühner haben eine sehr gute Tarnfarbe und verschmelzen perfekt mit dem braunen Untergrund. Auch wenn der Hund vorstand, waren sie fast nicht zu entdecken. Kaum ein anderes Flugwild hat einen so schnellen Start wie ein Rothuhn und streicht dazu so flach und kurvenreich ab. Jede Geländeunebenheit wird ausgenutzt. Wenn es 15 Meter vor dem Schützen startet, ist es keine drei Sekunden später außer Schussweite. Nur schnelle Schnappschüsse bringen hier Erfolge.
Die Patronentasche wurde schnell leerer, aber das ist man hier gewohnt. Alle halbe Stunde kommt die Schützenkette an einen Fahrweg, wo schon ein Begleitfahrzeug mit kalten Getränken und Munition wartet und die erlegten Hühner aufnimmt. Als die Sonne hoch stand, reichte es dann. Wir machten uns auf den Rückweg zum Haus. Fast 70 Hühner lagen im Wagen, und der Respekt vor der Leistung der Treiber am Vortag war gewaltig. Jetzt lockte die Aussicht auf ein kühles Bad im Pool und ein schattiges Plätzchen auf der Terrasse.
Das war Flintenjagd vom Feinsten. Portugal kann jagdlich mit Spanien ohne weiteres mithalten, auch wenn der Jagdtourismus hier noch ganz am Anfang steht. Der begeisterte Flugwildjäger findet hier ein jagdliches Paradies, in dem aber Lust und Frust sehr nahe beieinander liegen. Ausschlaggebend ist die eigene Schießfertigkeit, und da sollte man sich sehr gut vorbereiten. Minitauben sind wohl die beste Möglichkeit, sich auf die schnellen Hühner einzustellen.
Wer Strecke machen will, kommt um ein Flintenpärchen kaum herum. Wer Schwesternflinten besitzt, findet hier ein ideales Terrain zum ausgiebigen Einsatz.