Die Hundertpfünder unserer Tage

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Fast wie in der guten, alten Zeit: Im Krüger-Nationalpark wuchsen einige Hundertpfünder heran, die an die Zeit der Jahrhundertwende erinnern.

Von Dr. Anthony Hall-Martin

Elefant
Die Schulterhöhe von „Ndlulamithi“ wurde auf 3,45 Meter geschätzt.
Im Nordosten Südafrikas liegt der weltbekannte, 18.170 Quadratkilometer große Krüger-Nationalpark, der nicht nur eine fast lückenlose Palette der südafrikanischen Wildarten beherbergt, sondern sich auch durch ein erfolgreiches Elefantenmanagement auf wissenschaftlicher Grundlage auszeichnet.
Das Ergebnis dieses erfolgreichen Managements ist eine angepaßte Elefantenpopulation, die auch bei längerer Dürre weder gefährdet ist, noch irreparablen Schäden an der Vegetation anrichtet. Im Laufe der Jahre wuchsen einige überaus kapitale Elefantenbullen heran, deren Trophäen an die sagenhaften „Tusker“ der „guten alten Tage“ zu Beginn dieses Jahrhunderts erinnern. In den 80er Jahren schätzten die Wildhüter etwa 40 Bullen auf dem Gebiet des Parkes, die über 45 Kilogramm Elfenbein pro Zahn mit sich herumtrugen und damit die Bedingungen der berühmten „Hundertpfünder“ erfüllten. Sieben dieser Bullen waren besonders berühmt geworden, auch über die Grenzen des Parkes hinaus. Sie wurden deshalb die „Magnificent Seven“ genannt.
Mit Loch im Kopf
Der bekannteste dieser Sieben war „Mafunyane“, dessen Stoßzähne außerordentlich waren: Sie wogen je 122 Pfund (55 Kilo) und erreichten eine Länge von 2,51 Meter. Der Umfang an der Basis betrug 48 Zentimeter. „Mafunyane“ war ein äußerst heimlicher und reizbarer Bulle, der sich möglichst weit von Menschen fernhielt. Aus diesem Grunde wurde er auch recht selten beobachtet. Der Name „Mafunyane“ heißt in der Tat „Der Reizbare“, und er erhielt seinen Namen von einem Wildhüter im Krüger-Park. Dieser Bulle ging 1983 ein, als er etwa 57 Jahre alt war. Er wurde rund 50 Kilometer nordwestlich von Shingwedzi gefunden.
Ein besonderes Charakteristikum dieses Bullen waren seine Stoßzähne, die auf dem Boden ruhten, wenn er stand. Bewegte er sich, so mußte er sein Haupt heben, um mit den Zähnen nicht die Erde zu berühren. Er war mit einer Schulterhöhe von 3,27 Metern kein besonders großer Elefant. Auf den Fotos kann man sehr gut ein Loch in der Mitte seines Hauptes erkennen. Es drang bis zur Nasenhöhle vor, und man hat viel über seine Entstehung spekuliert.
Viele Erklärungen wurden angeboten: von Vorderlader- bis Speerverletzungen durch eine der berühmt-berüchtigten Speerfallen der Eingeborenen. Das ist ein bis zu vier Zentner wiegender, durch einen Stamm beschwerter riesiger Eisenspeer, der über Elefantenwechseln aufgehängt und durch die Tiere selber ausgelöst wird. Trifft dieses mörderische Gerät Nacken oder die Wirbelsäule weiter hinten, führt das bei Elefanten zu tödlichen Verletzungen. Die Auslöseseile werden so hoch angebracht, daß anderes Wild ungestört durchwechseln kann.
Wahrscheinlicher allerdings ist, daß dieses Loch vom Zahn eines anderen Elefanten stammt, der seinen Kopf durchbohrte, als er noch relativ jung war.
Der zweite im Bunde ist „Shingwedzi“, der zuerst unter dem Namen „The Great Tusker“ bekannt wurde. Er lebte in der Nähe des Shingwedzi-Camps im Norden des Parkes und ging 1980 eines natürlichen Todes ein. „Shingwedzis“ Hauptstoßzahn erreichte eine Länge von 2,64 Meter und ein Gewicht von knapp 129 Pfund (58 Kilo), der zweite maß 2,07 Meter und wog 104 Pfund (47 Kilo).
Im Südosten des Parkes, in der Nähe des Lower Sabie-Restcamps, und zwar nördlich und südlich des Sabie-Flusses, hielt sich der dritte, „Kambaku“, auf. Seine Stoßzähne waren ebenfalls etwas besonderes: Der linke war 2,59 Meter lang, mit einem Umfang von 51 Zentimetern an der Stelle, wo er aus dem Schädel trat, und wog 140 Pfund (63 Kilo). Der rechte Zahn maß sogar 2,65 Meter, erreichte an derselben Stelle einen Umfang von 52 Zentimetern und wog 142 Pfund (64 Kilo).
„Kambaku“ verließ den Nationalpark, wurde außerhalb von Wilderern oder Farmern an der linken Schulter angeschweißt und konnte sich nur mit Mühe fortbewegen. Danach wechselte er in den Park zurück. Als uns klar wurde, daß diese Wunde nie heilen würde und das Tier keine Chance hatte zu überleben, beendete Wildhüter van Royen seine Leiden.
Doppelter Bruch
 
„Joao“ war der jüngste der „Magnificent Seven“-Tusker. Er ist auch der einzige, dessen Zähne sich nicht in der Sammlung im Elefantenmuseum des Südafrikanischen Nationalparkes in Letaba befinden. Der Grund: 1985 brach sich „Joao“ beide Zähne ganz oben am Ansatz ab. Wir waren uns nicht ganz sicher, wie so etwas hatte geschehen können. Unsere einzige Erklärung war, daß „Joao“ mit einem anderen starken Bullen gekämpft hatte, und während dieser Auseinandersetzung brachen die Zähne.
Allerdings hatten wir ihn mehrere Male in seinem Leben zu verschiedenen Anlässen (mit dem Narkosegewehr) immobilisiert. Bei einer solchen Gelegenheit hatten wir ihn für ökologische Studien mit einem Halsbandsender versehen, um etwas mehr über seine Wanderungen zu erfahren. Aus den Messungen seiner Zähne und den Schätzungen der in seinem Kiefer verbliebenen Reste errechneten wir eine potentielle Länge von 2,66 bis 2,80 Meter für den linken Stoßzahn. Der Umfang dieses Zahnes erreichte an der Stelle seines Austrittes 55 Zentimeter, und ich errechnete daraus ein Schätzgewicht von 133 Pfund (60 Kilo). Seinen rechten Zahn schätzten wir auf 122 Pfund (55 Kilo). „Joao“ wurde ebenfalls häufig im nördlichen Teil des Parkes in der Nähe des Shingwedzi-Campes gesehen.
„Dzombo“ ist einer der großen Bullen der „Magnificent Seven“, der in der Mopane-Zone des nördlichen Krüger-Parkes lebte. Er wurde 1983 bedauerlicherweise von Wilderern aus Mosambik mit Maschinenpistolen zusammengeschossen. Die Bande, die ihn gewildert hatte, wurde von einer Ranger-Patrouille des Parkes überrascht, bevor sie die Zähne des Elefanten hatten bergen können. Sie hatten sich bereits daran gemacht, den linken Zahn herauszuschlagen.
Die Ranger selber hingegen ahnten nichts von dem gewilderten Elefanten oder gar von den Wilderern selber, bis sie durch Geier aufmerksam gemacht wurden. Sie begaben sich zu Fuß auf den Weg und fanden schließlich den Kadaver unweit einer Wasserstelle in der Nähe der Grenze zu Mosambik. Gemeinsam bargen wir später die Zähne. Der linke Zahn wog 124 Pfund (56 Kilo), der rechte gut 126 Pfund (57 Kilo). Der linke Zahn erreichte eine Länge von 2,65 Meter, während der rechte nur 2,37 Meter lang war. „Dzombos“ Zähne waren wohlgeformt und nur leicht gebogen beziehungsweise gekrümmt, was eigentlich für das Elfenbein südostafrikanischer Bullen typisch ist: Die Enden der Zähne waren nach innen gerichtet, aber zur Spitze hin deutlich aufwärts gebogen.
„Ndlulamithi“ war mit einer geschätzten Schulterhöhe von 3,45 Meter einer der körperlich größten der Sieben. Dieser Größe hatte er auch seinen Namen zu verdanken, der in der ethnischen Gruppe der Nguni, zu der Zulus, Swasi und Shagaanen gehören, nichts anderes als „Größer als die Bäume“ bedeutet. „Ndlulamithi“ war um die 50 Jahre alt, als er einging. Sein Kadaver wurde anläßlich der jährlichen Wildzählung vom Flugzeug aus entdeckt und seine Zähne später vom Wildhüter Paul Zway geborgen.
Er hielt sich vorwiegend im Nordwesten des Parkes auf, galt als sehr scheu und wurde nur äußerst selten bestätigt. Sein linker Zahn war 2,87 Meter lang und wog 144 Pfund (65 Kilo), der rechte war mit 2,73 Metern ein wenig kürzer und brachte ein Gewicht von nur (!) 126,5 Pfund (57 Kilo) auf die Waage.
Der linke Zahn des Bullen „Shawu“ maß sage und schreibe 3,17 Meter und ist damit der längste Stoßzahn, der je in Südafrika geborgen wurde. Wie auch auf dem Foto zu sehen ist, dreht er aus dem Gesicht des Elefanten heraus, um dann in weitem Bogen wieder nach innen zu verlaufen, wo er die Gesichtsmitte unterhalb der Spitze des rechten Stoßzahnes kreuzt.
Dieser Zahn gehört zu den sechs längsten, die je in Afrika gefunden worden sind! Der rechte Zahn ist nur wenig kürzer und erreicht immerhin 3,05 Meter. Seine Biegung ist ähnlich beeindruckend und fast ein Spiegelbild seines Gegenübers. Obwohl sehr lang, waren die Zähne „Shawus“ relativ schlank und nicht sehr schwer. Der längere der beiden wog fast 118 Pfund (53 Kilo) und der kürzere 113 Pfund (51 Kilo).
Diese Zähne sind ein ganzes Stück dünner als die der anderen großen Bullen, denn sie erreichen an der Stelle, an der sie aus dem Schädel traten, nur einen Umfang von 45 Zentimetern. Es ist interessant zu registrieren, daß die Stoßzähne eines Afrikanischen Elefantenbullen fünf Meter Länge erreichen könnten, wenn sie sich nicht abnutzen oder brechen würden.
Neben den „Magnificent Seven“ gab es im Krüger-Nationalpark natürlich auch andere Bullen, die ähnlich eindrucksvoll und zum Teil sogar schwerer waren. Diese Exemplare jedoch konnten nicht in die Forschungsprogramme integriert werden, die darüber hinaus dem Krüger-Park den so ausgezeichneten Ruf als eine der wenigen Regionen Afrikas gaben, wo man wirklich starke „Tusker“ zu Gesicht bekam.
Einer dieser kapitalen Bullen, die nicht zu den berühmten „Seven“ gehörten, wurde „Phelwana“ genannt. Er fand ein ähnliches Ende wie „Kambaku“: Er wechselte häufig aus dem Park heraus und war somit nicht mehr unter der Kontrolle der Parkbehörde. Außerhalb des Parkes allerdings hatten sich die Berufsjäger geeinigt, diesen Bullen nicht zu erlegen. Trotzdem ging 1987 die Kunde um, dieser Bulle sei zur Strecke gekommen. Dann aber wurde die Sache aufgeklärt: Nicht „Phelwana“, sondern sein Begleitbulle sei erlegt worden.
Im Januar 1988 wurde der Bulle wieder im Park gesichtet. Knapp vier Wochen später gab es wieder eine Begegnung mit einem Wildhüter. Dieser erkannte, daß der Elefant sehr krank war. Er war stark abgemagert und fast bewegungsunfähig. Schnell wurde ein Hubschrauber mit einem Tierarzt losgeschickt, um den Fall näher zu untersuchen. An der rechten Seite des Halses wurde eine große Wunde gefunden, die sehr stark eiterte. Der Tierarzt betäubte den Elefanten und fand heraus, daß es sich um eine Schußverletzung handelte. Das schwere Geschoß war hinter dem Ohr eingetreten und steckte im Oberkiefer.
Der Elefant war mit dieser Verletzung nicht mehr in der Lage gewesen, Nahrung aufzunehmen. Aufgrund dieser Diagnose wurde der Bulle eingeschläfert. Beachtenswert waren seine Zähne: Sie wogen fast 158 und 142 Pfund (71 und 63,8 Kilo) und waren 2,77 und 2,57 Meter lang. Die Basisumfänge betrugen 56 beziehungsweise 54 Zentimeter.
Die schwersten Zähne, die im Krüger-Park gefunden wurden, stammen von einem Bullen, der als „Mandleve“ bekannt geworden war und sich in der Nähe von Skukuza aufhielt. Er ging im Jahre 1993 ein. Seine Zähne wogen 163 Pfund (73,5 kg) und 153 Pfund (69 kg).
Sie sind damit mit Sicherheit auch die schwersten Zähne, die in den vergangenen Jahren aus Gesamtafrika kamen, und ebenfalls im Elefantenmuseum des Krüger-Nationalparkes in Letaba zu bewundern.
Der Autor Dr. Anthony Hall-Martin ist Direktor des Conservation Development inSüdafrika. Aus dem Englischen übertragen und bearbeitet von Dr. Karl-Heinz Betz
Hansgeorg Arndt

Hansgeorg Arndt

Elefant
„Kambaku“ wurde außerhalb des Parkes krankgeschossen und mußte getötet werden. SeineZähne wogen 254 Pfund, der längere Zahn erreichte 2,65 Meter.
Hansgeorg Arndt


Bilder:

Shawus Zähne hatten Rekordlängen: der linke 3,17 Meter, der rechte 3,05 Meter. Er war zwar ein echter Hundertpfünder, doch fehlte es seinen sehr langen Zähnen an Dicke.

Hansgeorg Arndt

Foto: Dr. Anthony Hall-Martin

Hansgeorg Arndt

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