„Selous darf nicht sterben“ sagte MdB Christoph Hoffmann (FDP) zu Beginn und Ende seines Redebeitrags, als der deutsche Bundestag am Abend des 17. Januar über den Mega-Staudamm in Afrikas größtem Naturschutzgebiet debattierte.
Querschnitt durch den geplanten Damm aus der Projektplanung. Das Bauwerk im Herzen des Selous Wildreservats wird etwa 130 Meter hoch und 700 Meter lang und soll 5 Millionen m3 Bausubstanz haben. Es wird damit einer der größten Staudämme in Afrika sein. (Quelle: Odebrecht Präsentation 2013)
Über Parteigrenzen hinweg war man sich einig, dass dieser Damm das 50.000 km2 große Naturschutzgebiet in Süd-Tansania irreversibel schädigen wird. Dabei sind der Damm und das vorgesehene Wasserkraftwerk ökonomisch zweifelhaft, und es ist in hohem Maße fraglich, ob sich auf diese Weise die Stromversorgung im Lande sichern lässt. Es wurde auch nicht untersucht, ob es bessere Möglichkeiten zur Energieversorgung gibt. Besonders kritisch ist die Tatsache, dass keine belastbare Umweltverträglichkeitsprüfung für das Großvorhaben angefertigt wurde, das auf über 30 Jahre alten Plänen beruht.
Deutschland hat das Wildreservat in der Vergangenheit mit 25 Millionen Euro unterstützt. Derzeit bringt der deutsche Steuerzahler erneut 18 Millionen Euro auf, um die Natur im Selous zu erhalten. Bei allem Verständnis für den Energiemangel in Tansania ist schwer zu begreifen, dass Tansania selbst seine Natur dort mit einem zweifelhaften Projekt gleichzeitig großflächig zerstört. In Kürze sollen 1.500 km2 Wald gerodet werden. Dies wäre eine der größten Abholzungen weltweit. Die Überflutungsfläche wird dreimal so groß wie der Bodensee sein und Land unter Wasser setzen, auf dem derzeit noch Elefanten, Löwen, Leoparden und Antilopen ihre Fährten ziehen. Flussabwärts könnten 200.000 Menschen, so der Antrag, durch Veränderungen des Flusslaufes in ihrer Existenz bedroht werden. Mit dem Bau wurde inzwischen begonnen, obgleich unklar ist, woher die Finanzierung für das Multimilliardenprojekt kommen soll.
In seinem Beschluss fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, das Land Tansania bei der Entwicklung des Energiesektors zu unterstützen, so dass der vom Nutzen her zweifelhafte Staudamm nicht gebaut werden muss. Die Bundesregierung soll einen Dialog mit der tansanischen Regierung über „Alternativen zum geplanten Bau des Megastaudamms Stieglers Schlucht“ aufnehmen, um gemeinsam eine Lösung zu finden, durch die das UNESCO-Weltnaturerbe doch noch gerettet werden kann.
Die Abgeordneten haben deutlich gemacht, dass sie Verständnis für Tansanias Energienöte haben und dass es ihnen nicht um Kritik geht. Stattdessen will Deutschland an einer konstruktiven Lösung mitwirken, die auch den Schutz des globalen Naturerbes einschließt.
Ob Tansanias Präsident zu diesem Dialog bereit ist, muss sich jetzt zeigen. Die Verhandlungen über die deutsche Entwicklungshilfe ließen die Tansanier kürzlich platzen, und die Beamten aus Bonn mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Der EU-Botschafter in Tansania musste das Land verlassen, nachdem er gewagt hatte, die zunehmenden Menschenrechtsverletzungen zu thematisieren. Und MdB Volkmar Klein (CDU) durfte den Selous noch nicht einmal betreten, so seine Worte im Bundestag, als er letzte Woche in Tansania weilte, um sich einen Eindruck vor Ort zu verschaffen. Dass man dem Sprecher für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der CDU/CSU den Zugang zu einem Naturschutzgebiet verwehrt, in das erhebliche deutsche Finanzmittel fließen, ist ein Politikum, dass die Bundesregierung wohl kaum ohne Reaktion hinnehmen kann.
rdb