Wie gespreizte Finger an einer Hand wirken die bewaldeten Landzungen der Cobourg-Halbinsel von oben aus dem Buschflugzeug betrachtet. Sie sind umgeben von klarblauer See. Da unten, im tropischen grünen Busch, werde ich in den nächsten Tagen mit meinem australischen Freund und Outfitter Simon auf das scheue asiatische Wildrind, den Banteng, jagen
Nach anstrengender Pirsch kommt der erste Banteng-Bulle zur Strecke |
Von Siegfried Kursch
Sauber setzt Brinton seine „Piper“ auf die Buschpiste und läßt sie ausrollen. Am Ende des Rollfeldes, seitlich eine schattenspendende offene Hütte, zwei alte, aber fahrtüchtige Geländewagen und unter freiem Himmel Parkraum für zwei Buschflieger, das ist er, der Buschlandeplatz auf der Cobourg Peninsula im Norden von Australien. Es ist schon erstaunlich was so alles, außer uns Dreien, noch in ein kleines Buschflugzeug paßt. Ein Generator, einige Kanister Diesel, Proviant- und Getränkekisten, Bettwäsche, das persönliche Gepäck und die Jagdwaffen werden vom Flieger auf den Geländepritschenwagen umgeladen und los geht es.
Bei der Black Point Ranger Station, der Parkaufsicht, müssen wir uns anmelden und unsere Permits vorlegen, dann gehts zum Jagdcamp. Brinton hat in seinem Camp alles im Griff. Knapp eine Stunde nach unserer Ankunft ist es fertig eingerichtet, der Generator läuft und wir sitzen unter dem schattenspendenden Vordach beim Lunch.
Jetzt, Anfang November, ist die Jagdsaison eigentlich schon zu Ende. Es ist zu heiß. Bald werden ergiebige Monsunregen und Zyklone einen Aufenthalt für die nächsten Monate hier unmöglich machen.
Erster Anblick
Simon macht sie zuerst aus. Sofort gehen wir im Schutz der Vegetation in die Hocke. Etwa 100 Meter vor uns erkenne ich nun auch den rotbraunen Wildkörper eines Bantengs. Jetzt sehe ich mehrere Bantengkühe mit ihren Kälbern im losen Trupp ziehend.
Der Wind steht gut. In gebückter Haltung, jede Deckung nutzend, zuletzt robbend, gehen wir die Bantengs an. Etwa 50 Meter sind wir jetzt an der kleinen Herde, mit der auch ein mittelalter Bulle zieht. Mein erster Anblick von Bantengs überhaupt. Die weißen „Strümpfe“ an den Läufen und der gelb-weiße ovale Spiegel geben diesen Wildrindern ein interessantes Aussehen. Mit dem Teleobjektiv gelingen mir einige Fotos.
Eine der Bantengkühe hat nun wohl etwas bemerkt; schon flüchtet die kleine Herde durch den lichten Bestand davon. Einen jagdbaren alten Bantengbullen findet man außerhalb der Brunft nicht bei der Herde. Er hat irgendwo im dichten Busch seinen Einstand und zieht allein. Ihn gilt es zu finden, anzupirschen und dann zu erlegen.
Im Cobourg Nationalpark dürfen nur die wenigen unbefestigten Buschstraßen mit dem Fahrzeug befahren werden. Quer durch den Busch zu fahren ist nicht erlaubt, das gilt auch für Jäger. Es müssen deshalb bei der Bantengjagd Pirschgänge weitab der bush-road unternommen werden.
Das ist selbst bei dem auf Cobourg nicht allzu schwierigen Gelände bei 33 bis 35° Celsius schon eine schweißtreibende Angelegenheit. „Fußkranke“ Jäger werden daher im näheren Umfeld der Buschstraßen geführt. Es ist sowohl für den Guide als auch für den Jäger nicht so beschwerlich, und auch das Bergen der Trophäe ist wegen des kurzen Transports zum abgestellten Fahrzeug einfacher. Nur stehen die vorsichtigen und alten Bantengbullen im Regelfall weitab dieser Buschstraßen.
Mühsam erpirscht
Auf der Karte machen wir ein verzweigtes und dunkelgrün umlegtes Bachsystem zwischen zwei Hügelketten aus. Etwa 60 Kilometer vom Camp entfernt, dann etwa sechs Kilometer seitlich der bush-road. Hier pirschen wir heute auf den Banteng.
Die Position des abgestellten Geländewagens ermittelt Simon mit dem GPS und speichert die Koordinaten. Er erklärt mir den Gebrauch des GPS, um im Notfall sicher zu stellen, daß ich alleine das abgestellte Fahrzeug wiederfinde. Ausgerüstet mit Rucksack, Fernglas, zwei Feldflaschen gefüllt mit Wasser, der unterladenen Repetierbüchse im Kaliber .375 Holland&Holland Magnum, Reservemunition, Messern und der Fotokamera, sind wir fertig zur Pirsch.
Fast drei Stunden sind wir nun schon unterwegs durch den heißen Busch der Cobourg Peninsula. Bisher hatten wir noch keinen Bantenganblick, nur alte Trittsiegel und ausgetrocknete Losung.
Wir pirschen entlang eines wasserführenden Creeks. Um uns herum alter Baumbestand mit dichtem Unterwuchs. Wir folgen einem ausgetretenen Wechsel. Jetzt typischer Sauengeruch, ein seitliches Schlammloch, nicht weit davon ein Malbaum. Frische Trittsiegel eines Keilers stehen im Schlamm. Der alte Basse hat uns be-stimmt mitbekommen und hat sich vorzeitig verdrückt. Wir haben keine Zeit, nach ihm zu suchen, denn die Bantengjagd hat Priorität. Ein Schwarm schwarzer Kakadus zieht lärmend durch die Baumwipfel. Jetzt ist es wieder totenstill. Wo ist der Banteng?
Das T-Shirt klebt mir am verschwitzten Körper, meine Beine sind durch harte Gräser, Unterholz und Insekten zerkratzt und der Repetierer wird auch immer schwerer. So langsam werde ich etwas mutlos. Mich ärgert auch ein wenig die Zuversicht, die Simon in dieser Situation noch ausstrahlt. Er merkt mir meine Enttäuschung wohl an. Wir machen eine kurze Pause, trinken das klare und frische Creekwasser und füllen damit die Feldflaschen auf. „Siggi, come on, wir finden für dich einen Bantengbullen, hier muß er irgendwo stecken“, muntert mich Simon auf. Und weiter geht es.
Nach einer weiteren halbstündigen Pirsch bleibt Simon plötzlich vor mir wie erstarrt stehen. An ihm vorbeiblickend sehe ich vor uns einen Dingo, der in das Dickicht aus Bäumen und hohen Gräsern zum Creek hin sichert. Er hat uns nicht mitgekriegt, so intensiv scheint ihn etwas zu interessieren. Es sind Sauen, Bachen mit Frischlingen, die wir jetzt brechen hören und auch riechen können. Der Dingo verschwindet in der hohen Vegetation. Kurze Zeit drauf ein Blasen und Quieken, die ganze Rotte bricht davon.
„Lass uns mal nachsehen, was da vor sich geht, vielleicht hat sich dort noch ein starker Keiler eingeschoben“, sagt Simon. Vorsichtig pirschen wir in den üppigen Bewuchs. Der Boden ist hier nass und glitschig. Jetzt vor uns, jedoch weiter weg, ein auffälliges Prusten und Blasen. Es ist so, als stände dort ein Keiler im Gebräch.
Simon flüstert mir jedoch zu: „Banteng“. Endlich ein Banteng, geht es mir durch den Sinn, deutlich spüre ich den schneller werdenden Herzschlag bis zum Hals. Vorsichtig pirschen wir durch das Buschwerk und das hohe Gras weiter zum Rand der Dickung vor. Möglichst lautlos habe ich bereits eine Patrone ins Lager repetiert. Immer wieder ist nun das auffällige Prusten zu vernehmen.
Vom Rande des Unterholzes, jedoch noch in Deckung stehend, blicken wir nun über eine freie Grasfläche in den gegenüber liegenden lichten Eukalyptusbaumbestand.
Dort, etwa 100 Meter entfernt, steht er, ein Bantengbulle mit gesenktem Haupt, und äst am kniehohen Buschaustrieb. Die im Sonnenlicht glänzende pechschwarze Decke des muskulösen Bantengbullen gibt ihm zwischen den weißen Eukalyptusstämmen ein fast majestätisches Erscheinungsbild.
Auf der Freifläche, etwa acht Meter vor uns, steht ein einzelner, krummer Baum. Hier könnte ich, um einen sicheren Schuß anzutragen, gut die Büchse anstreichen.
Den Banteng immer im Auge, geht es nun vorsichtig Schritt um Schritt auf diesen Baum zu. Langsam zieht der äsende Bulle weiter in unsere Richtung. Er steht nun etwa 70 Meter von uns entfernt. Die Büchse angestrichen, habe ich den Bantengbullen in der Zieloptik. Das Fadenkreuz findet jedoch kein sicheres Abkommen.
Wie auf Kommando verhofft nun der Banteng und steht mit leicht angehobenem Haupt wie erstarrt und sichert zu uns herüber. So kann ich dem spitz zu uns stehenden Bantengbullen keinen Schuß antragen, das Haupt verdeckt den Stich.
Was nun passieren wird, das hat mir Simon gestern abend im Camp erzählt, als wir über das Verhalten des Bantengs bei der Jagd sprachen. Ein Banteng, der etwas bemerkt ohne Wind zu bekommen, sichert zunächst mit halbhohem Haupt, dann hebt er das Haupt höher, um den Wind zu prüfen, eine Art von „Blasen“ ist zu vernehmen, schon wirft er sich blitzschnell herum und wird flüchtig.
Die Spannung ist fast unerträglich. Ich stehe die ganze Zeit über mit angestrichener Büchse im Anschlag. Jetzt hebt der Bantengbulle das Haupt, der Stich ist frei. Schon ist die Kugel aus dem Lauf. Mittig bin ich auf den Stich abgekommen. Im Schuß bricht der Bantengbulle erst vorn, dann auch hinten ein und geht zu Boden. Sofort repetiere ich und bleibe im Anschlag. Das ging mir zu glatt, man weiß ja nie.
Der Bulle bleibt jedoch schlegelnd am Boden. Nach einer Weile ist nun alles ruhig. Das 300 Grains (19,4 Gramm) schwere TUG-Projektil hat ganze Arbeit geleistet. Seitlich von uns, keine 30 Meter entfernt, sichert aus dem Gras mit hoher Nase ein Dingo zu uns rüber. Das wäre eine interessante Doublette, aber nur theoretisch, denn der australische Wildhund wird auf Cobourg geschont.
Vorsichtig, mit schußbereiter Waffe, nähern wir uns nun dem am Boden liegenden Banteng, denn ein nur angeschweißter Bantengbulle nimmt sofort an. Ein Fangschuß ist jedoch nicht mehr erforderlich, er ist bereits verendet. Welch ein Glück, vor mir liegt ein alter, schwarzer Bantengbulle mit guter Hornwehr der Medaillenklasse.
Alle Anstrengungen des Tages sind vergessen. Ich bin Simon dankbar, daß er mich mit seinem Gespür und dem festen Willen zum Finden auf dieses seltene Wild geführt hat. Nicht weit entfernt heult im Busch „unser“ Dingo. ist es die Vorfreude auf das reichliche Mahl, das für die nächsten Tage gesichert ist?
Des einen Leid, des anderen Freud
Durch den Ausfall eines Jägers hat Brinton noch eine Lizenz in dieser Jagdsaison frei. Er bietet mir an, auf einen weiteren Bantengbullen zu jagen. Die Lizenzen für die Bantengjagd müssen von den Outfittern zu Saisonbeginn eingekauft und bezahlt werden. Sie gelten nur für diese Jagdsaison und können weder zurückgegeben noch auf die folgende Saison übertragen werden.
Da wir erst in zwei Tagen wieder nach Darwin zurückfliegen werden, nutze ich diese Gelegenheit, um auf einen weiteren Banteng zu pirschen. Simon ist bereit, mich wieder zu führen.
Am Spätnachmittag gegen 16 Uhr verlassen wir mit dem Geländewagen das Jagdcamp. Jetzt ist es nicht mehr ganz so heiß, denn am späten Nachmittag kommt auf Cobourg immer ein leichter Wind auf.
Wir fahren die bush-road nach Süden. Gerade überlegen wir, wo wir das Fahrzeug abstellen werden, da wechselt rund 150 Meter vor uns eine Bantengherde flüchtig über die Buschstraße. Ich zähle vier Bantengkühe, drei Kälber, und zuletzt kommen zwei Jungbullen.Vermutlich sind die Bantengs nach der Hitze des Tages zum Wasser unterwegs, ein etwa einen Kilometer von hier entfernter Creek bietet klares, frisches Wasser zur Tränke.
Langsam fahren wir weiter. Simon stoppt nun und deutet in den lichten Busch. Etwa 150 Meter von uns entfernt steht ein dunkler Bantengbulle und sichert in unsere Richtung. Vermutlich will er auch zur Tränke, dreht sich jetzt und zieht wieder zurück in den Buschwald. Der Wind steht gut, andernfalls wäre ein Anpirschen des Bullen zwecklos.
Vorsichtig verlassen wir das Fahrzeug und folgen im Schutz der Stämme dem Bullen. Der Banteng verhofft nun wieder und sichert erneut in unsere Richtung. Langsam gehen wir zu Boden, erst in die Hocke, dann legen wir uns flach. Noch etwa 30 Meter robben wir dem Banteng entgegen. Ich bin klatschnaß, so schwitze ich vor Anstrengung, aber auch vor Spannung.
Langsam komme ich im Schutz eines Baumes hoch auf die Knie, kann aber keinen Schuß antragen. Büsche verdecken das Blatt des Bullen, der jetzt etwa in 80 Meter Entfernung vor uns steht. Der Alte muß wohl instinktiv etwas ahnen, er dreht sich erneut und zieht weiter. Ich habe nicht mehr viel Zeit, jetzt muß es passieren oder der Banteng ist verloren.
Spontan springe ich auf, streiche an den Baumstamm an und schon bricht der Schuß. Dem ziehenden Bantengbullen habe ich halbspitz von hinten die Kugel hinter das Blatt gesetzt. Er stürmt hochflüchtig davon. Entsetzt repetiere ich, um einen weiteren Schuß zu wagen. „Good shot“, ruft mir Simon zu, der hinter mir nach dem Schuß aufgestanden ist.
Jetzt erst sehe ich die Staubwolke, die der zusammengebrochene Bantengbulle aufgewirbelt hat. Das ist echte und spannende Jagd. Wieder hat das TUG-Geschoß gute Wirkung gezeigt. Ein Fangschuß ist nicht mehr erforderlich. Da liegt er verendet vor uns, der alte Recke. Heute war er nicht vorsichtig genug.
Diese gute und ansprechende Trophäe und die gegerbte Bantengdecke werden mich, wieder zu Hause, an erlebnisreiche und spannende Jagdtage auf das scheue und seltene Wildrind, den Banteng, hier auf der Cobourg Peninsula, erinnern.
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