Argalis und ihre Trophäen

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Asiatische Argalis sind bisher wenig erforscht worden. Erst in den letzten zehn Jahren wurden hier Fortschritte gemacht. Aus der Feder eines der größten Argali-Experten bringen wir hier zum ersten Mal Forschungsergebnisse.

 

Erst im direkten Vergleich zu erkennen: Die dicken Hornspitzen eines 12-jährigen Widdders (l.) und die schwächeren eines achtjährigen Argali-Widders aus Karaganda.
Erst im direkten Vergleich zu erkennen: Die dicken Hornspitzen eines 12-jährigen Widdders (l.) und die schwächeren eines achtjährigen Argali-Widders aus Karaganda.
Von Dr. Alexander Berber
Asiatische Argalis sind bisher wenig erforscht worden. Erst in den letzten zehn Jahren wurden hier Fortschritte gemacht. Aus der Feder eines der größten Argali-Experten bringen wir hier zum ersten Mal Forschungsergebnisse.
Noch vor zwanzig Jahren war es in der alten Sowjetunion undenkbar gewesen, sich für ein Jahrzehnt und mehr nur der einen einzigen Argali-Unterart zu widmen.
Heute ist das aber anders, und ich habe mir als Wissenschaftler und Berufsjäger den Luxus leisten können, über zehn Jahre lang sehr intensiv das kasachische Karaganda-Argali (Ovis ammon collium) zu erforschen und ausländische Jagdgäste auf dieses Wild zu führen.
Einen Teil meiner Forschungsergebnisse habe ich mehrmals in JAGEN WELTWEIT (siehe JWW Nr. 1/93, 3/93 und 3/97) veröffentlicht. Diese Zeitschrift war in mehreren Fällen die erste und einzige Zeitschrift im Westen, die diese wissenschaftlichen und jagdlich interessanten Resultate gebracht hat.
Es soll deshalb keinen verwundern, wenn man im Literaturverzeichnis meiner Argali-Dissertation an mehreren Stellen auch JAGEN WELTWEIT als Quelle angeführt sieht.
Selbstverständlich habe ich auch alle anderen in Kasachstan vorkommenden Argali-Unterarten erforscht und eine aktuelle Verbreitungskarte gezeichnet. Wenn man aber eine Unterart gründlich kennt, ist das eine sehr gute Grundlage zur Erforschung und Verständnis aller anderen.
Aus diesem Grund habe ich auch hier eine vergleichende Darstellung der jagdlichen Aspekte bei Argali-Trophäen gewählt. Ausgehend von meinen gesicherten Forschungsergebnissen beim Karaganda-Schaf gebe ich Parallelen zu den anderen, jagdlich wichtigen Argaliunterarten.
Die Unterschiede sind bei Argalis oder Riesenschafen (Uriale und Schneeschafe als ganz andere Untergattungen der Wildschafe ausgenommen) nicht groß, und alle Angaben können Jäger auch für andere Argalis zur jagdpraktischen Trophäenbeurteilung als Orientierung nutzen.
Form und Aufbau
Über Biologie, Morphologie, Verbreitung und Bestand der Argalis und insbesondere des Karaganda-Schafes wurde in dieser Zeitschrift schon mehrmals berichtet.
Jetzt interessiert uns eine jagdlich wichtige Frage, und zwar die nach Form, Entwicklung und Variabilität der Argalischnecken.
Bei den Argalis haben auch Schafe Hörner, die schwach (mit einer Länge von maximal 40 Zentimetern), dünn und seitlich zusammengedrückt sind. Sie sind gerade oder leicht säbelförmig gebogen und nach hinten gerichtet.
Gewaltige Schnecken mit dicker Basis und einer unglaublichen Länge verleihen dem Argaliwidder eine beeindruckende Erscheinung. Seine Schläuche richten sich erst aufwärts, nach den Seiten und rückwärts und entrollen sich als mehr oder weniger sanfte Spiralen nach den Seiten.
Bei alten Widdern (acht Jahre und mehr) bilden die Schnecken einen geschlossenen Kreisbogen (full curl). Oft aber übertreffen sie ihn auch noch, was die meisten Schafjäger ganz besonders schätzen.
Der Basisquerschnitt hat die Form eines Dreiecks mit stark abgerundeten Ecken. Auch der Querschnitt des Horns (der in der Regel am fünften Jahresring ermittelt wird) ist dreieckig mit mehr oder weniger spitzen Winkeln.
Schneckenwachstum
Argalischnecken beginnen bald nach der Geburt zu wachsen, und ihr Wachstum hält das ganze Leben hindurch an. Nur im Winter kommt es zu einem Stillstand im Hornwachstum, der am Schlauch eine ringsum verlaufende Einschnürung – genannt Jahresrille – verursacht. Zwischen diesen Jahresrillen liegen Jahresabschnitte oder Jahressegmente.
Bei Argali-Widdern findet das intensivste Längenwachstum der Schnecken im zweiten Lebensjahr statt. Beim Karaganda-Argali erreichen Jahresabschnitte in dieser Lebensperiode im Schnitt eine Länge von 25,4 Zentimetern.
In den darauffolgenden Jahren verlangsamt sich das Tempo immer mehr, so dass das jährliche Wachstum bei zehn- bis 13jährigen Widdern nur noch 5,2 bis 2,8 Zentimeter beträgt.
Auch das Wachstum der Hornbasis ist in den ersten Lebensjahren am intensivsten, im Alter von sieben bis neun Jahren erreicht sie dann in der Regel ihre volle Entwicklung.
Die Schneckenlänge hängt im wesentlichen auch vom Grad und der Schnelligkeit der Abnutzung der Hornspitzen ab. Diese stumpfen (amerikanische Schafjäger nennen sie „broomed“) Schneckenspitzen der alten Widder sind anscheinend eine Folge zufälliger Stöße der Hornenden gegen Steine und Felsen.
Die Breite der abgenutzten oder abgebrochenen Hornspitzen beträgt in einigen Fällen 6,5 bis 7,5 Zentimeter. Ungeachtet der individuellen Unterschiede ist mit dem zunehmenden Alter der Widder eine deutlich größere Abnutzung ihrer Hornspitzen eindeutig feststellbar.
Nicht selten trifft man auf Widder mit starken Verletzungen oder Beschädigungen der Schnecken. Nach unseren Beobachtungen sind die meisten Schneckenverletzungen eigentlich Rammschäden während der Brunftkämpfe oder haben ihre Ursache in zufälligen Abstürzen.
Auf die Hornlänge wirkt sich aber negativ auch eine ganze Reihe anderer Faktoren aus, wie zum Beispiel Krankheit, Hunger, Verletzungen und ähnliches. Deshalb darf nicht überraschen, dass nicht alle alten Widder starke Schnecken aufweisen.
Variabilität der Formen
Auch für Argaliwidder ist eine große Variabilität der Schneckenformen charakteristisch. Wir haben oft in den gleichen Gebieten und sogar auf den gleichen Bergen Widder beobachtet, deren Schläuche sich in Stärke, Form und sogar Farbe (es kommen alle Nuancen von Hellgelb bis Dunkelgrau vor) deutlich voneinander unterschieden haben.
Bei allen Argalischnecken unterscheiden wir je nach Schlauchdrehung (also der Drehung der Schläuche um ihre eigene Achse) drei Haupttypen:
  • Schnecken mit parallel verlaufenden Hornenden (sichelförmig gebogene Hörner mit Krümmung in einer Ebene)
  • diejenigen mit nach innen abgebogenen Hornenden (mit der Krümmung des Hornendes nach innen zum Träger hin)
  • Schnecken mit nach außen oder seitlich abgebogenem Hornende (mit der Krümmung des Hornendes nach außen, vom Träger und Haupt nach der entsprechenden Seite)
Auch beim Karaganda-Argali finden wir alle diese Formen, nur verschieden häufig. In der Regel hat der Karaganda-Argali (zusammen mit dem Dschungarischen und Altai-Argali) eine parallele Form der Schläuche (75 Prozent der Widder).
Widder mit nach innen abgebogenen Schlauchspitzen sind mit acht Prozent, solche mit nach außen abgebogenen Hornenden (eine Schneckenform, die für Marco-Polo- und Tienschan-Argali charakteristisch ist) mit 17 Prozent vertreten.
Stark oder nicht stark?
Die Frage, was eine starke Argali-Trophäe ist, hat zwei Aspekte: Wie bewerten Rekord-Bücher und wie sieht es der Jäger? Sowohl gemäß der Auspunktung von Argalischnecken nach SCI- wie CIC-System bringen Basisstärke und Umfang der Schläuche die meisten Punkte.
So passiert es oft, dass eine Trophäe mit kurzen, aber dicken Schnecken, die, ehrlich gesagt, gar nicht so beeindruckend ist, viel mehr Punkte bringt, als eine mit langen, etwas dünneren Schläuchen. Die Auslage gehört zwar beim CIC-System zu den sogenannten „Ergänzungsangaben“, sie wird aber weder nach SCI noch nach CIC zu den Punktzahldaten gezählt. Jagdpraktisch ist der Hornumfang kaum von Bedeutung.
Wenn sich also zwei Schaf- oder Bergjäger über Argalitrophäen unterhalten, sprechen sie nur von Schneckenlängen. Ein Marco Polo-Widder der Spitzenklasse hat 60 Inch Hornlänge, ein starkes Karaganda-Schaf 50 Inch.
Die Schneckenstärke wird dabei gar nicht genannt. Erst wenn die Hornlänge etwas zu wünschen übrig läßt, versuchen betroffene Jäger, ihre Schaftrophäen durch Angabe des Basisumfangs stärker erscheinen zu lassen, als sie wirklich sind.
Seit Beginn der 90er Jahre habe ich im zentralkasachischen Karaganda-Gebiet als Berufsjäger, Jagdinspektor und nun auch als oberster Jagdchef mit fast allen großen Schafjägern der Welt gejagt.
Ich weiß, welche Widder Jäger besonders schätzen. Als Berufsjäger und Wildbiologe und Jagdleiter des Karaganda-Gebiets bin ich persönlich der Meinung, dass eine starke Argalitrophäen durch Hornlänge, Basisumfang und Auslage genügend charakterisiert ist.
Aber wenn alle diese Merkmale stimmen und den Gastjäger beeindrucken, kann er sicher sein, einen reifen, starken Widder erlegt zu haben.
Ansprechen der Trophäen
Auch für einen Schafjäger ist es sicherlich von Nutzen, wenn er all die vier Trophäenklassen der Argaliwidder kennt. Jungwidder der Altersklasse 1,5 bis zwei Jahre werden normalerweise nicht dazu gezählt.
Sie unterscheiden sich äußerlich nur wenig von erwachsenen Schafen, weshalb man sie auf größere Entfernung öfters mit Schafen verwechseln kann.
Zur Klasse IV zählen zweieinhalb- bis dreijährige junge Argali-Widder mit nur 1/4 des Kreisbogens der Schnecke. Geringe Widder im Alter von dreieinhalb bis fünf Jahren gehören zur Klasse III und haben etwa die Hälfte des Kreisbogens des Horns ausgeformt.
Zur Klasse II (Alter fünfeinhalb bis acht Jahre) zählen mittelstarke Argaliwidder mit 3/4 des Kreisbogens des Hornes, zur Klasse I (Alter acht Jahre und mehr) Widder mit geschlossenem Kreisbogen – „full curl“ – und mehr.
Nur die Widder der Klassen II und I können als jagdbar bezeichnet werden.
In Asien gibt es keine gesetzlichen Vorschriften über die Erlegung von nur „jagdbaren“ (engl. „legal“) Argaliwiddern.
Als Faustregel kann aber der Grundsatz gelten: Jagdbar sind alle Widder ab acht Jahren oder mit mindestens 3/4 des Kreisbogens der Schnecke (am besten natürlich mit „full curl“ und mehr).
Wie bei allen freilebenden Wildarten ist auch das Ansprechen von Argalis in freier Wildbahn nicht einfach. Ein starkes Spektiv (mit 30facher Vergrößerung) und Fernglas (10 x 40 gilt als ideal) erleichtern zwar die Beurteilung der Trophäen, eine letzte Sicherheit ist allerdings nur am erlegten Stück möglich: Erst dann kann die tatsächliche Schlauchlänge gemessen und das Alter durch Zählen der Jahresrillen festgestellt werden.
Sehr oft haben gerade alte, starke Widder eine abgebrochene oder abgeschabte Hornspitze, und nur der Jäger kann entscheiden, ob er auf ein solches Schaf jagen will oder nicht. Für so manchen Jäger ist ein solcher Widder mit der „Trophäen-Ästhetik“ unvereinbar, was jagdlich und wildbiologisch falsch ist, weil stumpfe Hornenden ein sehr häufiges Merkmal alter Widder sind und daher eigentlich niemanden stören dürften.
Was den Karaganda-Widder betrifft, so sprechen alle die von mir gesammelten Daten dafür, dass die Trophäen des Karaganda-Argali (Hornlänge, Auslage und Basisumfang) mit denen des Dschungarischen Argali (O. a. lettledalei) fast identisch sind. Sie übertreffen damit diejenigen des Tienschan-Argali in der Stärke, stehen aber denjenigen des Marco Polo-Argalis in der Länge und den Schnecken des Altai-Argalis im Basisumfang nach.
Mit jedem Jahr werden in Karaganda immer stärkere Widder von ausländischen Jagdgästen (die Argalijagd ist für einheimische Jäger seit vielen Jahren nicht gestattet) erlegt.
Alle bisherigen Trophäenangaben belegen diese aufsteigende Tendenz, und ich bin mir sicher, dass noch stärkere Widder draußen im abgelegenen Hügelland ihre Fährten ziehen.
Aus dem Russischen übertragen von Toma Ivanovic.
Fotos: Toma Ivanovic

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