ROMINTEN – Einst und jetzt

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Rominten ist für viele Kenner der Geschichte ein jagdliches Zauberwort. Das einstige kaiserliche Jagdrevier, dann von Göring bejagte Staatsjagdrevier im ehemaligen Ostpreußen, übt noch heute einen Reiz auf viele Jäger aus, obwohl es längst bessere Jagdreviere mit mehr und stärkeren Hirschen gibt

Von Hans-Joachim Steinbach

Als „Rominter Heide“ wurde zu deutscher Zeit jener Rest undurchdringlicher Wälder der einstigen „Großen Wildnis“ an der äußersten Ostgrenze zwischen Ostpreußen, Litauen und Polen bezeichnet.
Der Urwald war im Mittelalter eine natürliche Barriere gegen räuberische Überfälle der heidnischen und slavischen Nachbarn und blieb so über die Jahrhunderte erhalten.
Schon die Ritter des Deutschen Ordens, Herzog Albrecht, die Brandenburger Kurfürsten und die ersten preußischen Könige nutzten die Wildbahn und jagten hier den Rominter Hirsch. Um die letzte Jahrhundertwende war das Gebiet etwa 100 000 Morgen (25 000 Hektar) groß. Seinen Namen hatte dieser Wald von dem Flüsschen „Rominte“, das mäanderartig die Wildnis durchfließt.
Die Rominter Heide hat nichts mit Heide, wie wir sie beispielsweise als „Lüneburger Heide“ kennen, zu tun.
Nein, es war ein naturbelassener Wald mit uralten Eichen, Fichten und prächtigen Starkkiefern, verschwiegenen Wiesen an der Rominte; vernässte Brüche, dunkle Waldseen, unwegsame Moore und unzugängliche wilde Jagen gehörten ebenso zu den Waldbildern wie natürliche Verjüngungen und Weichhölzer. Und in diesem Waldgebiet drehte sich alles um den Rominter Rothirsch.

Verdienstvolle Förster

Dabei zählte man nach der Revolution von 1848 in der gesamten Rominter Heide nur noch 13 Stück Rotwild: zwei Alttiere, ein Schmaltier, zwei Kälber und acht Hirsche. Es war der große Verdienst des preußischen Oberförsters Carl Friedrich Wilhelm Reiff, dass das Rotwild nicht gänzlich ausstarb. So erbettelte er sich hartnäckig vom König in Berlin die Übersendung von lebendem Rotwild aus dem Potsdamer Wildpark. 1867 wurde der hervorragende Forstmann von Wilderern erschossen, der Rotwildbestand war aber wieder gesichert.

Im Jahre 1891 pirschte zum erstenmal Kaiser Wilhelm II. in der Rominter Heide und machte sie zu seinem Leibrevier. Zu diesem Zweck wurde die Rominter Heide (insgesamt zirka 24 000 Hektar) eingegattert. Die umliegenden Gemeindejagden wurden als sogenannte Schutzjagden angepachtet (zirka 10 000 Hektar).
Das Werk von Oberförster Reiff hatte inzwischen der königlich preußische Forstmeister Freiherr Speck von Sternburg fortgeführt. Er meliorierte die Waldwiesen und säte schmackhafte Gräser; in jeder Försterei wurden drei bis vier Fütterungen angelegt.
Kartoffeln, Rüben und Möhren wurden angebaut und eingekellert, in den königlichen Parks und Gärten Eicheln und Kastanien gesammelt.
Auswüchse wie die ganzjährige Fütterung oder die Fütterung mit Sesamkuchen zu Görings Zeiten, um starke Geweihe zu „züchten“, gab es unter Speck von Sternburg nicht. Er war immer um einen standortgemäßen Rotwildbestand besorgt (etwa vier bis fünf Stück Rotwild pro 100 Hektar).
Der Kaiser erlegte von seinen insgesamt in seinem Leben gestreckten 2133 Hirschen 321 Rothirsche in der Rominter Heide. Viele, heute noch vorhandene Gedenksteine, erinnern daran.
Er erbaute an den Ufern der Rominte ein Jagdschloss, das sogenannte „Jagdhaus Rominten“, das im nordischen Blockhausstil in Norwegen gefertigt wurde. Mit der Hubertuskapelle und dem von Prof. Friese geschaffenen Hirschmonument sowie den nach und nach im gleichen Stil erbauten Förstereien, Schulgebäuden und anderen Häusern wurde dieser Ort zu einem beliebten Ausflugsziel in Ostpreußen.
Als Hermann Göring Preußischer Ministerpräsident wurde, behielt er sich sofort Rominten als persönliches Jagdrevier vor. Die Forstleute, die ihn führten, waren entsetzt, wie nahezu hemmungslos er auf kapitale Trophäen aus war und in jeder Brunft mehr starke Hirsche schoss, als es eine nachhaltige Bewirtschaftung hergab.
Göring ließ sich 1936 unweit von Jagdhaus Rominten ein eigenes Jagdhaus errichten, den sogenannten „Reichsjägerhof“. Hochkapitale und kapitale Hirsche behielt er sich meist selbst vor. Für höchste Spitzen aus Politik, Wehrmacht, Luftwaffe und Industrie gab er sogenannte Gästehirsche frei.
Die Rominter Heide wurde Staatsjagdrevier und Walter Frevert als Oberforstmeister zum Leiter des Reviers bestellt. Für den öffentlichen Besucherverkehr wurden große Teile der Heide gesperrt.
Göring war besessen von dem Gedanken, hier den stärksten Hirsch der Welt zu erlegen. Im Jahre 1942 gelang ihm das mit der Erlegung des „Matador“. Der Hirsch war viel zu jung geschossen, wie die meisten Göring-Hirsche. Die Forstleute konnten ihn aber schlecht davon abhalten. Seine maßlose Trophäengier und seine zügellose Eitelkeit hielten Göring vor nichts zurück.
Beim Einmarsch der Sowjetarmee im Oktober 1944 nach Ostpreußen wurde der Reichsjägerhof befehlsgemäß in Brand gesteckt. Als Zeugnisse der Geschichte blieben nur Mauerreste der Fundamente, die längst von Wald überwuchert und überwachsen sind. Über Jagdhaus Rominten, das heute in dem zu Russland gehörigen Teil in einem nur mit Sondergenehmigung schwer zugängigen Grenzgebiet liegt, herrscht nur noch das Schweigen des Waldes.

Wildbahn der Sehnsucht
Die heutige Rominter Wildnis umfaßt 37 000 Hektar Wald, wobei zwei Drittel als „Krasniej Les“ (Roter Wald) zu Russland gehören und nur ein Drittel als „Puszcza Romincka“ (Wildnis Rominten) zu Polen gehört.
In die Rominter Jagdgründe des Forstamtes Szittkehmen zieht es seit Anfang der 70er Jahre bis heute zahlreiche deutsche Jäger, die einem Mythos nachjagen, denn längst gibt es wesentlich reichere Jagdgründe und auch anderswo starke und stärkere Hirsche.
Die Jagd auf den Brunfthirsch ist bei dem norddeutschen Reisevermittler, der auf das Gebiet eine Option hat, über Jahre im Voraus ausgebucht. Der Wildbestand der südlichen Rominter Heide (polnischer Teil) beträgt heute nach Angabe des dortigen Oberjägers Krajewski: 30 Elche, 220 Stück Rotwild, 180 Rehe, 120 Wildschweine, zwölf bis 15 Wölfe, sechs oder sieben Luchse, 30 Dachse, 70 Marder, 55 Füchse, 360 Hasen, 15 Birkhühner, 150 Marderhunde, 350 Haselhühner und 250 Biber.
Der Schweizer Rominten-Autor Dr. Andreas Gautschi beklagt aber den in letzter Zeit besonders stark gewordenen Jagddruck in der Hirschbrunft und fordert eine Schonung mittelalter Hirsche, damit alte und starke Rominter Hirsche wieder heranwachsen können.
Während der Brunft ’98 verließen vier deutsche Jäger unter Protest das Revier, weil sie tagelang keinen Anblick hatten und damit keine Chance, die gewünschten alten und reifen Hirsche, oder wenigstens einen Abschusshirsch zu strecken.

Terra incognita
Der im russischen Kaliningradskaja Oblast (Königsberger Gebiet) gelegene Teil der Heide war über 40 Jahre für Ausländer verbotene Zone, ein militärisch gesichertes, absolut unzugängliches Gebiet.
Erst 1991 öffneten die Russen ihre „Terra incognita“, und erstmals kamen ausländische Besucher nach Kaliningrad (Königsberg), Sowjetsk (Tilsit), Pollesk (Labiau) oder Tschernjachowsk (Insterburg), auf die Kurische Nehrung, in den Elchwald oder in den nördlichen Teil der Rominter Heide.
Viele Deutsche wollten ihre alte Heimat wiedersehen, aus der sie nach 1945 vertrieben worden waren.
Sie kamen in ein völlig verwahrlostes, heruntergewirtschaftetes, ödes, ärmliches, nicht wiederzuerkennendes Land. Viele Spuren der 700jährigen deutschen Geschichte sind für immer verschwunden.
Einige wenige deutsche Jäger jagten auch in den nordostpreußischen Wäldern, einschließlich Rominten. Einigen Glücklichen war es vergönnt, einen Kapital- oder Abschusshirsch zu erlegen. So fielen von 1992 bis ’95 ein paar gute Hirsche im Elchwald und auch in Rominten. Darunter waren wirklich starke und auch alte Hirsche.
Einen der stärksten Nachkriegshirsche in Rominten erlegte der Revierförster Dieter-Klaus Bielicki, die Trophäe wurde ihm vorenthalten und später gegen Bares an einen Amerikaner verkauft.
 
Der Ostpreußen-Autor Hartmut M.F. Syskowski beschreibt in seinem Buch „Im Zeichen der Becherkrone“ (Verlag Neumann-Neudamm) eindrucksvoll die jagdliche Situation im nördlichen Ostpreußen.
Doch auch das ist alles nur noch Geschichte. Die Lehmreviere und die Elchniederung sind leergeschossen. Wilderer trugen tatkräftig dazu bei.
Zwei Jahre ruhte die offizielle Jagd, weil das Gebiet zum Naturreservat erklärt wurde. Seit diesem Jahr bietet ein deutscher Jagdvermittler Jagden im Elchwald und Nord-Rominten an. Es bleibt abzuwarten, ob sich der Jagderfolg einstellt. Kenner bezweifeln das stark.
So bleibt weiterhin der „Run“ auf die Oberförsterei Goldap.
Hansgeorg Arndt

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