Zwischen Himmel und Bergen

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Eine Marco Polo-Jagd in der Pamir-Hochebene ist eines der letzten Abenteuer unserer Zeit. Hier der Bericht von einer ganz besonderen Jagd.

Das Schaf der Schafe: Marco Polo-Widder mit 61 Inch Hornlänge. Nie zuvor hat ein europäischer Jäger solch einen starken Widder erlegt.
Das Schaf der Schafe: Marco Polo-Widder mit 61 Inch Hornlänge. Nie zuvor hat ein europäischer Jäger solch einen starken Widder erlegt.
Thomas Lemmerholz
 
Achtung:
 
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Donnerstag, 14. Oktober 1999
Nachdem ich die ganze Nacht nicht gut geschlafen habe, bin ich froh, dass um vier Uhr morgens endlich der Wecker schellt und die ohnehin schlaflose Nacht vorbei ist. Erwartungsfroh fahre ich mit dem Taxi zum Flughafen Düsseldorf.
 
Kurz nach neun Uhr treffe ich meinen Reisebegleiter Toma Ivanovic am verabredeten Treffpunkt des Frankfurter Flughafens. Toma ist erst vor drei Tagen aus Montana und Wyoming zurückgekehrt, wo er für JAGEN WELTWEIT ein neues USA-Jagdvideo gedreht hat.
 
Kurz vor Mittag fliegen wir dann von Frankfurt ab. Die Maschine ist nur zu höchstens 20 Prozent belegt und nach sechseinhalbstündiger Flugzeit kommen wir in der früheren kasachischen Hauptstadt Alma-Ata an.
 
Hier wartet bereits Maxim auf uns, der Moskauer Mitarbeiter meines deutschen Jagdvermittlers, und hilft, Zollformalitäten schnell zu erledigen. Toma kennt Maxim von vorhergehenden Reisen und Jagdausstellungen, und auch mir ist er auf den ersten Blick sympathisch.
 
Wir fahren ins Hotel Peking, wo wir uns noch bis zwei Uhr morgens mit Maxim über die bevorstehende Argalijagden unterhalten. Ich habe vor, eine ungewöhnliche Kombination auf einem einzigen Jagdtrip zu machen: erst im Hochgebirge des tadschikischen Pamirs auf Marco Polo-Schaf zu jagen und dann im sanften Hügelland des zentralkasachsischen Karaganda dem Karaganda-Argali nachzustellen.
 
Mit Maxim haben wir uns vor allen Dingen über die Vorbeugung gegen Höhenkrankheit unterhalten. Nach Rücksprache mit mehreren Auslandsjägern und Ärzten wollen Toma und ich auf die Einnahme von Diamox-Tabletten verzichten. Maxim, der schon mehrmals im Pamir war, hält dies für vollkommen falsch, weil wir in einer Höhe von über 4 000 Metern jagen werden. Und hier kann es schon zu Symtomen kommen, die eine Jagd unmöglich macht. Ich habe Diamox für alle Fälle mitgenommen, und Toma und ich beschließen, doch dieses Mittel zu nehmen, obwohl man die Tabletten eine Woche bevor man in die Höhe gelangt einnehmen sollte.
 
Freitag, 15. Oktober 1999
Am nächsten Tag fliegen wir erst am späten Nachmittag mit einer Maschine der Tajik-Air nach Dushanbe. Wir haben traumhaftes Wetter und können bis auf den Grund sehen. Es geht über Kirgisien, und als wir den Tienschan überfliegen, denke ich unwillkürlich an das Tienschan-Argali und die kapitalen Steinböcke, die in diesem Gebirge beheimatet sind.
 
Leider habe ich den ganzen Tag über Kopfschmerzen und nehme Tabletten ein, die Abhilfe leisten. Maxim berichtet, dass im Pamir-Gebirge insgesamt drei Camps zur Auswahl stehen, die alle südöstlich von Murgab gelegen sind. In jedem Camp sei ein Arzt vor Ort, um eventuell aufkommende Symptome der Höhenkrankheit zu erkennen und zu behandeln. Das gibt mir Sicherheit.
 
Nach zwei Flugstunden landen wir gegen Abend in Dushanbe. Der tadschikische Outfitter Kokul und sein Fahrer holen uns am Flughafen ab. Die Zollformalitäten erfolgen wiederum ohne Probleme. Für dieses Jahr stehen erstmalig 70 Lizenzen für Marco Polo-Schafe zur Verfügung, aber hiervon werden wohl nur etwa 50 Stück verkauft.
 
Nach einem leckeren Abendessen aus der örtlichen Küche gehe ich relativ früh ins Bett, während Maxim und Toma noch lange mit Kokul zusammensitzen.
 
Samstag, 16. Oktober 1999
Gleich am Morgen soll unser Weiterflug nach Chorog vonstatten gehen. Gegen neun Uhr kommt Kokul mit seinem Begleiter, und wir fahren die kurze Strecke zum Flughafen. Kurz darauf erfolgt mit insgesamt neun Fluggästen und zwei Piloten der Abflug in einer kleinen zwölfsitzigen Maschine der Tajik-Air.
 
Bei traumhaftem Wetter fliegen wir in 4 500 Meter Höhe mitten durch das Pamir-Gebirge und oft so nahe an den Gipfeln, dass man den Eindruck gewinnt, man flöge keine 100 Meter darüber. Da die kleinen Maschinen nicht höher als 5 000 Meter fliegen können, müssen wir uns quasi durch das Gebirge durchschlängeln.
 
Während Dushanbe 882 Meter hoch liegt, weist Chorog bereits eine Seehöhe von 2200 Meter auf. Nach genau einer Stunde Flugzeit landen wir in Chorog. Aidibek, der eigentliche Organisator vor Ort, holt uns mit seinem russischen UAS-Geländewagen vom Flughafen Chorog ab und eröffnet uns, dass unsere Registrierung etwas länger dauern werde und wir heute nicht mehr ins Basiscamp weiterfahren könnten.
 
Um den Tag dann noch zu nutzen, fahren wir am Nachmittag zum Basar in Chorog und bekommen einen Eindruck von der einheimischen Küche und den farbenfroh gekleideten Menschen. Chorog liegt direkt in einem Tal mit dem Fluss Gund, der die Grenze zu Afghanistan darstellt. Rundherum ist die Stadt von hohen Bergen umgeben. Auch hier ist es frühlingshaft warm.
 
Nächstes Ziel ist der Botanische Garten von Chorog. Auf über 600 Hektar sind hier alle Pflanzen Asiens und der ehemaligen Sowjetunion bis Sibirien zu sehen. Der mitgebrachte Höhenmesser zeigt in Chorog die richtige Höhe von genau 2 200 Meter an, nachdem ich ihn in Dushanbe neu eingestellt habe. Dieses preiswerte Produkt soll uns in der Zukunft noch gute Dienste erweisen.
 
Sonntag, 17. Oktober 1999
In der Früh starten wir zum Marco Polo-Camp südlich von Murgab, nahe eines verlassenen Observatoriums. Von Chorog aus geht es erst in Richtung Osten etwa 300 Kilometer auf einer Landstraße, teilweise über hohe Pässe. Nach fünf Stunden Fahrzeit biegen wir kurz vor Murgab von der geteerten Straße in die weite Pamir-Hochebene ab und sind nach einer Stunde in unserem vorläufigen Observatorium-Camp, das auf 4 300 Meter liegt.
 
Maxim hat uns gestern abend erklärt, dass man – wenn man sich in dieser Höhe befindet – auf Durchfall geradezu warten kann und dass das die Regel ist. Wir lassen uns den Blutdruck messen. Ich bin als erster an der Reihe, meine Werte liegen bei 140/100, höher als normal.
 
Im Camp treffen wir zwei mexikanische Jäger: Armando und Gustavo, die aus dem kirgisischen Osh einige Stunden vor uns angekommen sind. Sie fahren sofort in das Jagdcamp weiter, während die beiden amerikanischen Jäger Steve und Oscar, die wir ebenso hier im Camp antreffen, erst einmal am Observatorium bleiben. Auch wir Europäer sollen erst am nächsten Tag in Richtung Jagdcamp weiterfahren.
 
Die Probeschüsse vom Nachmittag ergeben alle einen Hochschuss, der um zwei bis drei Zentimeter höher liegt als daheim, was eine Folge der Höhe ist.
 
Montag, 18. Oktober 1999
Sehr früh fahren wir von unserem Camp los. Heute nacht war es bitterkalt, und auch die kommenden Nächte sollen wir Minustemperaturen zwischen acht und 15 Grad haben. Die Tagestemperaturen liegen bei maximal null bis fünf Grad Celsius. Wieder wird es ein traumhafter Tag. Auf der gesamten 80 Kilometer langen Fahrt über das Hochplateau (in einer Höhe zwischen 4 200 und 4500 Metern, die wir nicht mehr verlassen werden) sehen wir über 350 Marco Polo-Schafe, teilweise in Rudeln von bis zu 70 Stück. Ich bin begeistert. Ich habe zwar vom guten Wildbestand gehört, bin nun geradezu fasziniert von diesem imposanten Anblick.
 
Leider habe ich seit heute morgen leichte Kopfschmerzen und bekomme auch den Durchfall nicht weg. Zudem habe ich überhaupt keinen Appetit und ertappe mich auch selber dabei, dass ich viel zu wenig trinke.
 
Am Nachmittag kommen wir hier in unserem neuen Camp an, das direkt über einer heißen Quelle gebaut worden ist, so dass hier im Pamir auf 4 200 Meter Höhe alle „Häuser“ mit Zentralheizung und die Küche mit warmem Wasser ausgestattet sind. Nicht nur, dass eine Dusche vorhanden ist, sondern sogar ein großer Swimmingpool mit warmem Wasser. Der Komfort ist perfekt, nicht umsonst heißt dieses Supercamp „Marco Polo-Hilton“.
 
Nach zwei Stunden Schlaf dann das Abendessen, obwohl ich überhaupt keinen Appetit mehr habe. Dann kommen die beiden mexikanischen Jäger zurück. Armando hat ein starkes Marco Polo-Schaf von 58 Inch erlegt, zeigt sich aber zuerst überhaupt nicht zufrieden. Erst nach zwei Stunden begreift er, was für einen phantastischen Widder er erlegt hat.
 
Dienstag, 19. Oktober 1999
Ich habe einen Fehler gemacht und nachts nichts getrunken. Ich fühle mich hundeelend, komme nicht aus dem Bett, bin dehydriert und bei der kleinsten körperlichen Anstrengung wird mir schlecht. Ich schaffe mal gerade 20 Meter.
Beim Frühstück, ich sehe erneut eigentlich mehr zu, entscheiden wir, dass ich wegen meines schlechten Zustands heute noch nicht jage. Von unserer Ärztin bekomme ich alle möglichen Tabletten und gehe wieder ins Bett. Nach zwei Stunden fühle ich mich besser und möchte endlich raus. Toma ist aber mit beiden mexikanischen Jägern erst einmal hinausgefahren, um Fotos von Armandos Schaf zu machen.
 
Kurz vor Mittag sind die drei wieder zurück. Ich möchte endlich jagen. Doch Tobilek hält das für aussichtslos: Es ist nunmehr zu spät, weil man morgens die Schafe ausmachen muss, um zu sehen, wo diese tagsüber ruhen. Dann kann man sie angehen. Mir ist dies aus vorherigen Schafjagden bekannt, augenscheinlich will ich das aber nicht wahrhaben.
 
Mittwoch, 20. Oktober 1999
An diesem Morgen fühle ich mich viel besser. Nur die starken Kopfschmerzen, die ich seit gestern habe, sind schlimm. Ich nehme Aspirin. Nach dem Frühstück geht es mit Toma, Maxim, Tolibek und mir dann endlich hinaus. Es ist bereits dämmrig, und es verspricht, wieder ein traumhaft schöner Tag zu werden.
 
Nur 20 Kilometer vom Camp entfernt sehen wir sage und schreibe 500 bis 800 Marco Polo-Schafe (vornehmlich weibliche Stücke mit Jungwild) auf den weiten, sanften Berghängen äsen. Es ist einfach nicht vorstellbar. Und das alles in dieser traumhaft schönen Hochgebirgslandschaft.
 
Gegen neun Uhr sichten wir auf etwa 800 Meter Entfernung ein Rudel von 18 Widdern. Tolibek erkennt mit seinem eigenen 20-60fachen Spektiv (das er meinem schweren von Leica vorzieht) einige jagdbare Widder.
 
Als die Widder außer Reichweite sind, ziehen wir unsere Schneeanzüge an und pirschen hinterher. Die Widder sind leider zügig in das nächste tiefe Tal gezogen, und wir sehen sie nur aus weit über einen Kilometer Entfernung. Etwas später tun sie sich dann nieder. Wir gehen zum Wagen zurück und überlegen uns einen vernünftigen Jagdplan. Tolibek kennt das Gelände und empfiehlt, die Schafe über einen Berg anzugehen.
 
Nachdem wir uns kurz darauf mit einem deftigen Lunch gestärkt haben, steigen wir mittags von 4 700 Meter Seehöhe auf 5 200 Meter auf. Die ersten paar hundert Meter trage ich meine Waffe noch selbst, dann bitte ich freundlichst Tolibek, neben meinem Rucksack mir auch die Waffe abzunehmen.
 
Alle zehn bis 20 Meter bleiben Maxim, Toma und ich stehen und ringen nach Luft. Nur Tolibek, unser zäher Guide, schreitet zügig voran. Nach eineinhalb Stunden sind wir oben auf dem Gipfel angelangt und machen erst einmal einige Minuten lang Pause.
 
Tolibek findet keine Ruhe, läuft vor und inspiziert die Lage. Von hier aus kann man zwar das im Tal dösende Rudel gut sehen, aber die Entfernung für einen sicheren Schuss ist zu groß. Wir müssen näher an die Widder heran, und zwar von der anderen Seite.
 
Wir laufen ein Stückchen auf dem Bergrücken, steigen daraufhin ab, gehen durch ein anderes Tal und kommen quer zum Hang an die Widder heran. Von einem großen Stein versteckt, von dem aus man das Argalirudel unten im Tal gut sehen kann.
 
Tolibek nimmt aus dem Rucksack meinen Entfernungsmesser, misst die Distanz zur Gruppe und schreibt im Schnee vor mir „385“: die Entfernung in Metern. Ich hatte vorher schon erklärt, dass ich eigentlich nicht über 300 Meter schießen möchte. Toma und Tolibek protestieren, machen Druck, den Schuss doch zu wagen.
 
Wir streiten minutenlang. Toma erinnert mich an die gute Vorbereitung zu Hause. Wir haben im Sommer zuvor in der Tat auf 300 Meter probegeschossen, alles ohne Problem. Mir wird klar, dass wir halt in der freien Natur sind, man kann es sich nicht aussuchen. Wir haben auch keine Möglichkeit, uns näher heranzupirschen, so mache ich mich doch zum Schuss fertig. Alle Widder liegen noch in der Sonne.
 
Der Anblick, der sich bietet, ist imposant. Ganz links ist eine Gruppe von fünf Widdern, davon drei in der höchsten Trophäenklasse. Die restlichen 13 Widder liegen 20 bis 30 Meter von den Alten entfernt und halten Wache. Alte Widder halten immer zusammen, erklärt Tolibek. Sie stehen zwar im gleichen „Herrenrudel“, aber getrennt von den jüngeren.
 
Fast eine Stunde überlegen und diskutieren wir, welchen der drei jagdbaren Widder ich schießen soll. Für Toma und mich ist der Unterschied nur schwer festzustellen, und wir verlassen uns auf das Urteil von Tolibek, der den zweiten von links für den stärksten mit mindestens 59 Inch Hornlänge hält.
 
Es brennt zwar die Sonne, der kalte Wind kommt aber stetig von vorn, und wir liegen und frieren im Schnee. Tolibek erwartet, dass sich die Widder normalerweise nicht vor 17 Uhr erheben, also haben wir viel Zeit.
Ich schaue ein letztes Mal auf meine DEVA-Schußtafel, die ich mir mit Winkelberechnungen für alle möglichen Situationen vor der Reise habe erstellen lassen: Schusswinkel 30 Grad bergab bei einer Entfernung von 400 Metern: Das ergibt bei meiner 8 x 68 S-Büchse mit 11,7-Gramm-Kegelspitzgeschoß einen Tiefschuß von etwa 30 Zentimetern.
 
Wir warten und warten. Die Minuten kommen mir vor wie eine Ewigkeit. Dann werden die Widder plötzlich hoch, meiner steht „scheibenbreit“ und reckt sich. Erst jetzt erkenne ich, wie gewaltig, wie mächtig er ist. Tolibek hatte recht, er ist wirklich der stärkste aus der Gruppe.
 
Ich halte am Rücken an. Im Schuss merke ich, dass ich etwas zur Körpermitte hin abgekommen bin. Tolibek hört den Kugelschlag, aber der Widder zieht mit den anderen zusammen steil den Hang hinauf.
 
Tolibek steht auf, läuft vor, sieht, dass der Widder immer weiter zurückfällt, 20 bis 50 Meter hinter der Gruppe zurückbleibt. Er zieht zwar mit, verhofft aber ab und an, bis er doch mit dem Rudel am Horizont verschwindet.
 
Toma und ich gehen später nach und sehen alle paar Schritte im Schnee einen Schweißtropfen. Ich befürchte, den Widder weidwund getroffen zu haben. Ich bin mit meinen Nerven am Ende. Für eine sofortige Nachsuche ist es wegen der fortschreitenden Dämmerung zu spät. Also fahren wir ins Camp zurück.
 
In der Campküche bekomme ich fast wieder kein Abendessen hinunter. Ein guter Laikahund, der zudem noch Totverbeller ist, soll als Nachsuchenhund zur Verfügung stehen. Mit Maxim und dem Chef-Guide Atabek wird Tolibek morgen die Nachsuche vornehmen. Ich selbst darf nicht mit. Unter Umständen kann der Widder über die afghanische Grenze gezogen sein, und das ist für uns Gäste dann doch zu gefährlich. Maxim hat einen russischen Pass und wird von russischen Grenzsoldaten respektiert.
 
Wir stehen früh auf, ich nehme sofort zwei Aspirin, weil ich wieder schlimme Kopfschmerzen habe. Außer einem Joghurt, der seit nunmehr drei Tagen mein einziges Frühstück morgens darstellt, bekomme ich wieder nichts runter. Nach dem Frühstück fährt das Nachsuchengespann weg.
 
Ich fühle mich schlapp, elend und nehme nochmals zwei Aspirin. Auch Imodium, das ich gegen Durchfall nehme, hilft nicht.
 
Vor unserem Haus döst das sechs Monate alte Marco Polo-Lamm, das verwaist im Frühjahr von den Einheimischen gefunden wurde. Ich lese ein Buch, schreibe mein Tagebuch und höre auf jedes Geräusch, das durch die Zimmertür dringt.
 
Dann endlich am späten Nachmittag kommen sie zurück. Maxim grinst. Ich weiß, sie haben den Widder gefunden. Der Einschuss ist genau dort, wo wir ihn vermutet hatten: waidwund.
 
Noch zwei Kilometer ist der Widder gezogen, um dann in ein Bergmassiv einzuziehen. Hierbei mußte er sich wohl an einen Steilhang, am Ende seiner Kräfte, niedertun und ist dann 40 bis 50 Meter hinabgestürzt.
 
Die Vermessung der ungewöhnlich stark gewundenen Schnecken erbringt unglaubliche 61 Inch. Ich bin sprachlos. Kein anderer europäischer Jäger hat je zuvor einen Marco Polo-Argali über 60 Inch erlegt:Vor mir lag der „europäische“ Rekordwidder, erlegt auf meiner ersten Argali-Jagd.
 
Was für ein Riesenglück habe ich gehabt. Wir hätten die Schweißfährte verlieren können, Schneeleoparden oder Wölfe hätten ihn nachts reißen können. Am Abend kommt Armando mit seinem zweiten Marco Polo-Widder von 56 Inch zurück. Diesmal hat er ein typisches Marco Polo-Schaf mit weit ausgelegten Schnecken erlegt, eine prächtige Trophäe. Er ist überglücklich. Außerdem haben Gustavo und er noch einer uralten Steingeiß den Fangschuss gegeben, die wohl von einem Schneeleoparden angefallen worden war.
 
Freitag, 22. Oktober 1999
Kurz nach Mitternacht fahren wir dann, nachdem wir unsere Sachen zusammengepackt haben und ich per Satellitentelefon die Erfolgsmeldung nach Hause gegeben habe, vom Camp los.
 
In zwei Tagen bin ich dann wieder in Alma-Ata, wo eine Woche zuvor mein Pamir-Abenteuer begonnen hat. Maxim prüft, ob wir heute oder erst morgen nach Karaganda in Zentralkasachstan weiterfliegen können.
 
Meine Jagd ist noch nicht zu Ende. Ich habe zu Beginn auf dem Dach der Welt auf Marco Polo-Schaf gejagt, jetzt aber werde ich auf den sanften Hügeln von Karaganda dem dort heimischen Karaganda-Argali nachstellen. Aber darüber werde ich ein anderes Mal berichten.
 
Fotos: Toma Ivanovic
Hansgeorg Arndt

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