Pfeilschnelle Vögel

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Welcher begeisterte Afrikajäger träumt nicht wehmütig von den herrlichen Zeiten, als man in Kenia noch nach Herzenslust waidwerken konnte. Zur Zeit herrscht aber dort Jagdverbot. Allgemein? Nein, denn auf Flugwild darf gejagt werden.

Ein Schwarm Sandgrouse streicht über uns hinweg.

Die Massai-Jungen, die älteren schon mit dem traditionellen Speer, die jüngeren mit einem Stock bewaffnet, haben sich inzwischen in den Schatten eines Dornenstrauchs verzogen und betrachten mich aufmerksam. „Jambo. Habari gani?“, habe ich ihnen die übliche Grußformel zugerufen. „Nzuri“, haben sie in Swahili, der Lingua Franca Ostafrikas, geantwortet.

Mein Blick gleitet über die mit Fett und Erde sorgfältig frisierten Köpfe der Jungen hinweg, zu grandios ist das Panorama hinter ihnen: Von fern glänzt der Kilimandscharo, Afrikas höchster Berg und der schönste dazu. „So weit wie die ganze Welt“ – hat Ernest Hemingway ihn in „Schnee auf dem Kilimandscharo“ beschrieben. Sein Fuß liegt jetzt frühmorgens noch im Nebel, das Gletschereis auf der Spitze glänzt schon in der Sonne, bald werden Wolken aufsteigen und die beiden Gipfel, den Mawenzi und den Kibo, wieder bis zum Abend verhüllen. Der fast 6.000 Meter hohe Berg scheint zum Greifen nahe und ist doch 60 Kilometer entfernt, zwischen uns liegt der Amboseli-Nationalpark.

Ich bin im kenianischen Massai-Land, ziemlich genau dort, wo Hemingway 1953 auf seiner zweiten Afrikareise jagte und schrieb. Sein Camp lag ein paar Meilen entfernt an einem Sumpf, und angeblich haben ihn die Briten damals sogar zum „Honorary Game Warden“, zum Ehren-Wildhüter ernannt – auch heute noch in Kenia einer der wenigen Titel, auf den ein Farmer oder Fremdenführer stolz ist.

Im Dezember 1976 habe ich zum letzten Mal in Kenia gejagt – auf Büffel und Antilopen. Kurz darauf wurde alle Jagd im Lande verboten. Nun aber geht es auf Flugwild, denn trotz des allgemeinen Jagdverbots in Kenia darf man seit 1984 wieder Flugwild bejagen.

Auf schnelle Sandgrouse

So warte ich hier an einer versumpften Wiese und in der Deckung einer Akazie mit einer Doppelflinte und 50 Patronen auf Sandgrouse. Viertel vor acht zeigt die Uhr: Die Zeit des Morgenflugs der Grouse, die als pfeilschnelle Flieger nicht zufällig denselben Namen tragen wie die schottischen Moorschneehühner, das Königswild der Flugwildjagd.
Und da höre ich schon ihr eigenartiges Gezwitscher und Quäken in der Ferne. Man kann die Uhr nach ihnen stellen. Zuerst sind es schwarze Punkte vor dem Kilimandscharo. Die Punkte werden größer, das Zwitschern wird lauter.
Jetzt sind sie über mir, 20, 30 Stück. Mir scheinen sie zu hoch, aber drüben, wo mein Gastgeber steht, höre ich ein leises „Paff“ – er schießt eine 410er Doppelflinte – und kurz nach dem Schuss das Grouse dumpf auf dem trockenharten Boden aufschlagen.
Einen Schwarm habe ich verpasst. Drei von links – vorbei. Zwei pfeilschnell von der anderen Seite – ich halte weit vor, so denke ich zumindest, beschieße das erste, aber das zweite, über einen Meter dahinter, fällt. Jetzt habe ich verstanden! Sie sind noch viel schneller als ich dachte. Weit vorhalten und instinktiv schießen! Meine Ergebnisse werden besser, aber viel öfter fallen die Grouse bei den Mitjägern herunter.
Eine Viertelstunde lang ist die Luft voller Vögel. Große und kleine Schwärme, Paare, nur selten eine einzelne Grouse. Winda, der Labrador, ist ständig unterwegs und apportiert. Auch die Schützen selbst sammeln das Wild auf, denn ihre braune Farbe lässt die Grouse mit dem Boden verschmelzen, und wenn man sie liegen lässt, wird man später viele nicht mehr finden.
Dann lässt der Strich nach. 25 Minuten hat er gedauert, danach kommen nur noch Tauben. Wir legen Strecke: 38 Sandgrouse haben wir erbeutet. Drei Arten sind es: Braunbauch-, Schmuck- und Gelbkehlflughühner. Auch ein paar Tauben und sogar ein Gelbkehl-Frankolin liegen auf der Strecke. Es sind Hähne und weibliche Vögel, ein sicheres Zeichen dafür, dass sie nicht mehr brüten, wie Richard, unser Jagdführer, sich ohnehin vorher versichert hat. Bald brennt ein Feuerchen, goldgelb brutzelt der Speck in der Pfanne, und zum Tee gibt es frische Grouse-Brüstchen. Welch eine Freude, hier zu jagen!

Jagd-Informationen Stand 2004

Fotos: Klaus Schendel, Jürgen Gauß

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Die Massai profitieren von den Jagdeinnahmen. Wir sind auf einer Massai-Gruppenranch, 125.000 Hektar groß und im Besitz von 300 Massai-Familien, die hier ihre Rinder, Schafe und Ziegen weiden. „Ol Donyo Wuas“ heißt sie in der Sprache der Massai – „Getupfte Hügel“. Eigentlich sind es aber Vulkanberge, die hinter der Lodge bis auf eine Höhe von 2.400 Meter ansteigen.
Richard Bonham, einer der bekannten, klassischen Guides Ostafrikas, hat die touristischen Rechte einschließlich der Flugwildjagd von den Massai gepachtet, und am Fuße des Nationalparks Chyulu Hills eine in die Natur eingepasste Lodge gebaut. Aus lokalen Materialien, Vulkangestein, Olivenholz und Stroh, errichtet, verschmilzt sie mit der Umgebung. Man muss genau hinschauen, um sie auszumachen, wenn man über die weite, goldgelbe Grassteppe darauf zufährt. Ich kenne viele Touristen-Lodges in Afrika, und diese ist sicher eine der besten.
Mindestens 100.000 Stück Flugwild gibt es auf der Ranch, das haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben. Richard bejagt sie sehr schonend. Flugwildjagd ist nur ein Nebenerwerb. Aber die Lizenzabgaben aus wohlorganisierter Flugwildjagd würden ausreichen, um zum Beispiel allen Massai-Kindern der Gemeinde den kostenlosen Schulbesuch zu ermöglichen.
Rund 45.000 US-Dollar verdienen die Massai derzeit jährlich aus den Abgaben des Fremdenverkehrs. Könnte man zusätzlich noch Jagd auf Antilopen, Büffel und Problemlöwen anbieten, so Bonham, wäre eine Verdoppelung dieser Einnahmen allein an Jagdgebühren realistisch. Auf der Ranch leben in freier Wildbahn nicht nur um die 8.000 Antilopen, deren Zahl sich in der Regenzeit fast verdoppelt, sondern auch die „Big Five“, also Elefant, Büffel, Löwe, Leopard und Nashorn.
Im vergangenen halben Jahr wurden zirka 250 Rinder, Esel, Ziegen und Schafe von Raubwild gerissen. Die Massai töten deshalb jedes Jahr über 30 Löwen, die meisten davon nicht Auge in Auge im männlichen Zweikampf mit dem Speer, sondern mit einem deutschen Pflanzenschutzmittel, das die Löwen weder riechen noch schmecken können.
Wie alle Landeigentümer konnte Richard in der Vergangenheit eine Abschusslizenz für die Fleischjagd erwerben. Aber das rechnete sich ohne Safarijagd nicht. Neuerdings ist auch das verboten.
Die an der Förderung der Flugwildjagd Interessierten sind zu einem Verband zusammengeschlossen und erarbeiteten zur Zeit eine Gesetzesvorlage. Ziel war dabei vor allem, mehr Entscheidungen vom Staat wegzunehmen und auf die Landeigentümer selbst zu verlagern. Auch die Gebühren, die den Eigentümern zufließen, sollten erheblich erhöht werden. Die jagdfeindliche kenianische Regierung hat aber alles hintertrieben.
Auf dem Rückweg vom Morgenstrich machen wir noch ein Vorstehtreiben. Zu zweit stehen wir vor, während die anderen Schützen mit mehreren Treibern ein erfolgversprechendes Stück Ödland in der Nähe eines Massaigehöftes durchtreiben. Der Labrador ist auf fleißiger Quersuche.
Ein paar Hühner stehen auf, schaffen es aber nicht bis zu uns, weil sie gleich von den Durchgehschützen erlegt werden. Mein ansonsten gut schießender Nachbar fehlt, und mir, Diana sei Dank, gelingt es, ein hoch auf mich zustreichendes Frankolin zu erlegen, während mich die ganze Korona von vorne beobachtet. Sie sind alle bessere Flintenschützen als ich, kein Wunder bei diesen Vorkommen an Flugwild.
Wenn wir nicht gerade jagen, machen wir einen Ausritt in die Ebene, wo wir kurz vorher noch Perlhühner geschossen haben. Wir fahren im Geländewagen und beobachten Spießböcke, Gerenuk und Klippspringer. Oder wir steigen auf den erloschenen Krater hinter der Lodge. Flugwildjagd in Kenia kann ein idealer Familienurlaub sein.

Auf Streife

Besonders liebe ich es, wenn wir zusammen Streife gehen. In einer langen Kette, zwischen jedem Schützen ein Treiber, gehen wir durch erfolgversprechende Steppengebiete und Dornenhecken. Blitzschnell purren die kleinen Wachteln davon, sie fliegen tief, und die ansonsten geltende Sicherheitsregel, immer nur in den Himmel zu schießen, kann bei ihnen nicht immer befolgt werden. Es sind Zugvögel, man weiß daher vor Antritt der Jagd nie, ob sie gerade da sind. Sie haben, wie das meiste Federwild hier, keine festen, sondern witterungsabhängige Brutzeiten.
Mit etwas Glück stehen auch die schwerfälligen Perlhühner auf, die ansonsten so gerne ihr Heil als Infanteristen suchen. Man muss sie schon gut treffen, denn ihr hartes Schwingengefieder kann verhindern, dass die Schrote ins Leben gehen.
Manche Taube fällt ebenfalls nach einem dahingeworfenen Schuss. Besonders freut man sich über ein Gelbkehlfrankolin, denn sie sind wildbretreich und ein ganz besonderer Leckerbissen. Bis Mittag hat man es dann leicht pro Schütze auf eine Strecke von 30, 40 oder gar mehr Stück gebracht, je nach Trefferleistung.
Bei der Streife weiß man nie, was im hohen Gras und in den Dornendickichten vor einem aufsteht. Manchmal ist es sogar – mein Berufsjäger Richard weiß ein Lied davon zu singen – ein alter griesgrämiger Büffel.

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