Uriges Wild – Zwischen Weißrussland und Kaukasus

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Hansgeorg Arndt

Die Jagd auf den Wisent war in Europa viele Jahrhunderte lang ein Alleinrecht großer Herren und Fürsten, ja mitunter nur der Könige. Das Töten eines Wisents galt in alten Zeiten als außerordentliche Heldentat, deren zum Beispiel auch Siegfried im Nibelungenlied gerühmt wird.
Für kein Geld auf der Welt war es einst einem einfachen Bürger möglich, einen Abschuss zu bekommen. Es ist bezeichnend, mit welcher Hochachtung Pfizenmayer (ein guter Kenner der europäischen Jagdtradition) und Kustos im kaukasischen Landesmuseum von Tiflis in seinem Kaukasus-Buch aus dem Jahre 1929 vom Wisent spricht.
Dieses „königliche Hochwild“ ist für ihn „das edelste Hochwild Russlands“, dieses „urige Wildrind, unseres Erdteils gewaltigstes Hochwild“ ist „die edelste und begehrteste Jagdbeute unserer Vorfahren“; der Wisent ist der „König der europäischen Wälder“, der „vornehmste Vertreter unserer europäischen Säugetierfauna“.
Von dem russischen Großfürsten Sergius Michailowitsch, der Ende des vorigen Jahrhunderts das ausschließliche Jagdrecht im Kaukasus hatte, erzählt Pfizenmayer, dass dieser dort „nur selten einen Wisent erlegte.
Er ließ auch nur einige wenige Stiere und Kühe schießen, die er als Geschenke an russische und ausländische Museen gab“.
Auch der russische Zar hatte seinerzeit im Bjelowescher Urwald (der sein Jagdrevier war) „seinen hochgestellten Gästen, ja selbst den Großfürsten nur höchst selten einen Wisent zum Abschuss freigegeben“.
Pfizenmayer hatte gute Verbindungen zum russischen Hof, und trotzdem durfte er nicht einmal mit einem Jagdgewehr durch das kaukasische Wisentrevier (das er mehrmals besuchte) am Kubanfluss marschieren.
„Damals durften ja“, schrieb er über seine Vorbereitungen zum Besuch des Wisentreviers im Kaukasus, „nur Auserwählte und Wildschützen Wisente schießen.
Keiner dieser beiden Menschenarten gehörte ich an, und deshalb bewaffnete ich mich mit meiner Kamera für den Fall, dass ein Wisent so freundlich sein sollte, sich von mir knipsen zu lassen.“
Noch vor fünfzig Jahren haben auch die größten Optimisten ihren Glauben aufgegeben, noch einmal den Wisent in freier Wildbahn zu sehen. Angesichts seiner tragischen Vorgeschichte wäre es eigentlich gar nicht verwunderlich, wenn der Abschusspreis für einen wilden Wisent mindestens so hoch wäre wie der für einen Argaliwidder.
Das Wildmanagement des Wisents hätte man, ähnlich wie das des amerikanischen Bighorns oder des afrikanischen Großwildes, durch ersteigerte Lizenzen mit Höchstgeboten finanzieren können; ohne Zweifel sind die paar Lizenzen für wirklich alte Wisentbullen das sicherlich wert.
Und jeder Wisentjäger würde ein solches Vorgehen sofort einsehen, wenn er sich die Geschichte der dramatischen Rettung des Wisents vor dem sicherem Aussterben einmal vor Augen führen würde.
Seit ein paar Jahren ist es nun möglich, auch in mehreren GUS-Staaten (Weißrussland, Ukraine und Russland) auf das stärkste Hochwild Europas zu waidwerken. Für Weißrussland und die Ukraine ist der Wisent in den letzten Jahren zum eigentlichen jagdlichen Wahrzeichen geworden.
Im polnischen Teil des Urwaldes von Bjelowesch wiederum ist er geschützt, im westlichen Rußland ist die Jagd nur in Ausnahmefällen möglich.
Nur auf der Pirsch
Der Wisent wird heute fast ausschließlich auf der Pirsch (mit der Variante, dass man der Wisentfährte im Schnee folgt) gejagt. Ein Ansitz wird nicht praktiziert und ist nur selten möglich. Auf Drückjagden dürfen Wisente nicht geschossen werden.
In Weißrussland (Jagdzeit September-März) befindet sich im Bjelowescher Urwald (Bjeloweschskaja Puschtscha) an der polnisch-weißrussischen Grenze das wohl berühmteste Wisentrevier der Welt.
Hier unter den Jahrhunderte alten Baumriesen auf einen heimlichen Einzelgänger zu pirschen ist ein einmaliges Jagd- und Naturerlebnis.
Die Reviere im Urwald von Bjelowesch (wo sich auch der gleichnamige Nationalpark befindet) zählen zu den besten in ganz Weißrussland.
Gejagt wird auf der Fußpirsch, oder aber man folgt der Wisentfährte im Schnee. Zusätzlich können Elch-, Rot- und Schwarzwild erbeutet werden.
Eine einwöchige Wisentjagd kostet hier etwa 1700 Mark (Stand 1999). Dazu kommen noch Flüge (etwa 1000 Mark) und Abschüsse. Die Berechnung und Bewertung der Trophäe geschieht wie in der Ukraine nach der CIC-Formel.
Für einen Wisentbullen in der Bronzenmedaille-Klasse zahlt man 6000 Mark, in der Silber-Klasse 8000 und in der Gold-Klasse rund 10000 Mark. Medaillenbullen können auch garantiert werden.
Die Anreise erfolgt entweder mit dem Flugzeug bis Minsk (dann mit dem Auto ins Revier) oder mit dem eigenen Wagen. Die Unterkunft ist gewährleistet in komfortablen Gäste- oder Jagdhäusern mit guter Verpflegung.
Auch in der Ukraine (Jagdzeit November-März), wo in zehn verschiedenen Vorkommen ein gesicherter Bestand seit über dreißig Jahren vorhanden ist, wird in freier Wildbahn auf den Wisent gejagt.
Der ukrainische Wisent lebt nicht nur in freier Wildbahn, sondern ist wirklich wild, er bekommt keine zusätzliche Fütterung.
In den großen zusammenhängenden Wäldern, weiten Wiesen und Feldern ist es nicht einfach, einen alten Bullen auf der Pirsch zu erlegen. Das Interesse der Auslandsjäger ist aber auch hier gering.
Es werden nicht einmal diejenigen Lizenzen für überaltete Bullen (die in der Regel stark sind) und Kühe verkauft, die jedes Jahr zur Verfügung stehen.
Im Flachlandrevier Zumanskoje, einem der besten Reviere des Landes, ist der Wisent (Bestand 200 Stück) neben dem Rot- und Sikahirsch die Hauptwildart. Die Organisation ist sehr gut und professionell, den Gästen steht ein durchaus luxuriöses Jagdhaus zur Verfügung. Gute Wisentjagden sind aber auch in den Revieren Vinicca und Daniv möglich.
Auf den Wisent wird gepirscht oder es wird die Fährte eines starken Bullen bei Schnee ausgegangen (siehe das Wisentjagderlebnis in JAGEN WELTWEIT Nr. 2/1999). Zusätzlich können, je nach Revier, auch Rot-, Schwarz- oder Sikawild erlegt werden.
Neben dem Kaukasus ist nur noch in den ukrainischen Karpaten (im Revier Bukowina bei Tschernowzy) eine erlebnisreiche Jagd auf den Bergwisent möglich. Eine solche Bergjagd ist hart und anstrengend, daher nur sportlichen Jägern zu empfehlen.
In der winterlichen Schneelandschaft der ukrainischen Karpaten fährt der Jäger vom Jagdhaus aus erst mit dem Jeep in die Berge, dann (wenn der Geländewagen nicht mehr weiter durchkommen kann) mit einem LKW.
Irgendwann einmal geht es nur noch zu Fuß weiter, und dann ist ein ausdauernder und trainierter Jäger gefragt.
Mit erfahrenen Guides wird nach alten Wisentstieren geglast, und wenn ein starker Bulle bestätigt ist, wird er auf einer spannenden Pirsch angegangen. Hier wurde sogar ein hochkapitaler, uralter Bulle mit 195 CIC-Punkten (Gold schon ab 170 Punkte) auf einer solchen winterlichen Bergjagd zur Strecke gebracht.
„Nach dem Schuß auf den alten Recken“, berichtete danach der Karpaten-Jäger, „flüchteten die anderen Wisentbullen aus der Gruppe so leichtfüßig im Berggelände davon, wie Gazellen , und nicht wie tonnenschwere Kolosse“.
Die Jagdkosten für eine Woche Wisentjagd in der Ukraine sind so hoch wie in Weißrussland (etwa 1700 Mark), nur die Abschussgebühren sind in allen Medaillenklassen um 1000 Mark günstiger. Ein Bronzemedaillen-Bulle kostet in der Ukraine 4900 Mark, Silber 6900 und Gold 8900 Mark.
Die Anreise erfolgt normalerweise per Flugzeug. Abhängig von der Revierlage werden Lwow oder Kiew mit westlichen Fluglinien (Lufthansa oder Austrian Airlines) angeflogen, mit anschließendem Reviertransfer. In die grenznahen Reviere im Westen des Landes kann die Anreise auch mit dem eigenen Auto unternommen werden.
Bergwisente im Tienschan
 
1962 bis 1964 wurden 13 Wisente im Sary-Tschelek-Reservat im Nordwesten Kirgisiens ausgesetzt, die aber das Ansiedlungsgebiet nie verlassen haben. Eine Jagd auf den Bergwisent im kirgisischen Tienschan ist nach Auskunft der obersten Bischkeker Jagdbehörde am Sary-Tschelek-See in freier Wildbahn in kleinem Umfang möglich und kann wohl als wahrer Geheimtipp gelten.
Mir ist nicht bekannt, dass bisher irgendein ausländischer Jäger dort gejagt hätte. Keine westliche Jagdagentur hat diese Jagd im Programm; bei Interesse wäre es aber sicherlich möglich, einen Tienschan-Trip auf den Wisent zu organisieren.
Im Kaukasus werden heute wohl die interessantesten Jagden auf den wilden Bergwisent angeboten. Gejagt wird in der russischen Kaukasusrepublik Kabardino-Balkarien (mit Naltschik als Hauptstadt), und zwar in den Laubwäldern der Vorberge am Nordhang des Kaukasusmassivs.
Also in seinem mittleren, nordwestlichen Abschnitt auf einer Höhe zwischen 700 und 2 500 Meter Seehöhe.
Gejagt wird auf der Fußpirsch oder dem Pirschritt, es werden aber auch die Fährten ausgegangen. Das ist eine harte Bergjagd, die mit der Maral- oder einer Karpatenjagd verglichen werden kann.
Sie ist also nur für Jäger geeignet, die sportlich und fit sind. Wie auf der Bergjagd üblich, wird der hartgeprüfte Jäger mit überwältigenden Landschaftsbildern des wilden Kaukasus, Eindrücken von einer spannenden Wildnisjagd und der sprichwörtlichen kaukasischen Gastfreundschaft reichlich entschädigt.
Der steile Kaukasus zählt nicht ohne Grund zu den schönsten Gebirgen der Welt.
Als noch Ende des vorigen Jahrhunderts der berühmte englische Jäger Lord Littledale auf Einladung des russischen Großfürsten den Kaukasus besuchte, um für die Sammlungen des Britischen Museums einen Wisent-Stier und eine Kuh zu erlegen, und dabei auch auf Tur und Rothirsch jagte, war er vom Kaukasus begeistert.
In seinen Jagdschilderungen sagte er, er habe in allen fünf Erdteilen gejagt, aber nirgends solchen Wildreichtum getroffen und vor allem eine solch einzigartige Bergwildnis gesehen wie im Kaukasus.
Heute sind die Wildbestände zwar nicht mehr so hoch wie damals, aber die Berge des Kaukasus haben ihre Schönheit und Wildheit nicht verloren.
Die Gäste (bis zu zwei Jäger pro Gruppe) werden in einem Jagdhaus im Revier untergebracht und gut verpflegt. Die Jagdanmeldung muß in jedem Fall mindestens ein halbes Jahr vor Jagdbeginn erfolgen.
Der Wisent ist immer noch im Roten Buch Russlands und jede Lizenz muß durch das Russische Institut für Naturschutz und das Russische Amt für Umweltschutz genehmigt werden, was eine lange Bearbeitungszeit bedingt.
Die Jagdzeit erstreckt sich von September bis Dezember. Ein achttägiges (5 Jagdtage) Pauschalprogramm ab/bis Naltschik inklusive Wisentabschuss ohne Trophäenbegrenzung kostet 3500 US-Dollar (Stand 1999).
Bei Nichterlegen werden 2500 US-Dollar zurückgezahlt. Der Preis ist sehr günstig, weil man in Weißrussland oder in der Ukraine doppelt so viel für einen Goldmedaillen-Wisent bezahlen muß.
Hierzu kommen allerdings auch die Flugkosten, für den Direktflug München-Mineralnye Vody 790 Mark (dann vier Autostunden bis zum Wisentrevier) oder 1050 Mark für den Flug bis Moskau mit dem anschließenden zweistündigen Inlandflug Moskau-Naltschik in Höhe von etwa 230 US-Dollar (alle Zahlen: Stand 1999).
Im Gebiet Naltschik kann der Bergwisent sehr gut auch mit der Jagd auf den Rothirsch (dessen Abschußgebühren günstig sind; für einen Neun-Kilo-Hirsch zahlt der Jäger nur 2000 US-Dollar), sowie auf Braunbär, Sikahirsch und Keiler kombiniert werden.
Gut vorbereiten
 
Bei der Jagdvorbereitung auf weniger bekannte Wildarten sollte man nicht nur die vorhandene und zugängliche Fachliteratur lesen, sondern auch mit Leuten reden, die eine solche Reise bereits gemacht haben. Der eine wird danach vielleicht verunsichert sein, der andere erst richtig motiviert.
„Am aufregendsten auf der ganzen Wisentjagd“, schreibt der Wisentkenner und JWW-Autor Norbert Kreisel, „ist letztendlich der Augenblick, wenn man diesen urzeitlichen Koloss vor sich hat. Dann packt jeden Jäger Jagdfieber; es ist weniger die Angst, als das Erschaudern vor der Urkraft, die da vor einem erscheint.
Man muß sich vorstellen, dass gute Bullen schon mal eine Tonne auf den Läufen haben können. Wenn sie zusammenbrechen, dann dröhnt der Waldboden. Das merkt und hört der Jäger, dieses gewaltige Ereignis vergisst er nie mehr wieder…“

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Hansgeorg Arndt

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