2/2013
Wasserböcke gehören neben dem Buschbock zu den am schwierigsten bejagbaren Antilopen – denn die typischen Einstände sind dicht und unübersichtlich. Ein reifer Wasserbock war Ziel einer Jagd in Namibia.
Von Norbert Klups
Den ersten Kontakt mit Wasserböcken hatte ich bei einer Büffeljagd in Simbabwe im Sambesi Valley vor mehr als 20 Jahren. Plötzlich stand ein stattliches Exemplar auf knapp 30 Meter im Dickbusch vor uns. Die Kugel blieb im Lauf, denn wir waren schon seit 2 Tagen auf der Fährte zweier alter Büffel und vom Gefühl her „nahe dran“. Ein Schuss hätte die Mühen der langen Pirsch zunichte gemacht. Eine richtige Entscheidung, wie sich schnell herausstellte, denn knapp 20 Minuten später waren wir an den Büffeln und beendeten diese Jagd erfolgreich. Der Versuch, in den verbleibenden 3 Jagdtagen noch einen Wasserbock zu bekommen, scheiterte dann. Ihrem Namen zum Trotz sind die Wasserböcke nicht so an Wasser gebunden wie andere Mitglieder der Gattung Kobus. Die Ried- und Wasserböcke (Reduncinae) umfassen insgesamt 8 Arten, nämlich 3 Ried- und 5 Wasserböcke. Bei letzteren handelt es sich um die Moorantilope (Kobus kob), die Weißnacken-Moorantilope (Kobus megaceros), den Litschi (Kobus leche), den Puku (Kobus vardonii) und den eigentlichen Wasserbock (Kobus ellipsiprymnus).
Lautloses Pirschen ist im namibischen Busch kaum möglich. |
Während sich insbesondere die Litschis am liebsten in überfluteten Flusslandschaften aufhalten, bewohnen Wasserböcke vorzugsweise mehr oder weniger trockene Strauch und Buschgebiete im Umfeld von ganzjährig bestehenden Gewässern. Ihn hier zu bejagen, ist relativ schwierig, denn Wasserböcke sind extrem vorsichtig. Sie wittern und äugen sehr gut.
Unsere Pirsch durchs Wasserbock-Habitat im Dickbusch erwies sich als extrem schwierig, denn alles war trocken, lautloses Pirschen kaum möglich. Die klassische Methode, morgens den Fährten von einem Wasserloch aus zu folgen, endete stets mit dem Wegbrechen des Wildes vor uns. Manchmal waren wir so nahe, dass wir die Wasserböcke riechen konnten. Der typische, terpentinähnliche Geruch ist unverkennbar.
Auf ein Neues
Die 2. Begegnung mit dieser interessanten Wildart hatte ich Jahre später bei einer Elefantenjagd im Caprivi. Wie damals bei der Büffeljagd waren wir auf der Fährte, als wir auf eine Herde Wasserböcke stießen. Zunächst sahen wir nur 5 weibliche Stücke und einige Jungtiere, doch in größerem Abstand folgte dem Trupp ein guter Bock. Die Kugel blieb auch hier im Lauf, denn wir hatten keine Lizenz für diese Antilopenart.
Jetzt stand aber endgültig fest, dass die Jagd auf einen Wasserbock auf meiner jagdlichen Wunschliste ganz weit oben angesiedelt war. Allerdings nicht als „Nebenbeijagd“, sondern diesem imposanten Wild sollte die gesamte Aufmerksamkeit einer Jagdreise geschenkt werden. Nach einigen Recherchen fiel die Wahl dann auf eine Farm in Namibia, wo es wirklich gute Wasserböcke geben sollte: Die Panorama Rock Guest Farm and Game Ranch.
Ein Springbock hat uns entdeckt. |
Panorama Rock liegt östlich von Windhuk und hat einen relativ dichten Busch- und Baumbestand sowie zahlreiche Wasserstellen. Ideales Gelände für Wasserböcke – aber schwierig für den Jäger. Einige alte Böcke sollten hier ihre Fährte ziehen. Wasserböcke sind sehr standorttreu. Kapitale, ausgewachsene Böcke besetzen das ganze Jahr über Territorien, die – je nach Bestandsdichte – eine Fläche von 50–300 Hektar aufweisen.
Erst ab einem Alter von 6 Jahren ist ein Bock bestrebt, ein eigenes Revier zu besetzen. In seinem Areal duldet er keinen anderen geschlechtsreifen Bock. Nur etwa 10 Prozent aller männlichen Wasserböcke haben ein Territorium. Die übrigen leben in kleinen, streng hierarchisch geordneten Junggesellentrupps zusammen. Sie streifen außerhalb des territorialen Netzwerks der dominanten Männchen in zumeist qualitativ minderwertigen Lebensräumen umher. Diese Vagabunden sieht man relativ oft, aber hier ist keine gute Trophäe zu erwarten.
Um einen kapitalen, reifen Wasserbock zu erbeuten, ist daher die Pirsch im Territorium des Bockes erforderlich. Erschwerend kommt hinzu, dass Wasserböcke keine feste Brunftzeit haben, sondern die weiblichen Stücke ganzjährig brunftig werden können. Sind weibliche Wasserböcke paarungsbereit, gesellen sie sich zum territorialen Bock. Dies bedeutet für den Jäger, dass er stets auch mit weiblichen Stücken im Umfeld zu rechnen hat. Das macht die Pirsch nicht einfacher. Angesichts meiner früheren Erfahrungen bei Pirschgängen in trockener Jahreszeit, wählte ich für die Jagd den namibischen Winter.
Panorama Rock
Auch Giraffen kreuzen unseren Weg. |
Das Jagdgebiet von Panorama Rock umfasst 6.500 Hektar. Die Lodge liegt mitten drin – hoch auf einem Berg. Rund um das Hauptgebäude sind Gästebungalows angeordnet, von den hängenden Terrassen schweift der Blick schier endlos in die Ferne. Mit einem guten Fernglas ist irgendwo fast immer Wild zu sehen, meist Oryx, Gnus oder Kudus. Sehr angenehm war der Kamin im Haupthaus, in dem ein Feuer brannte, als wir eintrafen.
Im Juni war es sehr kalt, sobald die Sonne nicht mehr am Himmel stand. Morgens und abends sank das Thermometer auf 0 Grad. Die Wärmflasche, die sich im Bett fand, war höchst willkommen.
Nach dem obligatorischen Probeschuss auf dem bestens eingerichteten Schießstand ging es auf eine 1. Orientierungsfahrt. Gunnar Jensen, Eigentümer von Panorama Rock, zeigte uns einige markante Punkte. Wir fuhren verschiedene Wasserstellen ab, um nach Fährten des begehrten Wildes zu suchen. Frische Trittsiegel fanden sich, aber nur von weiblichen Stücken. Bei der Abendpirsch dann die 1. Fährte eines Bockes und gleich eine nicht gerade schwache. Langsam und vorsichtig folgten wir der Fährte in dichtbewachsenes, leicht hügeliges Gelände.
Auf der Fährte
Elandantilopen ziehen an uns vorüber. |
Die Fährte fanden wir an der Patt und drangen vorsichtig in den Busch ein. Hier war das Gelände etwas lichter und die Sicht besser. Die Trittsiegel führten zu einer Wasserstelle mit jeder Menge Wasserbockfährten. Wie es aussah, war hier heute Morgen ein größerer Trupp weiblichen Wildes mit einigen Jungtieren gewesen. Unsere starke Einzelfährte führte zusammen mit den anderen Trittsiegeln von der Wasserstelle weg in den Busch. Der Bock hatte sich der Herde angeschlossen – möglich, dass brunftige Stücke dabei waren. Im letzten Licht kamen wir an das Rudel, insgesamt 7 Stück, aber keine Spur eines Bockes, nur weibliches Wild. Der Bock hatte sich wieder getrennt und war allein weitergezogen. Seine Fährte fanden wir nicht mehr wieder, und dann war es dunkel – was hier sehr schnell geht.
Am Abend in der Lodge wurde beschlossen, es am nächsten Tag von der Wasserstelle, an der wir die starke Fährte entdeckt hatten, erneut zu versuchen. Sollten wir den Bock dort wieder fährten, würden wir diesen Trittsiegeln erneut folgen. Irgendwann sollte es doch mal klappen. Bei Sonnenaufgang waren wir am Wasserloch, die starke Fährte stand nagelfrisch im feuchten Boden. Sie führte schnurgerade in dieselbe Richtung wie gestern.
Der Trupp weiblichen Wildes war zwar auch am Wasserloch gewesen, hatte aber eine andere Richtung gewählt. Unser Bock war also allein unterwegs. Gesehen hatten wir ihn noch nicht, aber es musste der Platzbock sein und dementsprechend alt. Das bedeutete zwar nicht unbedingt, dass er auch kapitale Hörner trug, aber zumindest war er reif. Ganz vorsichtig folgten wir der Fährte. Es ging in immer dichteres Gelände. Oft verhakten wir uns in den Dornen. Dann eine etwas freiere Fläche, aber hoher Bodenbewuchs.
Der Wasserbock beäugt uns aufmerksam. |
Als es vor uns knackte, lief alles ab wie eingespielt. Gunnar stellte den dreibeinigen Schießstock auf, meine Frau hob die Kamera, ich legte die .300 WSM in die Gabel des Dreibeins. Falscher Alarm – keine 15 Meter vor uns machte sich ein Warzenkeiler mit hoch erhobener Antenne aus dem Staub. Gute Waffen blitzten durchs Gras – aber ich wollte einen Wasserbock. Der Keiler hatte keinen großen Lärm verursacht. Also folgten wir möglichst leise weiter unserer Wasserbock-Fährte.
Dann blieb Gunnar plötzlich wie erstarrt stehen und hob langsam das Fernglas. Auch ich hatte in etwa 50 Meter Entfernung eine Bewegung im Busch gesehen. Es schimmerte etwas Braunes durch den hellen Kameldorn. Die Bewegung wiederholte sich und verschob sich weiter nach links.
Plötzlich waren unten im Busch Läufe zu sehen – der Wasserbock war direkt vor uns. Ich ging langsam in die Knie, um mehr zu sehen. Das brachte aber nichts, nur die Läufe waren sichtbar. Langsam schoben wir uns etwas seitwärts, um besseren Wind zu bekommen. Würde der Wind sich nur ein kleines Stück drehen, hätte der Bock uns sonst unweigerlich im Wind. Dann wieder Bewegung vor uns: Jetzt war der markante Spiegel sichtbar. Zweifelsfrei ein starker Bock – wäre schön, mal das Haupt zu sehen. Ich brachte die Büchse auf dem Schießstock in Stellung, das Absehen stand über dem weißen Kreis.
Der Bock zog vor, im Zielfernrohr war nur noch Busch. Das durfte doch nicht wahr sein. Wir pirschten vorsichtig seitwärts in leichtem Bogen – der Fährte zu folgen, erschien jetzt zu riskant. Dann wieder Bewegung vor uns: Auf knapp 30 Meter ein brauner Schemen im dichten Busch, der sich zügig bewegte. Bemerkt haben konnte er uns eigentlich nicht – obwohl ich mir bei diesem scheuen Wild längst nicht mehr sicher war. In Bewegungsrichtung des Bockes lag eine kleine, lichtere Fläche, vielleicht 8 Meter breit. Wenn er dort käme…
Die Suchmaschine
Ich ging in Anschlag – für den Schießstock war keine Zeit mehr, aber es waren kaum 50 Meter. Gerade war das Fadenkreuz auf die Lücke ausgerichtet, da schob sich das Haupt des Wasserbockes in die Zieloptik. Lange, kräftige Hornzier, etwas geringe Auslage, aber sicherlich alt, der passte. Gunnars „schießen“ hörte ich wie aus weiter Ferne, dann ruckte die Büchse in der Schulter – und die Bühne war wieder leer. Genauso lautlos wie er gekommen war, war der Bock nach dem Schuss auch wieder verschwunden. Das erschien zumindest mir so, während meine Frau und Gunnar beteuerten, den Bock laut weg- und auch zusammenbrechen gehört zu haben. Das Absehen war tief auf dem Blatt gewesen – und bei der Distanz sollte die Kugel wohl gefasst haben. Aber bei Wasserböcken war anscheinend alles möglich…
„Google“ machte seinem Namen alle Ehre. |
Ich wollte natürlich nachsehen, aber Gunnar meinte, das wäre ein Fall für „Google“, seinen Deutsch Kurzhaar-Rüden, der mit dem Fahrer an der Wasserstelle im Wagen geblieben war. Da wir in einem großen Bogen gepirscht waren, war das Fahrzeug nicht weit entfernt von uns.
Nach 20 Minuten waren wir am Anschuss. Dort erst kein Schweiß, aber nach einigen Metern die ersten dicken Tropfen. Kein großes Problem für Google, der seinem Namen als „Suchmaschine“ alle Ehre erwies. Nach 60 Metern standen wir vor dem verendeten Wasserbock.
Die Kugel saß, wie angesagt, knapp hinter dem Blatt. Die .300 WSM hatte sogar Ausschuss erbracht. Auf 8–9 Jahre schätze Gunnar den Bock, die Hörner waren kräftig und gleichmäßig mit guter Querrillung. Jetzt war auch der unverkennbare, moschusartige Duft deutlich zu riechen. Das ölige Sekret, mit dem das Fell durchtränkt ist, wird von speziellen Schweißdrüsen abgesondert und hat wasserabweisende Eigenschaften. Beim Abziehen der Decke darf dieses nicht mit dem Fleisch in Berührung kommen, sonst schmeckt es wie in Terpentin getränkt.
Wir brauchten noch gut 2 Stunden, um einen Weg für den Wagen freizuschlagen und den sicher über 200 Kilogramm wiegenden Wasserbock mit der Seilwinde auf die Ladefläche zu befördern. Was vor über 20 Jahren tief unten in Simbabwe begann, fand hier ein glückliches Ende. Welch faszinierende Wildart!