Einsamer Herrscher der Bergwelt Asiens

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1/2012

Der Schneeleopard oder Irbis ist eine besondere Kostbarkeit der rauen Bergregionen Mittelasiens. Manche Jäger haben seine prägnanten Spuren im Schnee gesehen, nur wenige ihn zu Gesicht bekommen. Vor allem die Wilderei gefährdet den geringen Bestand dieser Raubkatze.

 

Nicht nur auf mich hat der Schneeleopard eine ganz besondere Ausstrahlung. Ich erlebe diese Begeisterung häufig auch im Gespräch mit anderen Jägern. Ein wunderschönes Wildtier, das sich perfekt an die extremen Verhältnisse der asiatischen Hochgebirge angepasst hat. Sein langes Fell, seine schlanke, langgestreckte Figur und seine heimliche Lebensweise umgeben ihn mit einer fast mystischen Aura. Kein Wunder, dass er bei Tataren und Kasachen als nationales Symbol verehrt wird. Das Wappen der Republik Tatarstan ziert ein geflügelter Irbis.
 
Besonders eindrucksvoll die fast übermäßig lang wirkende Rute des „Bergleoparden“. Sie beträgt rund zwei Drittel seiner übrigen Körperlänge. Diese Verlängerung dient als „Höhenruder“ bei seinen bis zu 15 Meter weiten Beutesprüngen sowie als Wärmekissen gegen extreme Minustemperaturen in seinem kargen Biotop. Ich kann mich gut erinnern, wie wir im Hochgebirge bei der Jagd auf Maral und Sibirischen Steinbock auf die Spur dieser heimlichen Katze gestoßen sind.
 
Mein Herz schlug sofort schneller. Genauso als wenn ich einen starken Trophäenträger vor Augen hätte. Und mein größter Wunsch wäre gewesen, einen Blick auf die graugefleckte Katze zu erhaschen, vielleicht sogar ein Foto als Beute mit nach Hause nehmen zu dürfen. Wir verfolgten die Trittsiegel noch einige Zeit, doch als der Schnee aufhörte, mussten wir leider aufgeben.
 
Später bewunderte ich diese seltene Spezies bei einem Zoobesuch in Almaty. Doch, ganz ehrlich, was ist das im Vergleich zu einer Begegnung in freier Wildbahn, in seinem grandiosen Lebensraum?
 

 

Schneeleopard
Seine Rute dient dem Schneeleoparden auch als Wärmekissen. Foto: P. Romanow
Jahre später traf ich den engagierten russischen Fotografen Peter Romanow. Er erzählte mir von einem Projekt in Kirgisien. Dort bemühen sich engagierte Naturschützer, Schneeleoparden, die bei der Festnahme von Wilderern noch lebten (meistens verletzt), wieder aufzupäppeln, damit sie der Wildnis zurückgegeben werden können.
 
Er wollte sich dieses Gehege anschauen, um sich über die dortige Situation zu informieren. JAGEN WELTWEIT hat ihn dabei unterstützt und erhielt von ihm beeindruckende Fotos dieser „Bergleoparden“.
 
Er lieferte uns dazu auch einen sehr emotionalen Bericht über die aktuelle Situation von Naturschutz und Jagd auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Manches davon ist sicher sehr krass dargestellt und entspricht nicht überall den Verhältnissen in diesem Raum.
 
Doch vielleicht ist auch für unsere Leser interessant, wie jemand die Situation einschätzt, der die Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten intensiv verfolgt hat und dem der Schutz der Wildtiere und einer nachhaltigen Jagd am Herzen liegt:
 
 
 

Wilderei auf höchstem Niveau

Ich bin in der Sowjetzeit aufgewachsen, aber nie ein Freund der Sowjets gewesen. In dieser erstickenden Atmosphäre, geprägt von Lügen und Propaganda, suchte ich eine andere Welt, in der alles echt und ehrlich ist: wandern, Pilze sammeln, angeln und später jagen.

Von Peter Romanow

 

Schneeleopard
Schneeleopard im Reha-Zentrum von Kirgistan. Foto: P. Romanow
Trotz extremer Industrieeinwirkungen auf Natur und Menschen blieb die Natur in der Sowjetunion wunderschön. Ständige Kontrollen und hohe Strafen für Wilderei (zum Beispiel für einen gewilderten Elch bis 5 Jahre Gefängnis) wirkten auf den Bestand der Tiere sehr positiv.
 
Nach dem Zusammenbruch des Zarenreiches und dem folgenden Bürgerkrieg mit seinem politischen und ökonomischen Chaos, hat die Natur große Verluste erlitten. Ich spreche von Wildtieren als Fleischlieferanten, wie Elch oder Saiga-Antilope. Sie standen zu dem Zeitpunkt kurz vor der Ausrottung. Auch der Zobel war wegen extremer Wilderei so gut wie verschwunden.
 
Es dauerte viele Jahre, bis der Bestand des Wildes sich Dank der Naturschutz-Maßnahmen erholt hatte und sogar wieder stark zunahm. Bis vor Kurzem lag der Elchbestand bei über 700.000 und der von Saiga-Antilopen bei rund 3 Millionen.
 
Heute ist das kaum zu glauben. Die Elche sind in einigen Regionen fast vollkommen verschwunden, und von der Saiga sind nur wenige Tausend vorhanden. Eine ähnliche Entwicklung wie vor 100 Jahren. Die gesellschaftlichen Veränderungen führen leider zur „Geburt“ der neuen Klasse: reiche Machthaber und Industrielle, die die Natur als eigene Residenz zu Erholungszwecken nutzen. Sie scheren sich nicht um rechtliche Bestimmungen.
 

Jagd mit dem Helikopter

 

Steinböcke
Sibirische Steinböcke in Kirgistan sind das Ziel tierischer wie menschlicher Jäger. Foto: P. Romanow
Am 9. Januar wurde aus einem Helikopter Jagd auf einen altaischen Argali gemacht. Dabei kamen 7 Menschen ums Leben. Darunter: Vertreter des Präsidenten, Stellvertreter des Regierungsleiters der altaischen Republik und der Vorstand des Komitees für Naturschutz. Wilderei auf höchstem Niveau.
 
Mir ist die Lage in Kirgisien gut bekannt. Vor einigen Jahren war hier der Wildbestand überaus gut. Fast überall in einer Höhe ab 3.000 Meter gab es Rudel von Steinböcken und Marco-Polo. In dieser Höhe herrschte damals Ruhe. Große Herden von Pferden, Kühen und Schafen haben sie verdrängt. Zusammen mit den Menschen und Wachhunden bringen sie Unruhe und Krankheiten.
 
Die Jurten sind noch höher angesiedelt als die Jagdcamps. Die Hirten sind bewaffnet und wildern kräftig, auch mit Schlingen. Die Jagdzeiten werden dabei vollkommen missachtet. Weshalb dürfen die Nutztier-Herden über 3.000 Meter hoch weiden, wo die Vegetation so empfindlich ist? Warum dürfen die Hirten mit Büchsen bewaffnet sein? In den betroffenen Gebieten müssen sich die Gastjäger entscheiden: Unterdurchschnittliche Schlauchlängen oder als Schneider heimfahren (siehe JWW 6/2010). Nicht besser ist die Situation bei der Jagd auf Marco-Polo-Schafe.
 
Die offiziellen Ergebnisse der Wildzählung in Kirgistan zeigt die Tabelle. Die Jagdwirtschaften haben kommerzielle Interessen und wollen eine möglichst hohe Abschussrate. Deshalb ist zu befürchten, dass sie die wirkliche Lage des Wildbestandes vertuschen. Aber die starke Reduzierung des Bestandes der Marco-Polo-Schafe ist sehr auffällig.
 
Oft hört man, dass die Gastjäger für den Rückgang der Wildbestände verantwortlich sind. Das ist schlichtweg falsch. 2010 gab es für Jagdgäste 400 Steinbock-Lizenzen, genutzt wurden nur 160. Für einheimische Jäger waren 1.163 Steinböcke zum Abschuss freigegeben. Natürlich jagen diese lieber starke Stücke, um mehr Wildbret zu bekommen. Oft werden auf eine gekaufte Lizenz einfach mehrere Böcke erlegt.
 
2010 waren für die Marco-Polo-Jagd 70 Stücke zum Abschuss frei, davon wurden 34 Widder erlegt. Über 10.000 Euro bleiben davon im Land, bei einem Steinbock mindestens 2.300 Euro, dazu das Wildbret.
 
Die Trophäen der Steinböcke oder von Marco-Polo haben keinen Wert für die Wilderer. Sie verwenden nur das Fleisch. Bei besonders starken Trophäen versuchen sie, diese an die Jagdgäste zu verkaufen, manchmal nur für einen symbolischen Preis.
 
Im Jahr 2000, nach einer erfolgreichen Jagd auf Marco-Polo-Schafe an der chinesischen Grenze, sollten wir die Lizenzen für den Abschuss in der Kreisstadt registrieren und abstempeln lassen. Plötzlich stießen 2 Einheimische zu uns und wollten uns 3 Schädel von starken Marco-Polo-Widdern (erfolglos) verkaufen.
 
Selbst wenn die Wilderer erwischt werden, ist es heute sehr schwer, sie vor Gericht zu bringen. Oft handelt es sich um Personen von hohem Rang, wie zum Beispiel Abgeordnete oder Grenzschutzoffiziere. Durch moderne Waffen und Transportmittel eröffnen sich den Wilddieben noch einfachere Möglichkeiten, rücksichtslos zu plündern.
 
Dieser Raubbau wirkt sich leider auch auf den Bestand an Schneeleoparden aus. Die Existenz dieser seltenen Raubtiere hängt direkt mit dem Vorkommen der Wildschafe und Steinböcke zusammen. Wenn Schneeleoparden nicht genügend Beute haben, verlassen sie ihre Reviere oder greifen Haustiere an.
 

Reha-Zentrum für Schneeleoparden

 

Schneeleopardenmantel
Statussymbol von heute zweifelhaftem Wert: ein Schneeleopardenmantel. Foto: P. Romanow
Die Menschen in Kirgistan haben keine Achtung vor dem Irbis. Sie werden gnadenlos abgeschossen oder mit Schlingen gefangen. In dem Rehabilitation-Zentrum am Issik-Kul-See sitzen in einem Gehege 3 erwachsene Schneeleoparden, die von Wilderern gefangen wurden. 2 von ihnen haben dabei ihre Vorderpranten verloren.
 
Der Balg der Schneeleoparden gehört zu traditionellen Trachten. Solche Pelzmäntel gelten als besonderes Statussymbol für prominente Persönlichkeiten. Auch alte Berkutschi (Beizjäger) tragen Mäntel mit Schneeleopardenfutter. Für einen solchen Mantel werden bis zu 4 Felle verarbeitet. In den letzten 17 Jahren habe ich nie gehört, dass jemand wegen Wilderei auf Schneeleoparden bestraft wurde. Die Geldstrafe für das Wildern eines Irbis beträgt 199.640 Som (entspricht 3.070 Euro), für die kleinen Hirten sehr viel Geld.
 
Wir mit unseren technischen Errungenschaften sind mächtig und deswegen sollten wir besonders vorsichtig und vernünftig sein. Die Natur ist sehr empfindlich, und ihre Verluste sind kaum zu ersetzen. Wenn die nächsten Generationen nicht mit dem Respekt vor dieser Schöpfung erzogen werden, hat die Natur in Zentralasien keine Chance.
 

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