LÄNDER Afrika Pirelli-Pirsch: Nein danke!

Pirelli-Pirsch: Nein danke!

Es war schon ein Kreuz bei der Jagd auf den Gnu-Bullen. Aber zu guter letzt kamen wir doch zu Schuss.

Von Dr. Hartmut Hanke
Um es gleich vorweg zu nehmen! Ich will hier nicht als Moralapostel mit erhobenem Zeigefinger auftreten und anderen oberlehrerhaft Waidgerechtigkeit beibringen. Ich habe selbst auf der Jagd so viele Fehler gemacht, dass es mir wohl kaum zusteht, anderen weise Ratschläge zu erteilen

Mittlerweile hängen die Trophäenwände ziemlich voll, ein Zeichen, dass man kein ganz junger Jäger mehr ist, und der Druck, unbedingt Beute zu machen, ist ebenfalls mit den Jahren einer gewissen Gelassenheit gewichen.

Nein, ich will niemandem Vorschriften machen! Jeder soll von mir aus jagen wie es ihm gefällt, solange er selbst damit zufrieden ist, solange ein gewisser Anstand gewahrt bleibt und nicht gegen Gesetze verstoßen wird.

Das heißt für mich, dass dem zu bejagenden Wild eine faire Chance eingeräumt wird. Es geht darum, dass wir Freude an der Jagd haben und uns diese Freude erhalten.

Es ist viel hinausgeworfenes Geld, wenn wir von einer teuren Auslandsjagd eine Trophäe mitbringen, die wir durch Methoden oder Umstände erbeutet haben, die unseren eigenen jagdlichen Überzeugungen widersprechen.

Man möge auch sehr vorsichtig mit der Verurteilung von Jagdpraktiken anderer Jäger sein. Schießen vom Motorrad, Helikopter, vom Auto, mag für Übergewichtige, Fuß- oder Asthmakranke, auch ältere Schützen, ein Erlebnis sein. Wer mag beurteilen, was in dem einzelnen Jäger vor sich geht?

Für mich jedenfalls kommt ein Schuss vom Fahrzeug nicht in Frage, und dies überall auf der Welt.

Diese Aussage ist einfach und außerhalb eines Jagdgebietes am Schreibtisch und vor allem am Biertisch leicht gemacht.

Ich musste lernen, dass es schon einer gewissen Standhaftigkeit und stoischer Gelassenheit bedarf, diesen Vorsatz durchzuhalten. Die Jagdtage auf einer Jagdreise sind immer begrenzt und sehr oft, wenn nicht sogar meistens, läuft die Jagd anders, als man es sich vorstellt.

Das erhoffte Wild ist selten, oder es kommt einfach nicht schussgerecht, oder das Wetter spielt nicht mit, oder, oder, oder – und dann hat man nur noch wenige Stunden und vielleicht die allerletzte Chance… und der Jagdführer drängt zum Schuss… und die Trophäe macht sicher das Buch … und morgen geht der Flieger… als Schneider nach Hause.

Bleiben Sie hart, ich empfehle ihnen, bleiben Sie hart! An Ihrer Wand in Ihrem Heim hängt diese last-minute-eigene-Moral-über-den-Haufen-geworfene Schnellschusstrophäe!

Sie müssen jeden Tag x-mal daran vorbei. Sicher, es gibt in der Psychologie den Begriff der Verdrängung. Der hilft auch hier!

Doch sie werden sich immer wieder eingestehen: Da habe ich nicht gejagt, oder noch viel schlimmer, da habe ich mich selbst belogen. Dem Jagdführer ist das egal. Er will sein Wild vermarkten, Erfolgsprämie, Trinkgeld usw..

Er weiß aus Erfahrung, dass am erlegten Stück der Erleger verpflichtet ist, glücklich zu sein, denn schließlich ist der Schütze immer noch selbst für seinen Schuss verantwortlich.

Ihn, den Jagdführer, wird der Erleger, den er gerade dazu gebracht hat seine gesamte jagdliche Moral über den Haufen zu werfen, nicht beschuldigen. Und er hat recht, denn der Schütze ist ja selbst schuld.

Noch am gestreckten Stück lächelnd, sitzt der Erleger wenige Stunden später grübelnd im Flieger. Von einem der auszog, eine gute, wunderschöne Jagdzeit in herrlicher Landschaft zu erleben, ist nur noch ein von Selbstzweifeln geplagter Schlumpschütze mit einer schnell zu verdrängenden Erinnerung an eine miserable Jagd übrig geblieben.

Auch ich habe in meinen jungen Jahren schon solchen Blödsinn gemacht; Auf meiner ersten Afrikajagd vor mehr als 20 Jahren habe ich einen Gemsbock vom Auto aus geschossen, weil, Entschuldigungen gibt es immer viele, ich den Farmer nicht enttäuschen wollte.

Aber ich habe mich geärgert: Erstens, weil ich mich habe verleiten lassen und zweitens, weil ich auf der nächsten Farm, die ich auf dieser Reise besucht habe, einen viel stärkeren hätte erlegen können.

Mein Budget war erfüllt! Strafe muss sein! Gott sei Dank war die Jagd im übrigen sehr sauber, erlebnis- und erfolgreich, so dass dieser Fehler nicht die gesamte Jagdreise verdorben hat.

Die nicht sonderlich starke Trophäe ärgert mich noch heute, wenn ich daran denke. Aber nach diesem Ausrutscher bin ich auf all meinen Jagdreisen meinen Grundsätzen treu geblieben. Obwohl es nicht immer leicht gewesen ist!

1990 hatte ich eine Jagd in Natal geplant. Neben Rotducker und Bergriedbock galt es hauptsächlich dem kapitalen Nyala. Obwohl der Bestand an guten Trophäenträgern in dem Gebiet hoch war, kam ich auf den Nyala einfach nicht zum Erfolg.

Die ersten 24 bis 25 Inch-Nyalas wurden in Erwartung einer noch stärkeren Trophäe geschont. Einem Bullen rettete ein Ast in der Flugbahn des Geschosses das Leben.

Den fingerdicken aufgesplissten Ast fanden wir auf der verzweifelten Nachsuche. Ein Nyala, das wir anpirschten, ging plötzlich kurz vor uns hoch und flüchtete spitz von uns weg.

Es war wie verhext, und weil Diana schon immer ein launisches Frauenzimmer gewesen ist, schickte sie mir am letzten Morgen bei der letzten Pirschfahrt die leibhaftige Gestalt meiner Nyalaträume 50 Meter neben dem Fahrweg, nur wenige Kilometer vom Camp und vor Ende der Jagdzeit.

Scheibenbreit stand sie da, die Versuchung im blauschwarz gestreiften Negligé und äugte sekundenlang zu uns herüber. Meine begierigen Blicke hingen fest an den mächtigen Schraubenhörnern.

Weil wir alle von dem plötzlichen Auftreten dieses Nyalas zum Ende der Jagd überrascht waren, hatten wir den Wagen gestoppt. Auch das erneute Anfahren hielt das Nyala noch aus, aber nachdem ich mich aus dem Wagen hatte rollen lassen und in der Deckung vorsichtig den Kopf hochhob, war das Nyala so im Nichts verschwunden, wie er aus dem Nichts aufgetaucht war.

Der Schuss vom Wagen wäre eine Leichtigkeit gewesen, und ich muss schon gestehen, dass ich enttäuscht war, die von mir erhoffte Trophäe auf dieser Reise nicht bekommen zu haben. Niemals aber habe ich bereut, dass ich diese „Gelegenheit“ ausgelassen habe.

Zwei Jahre später hatte ich das große Glück in Simbabwe am Chewore-River ein braves Nyala auf einer traumhaften Jagd zur Strecke zu bringen.

Jetzt komme ich eigentlich erst zu meiner Geschichte, die ich erzählen wollte, und weil das, was ich erzählen will, so heikel ist, werde ich versuchen, dies ohne Wertung, so wie ich es erlebt habe, zu schildern. Der Leser mag sich selbst ein Urteil daraus bilden.

Ein südafrikanischer Freund, Nichtjäger, hatte mich vor einigen Jahren auf einer Jagd am Sambesi begleitet. Er behauptet noch heute, dass wir, meine Kinder und meine Frau waren ebenfalls dabei, ihn nur als Löwenbait mitgenommen hätten.

Sein Zelt stand im Camp am weitesten abseits. Nachdem ich einen Büffel erlegt hatte, bekamen wir Besuch von einem Löwenrudel, das uns die ganze Nacht nicht ans Schlafen denken ließ.

Dieser Freund hat im Jahr 2000 eine Privatlodge in einem jagdfreien Gebiet am Rande des Krüger-Nationalparks gekauft und uns eingeladen, ihn dort zu besuchen. Es gibt Angebote, die kann man einfach nicht ausschlagen!

Da ich aber befürchtete, bei 14 Tagen in einer Non-hunting-area gemütskrank zu werden, bat ich den Freund, auf einer benachbarten Jagdfarm ein paar Jagdtage zu organisieren. Ich bekam einige Angebote zugeschickt und entschied mich für die nächstgelegene Nachbarfarm, so dass ich nach der Jagd wieder auf die Lodge meines Freundes zu meiner Familie fahren konnte.

Das Angebot war in US-Dollar ausgelegt und gehörte trotz Preisreduzierung aufgrund der auswärtigen Unterbringung zum Preisniveau des oberen Bereiches.

Ich stimmte jedoch zu, schließlich wollte ich nur einige Tage das Gewehr durch den Busch tragen und eventuell einige Antilopen, die dort in dem Gebiet reichlich vorhanden waren, meiner Sammlung hinzufügen.

Ich freute mich darauf, in einem Gebiet zu jagen, in dem laut Trophäenliste auch Großwild vorkommen sollte. Mir war nicht ganz klar, wie die Wildbewirtschaftung am Rande des Kr¸ger-Nationalparks aussehen sollte.

Letztendlich war ich aber, obwohl ich mit Zäunen gerechnet hatte, über die Fülle der teils elefantensicheren Wildzäune enttäuscht. Die Lodge des Freundes, nur circa einen Steinwurf vom Olifantsriver entfernt, war ein Traum.

Bei der Ankunft wurden wir durch eine Gruppe Giraffen begrüßt, die nur wenige Meter vom Haus ästen. Das nächtliche Brüllen von Löwen und Hippos im Fluss ließ keinen Zweifel daran, dass wir mitten in der Wildnis waren.

Die Lodge bot dabei allen erdenklichen Komfort, der das Leben aufs allerhˆchste angenehm macht. Wir, meine Familie, meine Freunde und ich hatten eine wunderschöne Zeit in der Lodge. Aufgrund des feuchtfröhlichen Begrüßungsabends und des Zustandes, in dem wir zu Bett gingen, wurde die Wortspielerei „paralised in paradies“ kreiert.

Zum vereinbarten Zeitpunkt besuchten wir die Nachbarfarm, wo wir von Richard, einem jungen Professional Hunter, meinem Jagdführer, am Tor empfangen wurden. Wir vereinbarten für den nächsten Morgen zur ersten Jagd einen Treffpunkt, wobei Richard mich auf halber Strecke mit dem Jagdwagen abholen sollte.

Ich würde ihm mit dem Geländewagen meines Freundes entgegenfahren. Meine Familie hatte noch ein weiteres Fahrzeug zur Verfügung. Als Fährtensucher wurde mir der ,,worldbest tracker — Lansome“ angekündigt und ich entgegnete, dass dies durchaus sein könne, weil der für mich bisher zweifelsfrei beste Fährtensucher der Welt im letzten Jahr an Aids gestorben sei.

Man klärte mich auf, dass hier Wildebeest und Wasserbock kein Problem sein dürfte. Buschböcke seien reichlich vorhanden, aber schwer zu bejagen. Elandantilopen kämen nur in den Bergen vor, und dazu wurde meine Zeit von fünf angesetzten Jagdtagen kaum ausreichen, zumal einige Übernachtungen im Gebirge dazu notwendig würden.

Dies wollte ich aber nicht, weil ich beabsichtigte, abends zu meiner Familie zurückzukehren. Also stand auch das von mir zu bejagende Wild fest. Zu Wasserbock, Buschbock und Gnu dürfte eventuell noch eine Hyäne dazukommen, wenn sie im Zielfernrohr auftauchen sollte.

Aber um es gleich vorwegzunehmen, auf allen Farmen auf denen ich gejagt habe, kam überhaupt kein Großwild und Großraubwild, außer ein paar wenig fahrzeugscheue Büffel vor.

Die Illusion, der man erlegen ist, wenn man eine Farmjagd bucht, bei der auch Großwild zum Abschuss angeboten wird, auch zwischen Großwild zu jagen, blieb zumindest für mich wirklich nur eine Illusion.

Am nächsten Morgen lernte ich am vereinbarten Treffpunkt Lansome kennen, und wir fuhren mit dem Toyota Landcruiser von Richard auf eine nahegelegene, etwa knapp eine Stunde Autofahrt entfernte Farm, die ebenfalls wie die Lodge meines Freundes an den Ufern des Olifantsriver lag.

Am Eingang der Farm wurden die beiden Türen des Landcruisers ausgebaut und somit das Fahrzeug zum Jagdwagen umfunktioniert. Lansome steuerte den Wagen, und Richard und ich nahmen auf der Sitzbank, die auf der Ladefläche eingerichtet war, Platz.

Etwa nach einer halben Stunde Pirschfahrt stießen wir auf ein Rudel Gnus von circa 20 Stück, unter denen auch ein starker Bulle zu sein schien.

Richard deutete mir an, vom Wagen zu springen, um eine Schussmöglichkeit zu suchen, wobei ich mich schon darüber wunderte, dass wir vor den Augen des Wildes angehalten und das Fahrzeug verlassen hatten.

Lansome übernahm die Führung, aber gab sich dabei kaum Mühe in Deckung zu bleiben. Trotzdem kamen wir auf Schussentfernung an das Rudel heran, das uns allerdings ständig beobachtete und dann erwartungsgemäß flüchtete, bevor der stärkste Bulle angesprochen und bevor überhaupt an einen Schuss zu denken war.

Ein weiterer Angehversuch blieb ebenfalls, für mich erwartungsgemäß, erfolglos. An diesem Morgen sahen wir weitere Gnus, die allerdings schon beim Anblick des Fahrzeuges sofort hochflüchtig abgingen.

Nach einer kurzen Rast auf einem Aussichtspunkt oberhalb des Flusses beschlossen Richard und Lansome eine Pirsch entlang des Olifantrivers. Wir waren etwa zwei Kilometer am Ufer des an dieser Stelle flachen und von einer regenwaldartigen Vegetation gesäumten Flusses entlang gepirscht, als hinter uns ein ganz passabler Wasserbock in Richtung Wasser flüchtete.

Nur ein kurzes Poltern und schon sprang der Bock meinem Sohn Leo, der als letzter unserer kleinen Gruppe folgte, über die Fersen.

Kurze Zeit später erreichten wir ein direkt am Fluss gelegenes Wohnhaus, wo wir unsere Pirsch abbrachen und zurück zum Auto wanderten. Später erfuhr ich nebenbei, dass ein guter Buschbock ständig im Garten dieses Hauses die Blumen abäste, und ich war im Nachhinein froh, den Bock, der sich selbst zum Gärtner gemacht hatte, nicht angetroffen zu haben.

In der Mittagszeit sollten wir an einer Wasserstelle ansitzen, schlug Richard vor. So fuhren wir, nachdem wir den Jagdwagen wieder erreicht hatten, zu einem künstlich errichteten Regenwasserdamm.

Auf einer kleinen Erhöhung, circa 30 Meter vom Wasserspiegel entfernt, stand ein aus Baublechmatten und schwarzer Plastikfolie allseits umgebene, 3×3 Meter großer „Hide“, der nach vorne in Richtung der Wasserfläche einen circa 20 Zentimeter breiten und einen Meter langen senkrechten Schlitz aufwies.

Wie mir später erzählt wurde, ist dieser Schlitz extra für Bogenschützen eingerichtet worden. Ich hatte ohnehin schon Probleme mit dem Gedanken, auf Gnus an der Wasserstelle anzusitzen. Dieses stinkende schwarze Plastikloch voller Moskitos sprengte in jedem Fall meine Vorstellung vom Jagen im afrikanischen Busch.

Südafrika
Auch mit dem Wasserbock hat es dann doch noch geklappt.

Mit einer gewissen Hochachtung registrierte ich, dass Leo es von vornherein vorgezogen hatte, auf der Ladefläche des Landcruisers im Schatten der Bäume den freien afrikanischen Himmel zu genießen.

Er konnte auch ungestört das Anwechseln der Warzenschweinbache beobachten, die ich nur erkennen konnte, als sie sich platschend, im Uferschlamm suhlend, niederließ. Schon kurze Zeit später warf sie auf und trollte sich eilig davon.

Wahrscheinlich hatte sie doch aus so kurzer Entfernung einen Windhauch von den ansitzenden Jägern mitbekommen. Mir reichte es! Ich stand auf und beendete diesen Ansitz.

Richard erklärte ich, dass ich mich nie wieder in so ein Ding hinein setzen würde. Am Nachmittag kontrollierten wir noch einige Wasserstellen, trafen auch noch auf einige Rudel Gnus. Alle ergriffen allerdings schon die Flucht beim Anblick des Fahrzeuges.

Den Abend verbrachte ich mit meiner Familie auf der Lodge meines Freundes am Lagerfeuer. Ich war im großen und ganzen zufrieden, hatte mein Gewehr durch den Busch getragen, hatte wieder einmal in Afrika gepirscht und einiges an Wild zu Gesicht bekommen.

Darüber hinaus wurde mir klar, dass ich hier nicht nur selbst eigenen Jagdverstand einbringen musste, sondern auch meine eigenen jagdlichen Vorstellungen umzusetzen. Der nächste Morgen verlief ähnlich.

Wir sichteten einige Rudel Gnus, die aber alle kaum den Wagen aushielten. An Anpirschen des Rudels war gar nicht zu denken! Gegen Nachmittag wechselten wir auf einen anderen Teil der Farm, der durch einen vom Besitzer bejagten von dem bisher bejagten Teil getrennt wird.

Schon nach kurzer Zeit trafen wir auf ein 30 bis 40 Kopf starkes Rudel Gnus. Ich veranlasste Richard, mit mir von der Ladefläche zu springen und rechnete damit, dass Lansome im Wagen weiterfährt.

Als wir das Rudel angingen, war Lansome jedoch bereits zur Stelle und übernahm die Führung. Er hatte den Wagen nur wenige Meter weiter abgestellt. Vermutlich aus Angst, dass wir ohne ihn zum Schuss kommen könnten.

Die Gnus waren mittlerweile aufmerksam geworden. Die Art und Weise der Pirsch unseres Trackers ließ dann das Rudel gänzlich abspringen. Langsam begann ich ärgerlich zu werden. Nachdem wir eine weitere Wasserstelle aufgesucht hatten und uns bereits wieder auf dem Rückweg befanden, sahen wir einen kapitalen Wasserbock, der gerade im Begriff war, die Sandroad zu überqueren und von uns gestört wurde.

Richard meinte, dass der Wasserbock vermutlich in Kürze erneut an dieser Stelle versuchen würde, den Fahrweg zu überqueren. Es würde sich lohnen, hier anzusitzen. Aus diesem Grunde schickten wir Lansome mit dem Wagen weiter und setzten uns an den Wegrand.

Ich war nicht wenig erstaunt als fünf Minuten später Lansome die Sandpiste herunter geschlendert kam. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, was ich gesagt habe, aber hier habe ich erstmals meinen Unmut über den „weltbesten“ Tracker ausgelassen.

Richard schickte daraufhin Lansome zurück, der beauftragt wurde, in einem großen Bogen über die Farmwege um den Bereich herumzufahren, in dem der Wasserbock verschwunden war. Wir suchten uns einen erneuten Ansitzplatz und harrten der Dinge.

Nach etwa einer halben Stunde sah ich tatsächlich im Dickicht auf rund 100 Meter den Wasserbock erneut auf den Weg zuwechseln.

Ich ließ ihn aus dem Busch herausziehen und gab ihm die Kugel kurz hinters Blatt. Der Wasserbock stürmte nach vorne, floh am Weg einen Holzpfahl an und flüchtete im Bogen zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.

Ich hatte hinter dem Blatt den Einschuss gesehen und war mir meiner Sache sicher. Wir warteten noch einmal eine halbe Stunde bis Lansome zurückgekommen war und untersuchten dann den Anschuss.

Die Fluchtfährte war im Sand des Weges einfach zu halten. Im Busch zeigte sich dann deutlich und reichlich Lungenschweiß, was die Nachsuche recht einfach erscheinen ließ. Lansome ging voran. Ich achtete nicht mehr auf die Wundfährte, sondern sicherte nach allen Seiten einen möglichen und nicht zu unterschätzenden Angriff eines angeschweißten Wasserbockes ab. Zu meiner Überraschung verlor Lansome die Fährte, so dass ich selbst zurückgriff und die Fährte selbst ausging, was wahrhaftig kein großes Kunststück war.

Der Wasserbock war mit einem sauberen Hochblattschuss nach 200 Metern in der Fährte verendet. Sicher war es keine klassische jagdliche Situation, wie ich sie mir erhofft hatte. Allerdings bin ich lang genug Jäger, um solche günstigen Gelegenheiten auszunutzen.

Ich habe auch schon kapitale Wasserböcke schussgerecht in traumhaften jagdlichen Situationen vor mir gehabt, nur hatte ich damals keine Lizenz.

Kurzum, ich war zufrieden, und langsam legte sich auch der Groll über meine beiden Jagdbegleiter. Allerdings war ich nicht böse, mich abends in meinen privaten Bereich zurückziehen zu können. Am nächsten Morgen fuhren wir auf eine weiter entlegene Farm, auf der es eine Menge Buschböcke geben sollte.

Bei der Ankunft zeigte sich tatsächlich ein grüner dichter Dornbusch. Es war deutlich, dass hier wesentlich mehr Regen gefallen war, als in den Gebieten, wo wir bisher gejagt hatten.

Auf einem relativ kleinen Gebiet, am Ufer eines kleinen Flusses, sahen wir unglaublich viel Wild: Impalas, Kudus, Wasserböcke, geringe Büffel und jede Menge weibliche Buschböcke. Interessant war die Beobachtung, dass beim Näherkommen des Fahrzeuges das männliche Wild flüchtete, während das weibliche in aller Seelenruhe liegen blieb.

Erst am Nachmittag fanden wir an einer Wasserstelle zwei Buschböcke, die wir versuchten im dichten Busch anzupirschen, was uns allerdings nicht gelang. Auch der Versuch, mir die Buschböcke zudrücken zu lassen, schlug fehl.

Der Nachmittag blieb ebenso erfolglos, nicht zuletzt, weil Lansome eine weitere Probe seines Könnens abgab. Gegen Abend zog ein gewaltiges Gewitter auf und wir entschlossen uns, den Heimweg anzutreten. Selten zuvor habe ich solche Wassermassen vom Himmel stürzen sehen, wie an diesem Abend.

Auf der ohnehin schlechten Straße stand ständig drei bis fünf Zentimeter hoch das Wasser. Der Scheibenwischer konnte nur für Bruchteile von Sekunden die Sicht auf die Fahrbahn freigeben. Auf der Lodge meines Freundes hatte es allerdings nicht geregnet, und damit stand dem Abend am Lagerfeuer nichts entgegen.

Am nächsten Tag begleitete mich meine Tochter Lisa, Jungjägerin. Wir jagten wieder auf der Farm, auf der wir an den ersten beiden Tagen waren.

Wieder fuhren wir die Farmwege ab, auf der Suche nach Gnus. Erst am späten Vormittag stießen wir auf ein Rudel, das vertraut blieb und nicht sofort beim Anblick des Fahrzeuges flüchtete. Ich deutete Richard an, mit mir vom Wagen zu springen und gab Lansome die Order weiterzufahren.

Das Rudel beobachtete das sich fortbewegende Fahrzeug. Vertraut äste es langsam weiter, so dass für uns eine gute Möglichkeit bestand, das Wild anzupirschen. Vorsichtig schoben wir uns, jede Deckung ausnutzend, an das Wild heran.

Wir suchten bereits nach den stärkeren Bullen, als das Rudel plötzlich aufwarf; unruhig wurde und flüchtete. Ich fragte Richard was denn los sei, wir hätten guten Wind und das Wild konnte uns unmöglich eräugt haben. Richard hatte scheinbar auch keine Erklärung dafür. Er zuckte mit den Schultern. Doch als ich mich umdrehte, stand Lansome hinter mir.

Ich war wütend und meinte, dass eine weitere Verfolgung keinen Zweck haben würde, was ich dann bei einem weiteren Angehversuch, zu dem ich mich überreden ließ, auch bestätigte. Hier machte ich meinem Ärger Luft und schimpfte mit Richard, weil er seinen Tracker nicht im Griff hatte.

Ich verbot Lansome in Zukunft direkt vor dem Wild zu halten. Er solle langsam im Schritttempo an ihnen vorbeifahren. Ich wollte ihn nicht mehr auf der Pirsch dabei haben. Lisa, die im Wagen geblieben war, erzählte mir hinterher, dass der „beste Tracker der Welt“ den Wagen etwa 50 Meter weitergefahren habe, um dann auszusteigen und uns zu folgen.

Die Stimmung war zu diesem Zeitpunkt nicht besonders erfreulich. Trotzdem habe ich die ganze Angelegenheit als eine besondere Jagderfahrung im afrikanischen Busch angesehen. Am Nachmittag, als ein erneutes Gewitter aufzog, kamen wir wieder an eine Herde, die sich anschickte, auf eine große, buschlose Fläche zum Äsen zu ziehen.

Richard und ich sprangen vom Wagen, während Lansome und Lisa langsam weiterfuhren. Nach kurzer Zeit fing es an zu regnen und wir waren völlig durchnässt.

Wir pirschten mitten in die Herde hinein, konnten allerdings keinen starken Bullen ausmachen. Langsam zog ein Rudel an den Rand der Freifläche. Ein Bulle, den wir angepirscht hatten, aber noch nicht ansprechen konnten, war wieder zurück geflüchtet, hatte aber das Rudel nicht beunruhigt.

In der beginnenden Dämmerung fingen die ersten Stücke an hinauszuziehen. Dann konnten wir wohl genauer ansprechen. Plötzlich hörten wir Motorgeräusch. Lansome kam zurück gefahren, weil er ein Rudel mit einem starken Bullen gesehen hatte.

Ich weiß nicht genau, was er sich von Richard anhören musste. Mir war es auch egal. Ich musste mittlerweile über diese Situation ohnehin nur lachen. Trotzdem versuchten wir, das von Lansome gesichtete Rudel noch einmal anzugehen, weil dies noch nicht beunruhigt war.

Die Dämmerung war leider schon recht fortgeschritten. Als wir das Rudel erreicht hatten, waren die ersten Stücke dieses Rudels ebenfalls weit in die freie Fläche hinausgezogen. Gerade wollten wir aufgrund der Dunkelheit abbrechen, als noch ein Stück herauszog.

Ich hatte das Gewehr im Anschlag. Das vierfache Glas gab mir leider nicht viel Licht. Trotzdem glaubte ich, einen starken Bullen vor mir zu haben und wartete auf das „shoot“ von Richard. Der hatte sein 8×40 vor den Augen und sagte keinen Ton.

Der Zielstachel tanzte auf dem Blatt des urigen Wildes. ,,Es scheint ein Bulle zu sein , sagte Richard, ,,aber ich bin nicht sicher! Es ist zu dunkel!“ Langsam ließ ich das Gewehr sinken. Ich war durchaus zufrieden.

Die letzten zwei Stunden waren Jagd nach meinem Geschmack. Als wir in völliger Dunkelheit das Farmgelände verließen und uns beim Farmverwalter verabschiedeten, sagte mir dieser: „Paul, you are the only hunter in the world, who doesn’t shoot from the car.“ (Du bist der einzige Jäger der Welt, der nicht vom Auto aus schießt).

Sonst bin ich eigentlich nicht auf den Mund gefallen und auch einigermaßen der englischen Sprache mächtig, aber hier wusste ich nicht, was ich antworten sollte. Ich habe dann nur, als ich der Frau des Verwalters mit ,,Paul“ vorgestellt wurde „the only hunter in the world, who doesn’t shoot from the car“ hinzugefügt.

Ich war zufrieden. Einen Jagdtag hatte ich noch und ich werde mit Sicherheit wieder in Afrika jagen. Ein Gnu oder ein Buschbock wird mir in meinem Leben sicherlich noch einmal vor die Mündung laufen. Am nächsten Morgen kündigte mir Richard an, dass wir eine dritte Farm besuchen würden, auf der reichlich Gnus und Buschböcke vorkommen sollten.

Diese Farm liegt direkt am Fuße der Drakensberge und hat eine üppige Vegetation aufgrund der hohen Niederschläge. Der Farmverwalter war ein netter junger Mann, der gerade die Verwaltung übernommen und begonnen hatte, die Farm auf Vordermann zu bringen.

Er gab uns einen seiner Tracker mit, den er einwies und kündigte uns an, dass wir vermutlich zwei Stunden später mit einem Gnu zurück sein würden. Auf dem Weg waren tatsächlich reichlich Gnufährten zu sehen.

Die erste zweistündige Pirsch erbrachte jedoch keinen Anblick. Richard meinte, dass wir das Wild zunächst mit dem Fahrzeug suchen müssten, und wir fuhren daher über Stunden alle Wege der Farm ab.

Dabei sahen wir Giraffen, Wasserböcke, Kudus, Impala und auch einen Buschbock, der im dichten Dornbusch hochflüchtig kurz vor dem Wagen den Weg überquerte. Als Lansome den Wagen mitten auf der Fluchtfährte stoppte, konnten wir nur noch einen Schatten im Dickicht abspringen sehen.

Natürlich war die kurze Verfolgungspirsch zwecklos. Nach einer kurzen Rast fuhren wir in die Nähe eines Aussichtspunktes, wo wir weite Teile der Farm übersehen konnten. Nach kurzem Ableuchten der Flächen fanden wir zwei Gnubullen auf einem Geländerücken, die wir dann über eine längere Pirsch angehen mussten.

Als wir jedoch dort ankamen, hatten sich die Gnus umgestellt. Ein erneutes starkes Gewitter ging über uns hernieder und machte die Verfolgung nahezu unmöglich. Trotzdem konnten wir die ungefähre Richtung, in der das Wild gezogen war, ausmachen.

Eine Stunde nach dem Gewitterguss, die Kleidung war schon fast wieder abgetrocknet, hörten wir vor uns Gnukühe und miteinander scherzende Kälber.

Plötzlich sahen wir keine 50 Meter vor uns einen starken, in der Nachmittagssonne vor sich hin dösenden und sich nach dem Regen in der Sonne wärmenden Gnubullen. Vorsichtig schob ich mich in eine günstige Schussposition und strich an einem dünnen Bäumchen an. Im Schuss bricht der Bulle zusammen.

Vor mir lag ein alter Bulle mit stark abgeschliffenen Hörnern. Ich hatte eine Pirsch, wie ich sie mir vorstelle, und zu meiner besonderen Freude auch noch eine starke Trophäe eines alten Bullen, der die besten Jahre seines Lebens längst hinter sich gelassen hatte.

Vor Sonnenuntergang setzten wir uns noch zwischen zwei Dickbuschparzellen an, wo häufig Buschböcke hin und her wechseln sollten.

Ich war schon fast froh, dass kein Buschbock auf diese Idee kam, sonst hätte ich womöglich doch noch alle gewünschten Wildarten erhalten, und das wäre dieser Jagd wahrhaftig nicht gerecht geworden. Trotzdem war ich zufrieden!

Ich hatte neue Erfahrungen gesammelt. Ich hatte ordentlich gejagt und mich nicht dazu verleiten lassen, so meine Trophäen zusammen zu schießen, wie es offensichtlich hier normalerweise gemacht wird. Wie es gemacht wird, hat mir das Wild gezeigt. Wild lügt nicht!

Auch Lansome hat nicht gelogen. Der arme Kerl hat sein Bestes versucht, nicht zuletzt um ein großzügiges Trinkgeld zu erhalten. Aber er hat es so versucht, wie er es gelernt hat. Ihm mache ich, auch wenn in diesem Bericht häufig ein anderer Eindruck entsteht, am wenigsten Vorwürfe. Um die Sache abzurunden möchte ich noch eine Beobachtung erwähnen: Auf der Hauptfarm des Jagdunternehmens habe ich Gatter gesehen, in denen Löwen gehalten wurden.

Auf meine Frage, was das Ganze solle, erhielt ich von Richard die Antwort, dass es ein Zuchtprogramm sei zur Züchtung von TBC-freien Löwen, die im Krüger-Nationalpark ausgesetzt, die TBC-verseuchte Löwenpopulation ergänzen solle.

Ein Schelm, wer sich Schlechtes dabei denkt. Ich aber bin froh, dass ich einen Löwen in freier Wildbahn nach zweitägigem Folgen der Fährte mit der Hilfe des für mich immer noch unerreicht weltbesten Trackers zur Strecke gebracht habe.

Foto: Jürgen Gauß

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