Roosevelt-Rappenantilopen

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Eine der vermeintlich seltensten Antilopen der Welt ist gar nicht so selten, wie bisher angenommen

Von Gebhard Köppel

Rappenantilopen
Sables haben eine markante Trophäe.
Die Rappenantilope oder Sable, wie sie auch genannt wird, ist gar nicht selten und im ganzen südlichen Afrika verbreitet. Der schwarzglänzende Bock mit seinen weit nach hinten geschwungenen, massiven Hörnern ist eine der schönsten afrikanischen Antilopen und stellt auch für deutsche Jäger eine beliebte Beute dar. Die Länder mit den höchsten Beständen sind Tansania, Sambia und Simbabwe.
Nach den neuesten Zahlen schätzt man den insgesamt stabilen oder gar leicht steigenden Gesamtbestand in Afrika auf wenigstens 75 000 Stück. Über 18 000 davon leben auf Wild- und Jagdfarmen, vor allem in Südafrika, mit steigender Tendenz.
Bei all diesen Rappenantilopen handelt es sich um die übliche Unterart mit dem wissenschaftlichen Namen Hippotragus niger kirkii. Daneben gibt es zwei Unterarten, die bislang als äußerst selten und gefährdet galten.
Dies trifft weiterhin für die angolanische Riesensable zu, die sich durch ihre Größe, die Gesichtsfärbung und die sehr viel längeren Schläuche von der typischen Sable unterscheidet. So gilt für letztere als gute Länge der Hörner etwa 40 Inch, gut 100 Zentimeter. Die stärksten, in neuerer Zeit gestreckten Exemplare lagen bei über 50 Inch und kamen aus Simbabwe und Sambia.
Die angolanischen Riesenrappenantilopen hingegen, auch Royal Sable genannt, haben gut zehn Inch längere Schläuche. Die Trophäe des stärksten Exemplars, das im Jahre 1949 zur Strecke kam, maß sogar 65 Inch, das heißt etwa 165 Zentimeter. Sie kommt nur in einem relativ kleinen Gebiet Angolas an den Flüssen Cuanza und Luando vor, und die Bestände haben in den über drei Jahrzehnten Bürgerkrieg sehr gelitten. Niemand weiß heute, wie viele übriggeblieben sind.
Es hat verschiedene Versuche von Wissenschaftlern gegeben, den Bestand aus der Luft zu zählen. Bislang sind aber alle wegen der militärischen Unsicherheit gescheitert. Immer wieder kommen Berichte aus Angola, dass doch mehr Exemplare überlebt haben könnten, als bisher vermutet.
Der Wahrheitsgehalt ist jedoch nicht zu überprüfen, und angeblich soll ein südafrikanischer Wissenschaftler sogar versucht haben, mit solchen Gerüchten Forschungsgelder für seine Arbeit lockerzumachen.
Im vergangenen Jahr wurde die Kasama-Stiftung gegründet, die sich vor allem der Erforschung der verbleibenden Vorkommen dieser Wildart widmen soll. An ihrer Spitze stehen einige bekannte Persönlichkeiten, unter ihnen der Präsident des Internationalen Jagdrates CIC, Nicolas Franco.
Die dritte Unterart ist eine nach Kermit Roosevelt, der Frau des amerikanischen Präsidenten und Jägers benannte Rappenantilope. Sie ist geringer und heller als die übliche Sable und hat kürzere Trophäen. Nur 120 Exemplare waren nach bisherigem Wissensstand davon übriggeblieben. Damit galt sie in Fachkreisen als eine der gefährdetsten Antilopen der Welt. Denn die kleine Population im kenianischen Shimba Hills-Naturreservat bei Mombasa ist weiter rückläufig.
Allerdings gibt es auch einige wenige Rappenantilopen im Nordostzipfel Tansanias, die gar nicht so weit von Shimba Hills entfernt leben und möglicherweise früher mit diesen entlang der ostafrikanischen Küste in Kontakt waren. Selbst die große, jagdlich genutzte Sablepopulation weiter südlich im 50 000 Quadratkilometer großen Selous-Wildreservat galt zwar bislang als zur typischen Sable gehörig, jedoch die relativ kurzen Hörner hatten schon immer zu Mutmaßungen geführt, auch diese Sable könnten zur Roosevelt-Unterart gehören.
So sind 38 Inch eine gute Länge für einen Bullen aus dem Selous, und nur in seltenen Ausnahmefällen erreichen die Hörner dort über 40 Inch.
Das Rätsel ist jetzt gelöst: Alle Sable von der kenianischen Grenze bei Tanga über das Saadani-Wildreservat am Indischen Ozean bei Bagamoyo einschließlich des gesamten Selous-Wildreservats bis nach Südtansania nahe Mosambik gehören zur Unterart der Roosevelt-Rappenantilope.
Die tansanische Wildschutzbehörde hatte Wissenschaftler des Berliner Instituts für Zoo- und Wildtierforschung um Mithilfe gebeten, und den Professoren Hofmann und Pitra mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Lieckfeldt gelang es, ein eindeutiges Ergebnis vorzulegen.
Dazu mussten sie zunächst Roosevelt-Antilopen in Shimba Hills Gewebematerial entnehmen. Mit Unterstützung des tierärztlichen Dienstes der kenianischen Wildschutzbehörde konnten sie dazu zwei Sable betäuben. Dieses Gewebe wurde durch DNA-Analyse mit Rappenantilopen aus Tansania verglichen. Die genetischen Unterschiede sind so gering, dass man von einer identischen Unterart ausgehen kann.
Offen bleibt damit nur noch die Frage, ob die Sable-Antilopen in Zentral- und Westtansania ebenfalls zur Roosevelt-Unterart gehören, und wo die Verbreitungsgrenze im Süden liegt.
Tansanische Jagdveranstalter stellten deshalb auch Proben von Sable zur Verfügung, die in den klassischen Jagdgebieten Kigosi, Ugalla und Kizigo, im Westen des Landes, erlegt wurden und siehe da: Deren Erbgut unterschied sich deutlich. Sie gehören deshalb voraussichtlich zur typischen kirkii- Rappenantilope, die im gesamten südlichen Afrika vorkommt.
Dieses Beispiel verdeutlicht im übrigen – so Professor Pitra – die Entstehung von Wildarten und Unterarten. Von Norden nach Süden, entlang des 38. Längengrades, differenziert sich die Population der Rappenantilope zunehmend.
Die in West-Ost-Richtung fließenden Flüsse scheinen Barrieren für den Genaustausch darzustellen. Dennoch sind die Unterschiede so gering, dass man von einer einheitlichen Unterart sprechen kann.
Anders sieht die Sache in Ost-West-Richtung aus. Hier haben sich Gebirge und der ostafrikanische Graben herausgebildet, und diese stellen größere Barrieren als die Flüsse dar, und sie haben offensichtlich den Genfluss in historischer Zeit unterbunden.
Die Sable in Ost- und Westtansania sind deshalb genetisch so verschieden, dass man von zwei Unterarten sprechen kann. Dieses Forschungsergebnis zeigt insofern die Ergebnisse einer biologischen Evolution, die sich über Hunderttausende von Jahren hingezogen hat.
Auf jeden Fall ist eine der seltensten Antilopen der Welt damit gar nicht so selten, denn vor allem das Selous Wildreservat und seine Randgebiete beherbergen viele dieser Sable. Die Roosevelt-Sable kann also von der Roten Liste gestrichen werden.
Im Selous ergab die neueste Zählung aus der Luft einen Bestand von knapp 4 000 Rappenantilopen. Daneben kommen, insbesondere südlich des Selous, noch weitere Antilopen vor – laut Zählung mindestens weitere 6 700 Stück. Allerdings ist es wissenschaftlich schwierig, Rappenantilopen aus der Luft zu zählen. Die Ergebnisse liegen meistens zu niedrig, weil viele Stücke übersehen werden und die Herden nicht gleichmäßig verteilt sind.
Die Sable im Selous können im Rahmen kontrollierter Abschusspläne nachhaltig bejagt werden. Jedes Jahr kommen etwa 60 bis 70 Bullen zur Strecke. Wer also das Glück hatte, in den letzen Jahren dort eine Rappenantilope zu erlegen, der kann nunmehr den Eintrag in seinem Jagdtagebuch ändern. Er hat eine Roosevelt-Sable erbeutet.
Anders als im Selous sieht die Situation entlang der ostafrikanischen Küste zwischen Bagamoyo und der kenianischen Grenze aus. Hier werden die Bestände schon seit vielen Jahren nicht mehr auf Lizenz bejagt. Allerdings war auch niemand in der Lage, einen wirksamen Schutz zu gewährleisten.
Die Rappenantilopen wurden und werden von der Bevölkerung vor Ort als Fleischlieferant gewildert. Im Saadani Wildreservat kommen noch schätzungsweise 100 bis 150 Sable vor. Daneben gibt es hier und da weitere kleine Herden.
Diese isolierten, kleinen Vorkommen müssen streng geschützt werden. In genetischer Hinsicht haben zwar alle Roosevelt ein ähnliches Erbgut, dennoch gibt es Besonderheiten. Werden kleine Vorkommen ausgerottet, dann ist die biologische Vielfalt der Gesamtpopulation geringer geworden.
Die Regierung des armen Entwicklungslandes Tansania bemüht sich deshalb, diese kleinen Bestände, zum Teil auch mit Hilfe der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, streng zu schützen. An eine jagdliche Nutzung ist nicht zu denken.
Es wäre schön, wenn man sich im reichen Deutschland ähnliche Mühe bei der Bewahrung der genetischen Vielfalt des Rotwildes gäbe.

Foto: Klaus Schendel

Hansgeorg Arndt

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