Wildhunde

6013

Yellow dog dingo, how old are you? Where do you come from? What do you do? Text eines alten Songs, der dem Dingo, dem Wildhund Australiens, gewidmet ist

Von Siegfried Kursch

erfolgreiche Dingo-Jagd
In diesem Trockenfluss erlegte ich eine alte Dingo-Hündin.
Der Dingo (Canis lupus dingo) ist ein primitiver Hund mit einem wilden Erbe. Er entwickelte sich vor 6 000 bis 10 000 Jahren aus der Stammvaterschaft des asiatischen Wolfes (Canis lupus pallipes/C. l. arabs) und hat sich überall im südlichen Asien ausgebreitet.
Erste fossile Dingofunde sind etwa 5 500 Jahre alt und stammen aus dem Norden Thailands und Nordvietnams. Vor etwa 4 000 Jahren brachten asiatische Seefahrer den Wildhund Dingo nach Australien. Sie benutzten den Dingo auf ihren langen und ungewissen Seefahrten als lebendes Fleischreservoir.
Die verbreitete Meinung, die australischen Ureinwohner, die Aborigines, hätten den Dingo mit nach Australien gebracht, ist falsch. Die Aborigines besiedelten Australien bereits 20 000 Jahre, bevor der Dingo überhaupt nach Australien kam.
Mit Hilfe der Aborigines verbreitete sich der Dingo über ganz Australien. Überlieferungen berichten, dass er von einigen Aborigines-Stämmen zur Jagd, besonders auf Känguruhs, eingesetzt wurde.
Biologie
Der durchschnittliche ausgewachsene Dingo in Australien hat eine Schulterhöhe von 57 Zentimetern und wiegt etwa 15 Kilogramm. Asiatische Dingos sind kleiner.
Die Farbe des Balges ist rötlichgelb, variiert aber zwischen sandgelb und ingwerfarben. Es kommen auch andere Farbvarianten vor. Viele Dingos habe weiße Flecken an den Pfoten, der Brust und der Rutenspitze. Alle haben stehende Ohren und eine buschige Rute.
Reine Dingos unterscheiden sich von oft fast gleichaussehenden Kreuzungen und von Haushunden dadurch, dass sie sich nur einmal im Jahr fortpflanzen, einen schmaleren Fang mit größeren Fang- und Reißzähnen haben und größere Gehörgänge besitzen.
Die weiblichen Dingos werden im Alter von zwei Jahren geschlechtsreif und einmal im Jahr heiß. Die Dingohündin geht etwa 63 Tage dick und wölft im Durchschnitt fünf Welpen (eins bis zehn) in Mulden unter Baumwurzeln, unter Felsvorsprüngen oder in Erdhöhlen.
Es werden mehr männliche als weibliche Dingowelpen gewölft.
In Gebieten mit wenig Nahrung oder in nahrungsarmen Jahren überleben nur die Welpen der Alpha-Hündin eines Dingorudels. Sie wölft ihre Welpen etwas früher als die anderen weiblichen Rudelmitglieder. Die Welpen einer unterrangigen Hündin trägt die Alpha-Hündin zu den ihren.
Die andere Hündin duldet das und kommt zum Säugen ihrer Welpen zum Lager der dominanten Hündin. Nach zwei bis drei Tagen tötet die Alpha-Hündin die fremden Welpen und frisst sie auf.
Die andere Hündin kommt aber weiter zum Versorgen ihrer vermeintlichen Welpen, ohne zu merken, dass sie die Welpen der Alpha-Hündin säugt. So stehen den Welpen zwei Milchquellen zur Verfügung, die ein Überleben auch in nahrungsarmen Gegenden sichern.
Nach drei bis vier Monaten sind die Dingowelpen schon fast selbständig, bleiben aber bis zur nächsten Fortpflanzungsperiode in Mutternähe.
Obwohl Dingos häufig allein beobachtet werden, gehören viele dieser Hunde zu einem sozial abgestuften Rudel, dessen Mitglieder sich im Abstand von einigen Tagen treffen oder sich während der Fortpflanzungszeit vereinigen.
Unter den Dingos herrschen strenge Regeln, die das Sozialverhalten in einem Rudel bestimmen. Führer des Rudels ist die Alpha-Hündin.
In einsamen Gebieten, in Zentralaustralien und im Norden, in denen die Dingos ungestört von Menschen leben, besetzen einzelne und stabile Rudel von drei bis zwölf Dingos bestimmte Territorien das ganze Jahr.
Solche Rudel haben dann unterscheidbare männliche und weibliche Hierarchien, in denen die Rangordnung größtenteils durch aggressives Verhalten festgelegt und aufrechterhalten wird. Das dominante Paar ist oft das einzige sich erfolgreich vermehrende Paar, dem die anderen Rudelmitglieder bei der Welpenaufzucht helfen.
Dingos bellen nicht wie der domestizierte Haushund, sie heulen wie ihr Stammvater, der Wolf. Drei Grundheultypen kennt der Dingo, die entweder einzeln, in Kombination oder als Chorgeheul ausgesandt werden.
Das Heulen wird für die Kommunikation über weite Strecken benutzt mit dem Sinn, Rudelmitglieder anzulocken und Rivalen abzuschrecken. Der Dingo heult überwiegend in der Zeit vor Sonnenaufgang oder kurz nach Sonnenuntergang.
Er steht zu
Nach einem anstrengenden Jagdtag im australischen Busch sitze ich mit meinem dortigen Jagdfreund Simon am Feuer beim Abendbrot. Als Lagerplatz haben wir uns eine freie, sandige Stelle neben einem Creek ausgesucht und noch vor Eintritt der Dunkelheit das Moskitozelt aufgeschlagen.
Trotz des rauchenden Feuers lassen uns die Moskitos, diese Quälgeister, keine Ruhe.
Hier draußen ist es jetzt absolut still. Nicht einmal ein leichter Windzug ist spürbar. Über eine Entfernung von mehreren Kilometern hören wir in der Stille einen Dingo heulen.
Gekonnt antwortet ihm Simon. Nach langer Pause heult der Dingo erneut und erhält auch prompt wieder von uns Antwort. Er hat sich bis auf etwa einen Kilometer genähert. Ob er wohl weiter zusteht? Einige Minuten später leuchtet aus dem Dunkeln im Feuerschein in 25 Meter Entfernung ein Dingo-Augenpaar auf.
Vermutlich ist es ein junger Dingo auf Partnersuche. Jetzt weiß er, wer ihn da genarrt hat.
Beutespektrum
Die Reviergröße eines Dingorudels ist abhängig vom Gelände und dem Beutevorkommen. Für das trockene Zentralaustralien wurden Reviergrößen von 30 bis 70 Quadratkilometer, für den tropischen Norden etwa 40 Quadratkilometer und für Waldregionen zehn bis 20 Quadratkilometer festgestellt.
Die meisten Dingos bleiben in ihrem Heimatgebiet. Junge Dingorüden können jedoch auf ihren Wanderungen beachtliche Strecken zurücklegen.
Der Dingo hat ein breites Beutespektrum: vom Insekt bis zum 70 Kilogramm wiegenden Roten Riesenkänguruh. Die großen Beutetiere werden größtenteils gemeinsam vom Rudel unter bestimmten Jagdtaktiken erbeutet.
Untersuchungen australischer Biologen haben ergeben, dass der Erfolg der Jagd eines einzelnen Dingos auf das Rote Riesenkänguruh bei etwa fünf Prozent liegt. Jagen dagegen drei oder mehr Dingos gemeinsam, erhöht sich die Chance des Jagderfolgs auf 33 Prozent.
Ebenso verhält es sich beim flinken, etwa 20 Kilogramm wiegenden Wallaby, einer kleinen Känguruhart. Hier hat ein einzelner Dingo 18 Prozent Chance auf Jagderfolg, drei oder mehr Dingos dagegen 75 Prozent.
Die Hauptbeutetiere der Dingos sind kleinere Reptilien, kleine Nagetiere, Magpie-Gänse, Kaninchen, Frischlinge von Wildschweinen, Wallabies und Rot-Känguruhs. Dingos fressen auch Aas.
Man sagt, ein einzelner Dingo jagt mit der Nase, ein Dingorudel jagt mit den Augen. Der Dingo ist ein ausdauernder und geduldiger Jäger. Er kann stundenlang seine Beute beobachten, bis sich ihm eine Chance bietet, die er dann aber auch nutzt.
Vier bis fünf Stunden kann ein Dingo einem flinken Wallaby im Abstand von 100 bis 200 Meter folgen, bevor er das Beutetier, wenn es ermüdet ist, angreift. Hungrige Dingos greifen auch Menschen an.
Seit den frühen Tagen der europäischen Besiedlung vor etwa 200 Jahren werden von Dingos besonders Schafe und Rinder angegriffen. Die meisten Attacken der Dingos auf Schafe und Rinder erfolgen in Trockenzeiten oder wenn infolge der Besiedelung und Beweidung die heimischen Beutetiere knapp werden.
So wird der Dingo in den besiedelten Weidegebieten durch die Farmer stark bejagt und durch ausgelegte Giftköder dezimiert.
Bereits 1840 wurde ein 2 000 Kilometer langer Schutzzaun von Queensland bis nach Südaustralien mit großem Aufwand errichtet, der die Zuwanderung von Dingos aus Zentralaustralien in die östlichen Weidegebiete der Schaf- und Rinderzüchter verhindern soll.
Der Zaun, er ist wohl der Welt längster Schutzzaun, erfüllt noch heute diese Funktion und wird ständig kontrolliert und repariert.
Die Bemühungen, den Dingo auf Farmland zahlenmäßig zu kontrollieren oder gar auszurotten, sind jedoch weitgehend ohne Erfolg geblieben. Im Gegenteil wurde dadurch oft sogar ein Zuwachs bei den Dingos bewirkt: Durch das starke Eingreifen wird die soziale Ordnung durcheinander gebracht und dadurch ein Anwachsen der Geburtenrate bewirkt.
Ausrottung?
Nicht das Nachstellen durch die Farmer oder der Abschuss einzelner Dingos gefährden den Bestand des australischen Wildhundes. Heute stehen die Dingos auf Grund einer anderen Ursache vor der möglichen Ausrottung.
In den südlichen, dichtbesiedelten Küstenregionen Australiens und zunehmend auch im Hinterland vermischt sich der „reine Dingo“ immer mehr mit streunenden oder verwilderten Haushunden. So werden die reinen Dingo-Gene zunehmend „verwässert“.
Nur noch in Nord- und Zentralaustralien gibt es noch zu 95 bis 100 Prozent den reinen Dingo. Im südöstlichen Hochland von Australien sind bereits ein Drittel der Dingos Hybriden.
Australische Biologen warnen; nach ihren Aussagen muß man davon ausgehen, dass im Jahre 2 100 der reine Dingo in Australien durch Vermischung ausgerottet sein wird.

Foto: Siegfried Kursch

ANZEIGEAboangebot