In den Rhodopen

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„Die Gams wurde ab dem ersten Januar 2007 unter Schutz gestellt, weil Bulgarien der EU beitritt und die Balkangams in den anderen Mitgliedsstaaten bereits geschützt ist. Aber ich habe von Krasimir noch drei der letzten Lizenzen ergattern können. Eine nehme ich, die zweite kriegt Georgund die dritte wäre doch was für Dich? Der Termin liegt Mitte November. Also, wie sieht ́s bei Dir aus?“

Das war der kurzgefasste Inhalt meines Telefonats mit Ottokar, meinem „jagdlichen Ziehvater“ an einem Freitagnachmittag Ende September. Wenn ich Freunden von Ottokar erzähle, stelle ich ihn als „jagdlichen Ziehvater“ vor, da er meinen jagdlichen Werdegang schon von Kindesbeinen an begleitet und auch entscheidend geprägt hat. Ich hatte mir eine kurze Bedenkzeit über das Wochenende erbeten, obwohl mein Entschluss mit zufahren bereits längst gefallen war.

Foto: Jürgen Weber

Da diese Jagd durch unseren Freund Krasimir organisiert würde, ich exakt noch sieben Tage Resturlaub hatte und mir die Möglichkeit geboten war, eine der letzten Lizenzen für Gämsen in Bulgarien zu bekommen, benötigte ich das Bedenkwochenende erst gar nicht. Gute fünf Minuten nach unserem ersten Telefonat und kurzer Information meiner besonders in jagdlichen Dingen äußerst verständnisvollen Frau rief ich bereits wieder bei Ottokar an und sagte zu! Unser Freund Krasimir ist seines Zeichens Vermittler hervorragend organisierter und „sauberer“ Jagdreisen in Bulgarien. Nach all dem Wirbel über sogenannte „Jagden“ in Bulgarien muss meines Erachtens auch einmal ganz klar gesagt werden, dass in Bulgarien sehr wohl auch jagdethisch einwandfreie Jagden angeboten werden. So waren wir bereits unter Krasimirs Führung im September 2000 zur Jagd auf Brunfthirsche im ehemaligen königlichen Revier Palamara unterwegs. Damals konnten wir als Gruppe von sechs Jägern herrliche Jagdtage verleben und neben zwei Selektionshirschen auch drei sehr gute Trophäen erbeuten. Dieses Mal jedoch sollte das Ziel unserer Jagdreise das Revier Devin-Izvora sein, im Süden Bulgariens in den Rhodopen gelegen. Der Start in Frankfurt verlief an sich schon äußerst „ereignisreich“: Georg hatte das Einsteckmagazin seines Repetierers vergessen, das just noch rechtzeitig zum Einchecken durch seinen Sohn nachgeliefert wurde. Dann gab es noch eine Überraschung meinerseits bei der Gepäckkontrolle, bei der sich eine abgeschossene Patronenhülse in meinem Jagdrucksack fand. Zu meinem großen Glück zeigte der von der Security sofort herbeizitierte Polizist Verständnis für die Situation und ersparte mir eine Anzeige, indem er kurzerhand und unbürokratisch die Hülse entsorgte.

Jagdhaus
Das Jagdhaus im Revier Devin-Izvora. Foto: Stefan Meyers

Und schließlich wollte ein Zollbeamter wissen, welchen Inhalt die vielen kleinen Schraubdeckelgefäße im Handgepäck von Ottokar enthielten. Da es sich hierbei um Ottokars Schnupftabak-Vorräte für eine Woche Bulgarien handelte, brachte dies dem Zöllner auch gleich das Erlebnis einer ordentlichen Prise in die (nicht-trainierte) Nase ein. Kurzgesagt: Man lernte uns kennen! Nach diesem turbulenten Auftakt waren wir dann doch erleichtert, endlich gegen 21.15 Uhr nach ruhigem Flug mit

BulgariaAir in Sofia zu landen. Zu unserem Pech herrschte an der Passkontrolle ein riesiges Gedränge, da direkt vor unserer Maschine drei weitere Flugzeuge gelandet waren, und wir uns unversehens am letzten Ende einer sich nicht vorwärts bewegenden Schlange wiederfanden. Nachdem wir uns unserem Schicksal des „langen Wartens“ hingegeben hatten, erschien plötzlich – wie aus dem Nichts – Krasimir hinter uns. Einer seiner Services besteht unter anderem darin, seine Jäger vor der Passkontrolle zu empfangen und sie dann durch dieselbige hindurch zu begleiten, wodurch die Warterei drastisch verkürzt wird. So wurden wir drei elegant am Pulk der anderen Passagiere vorbeigelotst und konnten nach Aufnahme unseres Gepäcks endlich den Kleinbus gen Devin besteigen. Auffällig bei der Fahrt vorbei am Flughafengelände waren die riesigen Werbetafeln westlicher Industrie, besonders die„Heimwerkerbedarf-Tafeln“ fielen auf. Es ist schon enorm, wie sich das Bild Bulgariens innerhalb der vergangenen Jahre gewandelt hat. Mittlerweile sind die meisten Straßennamen neben kyrillisch auch in lateinischer Schrift geschrieben, und man muss die Anstrengungen dieses Landes, sich an westlichen Standards zu orientieren, ganz klar anerkennen. Dass diese Veränderungen im Zeichen des EU-Beitritts stehen ist klar – egal wie man der EU mitsamt ihres Verwaltungsaufwandes und bisweilen unverständlicher Vorschriften und Regelungen gegenüberstehen mag. Nach langer Fahrt durch die Dunkelheit erreichten wir gegen 0.30 Uhr endlich das Jagdhaus, und jeder konnte sein Zimmer, jeweils mit eigenem Bad, in Beschlag nehmen.

Nachdem wir uns wieder einigermaßen „in Form“ gebracht hatten, stand noch unser Abendessen auf dem Plan (und natürlich hatten wir zahlreiche Fragen zum Revier). Nach einem sehr guten Nachtmahl und ein paar Gläsern Rotwein konnten wir uns schließlich für gute zwei Stunden ins Bett begeben, da unser Abmarsch bereits auf 6.30 Uhr festgelegt war. Die Morgentemperaturen waren sehr frostig, und auf den Wiesen schimmerte der Reif. Deshalb erschien es mir am zweckmäßigsten, im Zwiebelprinzip und mit langer Unterwäsche ausgestattet den kommenden Tag anzugehen. Allerdings war dieser Ansatz, zumindest für den ersten Jagdtag, nicht wirklich eine gute Wahl, wie sich später herausstellen sollte.

Rast halten
Kurze Rast während der Pirsch, die meist von oben nach unten verläuft.

Im Revier Devin-Izvora erfolgt die Jagd „von oben nach unten“. Dazu werden die Jäger vor dem Morgengrauen an verschiedene Stellen im Revier gefahren. Es wird dann von den am höchsten gelegenen Stellen ausgepirscht. Je nach Fitness und Alter der Jäger gibt es hier jedoch auch Möglichkeiten, die Pirsch nicht zu extrem zu gestalten. Ich, mit meinen 34 Jahren Jüngster der Truppe, brauchte mir darüber keine Gedanken zumachen. Bereits bei der Zuweisung der Jagdführer wurde gleich gesagt „Ihr beide seid jung und könnt laufen!“ Zum Glück hatte ich bereits längerfristig im Vorfeld zweimal in der Woche meine Kondition im Fitnessstudio auf dem „Crosstrainer“ verbessert – was sich als äußerst hilfreich entpuppte! Nachdem wir also im ersten Morgenlicht abgesetzt wurden, pirschte ich mit Dimitrov– meinem Jagdführer – sozusagen fröhlich und erwartungsvoll querfeldein. Dabei stießen wir des Öfteren auf frische Wolfsfährten und auch auf Bärenlosung. Hierzulande ist das Verhältnis zu diesen beiden Wildarten komplett konträr zu dem „Hype“und dem „Gedöns“, das in Deutschland gemacht wird. Niemand käme in Bulgarien auf die Idee, einen „JJ1“ (immerhin Vertreterdes größten europäischen Landraubtieres) als Teddy zu verniedlichen. Dafür verursachen Wölfe und Bären zu hohe Schäden unter den hier gehaltenen Nutztieren. In den ländlichen Regionen Bulgariens sieht man noch oft Pferdefuhrwerke, Viehhirten mit ihren Herden und einfachste Landwirtschaft– dies steht nach wie vor in krassem Gegensatz zur Entwicklung im Umfeld der bulgarischen Großstädte. Bis zum Mittag hatten wir mehrere Gämsen in Anblick, allein es war kein passender, sprich alter, reifer Bock dabei. Und auf solch einen wollten wir eigentlich waidwerken.

Erlegerbild
Drei erfolgreiche Jäger mit der nicht alltäglichen Strecke von drei Gamsen – Erlegt an einem Tag.

Wie bereits erwähnt, war ich mit langer Unterwäsche in optimistischer Erwartung kalter Temperaturen ausgerüstet. Bis zur Mittagspause hatten wir hingegen gute 25 Grad Celsius bei wolkenlosem blauen Himmel und strahlendem Sonnenschein. Deshalb konnte ich unsere Pause kaum erwarten, um mich „trocken zulegen“.Während ich die Wärme im T-shirt genoss, war Dimitrov bereits dabei, Holz zu sammeln und ein Feuer zu entfachen, damit wir unser mitgebrachtes, eingelegtes Fleisch darüber braten konnten. Es war einfach herrlich in dieser wunderbaren Landschaft

am Feuer gebratenes Fleisch während der Jagd und bei diesem Wetter zu genießen – und dass im November und auf 1000 Meter Höhe! Nach einer kurzen Siesta machten wir uns wieder weiter auf die Pirsch, bergauf und bergab, sodass der Schweiß nur so in Strömen floss. Aber auch bei unserer Nachmittagspirsch bekamen wir keine schussbare Gams in Anblick. Am Abend trafen wir uns mit Ottokar, Georg, Krasimir und den Jagdführern, um die Planung für den kommenden Tag zu besprechen. So sollten Georg und ich in einen weiter entfernten Revierteil fahren. Dies bedeutete allerdings für uns, dass die Abfahrt auf sechs Uhr früh vorverlegt wurde. Eine Jagdreise ist eben keine „Wellnessreise“, und wer eine Gams erjagen möchte, muss eben auch Opfer bringen und leidensfähig sein! Am nächsten Morgen erreichten wir noch im Dunkeln den Revierteil Kosi-Rog, eine gute Stunde Fahrtzeit von Devin. Hier gibt es ein weiteres, frischrenoviertes Jagdhaus mit vier Doppelzimmern mit je eigenen, modernen Bädern und einem gemütlichen Kaminzimmer. Nachdem Georg und sein Jagdführer Elias uns abgesetzt hatten, begann auch schon der Abstieg zu einer exponierten Felsnase auf der wir uns niederließen, um eine gegenüberliegende Bergspitze zu beobachten. Diesmal herrschte bewölkter Himmel und es wehte eine ordentliche Brise. Deshalb hatte ich auch schon bald alles, was der Rucksack an warmer Kleidung hergab, an. Nach gut anderthalb Stunden Wartens ohne Anblick pirschten wir schließlich weiter bergab und umschlugen dabei ein Bergmassiv.

Dabei kamen kurzzeitig fünf Gämsen in Anblick, die den Talgrund entlangzogen. Ein Ansprechen war jedoch nicht möglich und ich richtete mich mental darauf ein, dass wir wieder wie am Vortag gegen zwölf Uhr unsere Mittagspause einlegen würden. So wechselte ich gerade meine etwas durchnässten Hemden, um mich nicht zu verkühlen, und war gerade im Begriff, das Essen auszupacken, als Dimitrov über Sprechfunk verständigt wurde, dass Georg einen Gamsbock geschossen hatte. Wir sollten wieder zum Jagdhaus aufsteigen und uns mit den anderen treffen,

Gams
Ein braver Medaillenbock.

nicht zuletzt um neben der Begutachtung des Bocks auch die Jagdstrategie für mich neu zu besprechen. So kam es, dass Dimitrov und ich nach einem gut anderthalbstündigen steilen Aufstieg „etwas“ geschafft am Jagdhaus ankamen und mit Georg auf sein Waidmannsheil anstoßen konnten. Er konnte nach über eineinhalbstündigen Beobachtens und Sitzen in unbequemer Position einen sehr starken Gamsbock erlegen. Verständlich, dass er und sein Jagdführer völlig aus dem Häuschen waren! Nach dem Mittagessen wurde beschlossen, dass Elias mit Dimitrov und mir weiterpirschen, wohingegen Georg mit samt seiner Gams zurück nach Devin ins Jagdhaus fahren sollte.

Nach über 20 erfolglosen Wolfsjagden konnte Ottokar einen starken Rüden strecken.

Gegenüber der nun folgenden Pirsch war alles bislang Erlebte nur ein müder Witz! Bei leichtem Nieselregen ging es steil bergab, wobei wir bisweilen wenigstens einigen alten Wildwechseln folgen konnten. Das abgeworfene und feuchte Laub trug seinen Teil zu unfreiwilligen Rutschpartien ebenfalls bei. Zwischendurch legten wir mehrere Beobachtungsstopps ein und konnten im Gegenhang mehrere Rudel Gämsen sehen,

bei denen auch Gamsböcke standen. Nach einigen Klettereinlagen über nassen Fels, die für mich um ein Haar schiefgegangen wären, erreichten wir schließlich den Talgrund und konnten nach Überquerung eines Baches mit dem Anstieg und Angehen des ersten Rudels beginnen. Dieses hatte sich jedoch leider bereits in Bewegung gesetzt und zog von uns weg. So mussten wir weiter zum nächsten Rudel pirschen. Nach ausgiebigen Spekulieren stellte sich der dort stehende Bock jedoch als zu jung heraus und wir stiegen weiter bergauf. Als wir letztlich das Gipfelplateau bei einsetzender Dämmerung erreichten, wollte ich eigentlich nur so schnell wie möglich ins Jagdhaus, mich duschen, aufwärmen und die geschundenen Glieder wieder regenerieren. Wir wollten jedoch, bevor der Jeep angefordert wurde, noch kurz einen letzten Blick in eine Senke werfen. Plötzlich ließ sich Dimitrov schlagartig ins hohe Gras sinken. Ohne den Grund hierfür mitbekommen zu haben, tat ich es ihm gleich, während er mir schon zuflüsterte „Gute Gams. Psst.“ So lautlos wie möglich begannen wir, die Senke rechts zu umschlagen, um zu einer auf einem Sattel stehenden Kanzel zu gelangen. Von dort konnte man leicht gedeckt in die besagte Senke sehen. Dimitrov und Elias stiegen vorsichtig zum Fuß der Kanzelleiter auf und spekulierten in Richtung Senke, indes stand ich völlig überriegelt und musste in Ungewissheit ausharren. Nach für mich unendlich langsam verrinnenden Minuten winkte mir Elias zu und flüsterte nur „Guter Bock. Schnell, schießen.“ Und für mich stellte sich erst einmal die Frage: „Wie weit und wo ist die Gams überhaupt?“ Also setzte ich mich ganz langsam auf die unterste Stufe der Leiter, ohne jedoch überhaupt etwas zu sehen –außer hohem Gras. Also in Zeitlupe rauf auf die nächste Stufe. Von hier konnte ich zumindest das Haupt eines pechschwarzen Gamsbockes mit starken – mit bloßem Auge trotz Dämmerung gut ansprechbaren – Krucken auf eine Entfernung von etwa 60 Metern sehen. Allerdings war an einen Schuss aus dieser Position absolut nicht zu denken. Auch sicherte der Bock bereits in unsere Richtung. Somit gab es nur noch eine Möglichkeit für mich: Aufstehen, am Handlauf der Leiter anstreichen, da die Gams leicht spitz zu uns stand, auf den Trägeransatz zielen und schießen Im Schuss blieb der Gamsbock für den Bruchteil einer Sekunde auf den Läufen und fiel dann wie in Zeitlupe auf die rechte Seite.

In dieser Zeit hatte ich bereits nachrepetiert und alles durch das Zielfernrohr beobachtet – bereit, sofort einen eventuell nötigen Fangschuss zu setzen. Erst das doppelte „Waidmannsheil“ von Dimitrov und Elias und ein Schlag auf die Schulter holten mich aus meiner Trance zurück, und ich konnte überglücklich meinen ersten Gamsbock in Besitz nehmen. Zur Strecke war ein kapitaler, elfjähriger Gamsbock mit langen starken Krucken gekommen. Verständlicherweise strahlte ich über alle „Backen“ als wir später am Jagdhaus eintrafen. Und um diesen Tag noch einmaliger zu gestalten, stellte sich kurz darauf heraus, dass auch Ottokar zu Schuss gekommen war. Er konnte nach einem langenAnsitz auf einer zugigen Felsspitze ebenfalls einen kapitalen Gamsbock auf gemessene

Nach langer Pirsch Bergab und Bergauf gelang es mir, einen guten Widder zu Strecke zu bringen.

260 Meter mit gutem Blattschuss strecken! Somit waren wir alle drei erfolgreich zu Schuss gekommen. Der Forstdirektor erklärte uns an diesem Abend, dass er in seiner langjährigen Berufstätigkeit bislang noch nie erlebt hat, dass an einem Tag drei – und dann auch noch so starke – Gamsböcke erlegt wurden. Es versteht sich selbstredend, dass dieser Abendentsprechende Würdigung erlangte und wir alle erst spät ins Bett kamen! Für den nächsten Tag war erstmals Ausschlafen angesagt, bevor wir uns am Nachmittag ansetzen wollten. Da es im Revier Iz-vora auch Muffelwild gibt, wollte ich mein Glück auf einen Widder versuchen und auch Georg war an einem Einwachser interessiert. Ottokar hingegen beabsichtigte die restlichen Ansitze auf der Wolfsjagd zu verbringen, jagte er doch Isegrim seit über 20 Jahren in Bulgarien und auch Kanada ohne Erfolg hinterher. Beim abendlichen Ansitz hatten wir zu-erst ein Rudel Muffelwild in Anblick, jedoch ohne passenden Widder. Kurz darauf erschienen zwei kapitale Keiler auf der Bildfläche, die sicher der Traum eines jeden Jägers, jedoch ebenso die Bankrott erklärung der Jagdreisekasse sein dürften.

Auch ein einwachser kam zur Strecke.

Nach vorsichtiger Schätzung durch Dimitrov und Krasimir, der diesen Ansitz begleitete, dürfte jeder der beiden Bassen zwischen 26 und 28 Zentimeter lange Waffen tragen! Somit war für mich and diesem Abend „Hahn in Ruh ́“. Der Anblick dieser beiden Hauptschweine jedoch hat sich mir (leider) tief ins Gehirn gebrannt… Der Wolfansitz von Ottokar verlief leider auch nicht erfolgreich, wohingegen Georgan diesem Abend mehr

Glück hatte und einen Einwachser, dessen linker Schlauch schon massiv an das Kiefergelenk anstieß, erlegen konnte. Somit hatten wir wieder einen Grund zu feiern und stießen noch spätabends gemeinsam auf Georg und seinen Muffel an. Am nächsten Morgen brach ich mit Dimitrov wieder früh auf, um diesmal auf Muffelwild zu pirschen. Wie schon während der Gamsjagd zuvor, ging es auch hier wieder über Stock und Stein, bergauf und bergab. Dabei konnten wir mehrmals bei bestem Wind bis auf wenige Meter an einige Rotten Sauen herankommen. Aufgrund des geringen Jagddrucks ist das Schwarzwild hier weitgehend tagaktiv. Auch hatten wir den einen oder anderen Keiler und Rotwild in Anblick. Nach einer kurzen Mittagspause bekamen wir über Funk Bescheid, dass ein Jagdführer ein Rudel Mufflons gesehen hatte, bei dem einige gute Widder ständen. Nach der ungefähren Wegbeschreibung bedeutete dies für Dimitrov und mich „nur über den nächsten Berg“, um an das Wild zu kommen. Gesagt, getan, und nach einer guten halben Stunde richteten wir uns gut gedeckt vom Rudel ein und begannen die Widder anzusprechen. Schließlich gab Dimitrov einen Widder zum Abschuss frei. Doch bei dem ständigen Hin und Her im Rudel und dem Vorhandensein von fünf, für mich halbwegs identisch aussehenden Widdern, war es alles andere als leicht, den Freigegebenen zu identifizieren. Nach nervenaufreibenden zehn Minuten im Anschlag mit auf vierfach heruntergedrehtem Zielfernrohr stand plötzlich ein Widder kurz abseits und wieder kam die Aufforderung zum Schuss. Da für mich diesmal kein Zweifel bestand, dass es sich um den freigegebenen Widder handelte, visierte ich an und zog langsam den Abzug durch. Nach dem Schuss war von einer auf die andere Sekunde nichts mehr von dem Rudel zu sehen; bis auf den von mir Beschossenen, der auf der Seite liegend noch kurz schlegelte und bereits auf dem Weg in den „ewigen Schafshimmel“ war. Überglücklich trat ich an meinen Widder heran und konnte erst jetzt realisieren, dass dessen Schnecken fast einen „full curl“ beschrieben! Ich hatte meinen ersten Mufflonwidder erlegt, noch dazu mit einer für mich so großartigen Trophäe. Soviel Jagdglück konnte ich kaum fassen. Nachdem wir noch einige Fotos gemacht hatten, ging es zurück ins Jagdhaus, wo wir in fröhlicher Runde einen weiteren erfolgreichen Jagdtag beendeten. Für den kommenden Tag hatte Ottokar veranlasst, dass ein Hammel geschlachtet wurde, da wir mitsamt der versammelten Jagdmannschaft ein Festessen im Jagdhaus in Kosi-Rog veranstalten wollten. Nach dem Aufstehen sah die Landschaft draußen etwas verändert aus. Über Nacht waren 15 Zentimeter Neuschnee gefallen. Demzufolge gestaltete sich unsere Fahrt nach Kosi-Rog, dasweit oben im Gebirge liegt, recht abenteuerlich, und mehr als einmal sah ich uns schon vom Weg abkommen. Doch auch mit diesen Witterungsverhältnissen kam unser Fahrersouverän zurecht. Allgemein muss man sagen, dass die gesamte Mannschaft sehr gutorganisiert war: die Jäger wussten hervorragend über das Revier Bescheid und kannten jeden auch noch so verborgenen Wechsel. Ebenso meisterten die Fahrer jegliche Piste – ob trocken, verschlammt oder verschneit und mit Eisplatten. Die Köchin versorgt uns jeden Tag mit mehreren Gängen vorzüglichen bulgarischen Essens, die von der uns ständig umsorgenden Anni serviert wurden. Kurzum, es mangelte uns an nichts. Nach unserer Ankunft am Jagdhaus in Kosi-Rog und einem köstlichen Hammel-Essen waren alle, deutsche und bulgarische Jäger, in bester Laune. Und so kam es, dass Ottokar nach dem Essen ein bis dato in Bulgarien unbekanntes „Gesellschaftsspiel“ einführte – das „Gamslosungs-Weitspucken“. Dazu hatte er zwei Tage zuvor Gamslosung eingesammelt, auf der Heizung getrocknet und nun erhielt jeder drei Köttel zum Weitspucken. Als Preis gab es einen edlen Flachmann zu gewinnen und dementsprechend strengten sich alle an.

Auch die Köchin und Anni machten mit. Es war eine Riesen-Gaudi, alle lachten und letztlich gewann Dimitrov den (mittlerweile mit „Feuerwasser“ befüllten) Flachmann. Danach setzten wir uns auf verschiedenen Kanzeln an. Ottokar bezog wieder die „Wolfskanzel“. Georg sollte noch, falls möglich, einen Überläufer für die Küche schießen, wohingegen Dimitrov und ich nur zum Beobachten ausrückten. Wir bekamen zwei Hirsche vom dritten und fünften Kopf in Anblick sowie einen gut dreijährigen Keiler. Aufgrund der einsetzenden Kälte war ich insgeheim äußerst dankbar, dass Dimitrov der beste „Weitspucker“ der Truppewar, und wir somit einen gefüllten Flachmann dabei hatten.

Ottokar, Georg und Karsten bei der Übergabe der Medaillen durch den Revierleiter (v.l.)

Bei Georg kamen einige Überläufer in Anblick von denen er eine Überläuferbache mit gutem „Küchenschuss“ strecken konnte. Da Ottokar die Nacht durchsitzen wollte, waren Georg und ich bereits die halbe Strecke bis nach Devin gefahren als über Funk die Mitteilung kam „…Ottokar hat geschossen…“. Danach brach die Funkverbindung abrupt ab und ließ uns in Ungewissheit zurück. Uns war eigentlich klar, dass Ottokar wenn, dann nur auf einen Wolf geschossen hatte, und so wendeten wir augenblicklich, um zu seiner Kanzel zu fahren. Was für ein Anblick, als wir ankamen! Mitten im Schnee lag ein starker Wolfsrüde mit wunderschönem Winterbalg. Und Ottokar und sein Jagdführer strahlten derart, dass es eigentlich keines Mondlichtes mehr bedurft hätte, um die ganze Szenerie zu erleuchten. Endlich, nach über 20 Jahren, konnte Ottokar seinen Lebenstraum von der Erlegung eines Wolfes – und noch dazu in Bulgarien, das er seit über 30 Jahren bereist – erfüllen. Jeder kann sich vorstellen, dass dieser Abend erst sehr spät zu Ende ging und am nächsten Morgen das Frühstück erst gegen neun Uhr eingenommen wurde. An diesem, unserem letzten Tag in Devin setzte ich ins Jagdhaus. Nach einer heißen Dusche und dem Zusammenpacken meiner Ausrüstung trafen wir uns mit den Jagdführern zu einem letzten Umtrunk und bekamen im Anschluss des Abendessens vom Forstdirektor noch die Urkunden der Trophäenkommission überreicht. Dabei erfuhren wir, dass alle drei Gamsböcke Medaillentrophäen waren: zweimal Bronze und einmal Silber. Es ist ein Jammer, wenn ich mir vorstelle, dass die Gämsen in Devin nicht mehr bejagt werden dürfen. Das Revier hatte bei der letzten Wildzählung einen Bestand von 220 bis 280 Gämsen auf einer Fläche von 10 000 Hektar. Sollten hier die Zahlen zu stark nach oben gehen, ist ein Zusammenbruch des Bestandes durch Krankheiten nur eine Frage der Zeit. Es bleibt wirklich zu hoffen, dass die bulgarische Jägerschaft in Verbindung mit der FACE eine Ausnahmeregelung zur Bejagung des Gamswildes in Bulgarien in Brüssel erwirken kann.

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