Die Jagd im Regenwald ist „Schnappjagd“. Man muss jede sich spontan ergebende Situation nutzen. Aber die Chancen sind rar.
Auf meinen Jagdsafaris durch den Kameruner Regenwald begleiteten mich die einheimischen Pygmäen. |
Verschärfend wirkt sich die feuchte Hitze aus. Eigentlich bin ich gar nicht mehr so wild auf den heimlichen Waldgeist, dem wir nun schon Stunden folgen, und wäre ganz froh, wenn ich auf eine der zierlichen Schopfantilopen zu Schuss käme. So könnte ich, ohne mein Gesicht zu verlieren, diese mir aussichtslos erscheinende Jagd abbrechen.
Martin folgt unbeirrt weiter den teils im Schlamm tief eingedrückten, teils nur durch kleinste Veränderungen im Laub sichtbaren runden Schalenabdrucken eines starken Bongobullen. Die Fährte ist frisch, der Bulle ist heute nacht oder gegen Morgen an einem schmalen Rinnsal entlang gezogen. Immer wieder hebt Martin prüfend einen Grasstängel hoch und schätzt die vergangene Zeit seit dem Abknicken durch den Bongo.
Der Galeriewald, wie die verfilzten Waldstreifen entlang der Wasserläufe genannt werden, ist noch deutlich dichter als reiner Regenwald. Ich möchte aufgeben, schließlich folgen wir nun schon drei lange Stunden dieser Fährte. Als ich dies meinem Schwarzen erkläre, und mit dem Lärm, den ich verursache, begründe, lacht er nur: „Die Elefanten sind noch lauter, und die gibt es hier reichlich.“ Das ist ein zweifelhaftes Kompliment, bin ich schlimmer als der Elefant im Porzellanladen?
Es bedeutet jedenfalls, sich weiter zu schinden. Soviel, wie ich mich hier an einem Tag bücke, schaffe ich kaum in einem Jahr in Deutschland. Plötzlich wird es lichter. Wir nähern uns einer der größeren natürlichen Salzlecken. Von allen Seiten führen immer breiter werdende Wechsel zu ihr. Diese natürlichen Sulzen werden lebhaft vom Wild angenommen. Auch diese Salzlecke wird von Elefanten besucht, der Wald ist stellenweise sehr licht; in weitem Umkreis stehen Malbäume beziehungsweise deren klägliche Überreste. Lange halten die Bäume den zerstörerischen Aktivitäten der Elefanten nicht stand.
Diese weiten, im dichten Dschungel unerwartet offenen Lichtungen sind immer wieder ein Ort der Überraschung für den Jäger. Zu viele taufrische Fährten stehen im grauen Staub beziehungsweise im feuchten Lehm. Oft hatte ich das Gefühl, hier sicher auf begehrtes Wild wie Riesenwaldschwein, Bongo, Goldkatze oder Sitatunga zu Schuss zu kommen.
Obwohl ich kein Freund langer Ansitze bin und überwiegend die Pirschjagd als fordernde Jagd ansehe, habe ich mich von diesen verwunschenen Plätze immer wieder zum Verbleib verführen lassen. Dann musste ich manche Nacht im taghellen Mondlicht inmitten der unweigerlich auftauchenden Myriaden von Stechmücken verbringen, meine Hoffnungen verfluchend.
Wenn der mich zum Ansitzplatz führende Schwarze wieder im dichten Wald untergetaucht war, um die Nacht friedlich im mindestens eine Stunde entfernten Lager zu verbringen, durfte die Lichtung nicht verlassen werden. Im Halbdunkel der Mondnacht hätte man sich ohne GPS-Gerät unweigerlich verirrt.
Der Jagderfolg blieb allerdings ohne hoch liegende Ansitzmöglichkeit fast immer aus. Bei der nächtlichen Windstille und kräuselndem geringen Windzug breitet sich die menschliche Witterung langsam ringförmig in die Umgebung aus und warnt frühzeitig anwechselndes Wild.
In einem alten Jagdbuch von Hauptmann Steinhard las ich, dass die eingeborenen Jäger Namibias vor der Kolonisierung im Pontok, einer leichten, mit Lehm bestrichenen Reisighütte zum Ansitz an Wasserstellen, immer ein leichtes Feuer aus Holzglut glimmen hatten. Wider Erwarten störte sich daran nicht einmal Wild, das auf zwei Meter vorbeiwechselte. Klar, die Schwarzen nutzten den Kamineffekt, das Feuer erhitzte die Luft im Raum und somit entwich Rauch und Witterung nach oben in höhere Luftschichten.
Aber auch der Morgenansitz, bei der bis Mittag meist konstant wehenden, leichten Brise, führt selten zum Jagderfolg. Denn immer wieder kommen Herden von Affen in den Bäumen angeturnt. Diese haben mit ihren scharfen Augen den sich im Unterholz verbergenden Jäger schnell erspäht und verursachen aus sicherer Deckung ein Mordsspektakel, der alles anwechselnde Wild rechtzeitig warnt. Und wenn keine Affen vorkommen verraten die Warnrufe der anstreichenden Vögel den zweibeinigen Jäger.
Teil 2
Waffen kann man beim Pinselohrschwein selten erkennen, aber dieser Keiler ist massig. Der muss alt sein, da „fackel“ ich nicht lange. Bongo hin – Bongo her, ein roter Keiler ist mir fast genauso lieb. Im Knall bleibt er im Feuer. Sofort springen meine schwarze Begleiter vor und sichern sich mit ihren Macheten das Wild mit dem begehrten, feisten Wildbret. Bei einem Bongo wären sie erst nach einem längeren Zauber unter Verbrennen von speziellen Gräsern ans Wild getreten.
Dem Stamm der Babute, aus denen ich meine lange Trägerkarawane rekrutierte und mit der wir 80 Kilometer in den Regenwald eindrangen, ist der Bongo, neben Flusspferd und Gabunviper, tabu und darf von den Schwarzen nicht willentlich erlegt werden. Falls er in eine ihrer zahllos gestellten Schlingen gerät, wird er jedoch sehr wohl verwertet, allerdings erst nach dem entsprechenden Zauber, der den bösen Geist des Tieres bannt.
So, das war es wohl für heute, ich bin glücklich über mein Waidmannsheil, der Keiler ist alt und hat für ein Pinselohrschwein stattliche 15 Zentimeter lange Hauer. Nur schade, dass man die Schwarte bei der feuchten Hitze nicht präparieren kann. Sie ist weitgehend mit Fettzellen durchsetzt und verdirbt trotz Salzen schnell.
Aber Martin gibt nicht auf. Wir lassen die anderen Schwarzen zurück und hängen weiter der Bongofährte nach. Der Bulle hat salzhaltige Erde aufgenommen und ist weitergezogen. Stunde um Stunde folgen wir, bis selbst Martin am späten Nachmittag aufgibt und wir uns müde und erschöpft zu dem inzwischen nahe der Salzlecke errichteten Lager durchschlagen.
Auch der nächste Tag bringt wieder eine ermüdende Pirsch, bei der wir erneut gegen zehn Uhr eine Bongofährte, diesmal ein starker Bulle mit einem schwächeren, aufnehmen können. Gegen Nachmittag pressiert es plötzlich, als ein roter Fleck im dichten Laub auf ausnahmsweise 65 Meter in einer Senke des Bachlaufs sichtbar wird. Martin ist sicher: „Bongo – vite Patron.“ Dementsprechend Gewehr an die Backe, Feuer und dann Nachsuche auf wenig Schweiß. Der zu hastig abgegebene Schuss erweist sich als Streifschuss. Nach langer Nachsuche müssen wir am Abend aufgeben, der Bongo zieht immer noch weiter und geht nicht ins Wundbett.
Als wir dann am nächsten Tag ein Lager an einem verabredeten Ort aufschlagen, treffen wir meinen Freund Gotthard. Er hat mich damals schon acht Mal auf selbstorganisierten Safaris in Kamerun begleitet und war drei Tage lang der Fährte eines kleinen Trupps Elefanten mit einem starken Bullen gefolgt. Am dritten Tag war er, ob des Tempos seines Fährtensuchers schon reichlich angeschlagen, als plötzlich auf der Fährte auf 25 Meter ein starker Bongobulle hoch wurde.
Die Antilope hielt die Jäger wahrscheinlich für die nächsten anwechselnden Elefanten und wurde daher nicht frühzeitig flüchtig. Da fackelte mein Freund nicht lang und traf instinktiv die richtige Entscheidung, der prachtvolle Bongo lag im Feuer.
Zwar sind starke Elefanten auch in Kamerun inzwischen selten, aber ein Bongo ist doch ein Traum, den man sich auf einer selbstorganisierten Safari sehr hart erkämpfen muss. Auch mir war Diana erst viel später hold.
Teil 3
Sitatungas fährtete ich immer wieder auf meinen Jagden. Die Trittsiegel mit den charakteristischen langen, schmalen, vorn gespreizten Schalen standen häufig ganz frisch im Schlamm oder den Sandbänken im Fluss. Bei der Morgenpirsch hatte man immer die Hoffnung, jederzeit auf eines dieser scheuen Nachtgespenster zu stoßen.
Aber die Sumpfantilope entzog sich meinem Jagdglück, so dass ich langsam immer mehr von ihr angezogen wurde. Schließlich beschloss ich, bei der nächsten Safari eine der vier geplanten Wochen ausschließlich der Jagd auf Waldsitatunga entlang eines größeren Flusses zu widmen.
Nachdem wir mit unserer Trägerkarawane drei Tage in den Wald eingedrungen waren, und es nur noch vereinzelte verlassene Lager von Fischern gab, begannen wir systematisch in der Dämmerung zu jagen. Noch im Dunkeln, lange vor Beginn der Dämmerung, brach ich mit dem Fährtensucher auf und pirschte dann im ersten Morgengrauen weit entfernt vom Lager die Sandbänke des Flusses entlang.
Die fast undurchdringlich wuchernden, hohen Uferbüsche einer bestimmten Pflanze hatten es der scheuen Antilope mit ihrem Schraubengehörn offenbar besonders angetan. Dort standen regelmäßig die Abdrücke ihrer überlangen, gespreizten Schalen im Sand. Doch unsere Pirsch brachte in den ersten Tagen keinen Anblick, wir verlegten mehrfach unser spartanisches Lager.
Wieder einmal waren wir im feuchtkühlen Morgennebel aufgebrochen und ungefähr einen Kilometer vorsichtig im Wasser des Flusses gewatet, da die Uferbänke noch unter Wasser lagen oder durch extrem dichten Bewuchs kein lautloses Durchkommen ermöglichten.
Als wir wieder einmal ganz vorsichtig die Füße langsam im Wasser bewegend, um jedes unnötige Geräusch zu vermeiden, auf eine Sandbank stiegen, verhielt mein Fährtensucher in der Bewegung. Vor uns, auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses in 30 Meter Entfernung, nahm ein ausgewachsenes Hirschferkel (Hyemochus aquaticus) gierig die salzhaltige Erde einer natürlichen Sulze auf. Dann schlug der Wind um, und mit einem schnarchenden Warnlaut verschwand das Nachttier in der schützenden Deckung. Gleichzeitig prasselte es gut zehn Meter weiter auf der inselförmigen Sandbank im Unterholz. Dort sprang, durch den Warnlaut alarmiert, ein stärkeres Stück ab. Das flüchtete dann platschend durchs Wasser. Als wir an den Rand des Bewuchses gelangten, standen die Schalen-Abdrücke eines starken Sitatunga-Bullen im Sand.
Verflixt, so nah dran, und wieder vergebens. Ohne das Hirschferkel wären wir weitergepirscht und zumindest ein Schuss auf kurze Entfernung auf die im Wasser flüchtende Sitatunga wäre möglich gewesen. C´est la vie. Nach einer Woche widmete ich lieber meine knappe Zeit der Großwildjagd.
Auf einer anderen Safari beschloss ich zu Beginn der diesmal erst spät im Mai einsetzenden Regenzeit, zur Jagd auf die Sitatunga in ein äußerst schwer zu bejagendes Sumpfgebiet zu ziehen. Da die Trockenzeit normalerweise im April endet, sind im folgenden Monat fast alle Niederungen überschwemmt und die Pirsch in diesen Sümpfen kaum möglich.
Immer wieder versinkt man in tiefen, schlammigen Löchern zwischen Wurzelwerk und erzeugt unweigerlich platschend viel Lärm. In diesem Jahr bescherte mir die verlängerte Trockenzeit günstige Vorausetzungen zur Bejagung der scheuen Sumpfbewohnern. Die Sümpfe waren ausgetrocknet, auf ihrer rissigen Lehmfläche wuchs kurzes, dichtes, grünes Gras, zu dem das Wild von weither zur Äsung zog.
Wieder schlugen wir ein Basislager am Fluss auf. Von dort brach ich mit einer kleinen Truppe von zwei Trägern und dem bewährten Fährtensucher Sumano zu einem erfolgversprechenden sumpfigen Bachlauf auf. Der Anmarsch führte uns schon am ersten Tag in einigen Savannen an Rotbüffel, doch nach weit zweistelligen Zahlen in meinem Schussbuch begnügte ich mich, zur Verzweiflung meiner ewig fleischhungrigen Einheimischen, mit Zielübungen auf die vor uns äsenden Stücke.
Leider brachte der Abend eine unangenehme Überraschung: Wir stießen nur auf ein ausgetrocknetes Bachbett, kein Wasser weit und breit. Die zum Erkunden bachauf und bachabwärts ausgeschickten Schwarzen kehren mit langen Gesichtern zurück. Unser Durst war nach dem anstrengendem Weg an dem heißen Maitag ungeheuer. Zwar hatten wir unterwegs von wasserführenden Lianen getrunken, doch das war nicht genug.
Obwohl alle Schwarzen in unserer prekären Lage in alle Himmelsrichtungen ausschwärmten und auf den Hügeln und Hängen nach wasserführenden Lianen suchten, graute mir vor der wasserlosen Nacht: verklebt und verdreckt, mit am Gaumen klebender Zunge.
Sumano gab nicht auf und suchte im Bachbett bis er eine Stelle mit schwarzer Erde an einer Biegung um einen dicken, knorrigen Baum fand und begann dort mit der Machete zu graben. Immer tiefer schaufelte er den Lehm heraus. Nach vierzig Zentimetern wandelt sich der schwarze Boden in feinen, weißen, durch hellen Lehm gebundenen Sand. Als sein Arm bis zur Achselhöhle in der Tiefe verschwunden war, musste er die Grabung einstellen. Noch immer zeigte sich in dem kreisrunden Loch mit fünfzig Zentimeter Durchmesser kein Zeichen von Wasser.
Sumano lächelte jedoch und zeigte mir eine schwach glänzend schimmernde Stelle im unteren Drittel der Wand unseres „Brunnens“ und begann seelenruhig mit dem Aufbau des Lagers. Als ich später in das Loch blickte, seufzte ich erleichtert auf. Auf dem Boden hatte sich eine fünf Zentimeter hohe, milchige Wasserlache gebildet, in die es aus der Wand jetzt deutlich sickerte. Nun konnten wir nach und nach unseren Durst löschen.
Teil 4
Plötzlich schoss siedendheiß ein Adrenalinstoß durch den Körper, als plötzlich das erste Stück Wild in einer Lücke auftauchte und unschlüssig zu uns äugte. Eine Kamerun-Schirrantilope (Buschbock) mit ihrer rostroten Decke mit weißen Quer- und Längsstreifen verhoffte auf 40 Meter vor uns. Es war ein weibliches Stück mit seinem Kitz, die nach kurzem Zögern in eleganten Sprüngen in den schützenden Wald flüchteten.
Doch dann sprang unverhofft eine starke Sitatunga im undurchdringlich erscheinenden Dornenverhau auf. Nur das Haupt mit seiner blitzenden Wehr ragte heraus. Im Bruchteil einer Sekunde sind die gedrehten, langen Hörner mit den elfenbeinfarbig glänzenden, dolchartigen Spitzen auch schon unserem Blick entzogen. So ein Pech, die Sitatunga hatte völlig verdeckt gelegen.
Uff, nun hatte ich weiche Knie, so nah hatte ich das ersehnte Wild noch nie vor mir. Nun pirschten wir mit doppelter Aufmerksamkeit weiter und versuchten, unter den Hindernissen durchzukriechen, mussten uns aber in der zunehmenden Hitze Meter für Meter durch Dorn- und Blätterbusch durchhacken.
Zahllose Ameisen quälten uns. Sie kommen bei Wassermangel in Sumpfgebieten konzentriert vor und laufen auf den Stängeln der Lianen. Immer wieder streift man die kleinen, roten Plagegeister vom Blattwerk. Am ganzen Körper waren wir von ihnen, von Bremsen, Tsetsefliegen, Mücken und anderen Insekten zerstochen.
Kaum hatten wir uns mühsam durch ein besonders übles Dickicht gekämpft, als wir fast gleichzeitig begannen, einen Veitstanz aufzuführen, um uns die Kleider vom Leib zu reißen und von Feuerameisen zu befreien. Die winzigen, dunkelroten Tierchen, die höllisch brennende und langanhaltend juckende Bisse verabreichen, gehören zu der schlimmsten Ameisenart. Bei empfindlichen Personen können schon drei oder vier Bisse tödlich sein!
Als wir uns schimpfend gegenseitig die Untiere ablasen, prasselte es auf der vor uns liegenden Sumpfwiese. Ein Satz brachte mich ins Freie. Auf der Freifläche sprang in kraftvollen Fluchten eine kapitale Sitatunga ab. Als ich das Gewehr endlich schussbereit im Anschlag hatte, erreichte sie soeben die schützende Deckung. Die hatten die Feuerameisen gerettet.
Am Spätnachmittag entdeckten wir eine klare Quelle an einem ausgetrockneten Zufluss der Sümpfe. Gezielt suchte Sumano die Ursprünge der Bachläufe ab, dort findet man am ehesten Wasser. Erleichtert lagerten wir hier.
Meine Mannen wollten Fleisch im Kochtopf, also brach ich mit meinem Fährtensucher zur Rufjagd auf Ducker auf. Wir pirschten durch die lichteren Wälder auf den umliegenden Hügeln. Immer wieder ließen die Schwarzen den nasalen Ruf ertönen.
Endlich krachte es im Unterholz, ein Blauducker wischte heran und flüchtete flink im Bogen auf fünf Meter an uns vorbei. Zu schnell, um Kimme, Korn und Wild in eine Linie zu bringen. Sumano gab nicht auf und wiederholte den Ruf. Da sauste das kleine Böckchen erneut aus der gleichen Richtung heran und lag im Knall.
Das Abendessen war gesichert. Das fast weiße Wildpret schmeckte hervorragend. Dazu konnte ich wieder eine neue Duckerart meiner Strecke hinzufügen und befühlte voller Freude die nur zwei Zentimeter langen, zierlichen, hellen Hörnchen des alten Blauduckers.
Am folgenden Tag pirschten wir wieder den ganzen Tag die Lichtungen im Sumpf ab. Überall standen die Sitatungafährten, aber unsere Mühe blieb vergeblich, wir bekamen keinen Anblick. Ich beschloss, im Bogen durch den Wald wieder zum Basislager zurückzukehren, dazu würden wir auch drei Tage benötigen, vielleicht könnten wir auf Großwild stoßen.
Zunächst pirschten wir im dichten Wald einen Bach entlang, wieder in die Richtung unseres Basislagers. Infolge der üppig wuchernden, verfilzten Dornenlianen kamen wir kaum vorwärts. Stellenweise war Waten im Bach der leichteste Weg für uns. Nur noch für zwei Tage hatten wir Verpflegung, dann sollten wir im Basiscamp eintreffen, in dem Nachschub an Maniokmehl und Reis gelagert war. Ohne Kohlenhydrate lässt die Stimmung und damit die Leistung der Schwarzen schlagartig nach. Nur täglich frisch zu erjagendes Wildpret ist ihnen als Energiespender nicht ausreichend, an ihren muskulösen Körpern zeigt sich kein Gramm Fett.
Gegen Mittag erleichterte ein schmaler Wildwechsel am Ufer des Baches das Durchkommen. Da wir bald die übliche Mittagsrast einlegen würden, blieb ich etwas zurück, um eine Orchidee zu fotografieren. Dann schloss ich mich wieder der im Gänsemarsch ziehenden Trägerkolonne an und reihte mich wegen der bevorstehenden Pause und der zu mittäglicher Stunde sehr geringen Wahrscheinlichkeit, auf Wild zu treffen, am Schluss unserer Mannschaft ein.
Der Wechsel stieg über ein drei Meter hohes Steilufer an und umging im lichteren Hochwald einen tieferen, verschlammten, dicht von wucherndem Pflanzengewirr umgebenen Kolk. Ein verschwiegenes, malerisches Plätzchen, Urwald pur, bot sich dem Auge.
Ich hatte diesmal den Drilling getragen und nahm ihn nun von der Schulter, um die steile Passage auf das Ufer zu erklimmen und verschnaufte, den Kolk betrachtend, einen Augenblick. Weiter vorn erklang im Hochwald der helle Schlag der schweren Machete, mit der mein Fährtensucher eine den Weg versperrende Liane durchschlug. Da geriet unversehens zwanzig Meter vor mir das Gebüsch am Rand des Baches in Bewegung, eine Sitatunga schnellte heraus und verhoffte auf einem das Steilufer hinaufführenden Wechsel.
Sie hatte dort in sicherer Deckung gelegen, doch nun wurde ihr unsere Geräuschkulisse wohl zu bedrohlich. Das sich bietende Bild war atemberaubend. Sichernd hatte der graubraune Bulle sein Haupt mit den typischen weißen Flecken am Äser und über dem Windfang in die andere Richtung zu den Trägern gewendet. Die langen, dunklen, gedrehten Hörner mit hellen Spitzen hoben sich gut vor dem hellgrünen Blattwerk ab. Da ich den Drilling in der Hand hielt, konnte ich in einer flüssigen Bewegung anschlagen und schießen. Der Trägerschuss ließ den Bullen schlagartig zusammenbrechen.
Überrascht erschallte lautes Stimmengewirr aus dem Wald, neugierig schauten die Schwarzen vom Ufer zu mir herüber. Was hatte der „Patron“ wohl hinter ihnen beschossen? Für sie zählt nur das schmackhafte Wildpret des ungefähr 70 Kilogramm schweren, alten Bullen.
Das Lager war im Handumdrehen im Hochwald aufgebaut, eine ausreichende Fläche für mein Moskitonetz wurde in etwas Abstand vom lärmenden Völkchen von altem Laub freigeräumt, der klare Waldbach lockte zum erfrischenden Bad. Kurz, das alles passte wunderbar als würdiger Abschluss dieses unverhofften Waidmannsheils.