Jagen im Gebirge steckt immer voller Überraschungen. Und wem teilt man solche Erlebnisse am liebsten mit? Natürlich einem guten Jagdfreund, diesmal regelmäßig per Brief.
Von Dr. Ulrich Godt
Hallo Adrian!
In der Tat ist es so, dass sich große „Ruhmestaten“ in den rumänischen Bergen ereignet haben. Da du ja neugierig bist, berichte ich alles in Raten und schön aufsortiert.
Also: Der Flug von Paderborn nach München war richtig gemütlich: Kein Stress beim Einchecken, kein Vergleich zu dem großen Flughafen in Düsseldorf oder so, Paderborn kann ich nur empfehlen. In München war es kalt und nass, Regen. Munter bin ich dann in die komfortable Lufthansa-Maschine gestiegen. In Bukarest war das Wetter auch nur wenig besser, dafür aber kein Regen.
Die erste Katastrophe: Das Gewehr war noch in München und kam mit der nächsten Maschine um 24 Uhr – na toll! Dan und seine recht hübsche Tochter haben mich in Empfang genommen und zu einem Suzuki Vitara geleitet.
Der Vitara war ein Glücksgriff, in jeder Hinsicht. Dan hat die vielen Pferdestärken sichtlich genossen. „Klein-Schumacher“ musste immer wieder gebremst werden bei quietschenden Reifen und meinerseits gestressten Nerven.
Das Leben in einer Bukarester Wohnung ist für mich doch sehr beeindruckend, gänzlich ungewohnt und ein tiefer Einblick in das Desaster dieses Landes.
Am Sonntag sind wir dann früh gegen halb acht Uhr gestartet auf der Autobahn nach Pitesti und dann weiter nach Rimnicu Vilcea und Tirgu Jiu. Die Rennfahrt von Dan fand ihren ersten Stop an einer Tankstelle und dann an einem Kloster.
Wir waren viel zu früh in Riu de Mori. Apollo, der lokale Stadthalter und Bürokrat, hat uns alle 15 Minuten über den Fortgang seiner Bemühungen informiert, uns aber präzise bis zum vereinbarten Zeitpunkt um 16 Uhr warten lassen. Der „Vorzeige-Aro“ des Forstamtes wurde noch gewaschen und dann mit allerlei Gepäck und letztendlich mit zwei Jägern beladen.
Dan hat den Aro die Straße hoch bis zum Staudamm gescheucht. Er hatte ja mit diesem Fahrzeug auch ein paar Pferdestärken mehr. Meine Nerven lagen schon wieder blank; ich konnte ihn etwas bremsen mit Hinweisen auf die schöne Herbstlandschaft. Es war wirklich imposant.
Wir sind dann am Rande des Nationalparks bis zum Stausee des Riu Mare gefahren und dann noch ein kleines Stück weiter bis zur Jagdhütte. Dort wurden wir von Bogdan und seiner jungen Frau Luzie empfangen. Sie fungierte als sehr gute Köchin – aber nicht so delikat wie in Rucar – und als energische Wächterin der Schranke zum Nationalpark (Geld eintreiben, Aufpassen und so weiter).
Ich war jetzt schon etwas schlauer mit der Antwort auf die Frage, was ich denn schießen wolle, und habe genau meine Wünsche angegeben. Das war auch gut so. „Wollen Sie auch Keiler schießen?“ „Na klar!“ Diese Antwort hat wohl Sympathiepunkte gebracht.
Morgen mehr.
Grüße, Uli
Fotos: Dr. Ulrich Godt
14.Oktober
14.Oktober
Hallo Adrian!
Also, das Jagdhaus ist gut wie immer, romantisch an einem rauschenden Bach gelegen, der etwas weiter unten in seinem, durch ein Gewitter sehr verbreitertem Bett fließt, jetzt aber ganz harmlos aussah. Die Ankündigung der Jäger war auch ganz harmlos: „Wir gehen gleich auf Waldwegen ein wenig spazieren, ganz bequem, stehen ein wenig, lauschen und sehen, was da kommt.“
So hat es Dan, das Ungeheuer, übersetzt! Ob es so richtig übersetzt war, weiß ich nicht: Ich denke, die haben tatsächlich von Spazieren gehen gesprochen. Später, als ich schon ein wenig mehr rumänisch verstanden habe, haben die auch immer davon geredet.
Es ging jedenfalls mit dem „Höllen-Aro“ über den Staudamm zurück in das Tal nach Riu Mori, so auf 600 Meter Seehöhe. Zwei Jäger, meine Wenigkeit und – hä, hä, kein weiterer! „Dan stört wohl nur“, haben die wohl gedacht und ihn bei Luzie in der Hütte abgelegt.
Mir schwante ja schon Böses, als die Jäger dann ihre Jacken auf den Rucksack schnallten! Freundlicherweise wurde meine auch übernommen, sodass ich nur das Gewehr hatte – das ging ganz gut mit dem Rucksack-Riemen.
Es ging erst über eine Wiese den Bach entlang auf einem kleinen Weg, der aber sehr schnell in einen Wildwechsel mit schmaler Trittbasis endete. Nach etwa einer halben Stunde auf diesem Weg entlang, ging es dann schön langsam „aufi“, und zwar direkt den Berg hinauf, immer den Gamsfährten nach.
Das Wetter war schlecht, oben Nebel! Schnell wurde es dann auch innen feucht. Die Jäger waren sehr rücksichtsvoll und haben ein sehr gnädiges Tempo vorgelegt, sodass ich ganz gut zu meiner eigenen Überraschung folgen konnte mit Hilfe eines „Alpenstocks“, der aus einem Haselstrauch schnell geschnitten wurde, mich die ganze Zeit treu begleitet und vor Schlimmerem bewahrt hat (Abstürze, Ausrutschen, Felsen und so weiter).
Die Gämsen waren auf jeden Fall schneller als wir. Weiter oben im Wald lag noch immer Nebel, deshalb Abbruch dieses Aufstiegs und erst einmal etwas essen. Gut und reichlich war die Mahlzeit: wie immer Wurst und Käse, Paprika, kein Knoblauch, kein Alkohol.
Der Abstieg war dann doch etwas abenteuerlicher, immer am Rande eines Geröllfeldes entlang über Stock und Stein ? mehr über Felsplatten, die heimtückisch unter Laub lagen.
Der jüngere Jäger, George, hat gute Augen und hatte einen Bär erspäht. Ich war zu blöd und zu langsam. Auf jeden Fall: diesen Tag keine Gämsen, ein großer Bär und ein Marder, sonst nichts!
Ich war ziemlich fertig unten, aber froh, es geschafft zu haben. Der steile Hang sah von unten recht hoch aus. Abends das Übliche. Schönen Tag noch
Uli
5. Oktober
5. Oktober
Hallo Adrian
Am vierten Tag der Reise war etwas besseres Wetter, aber in den Bergen hing immer noch viel Nebel, sodass ein weiterer Spaziergang beschlossen und durchgeführt wurde. Die Sonne schien zum Teil, zwischendurch auch bedeckter Himmel, aber es war immer noch nicht sehr kalt, sodass die Jacken wieder auf den Rucksack geschnallt wurden.
Jetzt ging es etwas schärfer zur Sache, ich hatte wohl nicht genug gestöhnt. An einer Felsregion entlang stiegen wir immer nach oben. Der Alpenstock leistete gute Dienste.
Wir turnten im Hochwald nach oben. Dort gab es viele Eicheln und Bucheckern. Das findet das Wild auch gut ? eine Menge Gams-, Rehwild-, Sau- und Bärenfährten, aber nichts zu sehen. Angekommen sind wir an einem Aussichtseck hoch über der Straße mit schönem Blick und fanden viele Fährten und Lager, aber keine Gämsen.
Nach einer kurzen Rast ging es dann auf einem schmalen Gamswechsel richtig in den Wald entlang der Höhenlinie. Inzwischen hatten die Gämsen uns wohl schon mitgekriegt, aber nicht richtig eingeordnet und pfiffen wegen der ungehörigen Störung. Zu sehen war vorerst nichts, also weiter in Dreierreihe immer den Berg entlang. In einem kleinen Einschnitt haben uns die zwei oder drei Gämsen über uns dann entdeckt.
Und jetzt zeigte sich wieder die Erfahrung der Jäger: „Lasst uns warten, ob nicht noch eine da ist.“ Ich habe es sogar verstanden. Und tatsächlich, unter uns war noch eine, die schon pfiff, aber eben unter uns, und dann nach oben entkommen wollte.
Der Bergstock leistete wieder gute Dienste, die Büchse lag ruhig, und die Gams verhoffte auf etwa 30 Meter noch einmal – einmal zu viel. Auf den Schuss passierte gar nichts, sie drehte sich nur um und zog den Grat zurück.
Auf 50 Meter verhoffte sie dann und schüttelte sich. Der zweite Schuss hat sie dann von der anderen Seite getroffen, fast genau dem ersten Schuss gegenüber, was mir sehr viel Respekt bei den Jägern einbrachte. Nur danach war sie weg!
Von Nachsuchen-Regeln halten die örtlichen Jäger nicht viel, also los und hin. Am Anschuss war keine Gams weit und breit zu sehen, aber ein wenig Schweiß. Der Grat führte nach unten, dahinter tat sich eine von oben nicht einsehbare kleine „Mulde“ auf. Darin lag sie dann, sicher 150 Meter den Hang hinunter gestürzt. Das Jägerherz war erleichtert!
Der Abtransport war filmreif: Die Läufe wurden zusammengeschnürt und das Paket verschickte man dann nach unten in freier Bewegung. Unten im Bach haben wir die Gams nicht spontan gefunden, später aber die Jäger. Die ganze „Untat“ lief gegen Mittag ab. Das Haupt wurde gleich abtransportiert wegen der BSE-Untersuchung.
Beste Grüße
Uli
16. Oktober
16. Oktober
Hallo Adrian
Der fünfte Tag in Rumänien. Morgens war es entsprechend der Wettervorhersage und den lokalen Propheten schön: mit Sonnenschein schon beim Aufgang. Die Berge wurden rot beleuchtet, im Tal war es frisch, aber es hatte nicht gefroren.
Wie verabredet, starteten wir mit dem Aro die Expedition zur Koliba. Dan durfte nicht mit, es war zu wenig Platz in der Hütte auf dem Berg. Zu meiner Überraschung fuhr noch ein vierter Jäger mit. Er war ein sympathischer, junger Mann in Forstdiensten, sehr zurückhaltend und wortkarg.
Ich hatte den kleinen Rucksack nach Vorgaben gepackt – unsinnige und sinnige Dinge unter dem Aspekt des Gewichts. Glücklicherweise hatte sich Bogdan auch noch den Rucksack aufgeschnallt, ich brauchte also nur das Gewehr mit dem sehr zu lobenden Rucksack-Riemen zu tragen .
Es ging links herum um den Stausee, ein erbärmlicher Weg, durchpflügt von Lastkraftwagen mit Zwillingsreifen und schlechtem Profil. Der Mittelstreifen war entsprechend hoch, was dem Aro sehr schnell zum Verhängnis wurde. Keine Schaufel, nur vier starke Jäger, ein dumm aus der Wäsche schauender Fahrer und ein sich überflüssig vorkommender Jagdgast, der erst einmal weiter marschierte. Sie haben erst dann (!) die Sperren eingeschaltet und irgendwie den Aro wieder flott gekriegt. Es war auch nicht weit bis zum Ausgangspunkt des Aufstiegs in Seehöhe.
Es ging auf einem ausgetretenen Weg entlang eines Baches bergauf. Der Weg war das Ziel ? bloß nicht nach oben schauen, das ist tödlich. Nach ungefähr zwei Stunden waren wir dann an der Waldgrenze. Die bergerprobten Förster stiegen rücksichtsvoll langsam mit einigen Pausen. Die armen Kerle hatten wirklich zu schleppen. Es tat sich der Blick auf einen verfallenen Schafstall mit Nebengelass auf. Das war nicht die Unterkunft. Diese war vielmehr eine kleine Holzhütte etwas darüber auf dem Berg, die von der Sonne beschienen wurde. Geschwitzt haben wir reichlich.
Nach dem üblichen Einrichten der Hütte wurde erst einmal kräftig gegessen, was ein Fehler war. George kündigte einen Spaziergang um die Ecke an: „In 20 Minuten sind wir im Revier.“ Gegen 14 Uhr sind wir dann wieder mit drei Jägern gestartet, der jüngere hatte Hüttendienst. Wir kletterten immer bergauf aus einer Talsohle, die jetzt relativ kräftig von der Sonne beschienen wurde. Wir fingen an zu schwitzen, trotz starkem, bergwärts gerichtetem Wind. Das war einfach zu viel. Ich zog mich in den Schatten zurück und ruhte mich aus. Mit der Strickmütze auf dem Kopf als Sonnen- und Windschutz ging es dann viel besser – die blieb jetzt immer auf.
Irgendwann waren wir dann auf dem Plateau, wovon die Jäger immer sprachen, was ich aber nicht geglaubt hatte. Es gibt es wirklich, steigt ganz sachte an und liegt auf etwa 2 000 Meter Höhe. Davor ein riesiges Kar mit steil abfallenden Wänden, in denen die Jäger prompt Gämsen entdecken.
„Eine Geiß ist komisch, die hat die Hörner nach vorne“, das hatte ich sogar richtig verstanden. Erst einmal schleppte man mich noch höher. Ich hatte schon keine Lust und Luft mehr, dann aber wurde es spannend an der Abbruchkante: Unter uns waren sechs oder sieben Gämsen zu sehen, friedlich äsend.
Bogdan hatte spekuliert, mich hielten die Jäger sehr zurück. „Willst du schießen Geiß mit krummen Hörnern nach vorne?“ „Ich wollte doch einen Bock schießen!“ „Schau sie dir an!“ Na ja, da unten stand sie dann, mit den krummen Hörnern nach vorne, imposant nach vorne und lang – eine abnorme Trophäe! Bei diesem letzten Gedanken war die Entscheidung klar: Die wird geschossen!
Die Büchse auf die Beine im Schneidersitz aufgelegt, zappelte das Absehen wie verrückt auf dem Wildkörper in etwa 160 Meter Entfernung, gemessen mit dem „Telemetru“. Die zehnfache Vergrößerung war zu stark. Dummerweise wurde schon eine andere Gams misstrauisch und sicherte andauernd nach oben, sodass nicht viel Manöverspielraum blieb. Bogdan murmelte ziemlich laut etwas von Schießen, hatte aber dann meine Unsicherheit bemerkt und mich von der Seite unterstützt. Das Absehen stand damit ruhiger.
Auf dem Blatt kreisend, war der Schuss dann endlich raus. Leider fiel die Gams nicht einfach um, sondern flüchtete mit dem Rudel und schlackerndem Hinterlauf, was gut zu sehen war. Der Grund war entweder der recht heftige Seitenwind oder Dreck im Stoßboden der Waffe. Die Gams tat sich dann auf ungefähr 350 Meter nieder. Ich probierte es dann noch einmal mit zwei Schüssen. Auf den zweiten Schuss legte sie ihr Haupt zur Seite und rührte sich nicht mehr. Großes Hallo und Waidmannsheil aus rumänischen Kehlen.
Bogdan war vorsichtig, ließ sich die Funktion des Repetierers erklären und nahm die Waffe mit nach unten zum Bergen des Wildes. Kaum dass die Jäger unten angekommen waren, wurde die Gams steifbeinig wieder hoch und versuchte mit dem Keulenschuss zu entkommen, war dabei aber so langsam, dass die beiden Jäger hinterher laufen konnten. Bogdan brachte dann auf 35 Meter einen sauberen Fangschuss an. Ich beobachtete das ganze Drama von oben – furchtbar, ich ärgerte mich über den schlechten Schuss.
Bogdan „der Starke“ schleppte dann mit einem Ostfriesennerz darunter die aufgebrochene Gams das steile Kar hoch. Oben angekommen, schnaufte er kaum. Was für eine Trophäe, „super extraordinär“! Vor Ort wurde grob vermessen: Kapital! Die Trophäenmaße: Länge Schlauch rechts 30,3, links 29,9; Höhe 23,6; größter Umfang 8,4, Auslage 15,7 Zentimeter.
Die Jäger waren zufrieden, ich habe mein Jagdglück erst viel später begriffen beim Abendessen in der Koliba mit Bohnen, viel Wein und Bier – und den dann fälligen Kopfschmerzen am nächsten Tag. Das Abendessen in der Hütte mit Petroleumlicht auf der Pritsche im ersten Raum war himmlisch.
Ich glaube, die Jäger fühlten sich mit mir recht wohl. Sie unterhielten sich natürlich auch viel auf Rumänisch, ich verstand nur Bahnhof, aber das machte nichts. Der Schlaf war selig bis zum Morgengrauen.
Dein Uli
17. / 18. Oktober
17. Oktober
Hallo Adrian
Der sechste Tag der Reise. Das Erwachen war etwas getrübt durch das Rumoren in der Hütte. Der schweigsame Jäger hatte sich in aller Frühe auf den Weg nach unten gemacht, um die Trophäe dem BSE-Forscher vorzuführen.
Nach gutem Frühstück ging es los mit Sack und Pack, nicht wieder zurück zur Hütte, leider. So hieß es Abschied nehmen von dieser kleinen Idylle in den wilden Bergen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, es war aber nicht sehr kalt, der frische Wind tat gut.
Auf zu neuen Ufern: Wir stiegen wieder ein Stück das Tal hoch, diesmal aber steiler bergauf an der rechten Flanke des Tals bis zu einer kleinen Scharte, wo erst einmal Pause gemacht wurde. Die Jäger verschwanden schnell um die Ecke. Sie hatten einen Gamsbock gesehen mit abgebrochener Schlauchspitze, aber zu jung.
Das Panorama war großartig: Blick nach Westen in Richtung Tameschwar, davor hohe Berge bis etwa 2.500 Meter Höhe. Die Wiesen lagen in der aufgehenden Sonne, braun und langgezogen an der Bergseite, ein wunderbarer Anblick. Es sollte aber noch besser kommen.
Wir pirschten dann weiter ganz vorsichtig am Hang lang entlang, immer auf einem Wildwechsel, auf dem unter anderem auch Bärenfährten und -losung zu sehen waren – alles sehr aufregend – aber keine Gams, beziehungsweise nur zwei ganz tief unten und wohl nicht interessant.
Es ging dann immer weiter sehr bequem auf dem Wechsel hinter Bogdan her, und dann ein kleines Stück den Berg hinauf bis zu einer Wiese, die flach gen Westen geneigt ist und ein großartiges Panorama bietet. Der Berg im Rücken heißt Giugiu.
Wir genossen erst einmal das herrliche Panorama, was mir auch vorher so angekündigt wurde. Auch die Jäger waren wohl begeistert, sie legten sich auf die warme Wiese und spekulierten mit dem Spektiv auf die gegenüber liegenden Berge und Hänge.
Gen Westen lag das Banat, nach Norden vor uns ein riesiger Tal-Einschnitt mit einigen Schäferhütten am unteren Rand der Wiesen an der Baumgrenze. Leben war dort nicht zu sehen, die klare Gebirgsluft erleichterte die Sicht enorm. Gegenüber erhob sich der kilometerlange Gegenhang mit einem Bach in der Tiefe, der zu dem Staudamm führt.
Die Sonne stieg höher, damit wurde es etwas diesiger, der Ausblick war aber trotzdem toll. Nach einer halben Stunde ging es dann wieder los relativ flach den Berg hinauf, der aber sehr gerundet ist, eine Bergspitze war nicht zu sehen.
Auf einmal kam mir die Gegend bekannt vor, wir waren an dem Ort der gestrigen Geschehnisse. George peilte in die Tiefe, es herrschte Ruhe und Frieden. Die Jäger pirschten auffallend vorsichtig an den Rand des Kars ? sie haben wohl ihre Erfahrung mit dem guten Sehvermögen der Gams.
Auf Höhe der Stelle der Schussabgabe von gestern wurde ein Bock gesichtet, der aber zu jung war. Wir marschierten weiter auf dem pottebenen Plateau mit weiter Sicht. Ganz weit entfernt sahen wir eine Gams auf der Fläche, schwarz abgehoben gegen den braunen Wiesengrund. Ich wurde abgelegt, die Jäger gingen spekulieren.
Ich genoss den Ausblick auf die umliegenden Gipfel. Besonders fiel der trapezförmige Retezat-Gipfel auf, der ein ganzes Stück herausragte. Rechts daneben lag der Peleaga-Gipfel, aber davon später.
Plötzlich kam einer der Jäger aufgeregt angestürmt, ein Bock wurde bestätigt. Wieder ging es zu einer steilen Kante, die Jäger lagen dort schon in Position. Das Suchspiel begann, dabei waren die mangelnden Sprachkenntnisse doch sehr hinderlich.
Endlich hatte ich ihn auch entdeckt, ein Bock an der Unterkante eines Felsens im Schatten. Er tat sich später nieder und ließ sich im Spektiv gut betrachten. Das Bild war nur relativ milchig bei der starken Vergrößerung.
Nach langem Spekulieren wurde der Bock für zu jung befunden. Soweit ich verstanden habe, täuscht manchmal eine weite Auslage einen alten Bock vor. Auch mein Einwand, dass es kein Rekordbock sein sollte, zog nicht – zu jung.
Weiter ging es bequem auf dem Plateau in Richtung Osten. Weit vorne entdeckte ich einen dunklen Punkt und machte gleich schon einen Bären daraus, es war aber ein Fuchs beim Absuchen der Almwiese.
Zeit zum Mittagessen aus dem Rucksack: Wir aßen die Reste von gestern – es schmeckte herrlich ? jetzt aber nicht so viel, was sich später beim Abstieg bewährte. Die Sonne meinte es richtig gut, trotzdem hatten wir Jacken an, denn der Wind blies recht flott.
Nach der Pause pirschten wir weiter immer Richtung Osten zum nächsten Abbruch. Auch hier stand ein Bock mit einer Geiß in den Felsen. Einer der Jäger entdeckte ihn zuerst, er war schwer zu finden. Später zog er auf eine Felskante ? ein herrliches Bild mit dem Bart, der sich im Wind aufstellte. Auch dieser Bock wurde für zu jung befunden. Spielten dabei Abtransport-Überlegungen eine Rolle? Die Jäger waren nicht so ganz wild auf eine zweite erlegte Gams, hatte ich so den Eindruck, aber vielleicht habe ich mich getäuscht.
In einem dritten Felsabsturz waren auch keine Gams. Dafür entdeckte George kilometerweit gegenüber auf der Paltina ein Gamsrudel. Nach viel hin und her hatten wir es dann auch im Glas. Mit dem Spektiv ging es besser, wenn man erst den Punkt hatte.
Es ging zunächst abwärts in einem eingeschnittenen Bachtal, dann wieder einen kleinen Hügel bergauf und danach um eine Kurve herum. Steil fiel es ab in das Tal, wo unten das Jagdhaus Rotunda liegt. Bogdan kannte offensichtlich den Weg, denn er stieg einen Lawinenhang direkt bergab zwischen Latschen und Sträucher, die gut als Halt dienten. Hier bewährte sich wieder der Bergstock gut. Die Jäger meinten, es ginge 60 Grad bergab.
Schwitzend erreichten wir die Waldgrenze. Wir sahen eine starke Rotwildfährte auf dem Weg bergab, im Wald ein frisches Lager von Rotwild und relativ viele Fährten. Auch im Wald war es steil, Pfade gab es nur angedeutet. Irgendwann kamen uns die Hunde entgegen – es war geschafft. Ich war klitschnass, die Jäger sahen dagegen aus, als ob sie gerade frisch aus der Dusche kämen!
Dan war natürlich sehr neugierig, die Jäger sprachen nur von einer „extraordinären“ Trophäe. Mehr wurde nicht verraten, auch nicht im Verlaufe des gemütlichen Abendessen und des späteren Umtrunks unten im Jagdhaus. Auch die Umstände der Erlegung wurden nicht ausgebreitet. Die Jäger waren sehr diskret mit dem schlechten Schuss, ich erzählte es dann später. Der Fangschuss auf 30 Meter war ja keine Kunst mehr gewesen.
Dein Uli
18. Oktober
Hallo Adrian
Die Nacht war etwas unruhig: Am Abend hatte es eine rumänische Spezialität gegeben mit saurer Sahne, die mir in der Nacht sauer aufstieß, und der ich mich auf bewährter Art und Weise mittels Finger in den Hals komplett entledigt habe.
Am nächsten Morgen und den Tag über bestand noch ein leicht saures Gefühl im Magen, sonst ging es aber. Ansonsten hatte ich während der ganzen Zeit keine weiteren intestinalen Probleme ? bei fehlenden Kühlschränken schon ein kleines Wunder. Morgen ist Abreise.
Dein Uli