Uriges Wild – Zwischen Weißrussland und Kaukasus

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Vor 50 Jahren hätte niemand gedacht, dass noch in diesem Jahrhundert die Jagd auf den Wisent wieder möglich sein würde. Die Bestandsentwicklung dieses urtümlichen Wildrinds ist ein ermutigendes Beispiel dafür, wie eine vor dem sicheren Aussterben stehende Wildart doch noch gerettet werden konnte

Wisent
Er ist wieder anzutreffen zwischen Weißrussland und Kaukasus: Der Wisent.
Warum hat dieses Urwild für die heutigen Jäger nur eine so geringe Anziehungskraft, was sich, wie beim europäischen Wisent, übrigens auch bei seinem Verwandten, dem amerikanischen Bison, beobachten lässt?
Es scheint die zweifelhafte Geschichte der Ausrottung dieser beiden Wildrinder zu sein, die offenbar so stark das Bewusstsein des modernen Jägers geprägt hat, dass er sie sich nur schwer als jagdbares Wild vorstellen kann.
Irgendetwas sperrt sich in ihm, wenn er von der Wisentjagd hört oder liest, ein merkwürdiges Phänomen, das in krassem Widerspruch zur hohen Attraktivität der afrikanischen Büffeljagd steht.
Das mangelnde Interesse der Jäger hat nichts mit der angeblichen Trägheit oder (nach vielen Jahren Gatterhaltung) dem unausgeprägten Fluchtverhalten des Wisents zu tun.
Vor allem alte Bullen sind sehr heimlich und scheu, erfassen rasch eine durch den Jäger entstandene Gefahrensituation und reagieren schnell und klug. Im Altbestand oder sogar im dichten Urwald an einen starken Bullen heranzukommen, ist sehr schwer bis unmöglich.
Die Vorstellung ist falsch, Wisente würden (wie so oft beim amerikanischen Bison) in kleinen Gattern bejagt. Normalerweise wird nur auf wirklich freilebende Wisentpopulationen gejagt, nicht in Gattern.
Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen der eine oder der andere Jäger etwas leichter auf einen alten Bullen zu Schuß gekommen ist, aber das kann jedem bei Hirsch und Bock auch passieren.
Nicht selten muß man im Winter mehrere Tage lang einem starken Einzelgänger folgen, um zu Schuß zu kommen. Es ist aber auch vorgekommen, dass so mancher Jäger sich die Wisentjagd zu leicht vorgestellt und nach mehrtägiger Verfolgung die Jagd aufgegeben hat.
Zu Hause hat er aber zu seiner Rechtfertigung erzählt, der Bestand sei nicht hoch genug und erlaube angeblich keine erfolgreiche Bejagung.
Wegen der besonderen und tragischen Vorgeschichte haben auch in den USA viele Jäger Probleme mit der Bisonjagd.
Jetzt gibt es zwar wieder gute Jagdmöglichkeiten auf dieses nordamerikanische Wildrind, der Jäger hat dort wegen der vielen eingezäunten Herden jedoch immer noch die Vorstellung von der Bisonjagd wie vom „Fischen im Eimer“. Motto: Der Bulle steht einfach da und wartet, erlegt zu werden.
Starke Stiere sind Einzelgänger
In den USA ist das nicht ganz falsch. Die Jagdsituation beim europäischen Wisent ist aber anders. Der starke Bison steht bei seiner Herde, die im offenen Präriegelände leicht zu orten ist.
Der Jäger braucht also nur die Herde unter gutem Wind und unbemerkt anzupirschen, einen starken Bullen auszusuchen und zu schießen.
Der alte Wisent-Stier ist aber eher Einzelgänger oder lebt in kleineren Trupps von drei bis fünf Bullen, aber im tiefsten Wald bis zum richtigen Urwald, wo er nicht leicht zu finden und anzupirschen ist.
Das ist also meistens eine faire und sportliche Jagd, die jeden Jäger herausfordert.
Zur Zeit Karls des Großen (748-814) lebten Wisente im Harz, um das Jahr 1000 sogar noch bei St. Gallen in der Schweiz.
Durch die zunehmende Rodung weiter Landstriche und ihrer Urbarmachung wurde auch das zweite europäische Wildrind, der im freieren Gelände lebende Auerochse, vollständig ausgerottet.
Auch der Wisent hätte das gleiche tragische Los gehabt, wenn er in der Neuzeit beim jagenden europäischen Adel nicht als edles Hochwild gegolten und besonderen Schutz genossen hätte. Trotzdem war dieses königliche Hochwild um 1800 bis auf zwei getrennte Bestände in Europa verschwunden: im Bjelowescher Urwald und im Kaukasus.
1803 erklärte der russische Zar den Urwald von Bjelowesch zum Jagdschutzgebiet.
Damals lebten dort etwa 300 bis 500 Wisente, 1860 sogar 1 500. Seit 1865 wurden im Auftrag des Zaren Wisente an Zoos und Wildgehege in Deutschland, England und Polen abgegeben.
Im Ersten Weltkrieg lag der Bjelowescher Urwald im Kampfgebiet, was das Schicksal der Bjelowescher Wisentpopulation besiegelte. Das gesamte Wisentvorkommen hier wurde vernichtet, 1921 lebte im Urwald von Bjelowesch kein einziges Wildrind mehr.
Im Kaukasus wurde der Wisent erst im Jahre 1836 entdeckt. 1000 Stück hat man dort 1880 gezählt, 30 Jahre später infolge der zu starken Bejagung nur noch 600. Der Erste Weltkrieg und die Russische Revolution waren für die kaukasische Wisentpopulation fatal.
1920 gab es in den Wäldern des Kaukasus nur noch einen kleinen Restbestand an Wisenten, Ende der 30er Jahre war der Wisent auch hier ausgerottet.
Nach zwei Weltkriegen waren auf der ganzen Welt nur noch 56 Wisente übriggeblieben. Nachkommen der Wisente, die der russische Zar an Zoos und Wildgehege verschenkt hatte.
Schon sehr früh (1907 in Askania-Nowa) kreuzte man amerikanische Bisons ein, die eine höhere Fruchtbarkeit hatten. Einen solchen Hybriden nennt man in Russland „Wisentbison“ (russisch „subrobison“).
1940 wurde dieser Hybride im kaukasischen Naturschutzgebiet und in anderen Regionen des Kaukasus ausgesetzt, wo er sich gut vermehrt und akklimatisiert hat.
1923 wurde die „Internationale Gesellschaft für die Erhaltung des Wisents“ gegründet. Wie die Amerikanische Bisongesellschaft den Bison vor dem Aussterben gerettet hatte, wollte auch diese neue Institution den europäischen Wisent vor der Ausrottung schützen.
Erfolgreiche Zucht, Haltung der Wisentherden in Gattern und im halbfreien Zustand erlaubten 1961 den Übergang zur Gründung freilebender Herden. Solche Herden gibt es heute nur in der GUS und in Polen: im Bjelowescher Urwald (Weißrussland, Polen), in den Karpaten (Ukraine, Polen), Polessje, auf der Wolhynisch-Podolischen Platte, im Kaukasus und im Tienschan (Kirgisien).
Die heutigen Wisentzuchtstationen befinden sich in Polen, Rußland, Weißrußland, der Ukraine, in Deutschland und Schweden. Einige andere Länder (wie Frankreich und Schweden) bereiten sich darauf vor, Wisente in großen Naturschutzgebieten wieder einzubürgern.
Der heutige Weltbestand beträgt über 3 200 Wisente. Davon leben allein in der GUS etwa 1500 Stück in 20 verschiedenen Vorkommen der freien Wildbahn.
Noch im 18. Jahrhundert gab es wilde Wisente im Altai und in Westsibirien, über diese Vorkommen ist aber nichts bekannt.
Beim europäischen Wisent unterscheiden Zoologen wie Jagdexperten zwei Unterarten: den Flachlandwisent (Bison bonasus bonasus), verbreitet in Polen und im europäischen Teil der ehemaligen UdSSR (vor allem im Bjelowescher Urwald, in der Ukraine und im europäischen Teil Russlands), und den Kaukasuswisent (B. b. caucasicus) im Nordwesten Kaukasiens.
Auch das SCI-Rekordbuch (Ed. IX, Vol. 2, 1997) geht von der hier angeführten Systematik, wonach der Wisent nicht bloß eine Unterart des amerikanischen Bisons ist (wie manche Biologen meinen) und er selbst zwei Unterarten aufweist.
Da heute der eigentliche Kaukasische Wisent als ausgestorben gilt, werden im SCI-Rekordbuch alle Wisenttrophäen ohne Rücksicht auf Unterscheidung zwischen Bjelowescher und Kaukasischer Unterart unter der einen einzigen Rubrik „European Bison“ angeführt.
Der ausgewachsene Wisentbulle hat einen massigen und schweren Körperbau, eine Widerristhöhe von 158 bis 195 Zentimetern und ein Gewicht von 430 bis 1000 Kilogramm.
Die Kühe sind deutlich geringer und bringen etwa 30 Prozent weniger als die Stiere auf die Waage.
Flachlandwisente leben je nach Jahreszeit in unterschiedlich großen Herden, die von alten Stieren geführt werden. Einige alte Bullen leben jedoch als Einzelgänger oder in kleinen Gruppen mit anderen Stieren. Vor allem im Winter und im Frühjahr schließen sich oft alle Wisente eines Bestandes zu einer einzigen Herde zusammen.
In der Brunftzeit (August/September) zerfallen die Herden in kleine Gruppen von acht bis zwölf Wisenten, die von einer Kuh geführt werden. Die Kälber werden im Frühsommer (Mai bis Juli) gesetzt.
Die Kühe werden mit drei bis vier Jahren geschlechtsreif, die Stiere etwa ein Jahr später.
Hörner und ihre Stärke
Beide Geschlechter tragen kurze Hörner (die bei den Stieren stärker sind), auch „Holme“ genannt. Im Verhältnis zum riesigen Körper sind die Hörner aber sehr klein.
Starke Stiere haben eine Hornlänge von 45 bis 55 Zentimeter und einen Basisumfang von 32 bis 40 Zentimeter. Zum Vergleich sei hier erwähnt, dass ein guter amerikanischer Bisonbulle eine Holmlänge von 15 bis 20 Inch (38 bis 51 Zentimeter) und eine Basis von 13 bis 17 Inch (33 bis 43 Zentimeter) aufweist.
Russische Zoologen führen als ein besonderes Merkmal des Wisents an, dass seine Hörner länger und stärker gekrümmt seien, als die des amerikanischen Bisons. Das bestätigen die SCI-Rekordbücher nicht.
Im Gegenteil, die stärksten Bisons haben eine maximale Hornlänge bis 56 und eine Hornbasis bis 47 Zentimeter. Nach den bisherigen Jagdergebnissen würden die stärksten Wisente (mit der Holmlänge von 55 und Basisumfang von 40 Zentimetern) nur auf etwa Platz 10 des SCI-Rekordbuches rangieren.
Diese Angaben sind zwar richtig, aber unvollständig. Es wurde viel mehr auf den Bison gejagt (knapp 150 Eintragungen im SCI-Rekordbuch), einige Angaben beim SCI sind 30 Jahre alt und älter, während die Wisentdaten (nur etwas mehr als 30 Eintragungen) erst in der letzten Ausgabe des SCI-Rekordbuches von 1997 zum ersten Malt publiziert wurden.
Die SCI-Formel zur Vermessung und Bewertung der Wisent und Bisontrophäen ist ganz einfach und enthält (wie beim SCI üblich) nur reine Messungen, also ohne subjektive Schönheitspunkte oder „Fehler“.
Es werden für beide Hörner nur Längen (an der äußerer Krümmung) und Basisumfänge addiert, was die Punktezahl ergibt. Die Auslage wird nicht ermittelt. Anders ist es aber bei der CIC-Bewertung.
In einigen Wisentjagdgebieten (zum Beispiel im Kaukasus) werden Abschußgebühren für den Wisentbullen ohne Rücksicht auf die Trophäenstärke verrechnet, während der Jäger in den Hauptjagdgebieten (in Weißrussland und der Ukraine) abhängig von der CIC-Medaillenklasse seinen Bullenabschuss zu bezahlen hat.
Je nach Stärke und CIC-Punkten werden beim Wisent-Stier drei Medaillenklassen unterscheiden: Bronzemedaille 130 bis 149,99 CIC-Punkte, Silbermedaille 150 bis 169,99 und Goldmedaille über 170 CIC-Punkte.
Ein alter zottiger Wisentbulle in der Winterdecke ist eine beeindruckende Trophäe. Deshalb ist es üblich, ein Kopf-Schulter-Präparat von einem guten Taxidermisten machen zu lassen.
Für diesen Zweck sollte die winterliche Zeit zwischen Dezember und Januar für die Jagd genutzt werden, in der die Wisentdecke die beste Qualität für ein imposantes Kopf-Schulter-Präparat aufweist.
Ansprechen im Feld
Nur wenige Jäger haben Erfahrung mit dem Wisent. Deshalb ist es nicht leicht, mit der notwendigen Sicherheit einen starken Bullen anzusprechen und zu erlegen. Wie beim Schalenwild ist auch beim Wisent wichtig, ein altes Stück zu finden.
Der Wisent lebt genauso wie der amerikanische Bison maximal 22 bis 27 Jahre und erreicht sein Höchstgewicht im Alter von 8 bis 9 Jahren.
Deshalb gilt auch für den Wisent die Faustregel amerikanischer Bisonjäger, nur Bullen, die älter sind als zehn Jahre zu schießen.
Auch in einer anderen Beziehung helfen die praktischen Erfahrungen der Bisonjäger, nämlich beim Ansprechen im Feld. Zwar ist eine Wisentjagd in der Regel sehr gut organisiert, und die örtlichen Guides sind erfahrene Berufsjäger; trotzdem muß auch der Jäger genau wissen, was er tut und worauf er schießt.
Es ist nicht leicht, einen starken Bullen anzusprechen. Das Charakteristische für den Wisent ist, dass es auf jagdliche Entfernung rein optisch keinen so großen Unterschied in der Hornstärke zwischen einer Wisentkuh, einem Jungbullen und einem erwachsenen Stier gibt.
Ein bedeutender Unterschied existiert nicht einmal im Verhältnis von den Hörnern zur Haupt- und Körpergröße. Die Holme sind nicht nur klein in Relation zur Körpergröße, lange Kopfhaare verdecken auch oft die Holmbasis und erschweren dadurch das sichere Urteil.
Es gibt aber einen riesigen Unterschied in der Körpergröße. Eine Wisentkuh wiegt zwischen 450 und 590 Kilogramm, ein Bulle aber bis zu einer Tonne.
Durch seine enorme Körpergröße fällt ein alter Wisent-Stier sofort auf: er zeigt einen gewaltigen Körper mit wuchtigem Vorderteil, stark überhöhtem Widerrist, langem Bart und massiven Hörnern.
Alles in allem ist er, vor allem in der zottigen Winterdecke, ein überaus imposantes Wild, mit dessen wilder Kraft und urtümlicher Statur sich kein anderes Wild messen kann.
Wenn wir einem so eindrucksvollen Bullen begegnen, ist er sicherlich über zehn Jahre alt und in der Regel (wenn man auch das entsprechende Fährtenbild zur Sicherheit heranzieht) in der Medaillenklasse.
Die letzte Sicherheit kann dann (ähnlich wie beim Gams) nur noch das Ansprechen am erlegten Stück liefern.
Kaliberauswahl und Trefferlage
Auf den tonnenschweren alten Wisent kommen nur Kaliber ab .30 mit schweren, harten Geschossen in Frage.
Also angefangen mit .300 Winchester Magnum, .300 Weatherby Magnum, 8 x 68 S, .338 Winchester Magnum über 9,3 x 62 und 9,3 x 64 bis hin zum wohl idealen Wisent-Kaliber .375 H&H Magnum.
Auch alle anderen Kaliber in dieser Klasse würden gute Dienste tun. Ob man dann einen Repetierer oder eine Doppelbüchse führt, ist nicht so entscheidend. Ein ausreichend starkes Kaliber und ein schweres Geschoss sind viel wichtiger.
Ein Afrikajäger kann natürlich speziell auf den gewaltigen Wisentbullen auch seine bewährte Büchse in den Kalibern .416 Rigby oder .458 Winchester Magnum führen. In den USA ist für den amerikanischen Bison auch der Gehirnschuss üblich, wobei dann die Kaliberfrage nicht mehr so wichtig ist.
In dem Fall sind auch Universalkaliber ausreichend.
 
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Stefan Meyers

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