Steinbockjagd in Kirgisien dürfte wohl auch für erfahrene Bergjäger eine Herausforderung sein. Stimmen aber Einstellung, Kondition und vor allem das Jagdgebiet mit der dazu gehörigen Organisation, so gibt es kaum eine interessantere Bergjagd. Deshalb hier gesammelte Erfahrungen und Tipps aus den vergangenen acht Jahren.
Sechs Stunden im Direktflug von Frankfurt oder Hannover nach Bischkek, und man kann nach Verlassen des Flughafengebäudes eine Bergwelt bestaunen, die, läge sie in Europa, Millionen von Menschen in ihren Bann zöge. Allerdings mit dem Unterschied, dass die Dimensionen in Kirgisien die der Alpen um einiges übertreffen.
Einen kleinen Eindruck von Land und Leuten kann man schon während der teilweise langen Anfahrt zum Jagdgebiet gewinnen. Wenn man Kirgisien auf einer Karte betrachtet, wird in der Regel nicht vermutet, dass riesige Gebirgsketten eine halbe Tagesreise nötig machen, um von einem Ort zum anderen zu gelangen, obwohl beide Orte gerade 100 Kilometer Luftlinie trennen. Es ist zwar nicht jedermanns Sache, stundenlang mit dem Geländewagen durch die Gegend geschaukelt zu werden, aber diese Landschaft macht sogar auf gestandene Alpen-Jäger Eindruck.
Der Bestand an Steinwild und die Trophäenqualität lassen in großen Gebieten keine Wünsche offen, zumal diese einmalige Hochgebirgslandschaft allein schon eine Reise wert ist. Allerdings hat in den vergangenen Jahren das Interesse an Jagden in Kirgisien nachgelassen, weil viele Jagdreiseanbieter versuchen, ihren Kunden eine Steinbockjagd in Kasachstan schmackhaft zu machen. Im Bereich Jagdtourismus hat Kirgisien einiges zu bieten.
Sicherheitsbedenken des Auswärtigen Amtes in Deutschland kann ich nicht nachvollziehen. Das Amt schätzt Kirgisien als „nicht ungefährlich“ ein. Diese Aussage könnte eine Assoziation zum Fundamentalismus auslösen. Ich kann dem nur widersprechen und würde es wie folgt begründen: So lange es fast an jedem Kiosk mehrere Sorten Bier und Wodka zu kaufen gibt, Schweinefleisch im Handel auf jedem Markt eine sehr gefragte Ware ist, Frauen überhaupt nicht daran denken, sich hinter einem Schleier zu verbergen und man sie vor allen Dingen auf den Straßen sieht, kann ich nur sagen, solche Aussagen sind einem Land sicher nicht hilfreich. Einem Land, dessen wirtschaftliche Perspektiven im Tourismus liegen könnten.
Flächen, die für sehr gute Steinbockjagden zur Verfügung stehen, übertreffen die Kasachstans bei weitem. Es wird nur eine Frage der Zeit sein, dass viele Jagdreiseanbieter wieder auf das große Potenzial an kapitalen Steinböcken in Kirgisien zurück greifen.
Ursprüngliches Jagen
Das Wort „Jagen“ hat in der Ursprünglichkeit des Sinnes sehr viel mit Bewegung, körperlichem Einsatz und Beutemachen zu tun. Zwar dürfte das „Beute machen“ letztendlich auch heute noch zutreffen, der körperliche Einsatz hat jedoch meist nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Zumindest sollte jedem, der sich mit dem Gedanken Steinbockjagd in Kirgisien beschäftigt, von vornherein klar sein, dass es sich nicht um das handelt, was man hier zu Lande unter Jagd versteht.
Was erwartet man von einer Steinbockjagd? Steht ausschließlich die Stärke der Trophäe im Mittelpunkt? Ist sie der alleinige Grund für das Buchen einer Jagdreise? Oder interessiert auch das Besondere einer Bergjagd, wie es sie in unserer Kulturlandschaft nicht mehr gibt? Diese Punkte sollte jeder klären, bevor er eine Entscheidung bezüglich des Jagdlandes trifft.
Das ausschließliche Interesse an der Trophäenqualität soll auf keinen Fall bedeuten, dass es hieran in Kirgisien mangelt, im Gegenteil. Sie ist jedoch in erheblichem Maß von Vorbereitung und Einsatz abhängig. Zugegeben, ich selbst tue nicht allzuviel für meine Kondition und staune manchmal, mit wie viel Ehrgeiz und Regelmäßigkeit auch ältere Menschen immer öfter einer sportlichen Betätigung nachgehen.
Eine Jagdreise in die Höhen des Tien Shans mit der Möglichkeit, einen außergewöhnlich starken Steinbock zu erbeuten, ist die ideale Kombination zwischen körperlicher Herausforderung und Jagd in ihrer Ursprünglichkeit. Hinzu kommen unerschlossene gewaltige Gebirgslandschaften und sehr gute Steinwildbestände.
Eine kleine Begebenheit soll schildern, mit welchen Vorstellungen und wie unvorbereitet manche Jäger zur Steinbockjagd „losgondeln“. Bei einem Präparator wurde ich Zeuge, als ein Jäger seine Erlebnisse einer Steinbockjagd in Kirgisien schilderte. Wild gestikulierend und recht anschaulich versuchte er die Gefährlichkeit der abgrundtiefen Hänge, an denen sie reiten mussten, zu beschreiben. Diese wären so steil und gefährlich, dass man normalerweise nicht einmal zu Fuß dort hätte gehen können. Irgendwie wäre ihm schon nach den ersten Tagen die Lust vergangen.
Für solche Aussagen habe ich nur ein Kopfschütteln übrig. Die Erwartungen des „Jägers“ lagen sicher im Bereich dessen, was man in Europa unter Jagd versteht oder allenfalls was Auslandsjäger unter einer Jagd auf einer gut eingerichteten Jagdfarm in Namibia verstehen. Hier möchte ich jedoch zu bedenken geben, wie die Jagd in Namibia ohne geländegängiges Fahrzeug aussehen würde, wenn man alle Strecken mit dem Pferd oder zu Fuß bewältigen müsste.
Aber zum Glück oder Gott sei Dank hat die Technik noch kein Vehikel erfunden, das an einem über 45 Grad steilen Hang herumkurven kann. Ich sehe aber gerade in der Unerschlossenheit und in dem Urzustand, in dem sich dieses Hochgebirge heute noch befindet, wo außer Waffe und Fernglas eine weitere Nutzung von technischen Hilfsmitteln ausgeschlossen ist, wichtige Argumente, auf Steinbock zu jagen.
Nun werden viele sagen: „Alles schön und gut, ich kann sehr wohl einschätzen, was Bergjagd heißt, und bin nicht das erste Mal am Ende der Welt. Es nützt mir aber überhaupt nichts, wenn ich in einem Gebiet lande, wo ich Einsatz bringen kann, bis ‚der Wolf beißt‘, aber außer toller Landschaft nicht viel mehr zu sehen ist.“ Die Antwort hierauf liegt meiner Meinung nach in der Vorbereitung. Vorbereitung beinhaltet eben auch, ausreichende Referenzen über genau das Gebiet einzuholen, in dem gejagt werden soll.
Sitzt ein Kirgise ertmal im Sattel, geht er keinen unnötigen Schritt mehr zu Fuß. Der Jagdgast benötigt aber keine besonderen Reit-Fähigkeiten. |
Fotos: Toma Ivanovic, Otto Gries
Gebietsabhängiger Jagddruck
Gebietsabhängiger Jagddruck
Der Grund für jagdlich stark beanspruchte Gebiete ist überall der gleiche. Es kann jeder eine Jagderlaubnis und Steinbock-Lizenz in Kirgisien für eine für deutsche Verhältnisse lächerliche Summe kaufen. In Gebieten, die einigermaßen mit dem Geländewagen erreicht werden können, und die im Umkreis größerer Städte liegen, herrscht gewiss ein starker Jagddruck. Das soll jedoch nicht heißen, dass es dort keine Steinböcke mehr gibt, aber es ist viel schwieriger, in solchen Gebieten erfolgreich zu jagen.
Starke Trophäen
Kapitale Steinböcke ziehen entweder allein, was höchst selten vorkommt, oder in einer Gruppe von nur männlichen Stücken. Das Alter in einer solchen Gruppe kann sehr unterschiedlich sein: von zwei- bis dreijährigen bis hin zu alten, kapitalen Böcken. Die Kopfstärke eines solchen Rudels variiert von zwei bis über vierzig Stück.
Jagdstrategie
Jagdstrategie
Vor allem in der Zeit von neun bis 16 Uhr wäre das für mich jedoch ein sicheres Zeichen, dass das Wild die Gefahr bereits erkannt hat. Das schlechteste, was man in diesem Fall machen kann, ist, dem Wild in der Hoffnung nachzusteigen, dass man es hinter dem Grad abfangen könnte. Steinböcke haben die Fähigkeit, an Übergängen „Posten“ aufzustellen, wenn sie nicht genau wissen, ob sie verfolgt werden. Diese sichern nach hinten alles ab.
Die Geißen nicht vergessen
Jetzt verschwanden meine Jäger in einer Schlucht. Sicher wollten sie darin nach oben steigen, um sich ungesehen für das Herunterkommen des „Altherrenrudels“ am Abend zu postieren. Diese Alten hatten sich, für mich gut sichtbar, auf Felsvorsprüngen etwa 200 Meter unter den Eiswänden niedergetan, und von all dem, was sich recht weit unter ihnen abspielte, nichts bemerkt. Auch ich war guter Dinge, denn der Wind fegte ziemlich heftig nach rechts das Tal hinunter. Wenn das bis zum Abend so bliebe und die Jäger gedeckt in der Schlucht nach oben kämen, würden sich gute Chancen ergeben.
Der geplante Jagderfolg
Der geplante Jagderfolg
Es könnte der Eindruck entstehen, dass in Kirgisien das Erbeuten einer starken Trophäe doch nur reiner Zufall ist. Um Zufälligkeiten möglichst zu vermeiden, sollte man alle Fakten kennen, die zu einem geplanten Jagderfolg führen. Am wenigsten liegt mir daran, irgendein phantastisches Bild von der Jagd im Land zu zeichnen, da ich während meiner zahlreichen Aufenthalte in den vergangenen acht Jahren genug Lehrgeld zahlen musste.
„Nichts zu Fuß“
„Nichts zu Fuß“
Ganz selbstverständlich für Kirgisien und die Jagd im Speziellen ist das Reiten. Ein richtiger Kirgise denkt gar nicht daran, einen Schritt zu Fuß zu gehen, wenn er erst einmal auf dem Pferd sitzt. Beim Aufstieg wird so lange nach oben gekreuzt, bis das Pferd Schwierigkeiten beim Drehen hat, oder man schon fast liegend auf dem Pferd mit ausgestrecktem Arm den Hang greifen kann. Aber keine Angst für den ungeübten Reiter!
Stabile Wild-Bestände?
Stabile Wild-Bestände?
Ich kann die Bedenken bezüglich einer Gefährdung der Steinbockbestände aus heutiger Sicht nicht teilen. Wie bereits erwähnt, ist der Weideviehbestand im Gegensatz zu den 80er Jahren erheblich zurückgegangen. Die Nahrungskonkurrenz, die besonders mit dem Aufbau der Kolchosen und der intensiven Nutzung der entferntesten Bergwiesen einher ging, gibt es nicht mehr.