Auf Pitt Island wurde 1981 ein 200 Hektar großes wissenschaftliches Reservat geschaffen. Es sollte als Einstand für rund 300 Merinoschafe dienen, die seit etwa 70 Jahren auf der Insel vollkommen verwildert sind
Von Jürgen Hansal
Obwohl ursprünglich die Schafe weiß waren, sind jetzt rund 70 Prozent dunkelgefärbt. Noch um 1940 waren dunkelgefärbte Exemplare selten, und bereits um 1960 war die Hälfte des Bestandes schwarz.
Ein Hauptgrund zum Schutz der Schafe war die Sicherung der genetischen Vielfalt. Im Gegensatz zu Farmschafen wechseln die wilden Merinos ihre Wolle den Jahreszeiten entsprechend.
Anfang 1981 wurden 305 Schafe in das Reservat gebracht. Sie waren ein Teil der 3 000 Kopf starken Population, die auf Farmland und den neu geschaffenen Schutzgebieten lebten. Bis auf die Herde im Reservat sollte der Rest einem Totalabschuss zum Opfer fallen.
Das eingezäunte 200 Hektar große „Sheep-Reserve“ war das erste Reservat dieser Art in Neuseeland, das für eine verwilderte Haustierrasse eingerichtet wurde. Das Gebiet ist von Weideland, einem bewaldeten Naturreservat und der Steilküste im Süden eingegrenzt. Bevor die Zäune errichtet wurden, waren Rinder, Schafe, verwilderte Merinos und Sauen auf der ganzen Insel zu finden.
Seit die Reservate eingezäunt sind, hat sich auch die Vegetation schnell verändert. Wo man 1980 noch ohne Probleme hineinwandern konnte, war einige Jahre später alles zu einem undurchdringlichen Dickicht zugewachsen. Der negative Einfluss der Rinder auf die Flora der Insel ist bemerkenswert.
Nach alten Aufzeichnungen wurden die ersten Merino-Schafe um 1841 auf South East Island angesiedelt. Sie stammten von der neuseeländischen Nordinsel und wurden irgendwann nach Pitt Island herübergebracht.
Wahrscheinlich waren sie die Vorfahren der Schafe, die heute auf Pitt Island leben. Verwilderte Schafe waren um 1940 in kleinen Stückzahlen auf der ganzen Insel vertreten. Die einheimischen Farmer reduzierten dann die Schafe, wenn sie zu einer Nahrungskonkurrenz für die Farmschafe wurden.
Die wilden Schafe sind ein beliebtes Jagdwild für die Jäger und Fischer von Pitt und Chatham Island. Das Fleisch ist schmackhaft, zart und nicht zu fett. Nach Aussagen der Bewohner der Inseln haben sich die wilden Schafe nur selten mit den zahmen Schafen vermischt.
Das Fluchtverhalten ist auch sehr unterschiedlich: Während die Farmschafe bei Annäherung im offenen Gelände bleiben, suchen die Merinos Zuflucht in der nächsten Deckung. Weiterhin haben die Merinos ein viel ausgeprägteres Standortverhalten und lassen sich kaum aus ihrem Territorium vertreiben.
Noch um 1970 lebten auf Pitt Island ungefähr 3 000 wilde Schafe. Nach intensiven Reduktionsabschüssen durch die Naturschutzbehörde war ihre Zahl auf 1 000 im Jahre 1980 geschrumpft.
Während der Reduktionsabschüsse wurden Vermessungen und Untersuchungen über die Äsung durchgeführt. Manche Widder hatten eine Schneckenlänge von bis zu 95 Zentimeter, gemessen an der äußeren Windung.
Beim Äsungsverhalten wurde festgestellt, dass die Wildschafe einen höheren Anteil an Pflanzenteilen von Büschen und Sträuchern im Pansen haben, als Farmschafe.
Neben Pitt Island gibt es noch zehn andere Schafvorkommen in Neuseeland. Die Wildschafe auf Pitt Island sind die einzige Population mit einem gewissen geschützten Status.
Während unseres Aufenthalts auf Pitt Island waren die Schafe auf der ganzen Insel gleichmäßig verstreut. Die kopfstärksten Rudel sahen wir an der schroffen Küste und in der Nähe der Reservate.
Die Reservate sind zwar alle gezäunt, aber mittlerweile sind sie an einigen Stellen undicht, oder die Sauen haben ihre Wechsel darunter durchgegraben, und die Schafe nehmen diese Wechsel an.