Erinnerungen von Dr. Stefan Armbrecht

2016

Nachdem auch ich immer mehr dem Afrikazauber verfallen war, festigte sich in mir der Wunsch, einmal eine klassische Löwenjagd auf der Fährte durchzuführen. Die Jagd am Bait, wie sie in Ost- oder Südafrika überwiegend praktiziert wird, entsprach nicht ganz meinen Vorstellungen, und so steigerte sich durch verschiedene Berichte mein Interesse an Westafrika und einer Löwenjagd in einer der ehemaligen französischen Kolonien.

Auch preislich ist es dort im Vergleich zum übrigen Afrika deutlich günstiger, wenn auch die männlichen Löwen keine ausgeprägten Mähnen aufweisen. Unsere Wahl, die meines Freundes und meine, fiel schließlich auf Burkina Faso.

Ende Februar ging es endlich los. Das Camp selbst war sehr gepflegt, die Verpflegung ausgezeichnet. Nachteilig war nur, dass es nicht im Jagdgebiet lag, sondern wir jeweils etwa eine Stunde Anfahrt dorthin benötigten.

Der erste Tag im Camp wurde zum Akklimatisieren und Einschießen der Waffen genutzt, wobei sowohl mein Freund als auch ich mit unserer R93 Schwierigkeiten hatten. Wohl wegen der hohen Temperaturen und der dadurch höheren Gasdrücke sowie des überaus feinen Staubes ließen sich unsere Waffen nur sehr schwer beziehungsweise ohne Wartezeit auch gar nicht repetieren. Für eine unter Umständen gefährliche Jagd auf wehrhaftes Wild nicht die besten Voraussetzungen.

Die dann folgende Jagd sollte unsere Erwartungen jedoch voll zufriedenstellen.

Mein Freund Manfred und ich hatten eine 2:1 Jagd gebucht, wobei Manfreds jagdliche Interessen sich auf die reichlich vorhandenen Büffel und Antilopen beschränkte. Da die Jagd auf Büffel und Löwe in der Regel nur in den frühen Morgenstunden betrieben werden kann und Manfred seinen Büffel bereits am zweiten Jagdtag erlegte, hatte ich die Möglichkeit, die jagdlich interessanten Morgenstunden ausschließlich für die Löwenjagd zu nutzen. Die Schwierigkeit bestand darin, eine frische Löwenfährte, meist in der Nähe einer Wasserstelle, zu finden und diese dann über zum Teil viele Kilometer zu halten.

Es war auch hier beeindruckend, mit welcher Sicherheit die einheimischen Pisteure, die für unsere Augen auf zum Teil sehr festem Untergrund kaum sichtbaren Pirschzeichen zu interpretieren wußten.

Und so gelang es uns dann auch einige Male, dicht an den Verfolgten heranzukommen. Bei meiner ersten Begegnung mit der Großkatze lagen rund fünf Kilometer Fährtenarbeit im tiefen Kiesbett eines Trockenflusses überwiegend im Dauerlauftempo hinter mir, als unser Pisteur plötzlich innehielt, sich seiner Waffe versicherte und uns auf einen etwa fünf bis zehn Meter vor uns stehenden Busch hinwies.

Hinter einer Astgabel des ansonsten dichtbelaubten Busches, war in der Größe eines Briefbogens die fahlgelbe Decke des Löwens sichtbar. Nur wo war das Haupt und wo das „Heck“? In seinem Schlaf gestört erhob er sich „genervt“, sodass man nun die Rute und sein Kurzwildbret erkennen konnte. Mein Jagdführer gab „Feuer frei“, doch ich hatte nun nur noch die Rückseite der Katze im Visier und wollte dann doch lieber einmal zu wenig als einmal zu viel den Finger krumm machen. Und dann war sie weg. Obwohl das vielleicht fünf bis zehn Sekunden gedauert hatte, waren die Bewegungen des Löwens nicht hastig, sondern von einer gewissen Würde geprägt.

Die Vorsicht der Einheimischen erhöhte sich nochmals, und ein hinter dem Busch liegendes Grasfeld wurde vorsichtshalber erst einmal abgebrannt. Der Gesuchte blieb allerdings verschwunden. Der Versuch am nächsten Morgen, die Fährte an einer in der Nähe liegenden Wasserstelle erneut aufzunehmen, blieb leider erfolglos.

Man kann sich sicherlich gut vorstellen, wie mich diese nur Momente dauernde Situation in der Folgezeit beschäftigte. Aber schließlich kam ich zu der Überzeugung, dass es gut war, den Finger gerade gelassen zu haben…, und ein paar Jagdtage blieben mir ja noch.

Und tatsächlich, es sollte nochmals spannend werden. Am vorletzten Tag unseres Aufenthaltes, kurz nach Sonnenaufgang und an der ersten Wasserstelle fanden wir den frischen Trittsiegel eines großen einzelnen männlichen Löwen. Nach wenigen Metern hatte er frisch genässt, die Erde war noch feucht und der Geruch sehr intensiv.

Noch schnell alle Waffen überprüft, und los ging’s. War bei der vorherigen Verfolgung Dauerlauf angesagt, ging es diesmal eher im Zeitlupentempo voran. Nur unsere farbigen Begleiter am Schluss unserer Reihe überholten sich ständig. Der letzte Platz als „Schlusslicht“ war wohl nicht sehr beliebt.

Die Fährte näherte sich nun nach vielleicht einer halben Stunde mäanderförmig einer zweiten Wasserstelle. Wieder fanden wir frischen Urin und eine Lagerstelle. Der Bewuchs wurde zunehmend dichter, wir waren nun schon im hohen Elefantengras direkt an der Uferböschung. Plötzlich ein hastiges Geräusch rund fünf Meter vor uns, der direkt vor mir gehende Pisteur und ich konnten noch die standartenartig in die Höhe gehobenen Rute eines Löwens erkennen. Ein zweites Geräusch vielleicht zehn Meter rechts davon, und dann war der Spuk auch schon wieder vorbei.

Was wir nun vorfanden, waren die Lager zweier Löwen, die wir beim Ruhen gestört hatten und die nun flugs über die Uferböschung geflüchtet waren. Es hatte also auch hier wieder nicht geklappt, aber das war wohl auch gut so. Auf diese kurzen Entfernungen im hohen Gras gleich mit zwei Löwen Händel anzufangen,wäre vielleicht doch nicht das gewesen, was ich mir so vorgestellt hatte.

Die Löwenjagd war also hier vorbei und ich letztlich doch als Schneider nach Hause gefahren. Das war aber kein Manko, denn die Jagd, wie ich sie mir vorgestellt hatte, die habe ich erlebt. Eigentlich sollte diese Reise meine einzige auf Löwe werden. Zur Zeit besuche ich bei der Volkshochschule einen Französischkurs, man weiß ja nie, wofür es gut ist…, das nächste Jahr ist ja nicht mehr fern.

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