Im Norden des Baltikums: Jagen in Estland

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Neues Mitglied der Europäischen Union ist Estland zusammen mit den anderen zwei baltischen Staaten geworden und wird so als Jagdland für den Gastjäger immer interessanter. Das Land hat sich schnell an westliche Maßstäbe angepasst und besitzt eine gute Infrastruktur. Einer Jagd steht also nichts im Wege.

Von Redaktion Jagen Weltweit

Hansgeorg Arndt

Elch
Dem estnischen Jagdrecht unterliegen 17 Säugetier- und 24 Vogelarten. Wichtigste Wildart ist der Elch, dessen Bestand in den vergangenen Jahren wieder zugenommen hat. Schwarzwild ist erst in den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts von Süden her eingewandert.
Neben Elch-, Rot-, Reh- und Schwarzwild kann der Jäger in estnischen Revieren auch auf Wolf, Luchs, Marderhund, Biber und Federwild (Fasan, Schnepfe, Ente und Gans) jagen. Die Jagden in Estland haben nicht nur einen guten Ruf, sondern sind auch preislich günstig. Ein siebentägiger Jagdaufenthalt mit fünf Jagdtagen kostet je nach Anbieter zwischen 800 und 1.200 Euro. Untergebracht sind die Jagdgäste meist in komfortablen Jagdhäusern.
Estland hat eine lange Jagdtradition, die auch heute noch intensiv gepflegt wird. Jagdarten sind überwiegend Pirsch und Ansitz. Reviereinrichtungen sind in den meisten Revieren vorhanden und in gutem Zustand.
 

Elchwild

Bei der Abspaltung Estlands von der Sowjetunion zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde bei landesweiten Wildzählungen ein Elchbestand von 16.000 Stücken festgestellt. Gleichzeitig nahm aber die Zahl der aus dem Osten einwandernden Wölfe zu. Das führte mit bis zu 800 Wölfen in der kleinen Baltenrepublik zu einem Problem, denn der Elchbestand ging rapide zurück.

Auch verwilderte Hunde, die von den abziehenden sowjetischen Truppen herrenlos zurückgelassen oder ausgesetzt worden waren, stellten eine Bedrohung für den Bestand dar. Nach Inkrafttreten des estnischen Jagdgesetzes wurde Mitte der 90er Jahre der hohe Wolfsbesatz stark bejagt. Danach stabilisierte sich der um fast 10.000 Elche zurückgegangene Bestand wieder.
In Wirklichkeit kann der Wolf aber wohl nur für ein Drittel des Schadens verantwortlich gemacht werden. Zwei Drittel des drastischen Bestandsrückganges sind der Wilderei und der starken Überjagung anzulasten. Denn Privatisierung und der Wunsch, durch ausländische Jäger schnell an begehrte Euros zu gelangen, hat zu dieser Überjagung geführt.
Inzwischen kann jedoch wieder ein weitgehend stabiler Elchbestand von rund 12.500 Stück mit sogar leicht ansteigender Tendenz registriert werden. Die Wilddichte beträgt im Schnitt etwa fünf Stück Elchwild auf 1.000 Hektar.
Die Jagdzeit erstreckt sich für Hirsche und Kahlwild vom 15. September bis zum 15. November. Das Jagdgesetz erlaubt bis zum  30. September nur die Rufjagd, Pirsch und Ansitz. Ab Oktober kann Elchwild dann zusätzlich auf Drück– und Treibjagden sowie auf der Jagd mit dem Hund erlegt werden.
Das Elchwild kommt in Estland in allen Landesteilen flächendeckend vor. In den Wäldern und Mooren ist die Pirsch nicht immer ganz einfach und erfordert oft ausreichende Kondition und guten Jagdverstand. „Hochsitzjäger“ sind, wenn mit Hunden gejagt wird, beim Ansprechen und Schießen dann oft überfordert.
Mit „Elch-Spezialisten“ unter den vorrangig eingesetzen Laikahunden kommt es auch zu guten Jagderfolgen von fast 90 Prozent,  wenn es dem Hund gelingt,  das Wild zu stellen und an den Platz zu binden, bis der Jäger auf Schussentfernung herangekommen ist.
Während der Brunft im September ist das Zusammentreffen mit der begehrten Beute eher Glücksache, wenn man die Lockjagd nicht beherrscht. Von Ende Oktober bis Mitte November finden dann Drück- und Treibjagden statt. In dieser Zeit wird auch das meiste Elchwild gestreckt. Ab Mitte November können ältere Hirsche  bereits abgeworfen haben.
Normalerweise kommen Stangenelche zur Strecke. Die Geweihgewichte liegen im Bereich zwischen fünf und acht Kilogramm, bei starken Schauflern auch bis zehn Kilogramm (maximal 14). Diese starken Hirsche sind jedoch selten zu finden.
 
 

Rotwild

Das Rotwild-Vorkommen wurde Anfang der 70er Jahre begründet, als aus Russland und Litauen stammendes Rotwild auf den beiden vorgelagerten Inseln Saaremaa und Hiiumaa ausgewildert wurde. Es konnte sich in den weitgehend störungsfreien Inseln mit nur geringem Wolfsvorkommen schnell vermehren. 20 Jahre später wurde bei Wildzählungen auf Hiiumaa bereits ein Rotwildbestand von 500 Stück registriert. Auf Saaremaa wuchs der Bestand auf über 1 000 Stück.

Auf dem Festland wanderte Rotwild aus Lettland über die „grüne Grenze“ in den Süden des Landes ein. Im äußersten Südosten Estlands gelangte Gatterwild in die Freiheit, das in den umliegenden, stark bewaldeten Sumpfgebieten gute Lebensbedingungen nutzte.
Heute lebt Rotwild in etwa zehn verschiedenen Landkreisen. Eine landesweite Wildzählung durch den estnischen Jagdverband ergab auch für das Festland einen Gesamtbestand von etwa 1.500 Stück. In der Vergangenheit hat man nie mehr als maximal zehn bis zwölf Prozent des jeweiligen Bestandes der Wildbahn entnommen. Die Zahl der für Gastjäger freigegebenen Hirsche ist daher gering.
Die Hirsch-Trophäen liegen eher im mittleren Bereich zwischen fünf und sieben Kilogramm Geweihgewicht, nur selten werden stärkere Hirsche erlegt. Die Jagdzeit erstreckt sich von September bis Januar, als beste Zeit zum Jagen gilt auch hier die Brunft (ab dem 20. September).
 
 

Rehwild

Auch das Rehwild zählt zu den Hauptwildarten in Estland und ist in allen Revieren anzutreffen. Der Bestand ist zwar nicht hoch, dafür sind die Trophäengebühren einfach unschlagbar.

Die Bockjagd beginnt am 1. Juni und dauert bis Ende September. Als die besten Jagdzeiten gelten der Saisonbeginn (die erste Juniwoche) und die Blattzeit (Ende Juli). Gejagt wird auf der Pirsch und vom Ansitz. Während der Vollmondphase kann die Bockjagd sehr gut mit dem Ansitz auf Keiler kombiniert werden.
 
 

Schwarzwild

Das Schwarzwild ist in estnischen Revieren weit verbreitet, doch die Wilddichte ist nicht hoch. Das ist der Grund (neben der Weitläufigkeit der Reviere), warum es in Estland keine speziellen Saudrückjagden gibt.

Sehr erfolgreich ist der Sauansitz an der Kirrung während der Mondphase. Wegen ihrer langen Jagdzeit (Keiler und Überläufer ganzjährig, Bachen und Frischlinge zwischen dem 1. Juni und Ende Februar) können Sauen in der Regel auf allen anderen Jagden mit bejagt werden.
 
 

Braunbär

In den baltischen Ländern war die Bärenjagd nur in Estland möglich. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union hat sich das aber geändert. In einem Protokoll musste sich Estland verpflichten, eine generelle Jagd auf Meister Petz vorerst zu unterbinden.

Als die erfolgreichste Jagdmethode galt die Bärenjagd am Haferfeld im Hochsommer (Ende August bis Anfang September). Die Bären sind von der Stärke her mit jenen aus dem Westen Russlands vergleichbar. Nicht selten kamen in Estland Bären zur Strecke, die über 200 Kilogramm wogen.
 
 

Wolf und Luchs

Sowohl Wolfs- als auch Luchsbälge und Schädel dürfen eingeführt werden. Die Jahresstrecken steigen, und trotzdem wächst der Wolfsbestand stetig. Gut organisiert sind winterliche Lappjagden auf Isegrim.

Noch mehr Reiz haben kombinierte Winterjagden auf Wolf, Luchs und Sauen in den Monaten Dezember bis Februar. Wer aber gezielt auf starke Luchse jagen will, für den empfiehlt sich eine Luchsjagd mit Laikahunden auf der frischen Fährte.
 
 

Biber

Biber sind in dem kleinen Land beinahe schon zur „Landplage“ geworden (siehe Bericht auf Seite 62). Während der herbstlichen Jagden auf Hirsch, Elch oder Schwarzwild kann Meister Bockert bejagt werden. Trophäen sind der beeindruckende Schädel mit den orangenfarbenen Schneidezähnen und der dichte, wärmende Balg.

 
 

Flugwild

In Estland gibt es zwar viel Federwild, aber keine speziellen Jagdprogramme. Die Jagden auf Fasan, Wildenten und Wildgänse werden also nur als Ergänzung zu anderen Jagden angeboten.

 
 

Einreise

Mit dem Beitritt in die Europäische Union ist die Einreise sicherlich einfacher geworden. Da aber Estland nicht zu den Staaten des Schengener Abkommens gehört, ist der Reisepass noch Pflicht. Auch die Waffeneinfuhr, die übrigens mit 145 Euro recht teuer ist, muss im Vorfeld der Jagd beantragt werden. Bei der Einreise ist dann die Jagdeinladung, die Waffengenehmigung und der Europäische Feuerwaffenpass vorzulegen.

Wenn der Jäger mit dem eigenen Hund einreisen will, muss der neue Europäische Hundepass vorliegen. Die Tollwut-Schutzimpfung (mindestens 30 Tage, höchstens 12 Monate zurückliegend) muss im Pass eingetragen sein.
Die estnische Hauptstadt Tallinn wird von verschiedenen deutschen Flughäfen direkt von Estonian Airlines angeflogen. Auch eine Anreise mit der Fähre über die Ostsee ist möglich.
 
 
 
 

Foto: Sven-Erik Arndt, Helge Schulz, Karl-Heinz Volkmar

Hansgeorg Arndt

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