Jenseits der Adria – Jagen im ehemaligen Jugoslawien

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Zusammen mit Ungarn zählte das frühere Jugoslawien lange Zeit zu den besten
Jagdgebieten Europas. Damit war aber eigentlich in erster Linie die jugoslawische Provinz Wojwodina gemeint. Trotz ihrer hervorragenden Jagdmöglichkeiten wurden dagegen die jugoslawischen Reviere südlich von Save und Donau vom Gastjäger kaum berücksichtigt

Von JWW-Team

Gute Keiler
Gute Keiler können in fast allen revieren gestreckt werden.
Als ich vor ein paar Jahren mit einem deutschen Freund und Jäger eine „Klostertour“ durch Südserbien machte, waren wir nach einer Woche Sightseeing total erschöpft.
Wir saßen an einem sonnigen Septembernachmittag in einem gemütlichen Café in Pec und blickten hinauf zu den Bergspitzen des Prokletije-Gebirges. „Könnten wir vielleicht hier in der Nähe auch ein bißchen jagen?“, fragte mich Ralf.
Hier sind alle Männer Jäger oder Wilderer, und unser Tischnachbar mischte sich sofort ins Gespräch ein: „Jagen schon, aber auf was? Hier oben“, er zeigte auf die Berghänge, „gibt es Bären, Wölfe und Sauen, da- drüber Gams, Steinhühner und Auerhähne, im Tal Enten, Fasanen, Hasen, Rebhühner und Tauben.“
In der Tat war es schwieriger, sich für eine bestimmte Jagdart zu entscheiden als zu jagen. Für den Jäger ein schönes Gefühl: Man brauchte nur aufzustehen, die Richtung zu wählen, und schon eine Stunde später befand man sich in einem richtigen Jagdparadies.
Gerade das ist es, was das Herz Jugoslawiens von der flachen und auf die Dauer ein wenig langweiligen Wojwodina unterscheidet: Eine abwechslungsreiche Landschaft bietet eben auch eine enorme Wildvielfalt [Jagdzeiten in Yugoslawien].
Mit Flinte und Büchse kann der Jäger hier allen jagdlichen Möglichkeiten gerecht werden.
Fast wie in den Karpaten
Die Jagd hat in Jugoslawien wie alle anderen Bereiche unter den Ereignissen der vergangenen Jahre gelitten. Kriegerische Auseinandersetzungen hat es in Jugoslawien glücklicherweise nie gegeben.
So konnten auch während des Krieges Gastjäger aus dem Westen (ohne eigene Waffen) im kleinen Rahmen dort jagen. Merkwürdigerweise haben gerade die Auseinandersetzungen, die allen ehemaligen jugoslawischen Republiken soviel Leid gebracht haben, auch initiatorisch wirken können.
Nach Beendigung des über Jugoslawien verhängten Embargos vor zwei Jahren hat man mit größter Anstrengung nicht nur jagdlich einen Neuanfang versucht. Dazu hat auch das Interesse von Seiten der Auslandsjäger beigetragen.
Es war vor allem die Nähe von Ungarn, die die Jäger auch nach Jugoslawien drängen ließ; man wollte ähnliche Jagden in vielleicht noch nicht so bekannten Revieren erleben. Dabei wird aber bis heute übersehen, dass Jugoslawien vor allem an Rumänien und Bulgarien angrenzt, mit denen es viel mehr landschaftliche Ähnlichkeiten hat als mit Ungarn.
Hier treffen sich die Ausläufer der Karpaten mit dem Balkanbogen und bilden reizvolle Mittelgebirgslandschaften.
Als grenznahes Gebiet, das während der langen Jahre des Sozialismus weder wirtschaftlich noch durch den Verkehr besonders erschlossen wurde, hat sich hier eine nahezu intakte Natur erhalten.
Selbst die hier lebenden Bauern ordnen sich heute noch den Gesetzen der Natur unter. Jugoslawien kann daher südlich von Save und Donau ausgezeichnete Jagdmöglichkeiten bieten, die in vielem an das Jagen in den Karpaten erinnern, wenn die Landschaft auch nicht ganz so rauh ist.
Die Wildartenvielfalt ist beachtlich, die Trophäenqualität aller Schalenwildarten gut.
Noch weniger als Serbien ist die Adriarepublik Montenegro bekannt. Die neue dortige Forstverwaltung „Montenegro-Wald“ ist gleichzeitig mit der serbischen im Jahre 1991 gegründet worden und hat sich nach den Worten des Vorsitzenden ihres Verwaltungsrats, Branko Radovic, zum Ziel gesetzt, auch den Jagdtourismus in den nächsten Jahren zu fördern.
Zwar gibt es südlich von Save und Donau je nach Gegend in den Flußtälern auch Flachlandreviere, doch in der Regel sind es Mittelgebirgs- bis Hochgebirgsreviere von karpatischem Charakter, mit herrlichen Mischwäldern, saftigen Wiesen und ausgedehnten Kahlschlägen.
Die Reviere sind relativ gut erschlossen, auch zünftige Jagdhäuser sind vorhanden, und die Verpflegung ist traditionell üppig. Die Revierförster haben eine jagdliche Ausbildung, und wenn sie zugleich passionierte Jäger sind, dann ist auch der Jagdbetrieb auf einem hohen Niveau.
In den meisten Revieren gibt es Hochsitze und Kanzeln, trotzdem sind diese Jagden für sportliche Jäger mit guter Kondition besser geeignet.
Im Unterschied zu der Wojwodina, wo die Flachlandreviere einfach zu bejagen sind und die Jagdführer schon viel Erfahrung mit ausländischen Gästen haben, stellen die meisten Reviere im Herzen Serbiens viel höhere Anforderungen an den Jagdgast.
Hirsch, Bock oder Gams leben hier zusammen mit Wolf, Luchs und Bär. Sie sind daher viel vorsichtiger und daher auch nicht einfach zu bejagen.
Der Jäger ist viel zu Fuß, mit dem Jeep oder auf dem Pferd unterwegs, und er wird ein paar Tage hart jagen müssen, um Strecke zu machen. Aus diesem Grund rate ich älteren Jägern davon ab, sich auf ein solches Abenteuer einzulassen. Serbien ist eine hohe jagdliche Herausforderung und wird wahrscheinlich nie so viel Gastjäger haben wie die bequeme Wojwodina.
Dafür wird es ein Land des entbehrungsreichen Waidwerks bleiben, hart, aber herzlich. So wie die Menschen, die dort leben und jagen.
Goldtrophäen als Hegeerfolge
Wer schon im vergangenen Herbst in Jugoslawien zur Jagd weilte, konnte vom 13. bis 17. November in Novi Sad eine große Trophäenausstellung besichtigen, die aus Anlass des 100jährigen Jubiläums des Serbischen Jagdverbandes stattfand.
Sie wurde unter der Schirmherrschaft des Internationalen Jagdrates zur Erhaltung des Wildes (CIC) organisiert, und alle ausgestellten Trophäen wurden von einer CIC-Kommission aus Italien, der Tschechischen Republik und Ungarn bewertet.
Das war eine gute Gelegenheit, sich genau anzuschauen, was Jugoslawien einem Auslandsjäger an Spitzentrophäen heute noch bieten kann.
Insgesamt wurden 592 Jagdtrophäen bewertet, davon 89 Rothirsche, 293 Böcke, 47 Keiler, 27 Muffel, 19 Damhirsche und 25 Gams, die in den vergangenen Jahren in Serbien erlegt worden waren.
Besonders interessant waren die Jagdtrophäen (über 200) aus den Revieren südlich von Save und Donau, die man durch die traditionelle Vorherrschaft der Wojwodina auf solchen Ausstellungen selten in dieser Zahl findet.
Die meisten dieser Trophäen sammelte unter den einheimischen Jägern der bekannte jugoslawische Wildbiologe und Jagdchef des Nationalparks „Djerdap“ an der Donau, Mihajlo Hadzi-Pavlovic.
So kamen die fünf besten Keiler, die drei stärksten Damhirsche, alle Gamsböcke sowie die Rothirsche auf Platz drei und vier aus den Jagdrevieren südlich von Save und Donau.
Der Serbische Jagdverband vereinigt heute etwa 250 Jagdgesellschaften in sich mit über 100 000 Mitgliedern. Über die Jagdgesellschaften verwaltet er eine Fläche von acht Millionen Hektar (gegenüber von „nur“ 750 000 Hektar und 65 Revieren der Forstverwaltungen).
Um eine unnötige und schädliche Konkurrenz im Jagdtourismus zu Hause zu vermeiden, wird man versuchen, im Jagdgeschäft mit den Förstern zusammenzuarbeiten.
Denn auch für die Zukunft sind die Ziele von Jägern und Förstern die gleichen: Es geht um eine Stabilisierung und Vergrößerung der Wildbestände.
Punkte und Böcke
In Jugoslawien werden die Abschussgebühren nach CIC-Punkten berechnet und nicht nach Gewicht und Länge. Für diese abweichende Berechnungsweise gibt es einen guten Grund. Die Geweihe der jugoslawischen Hirsche und die Gehörne der Böcke sind sehr porös.
Deshalb sehen sie zwar wuchtig und stark aus, liegen aber in der Wirklichkeit immer weit unter dem geschätzten Geweihgewicht.
In Jugoslawien ist man deshalb gezwungen, die Abschussgebühren nach CIC-Punkten zu berechnen. Würde man reife Trophäen nach Gewicht oder Länge vermarkten, so müssten deutlich höhere Preise als in den umliegenden Ländern Ungarn, Rumänien oder Bulgarien genommen werden.
Das würde bald das Ende teurer Wildhege bedeuten, denn eine Preiserhöhung würde die Konkurrenzfähigkeit des Landes stark gefährden.
Vom Nachteil für den Gast ist aber auch die Unübersichtlichkeit der Preisgestaltung der jugoslawischen Jagdanbieter. Wenn ich in den USA auf Weißwedelhirsch jagen will, zahle ich einen einzigen Preis von beispielsweise 2 100 US-Dollar, dazu noch vielleicht die Lizenz, und das war es.
Vier Tage lang habe ich dafür eine komfortable Unterkunft, üppige Verpflegung, fahre jeden Tag über 200 Kilometer mit modernen Geländewagen, werde ohne Aufpreis vom Flughafen abgeholt, und mir wird sogar ein Schuß auf einen reifen Hirsch garantiert.
Nicht aber so in Jugoslawien: Trotz oft rührender Gastfreundschaft des Jagdpersonals fühlt man sich heute als Jagdgast dort wie fast überall in Osteuropa richtig abgezockt.
Nur um ein Hochwildrevier zu betreten, zahlt man für Versicherung einmalig 100 Mark, für die Jagdorganisation täglich 20 Mark und für den Treiber/Wildträger pro Tag 50 Mark.
Für den Aufenthalt (Unterkunft und Halbpension) sind dann jeden Tag 60 bis 130 Mark fällig. Für die Jagdgenehmigung müssen außerdem 25 Mark, für den Dolmetscher 90 Mark pro Tag entrichtet werden, der Pirschführer erhält 90 Mark für jeden Jagdtag, für den ausgeliehenen Vorstehhund zahlt man 20 Mark pro Jagdtag und 20 Mark für seinen Einsatz.
Die Beförderung mit dem Pferdewagen kostet 25 Mark pro Stunde, beim Auto werden zwei Mark pro Kilometer verrechnet, beim Geländewagen sogar vier Mark pro Kilometer.
Dazu kommen die Kosten für alkoholische Getränke, Telefon und was es sonst noch so gibt. Wer kann hier überhaupt durchblicken und wissen, was für eine Endabrechung man ihm vor der Abreise präsentieren wird?
Heute müssen sich jugoslawische Jagdanbieter Gedanken über ihre Jagdgäste machen, wenn diese wiederkommen und ihnen weitere Interessenten empfehlen sollen.
Der Gast möchte eine klare und faire Abrechnung, kein Abzocken, keine „Geldstrafe“ für jede jagdliche Handlung.
Unbestreitbar ist nach dem politischen Zusammenbruch von Osteuropa und der Auflösung der Sowjetunion ein großer Konkurrenzkampf entstanden. Im Westen ist das Geld knapper, die Auswahl an Jagdmöglichkeiten jedoch ist vielfältiger und attraktiver geworden.
Jedem Auslandsjäger stehen heute mehr Jagdangebote aus allen Kontinenten und aller Herren Länder zur Verfügung, als er jemals in einem Jägerleben wird wahrnehmen können. Wenn man nicht mit fairen Angeboten um den Jagdgast wirbt, wenn man sich nicht intensiv um ihn kümmert, kommt der Jäger nicht, und der Heger bleibt auf seinen teuren Hirschen und komfortablen Jagdhäusern sitzen!
Ich habe den Eindruck, dass die jugoslawischen Jagdanbieter die Veränderungen im internationalen Jagdtourismus der vergangenen sieben Jahre gar nicht richtig mitbekommen haben und dass sie die gegenwärtige Lage mit ihrer heiklen Mischung aus Konkurrenzdruck und Überangebot einerseits, zunehmend anspruchsvolleren Jagdgästen und rückläufiger Zahlungsbereitschaft andererseits nicht richtig einschätzen.
Sie denken immer noch so unrealistisch wie vor 30 Jahren, als sie zusammen mit den ungarischen Förstern eine Art Monopol im Jagdtourismus hatten. Allerdings haben sich die Zeiten gewaltig geändert.
Wenn man in Jugoslawien Preispolitik und Behandlung der Gäste nicht bald den internationalen Standards anpasst, und wenn man die Wilderei nicht wirkungsvoller bekämpft, um den Wildbestand gerade in der Spitzenklasse zu bewahren, dann werden die Jagdgäste zunehmend verärgert und trotz der im Grunde herrlichen Jagdbedingungen, die das Land zu bieten hat, für immer ausbleiben.
Wildreiche Zukunft
Der Ruf Jugoslawiens als Jagdland war in der Nachkriegszeit in erster Linie durch die traditionell gut gehegten Reviere in der nördlichen Provinz Wojwodina begründet. Das Erstaunliche daran ist aber die Tatsache, dass diese Topreviere der Wojwodina, die heute größtenteils von der Forstverwaltung der „Serbischen Wälder“ betreut werden, nur einen kleinen Teil der Gesamtjagdfläche Serbiens ausmachen.
Die Verwaltung der „Serbischen Wälder“ verfügt in Serbien über eine Gesamtfläche an Jagdrevieren von 750000 Hektar. Auf die Spitzenreviere der Wojwodina fallen davon nur etwa 100 000 Hektar, während den großen Rest von 650000 Hektar eher wildarme Reviere ausmachen.
In einem persönlichen Gespräch mit mir hat dies auch der Jagddirektor der „Serbischen Wälder“, Slobodan Curcic, besonders unterstrichen. Dies soll aber in Zukunft nicht so bleiben.
Curcic sieht als seine wichtigste Aufgabe die Wiedereinbürgerung des Schalenwildes in den meisten immer noch wildarmen Jagdgebieten südlich von Save und Donau an. Diese Reviere weisen ideale Bedingungen zur Aufnahme von Rot-, Dam-, Muffel- und Schwarzwild auf.
Alle Jagdchefs dieser Reviere der Forstverwaltung werden auf speziellen Lehrgängen in der Wojwodina von den besten Wildspezialisten des Landes auf diese große Einbürgerungsaktion vorbereitet. In den nächsten zehn Jahren werden sie sich dann persönlich um das Gelingen der Einbürgerung in den eigenen Revieren kümmern.
Die „Serbischen Wälder“ sind zwar in erster Linie ein forstwirtschaftliches Unternehmen. Seit man aber auch in der Jagd einen nicht unbedeutenden Wirtschaftsfaktor erkannt hat, wird ihr hier zunehmend Aufmerksamkeit geschenkt.
Zudem sind Interesse und Akzeptanz der Jagd bei der Bevölkerung ungleich größer als in westeuropäischen Ländern.
Das Wiedereinbürgerungsprojekt wird sicherlich ebenso wie die weiteren geplanten jagdlichen Maßnahmen Früchte bringen; der jagdliche Erfolg dürfte dann nicht ausbleiben. Im Herzen Jugoslawiens wird es bald Reviere geben, die sich nicht nur mit dem Niveau der wojwodinischen vergleichen lassen.
Aufgrund ihrer landschaftlichen Vielfalt werden sie dem Wild ideale Lebensbedingungen bieten. Nicht ohne Grund hofft man deshalb, hier in nur wenigen Jahren ein einmaliges Jagdgebiet in Europa zu schaffen, eine kleine jagdliche Oase, mit der sich bezüglich seines Wildreichtums und seiner Naturschönheit dann nur noch wenige werden vergleichen können.
Bleibt nur zu hoffen, dass auch die Jagdanbieter mit einer Anpassung ihres organisatorischen Angebots den Sprung ins nächste Jahrtausend schaffen werden.

Foto: PPZV

Hansgeorg Arndt

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