»Houbara, Houbara!« – Arabische Falknerei in Pakistan

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Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) leisten einen faszinierenden und noch weitgehend unbekannten Beitrag für Wildtiere und Menschen durch nachhaltige jagdliche Nutzung.

Von Kai-Uwe Wollscheid
Mit einem eleganten Schwung sind die Spurensucher vom fahrenden Geländewagen gesprungen und laufen, ja rennen fast, durch heißen Sand und hüfthohes Gebüsch einer imaginären Erscheinung nach. Uns ist es jedesmal fast unerklärlich, wie sie immer wieder die nur fünf Zentimeter messenden Geläufe der Houbara-Trappe (Chlamydotis undulata) vom Auto aus entdecken können! Die barfüßigen Spurensucher verständigen sich in ihrem unglaublich schnellen Lauf mit sparsamen Handzeichen, die Jagd wird immer spannender – schon schallt uns der kehlige Ruf entgegen: „Houbara, Houbara!“ – sie sind auf die Trappen gestoßen.
Wenige hundert Meter vor ihnen erhebt sich mit kurzen, schnellen Schwingenschlägen der etwa hühnergroße Vogel, der mit seinem sandgrau-gesprenkelten Gefieder ausgezeichnet an die Umgebung angepasst ist, vom Boden und versucht zu entkommen. Jetzt kommt der Moment des Falken!
Scheik Nahyan, der Ranghöchste, entscheidet in Sekundenbruchteilen, welcher Falke von wem und wann genau abgeworfen wird. Houbaras können dank der recht großen Spannweite schnell streichen, meist jedoch nicht schnell genug, um dem Falken auf Dauer zu entkommen.
Die Verfolgung ist atemberaubend: Nach einigen 100 Metern hat der Falke seine Beute erreicht. Fliegt die Houbara zu tief, so geht er tiefer und zwingt sie nach oben, droht sie zu hoch aufzusteigen, so geht er höher, bis er sie packt. Mit ausgebreiteten Schwingen versucht der Falke den Sturz mit seiner Beute abzufangen, bis er sie am Boden bindet.
Nun heißt es schnell sein. Alle eilen so rasch es die schwierigen Bodenverhältnisse der Wüste zulassen zu der Stelle, wo der Falke mit seiner Beute zwischen den Büschen niedergegangen ist. Scheik Nahyan oder ein von ihm bestimmter Gast, löst den Greifvogel geschickt von der Trappe, indem er sie mit einem Leinentuch verdeckt und das Interesse des Falken einzig auf den Kopf der Houbara lenkt, den er zum Abschluss als Belohnung auch erhält.
Zur Zeit blickt die Welt in immer stärkerem Maße auf das dramatische Geschehen rund um die arabische Halbinsel. Was jedoch wissen wir Jäger, ja, was weiß die Öffentlichkeit von dieser an Naturschönheiten und -schätzen (nicht nur das Erdöl) so reichen Region? Was wissen wir alle von den außerordentlichen Anstrengungen, die besonders die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zum Schutz fragiler Ökosysteme, gegen Wilderei, Habitatverluste und für die Erhaltung freilebender Tiere unternehmen?
Viele werden sich allenfalls an die Zeit erinnern, als arabische Falkner für das Aushorsten europäischer Wander-, Ger- und Sakerfalkenhorste verantwortlich gemacht wurden. Doch wie steht es heute um die Tradition und Kultur der Falknerei in den Ländern Arabiens? Eine hochrangige Delegation des Internationalen Rates zur Erhaltung des Wildes und der Jagd (CIC) hatte auf Einladung der königlichen Familie der VAE die einmalige Gelegenheit, hinter die Kulissen zu schauen.

 

Zur Beizjagd nach Pakistan

Scheik Nahyan, Minister der VAE für Hochschulausbildung und wissenschaftliche Forschung, und international erfolgreicher Geschäftsmann, geht jedes Jahr mit seinem Vater und seinen engsten Freunden dorthin, wo er sich für 30 Tage vom Geschäftsleben in der Großstadt Abu Dhabi verabschieden, geistig entspannen und wieder auf die alten Werte besinnen kann. In einem Wort: Wo er mit seinen Falken in der jahrhunderte alten Tradition seines Volkes jagen kann – nach Pakistan.

Dort beizen sie nach strengen Vorschriften die Houbara, ein vor allem durch Wilderei gefährdeter Zugvogel, der jedes Jahr im Winter von Westindien über Pakistan, Afghanistan und Kasachstan nach Russland und China mit genauen Flugruten zieht. Eine Etappen-Station liegt in Pakistan, in der Wüste Cholistan, nahe der indischen Grenze.
Die Jagd in Pakistan folgt im Sinne der IUCN-Houbara-Resolution des Jahres 2000 von Aman äußerst strengen Regeln, denen sich die Gäste aus den Emiraten bewusst unterwerfen. Jedes Jahr legt die pakistanische Regierung genaue Quoten fest. Bejagt werden darf nur eine streng limitierte Quote Houbaras. Dank der arabischen Gäste überwachen in unserem Falle Ranger das Jagdgebiet ganzjährig. Sie bilden die Gewähr, dass Wilderer in diesem Gebiet nachweislich nicht mehr auftreten, die aber in anderen Gebieten ein vielfaches der legal gejagten Vögel in Fallen fangen, oder, wie derzeit noch im benachbarten Kasachstan, mit Flinten schießen.
Bisher war die Rede von nachhaltiger Nutzung, also Jagd im Sinne dieses Prinzips, aber hier kommt der Aspekt der dadurch bewirkten, erstaunlich umfassenden Hilfe für die örtliche Bevölkerung hinzu. Eine ganze Region, Dörfer, Ranger, Fährtenleser, Bedienstete … sie alle hängen von den arabischen Gästen ab. Diese bezahlen nicht nur große Summen für die Jagdlizenz. Sie beschäftigen in ihren Lagern auch um die 500 Menschen aus der Umgebung, die in den 30 Tagen der Jagd so viel Geld verdienen, dass sie und ihre Familien mindestens ein Jahr davon leben können.
Scheik Mubarak, der Vater, und sein Sohn Scheik Nahyan werden überall als Freunde enthusiastisch begrüßt, denn sie bauen seit mehr als 25 Jahren auch dringend benötigte Krankenhäuser, Schulen, Wohnhäuser und helfen, die Infrastruktur der Gebiete erheblich zu verbessern. Straßen und Wasserleitungen werden gebaut, Wasser-Reservoirs angelegt und sogar Flughäfen errichtet.
Im Zuge ihrer engen Bindung an Pakistan leistet die Nahyan-Familie auch landesweit „Hilfe zur Selbsthilfe“, indem sie große Summen in die Wirtschaft des Landes investieren, dadurch Arbeitsplätze schaffen und dem Land helfen, internationale wirtschaftliche Anerkennung zu erlangen. So sichert die einmonatige Jagd sogar mehreren Tausend Menschen ein festes Einkommen.
Auch die Natur profitiert in hohem Maße: Durch die Investitionen in den Wildschutz können Tausende von Houbaras ungestört von illegalen Nachstellungen ihre Reise in den Norden fortsetzen. Dass ihnen auf der anderen Seite der Grenze in den Nachbarländern Pakistans durch eben jene unkontrollierten Nachstellungen Gefahr droht, steht auf einem anderen Blatt. Das ist ein Problem, an dem besonders auch der CIC mit seiner „Koordinationsgruppe Zentralasien“ in enger Zusammenarbeit mit den internationalen Naturerhaltungsgremien intensiv arbeitet.

 

Die Beizjagd – Bewahrung von Tradition

Zurück zur Beizjagd: Im Morgengrauen, wenn die Köche bereits frisches Fladenbrot in ausgebrannten Erdlöchern, die als natürliche „Lehm-Öfen“ benutzt werden, gebacken haben, gibt es Frühstück mit arabischem Kaffee und süßem, schmackhaften Tee. In der Zwischenzeit haben die Falkner schon die Vögel – gejagt wird mit Wander- oder Sakerfalken – mit Sendern versehen, damit sie auch nach einem Fehlflug wieder geortet werden können.

Man bricht so früh auf wie möglich, auf jeden Fall noch vor Sonnenaufgang. Traditionell wurde früher vom Kamel oder Pferd aus gejagt, heute sind diese durch moderne Geländewagen ersetzt. Die wichtigste Rolle spielen die Spurensucher.
An diesem Tag werden nicht viele Falken erfolgreiche Flüge abschließen, aber darum geht es in erster Linie gar nicht. Für unsere arabischen Gastgeber ist es mindestens genauso wichtig, ihren jahrhunderte alten Traditionen auch in einer turbulenten Neuzeit wenigstens für kurze Zeit folgen zu können. Gemeinsam eine Feuerstelle anlegen, Mittagessen bereiten, Kaffee trinken und entspannt über den Gang der Welt diskutieren, kurz: die ursprüngliche Form der Gemeinschaft mit ihren Gästen wieder genießen zu können. Dies tun sie neben der ausgedehnten Mittagspause bei 30 Grad in der schattenlosen Steppe sowie abends im Camp am Lagerfeuer lange und ausgiebig.
Das Camp besteht aus 100 großen Zelten, die von bis zu 500 Mitarbeitern, vom Falkner bis zum Automechaniker, betreut werden. Hier fehlt es selbst in der Wildnis an keiner Bequemlichkeit: Die geräumigen Zelte sind kunstvoll mit Teppichen ausgeschlagen, Stromaggregate sorgen für Beleuchtung und betreiben die Wasserpumpen für – ja, auch für Warmwasser! Es gibt gekühlte Getränke und, in der heutigen Zeit wohl fast normal, ein Satelliten-Telefon.
Im Camp werden täglich zirka 80 Kilogramm Reis verbraucht, 60 bis 70 Schafe und Ziegen geschlachtet, 4.000 Brote verzehrt und es wird Gemüse aus Landesproduktion bereitet. Aber nicht nur das: Scheik Nahyan und sein Vater bringen jedes Jahr einen Arzt aus Abu Dhabi mit, der während der 30-tägigen Jagdzeit täglich um die 100 Beduinen-Patienten versorgt, ihnen LKW-weise Medizin für die kommenden Monate verabreicht und sie mit Decken und Kleidungsstücken ausstattet – alles auf Kosten der Nahyan-Familie.
Zu Hause kümmern sich die arabischen Falkner erst recht und in einem erheblichen Umfang um Wildtier- und Naturschutz-Fragen. So gibt es dank der königlichen Familie in den VAE ein umfassendes Programm „Global Management of the Wild Population of the Asian Houbara Bustard throughout its Range“ (weltweites Management der Wildpopulation der Houbara in ihrem Verbreitungsareal). Die VAE verfügen dafür über ein Houbara-Zentrum, in dem intensiv Forschung über die Erhaltung dieser Trappen-Art betrieben wird.
Neben den technisch und personell auf neustem Stand befindlichen Falken-Kliniken betreibt die königliche Familie des Staatsoberhauptes Scheik Zayed bin Sultan al Nahyan auch Zentren zur Züchtung und Erforschung von Falken. Es gibt ein umfassendes und sehr aufwendiges Programm, Falken wieder in der freien Wildbahn auszuwildern, wo rückläufige Populationen dies erfordern – bis hinauf nach Kasachstan.
Alle Falken sind laut Gesetz zu registrieren. Die Kontrolle erfolgt dadurch, dass jeder einzelne Falke einen „Falkenpass“ haben muss, in dem neben anderen Informationen alle Daten der Herkunft und natürlich der Name des Besitzers enthalten sind. Falken dürfen die Staatsgrenzen zur Jagd in anderen Ländern (in den VAE selber gibt es nicht viele Jagdmöglichkeiten) nur mit diesem Pass überqueren. Das ist ein Beispiel, das der CIC mit Hilfe seiner arabischen Mitglieder besonders in anderen arabischen Ländern und darüber hinaus herausstellen und verbreiten wird.

 

Die Falknerei – Kulturgut der Menschheit

Die Falknerei ist als eine der ältesten Jagdformen Kulturgut der Menschheit. Sie wurde ausgeübt von Kaisern, Königen, Fürsten, ist heute jedoch jedem Interessierten zugänglich. Zumindest noch, denn mit einer geplanten Änderung zum Beispiel des Jagdrechts in Deutschland sind auch Bestrebungen verbunden, Greifvögel aus dem Jagdrecht ins Naturschutzrecht zu überführen. Das würde in Deutschland aus wissenschaftlich nicht begründeten, vordergründig „publikumswirksamen“ Gründen das Ende der Falknerei bedeuten! Es ist deshalb um so wichtiger, dass den Initiatoren derartig engstirniger Gesetzgebungs-Vorschläge vor Augen geführt wird, welche enorme Bedeutung die Erhaltung der Falknerei besonders in entlegeneren Gegenden für die örtliche Bevölkerung hat.

Deshalb ist es ein sehr wichtiger Schritt, dass sich zum Beispiel der CIC und die IAF (International Association of Falconry), also die engagierten und um die Erhaltung der Greifvögel und der Natur besorgten Falkner, zusammenfinden. In diesem Sinne ist es auch besonders zu begrüßen, dass die Zusammenarbeit mit den verdienstvollen arabischen Falknern der VAE konkrete Formen annimmt: Scheik Nahyan bin Mubarak al Nahyan hat die Ehrenpräsidentschaft der Kommission für „Falknerei und zur Erhaltung der Greifvögel“ des CIC übernommen!
Das ermunternde Beispiel der Vereinigten Arabischen Emirate und Pakistan zeigt, wie gut die Jagd mit dem Falken, über die Erhaltung der Arten und Habitate hinaus, zugleich zur nachhaltigen Entwicklung zum Wohle der Bevölkerung beitragen kann!

 


 

Das begehrte Beizwild: arabischer Falkner: die Houbara-Trappe.

 


 

 

Fotos: Horst Niesters (CIC)

 

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