Es waren nicht nur wirtschaftliche Überlegungen, sondern auch jagdliche
Aspekte, die schon bald nach Ankunft der ersten Siedler zur Einfuhr
vieler eurasischer und amerikanischer Wildtiere führten
Von Anno Hecker
Was will man mehr? Spannende Jagd auf eine reizvolle Hirschart, Sambars, in der herrlichen Landschaft Victorias. |
Aus damaliger Sicht und in Anbetracht des riesigen, nur von den Känguruhs und kleinen Beuteltieren spärlich belebten „Outbacks” durchaus verständlich, versuchte man bereits ab 1803 insgesamt 16 Hirscharten heimisch zu machen, die, unterstützt von zahlreichen „Akklimatisations-Gesellschaften”, über aufwendige Eingewöhnungsgatter in die Wildbahn gelangten.
Mangelnde biologische Kenntnisse und Wilderei bedeuteten indes für manche in zu kleiner Stückzahl importierte Arten ein frühes Aus, so für Barasingha, Wapiti, Sika- und Maultierhirsch, Chinesisches Wasserreh, Hirschferkel und europäisches Rehwild.
Eingelebt und verbreitet haben sich nur sechs Arten in freier Wildbahn (Staatsland) oder auf Farmen, hauptsächlich im klimatisch günstigen Südosten und etwa deckungsgleich mit den Siedlungsgebieten des Menschen.
Dass sie auch heute noch in bejagbaren und jahreszeitlich geschützten Beständen vorkommen, ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass ihre Zahl – sei es durch Bejagung oder Beschaffenheit des Biotops – niemals Schaddimensionen angenommen hat und die Auswirkung auf die Vegetation, anders als beim Rotwild in Neuseeland, erträglich blieb.
Auch schlossen sich schon früh hirschgerechte Jäger zusammen, die sich sehr wohl gegen das ihren Schützlingen in der Öffentlichkeit drohende „Kaninchensyndrom” zu wehren wussten.
Die größte Verbreitung weist das anpassungsfähige, ab 1834 heimisch gewordene Damwild auf. Besonders zahlreich sind seine Bestände in New South Wales (NSW) und auf Tasmanien, wo denn auch die besten, in ihren Ausmaßen europäischen Spitzenschauflern nahekommende Trophäen wachsen.
Ansonsten erreichen die Neuankömmlinge nicht die aus ihrer Heimat bekannten Geweihdimensionen, selbst nicht die Rothirsche, die ja in Neuseeland anfänglich mit gewaltigem Kopfschmuck überraschten.
Das erste Rotwild wurde 1860 als Geschenk des Prinzgemahls Albrecht aus dem englischen Windsorpark eingeführt und ist inzwischen in fünf Staaten vertreten. Über nennenswerte Bestände verfügen New South Wales, Victoria und besonders Queensland, wo kürzlich 8000 bis 10000 Stück auf eineinhalb Millionen Hektar geschätzt wurden.
Dort ziehen auch die qualitativ besten, aus Atholl/Schottland stammenden Rudel ihre Fährte, deren Geweihe sich durch kräftige Eissprossen auszeichnen. Stangenlängen über 75 Zentimeter gelten als gut, über 85 Zentimeter als hochkapital.
Auch in den südlichen Gefilden fällt die Brunft der europäischen Cerviden in den Herbst, wird von den ersten Nachtfrösten ausgelöst und, wie bei uns, als bevorzugte Pirschzeit (März und April) genutzt.
Für den europäischen Jäger interessanter dürften wohl die vier übrigen Arten sein: aus klimatisch ähnlichen Herkunftsgebieten Südostasiens kommende Hirsche, deren Geweihentwicklung auf der Sechser-Stufe stehengeblieben ist, die sich aber in Körpergröße und -färbung, Lebensweise und ihren Biotopansprüchen sehr wohl unterscheiden.
Der oft als „schönster Hirsch der Welt” bezeichnete Axishirsch – in Australien mehr unter seinem indischen Namen Chital (gefleckter Hirsch) bekannt – ist damwildgroß, jedoch eleganter gebaut.
Ursprünglich in Ceylon (Sri Lanka) zuhause, wurde er bereits ab 1803 an verschiedenen Stellen ausgewildert.
Gehalten hat er sich aber nur in Queensland mit einer über 1000 Stück zählenden Population auf einer parkartigen Ranch nördlich von Charters Tower. Weil seine Geweihbildung keinem jahreszeitlichen Zyklus unterworfen ist, kann er ganzjährig bejagt werden.
Da man auf den weiten Gras-blößen inmitten des Waldes leicht eräugt wird, empfiehlt sich der Ansitz am Wechsel zum täglich aufgesuchten Wasser; wobei es oft schwierig ist, auf die inmitten der bis zu 100 Stück starken Rudel stehenden alten Hirsche zu Schuß zu kommen. Die Stangenlänge beträgt bis zu 75 Zentimetern.
Kaum so hoch, aber doppelt so schwer wie ein Reh, finden wir den sehr kompakt wirkenden, einem Schlüpfertyp entsprechenden Schweinshirsch. Das Vorkommen dieses kleinsten südpazifischen Cerviden ist auf einen schmalen Küstenstreifen und zwei vorgelagerte Inseln im äußersten Südosten Victorias beschränkt.
In den Vorbergen des Himalaja zuhause, wurde der rötlich graue, kaum sichtbar gefleckte und schwimmfreudige Bewohner feuchter Grasdschungel ab 1858 in Australien heimisch. Standorttreu, markiert er unter anderem mittels der Voraugendrüsen sein Territorium.
Als anfänglich stark expandierendes Schadwild mit Gift und Hundemeuten unter Kontrolle gebracht, darf es in seinem heutigen Vorkommen nur noch im April auf Pirsch und Ansitz, aber nicht mit Hunden bejagt werden. Das recht massig wirkende Geweih erreicht Längen bis zu 40 Zentimetern.
Von den Molukken wurde 1868 der schmutzig-braune Rusa- oder Mähnenhirsch eingeführt. Etwas geringer als Rotwild und sehr grobhaarig, ist er bei seiner besonderen Vorliebe zum Suhlen an wasserreiche Biotope gebunden. Er schöpft jedoch so gut wie nie, und scheint in der Lage zu sein, die benötigte Feuchtigkeit der Äsung zu entnehmen.
Man kann ihn auf Privatland in Küstengebieten südlich von Sidney sowie nahe Cape York (Queensland) bejagen. Das leierförmige Geweih wird bis zu 80 Zentimeter lang.
Stärkere, bis zu einem Meter messende Trophäen sind in dem Neuseeland vorgelagerten Neukaledonien zu erbeuten, wo 1876 eine größere Unterart aus Java freigelassen wurde. In offenem Gelände garantieren dort große Rudel mit den ganzen Tag über röhrenden Hirschen im Juli und August ein unvergessliches Brunfterlebnis.
Größer und bulliger im Gebäude, das bis in die Endgabeln rauhgeperlte und massige Geweih deutlich weiter ausgelegt, verkörpert der 1861 aus Ceylon nach Victoria verbrachte, auch Pferde- oder Aristoteleshirsch genannte Sambar, den für die meisten australischen Jäger wohl bedeutensten Cerviden.
Er wurde schon während der Antike durch Alexander den Großen bekannt, als dieser 326 vor Christus aus Indien ein lebendes Exemplar mitbrachte und seinem Lehrer Aristoteles schenkte.
Die Bezeichnung Pferdehirsch erhielt er nicht seiner stattlichen Größe wegen, sondern aufgrund des lang behaarten, schweifartigen Wedels.
In Victoria hat er verschiedene Vegetationstypen besiedelt, wobei er die dichten und ausgedehnten Eucalyptuswälder zwischen Melbourne und Sidney bevorzugt.
Etwa 10000 Sambar sollen dort auf 27000 Quadratkilometer Bergwald stehen, wovon jährlich etwa 1500 Stück gestreckt werden.
Es existiert auch ein kleines Vorkommen auf der Coburg-Halbinsel im Northern Territory, dessen Trophäen allerdings schwächer sind als im Süden, wo mit Stangenlängen bis 75 Zentimeter gerechnet werden kann.
Foto: Anno Hecker