Namibias etwas anderer Hegering Conservancies war schon einmal Thema in JAGEN WELTWEIT (5/2001). Hier nun eine Reportage über einen Hegering und einige seiner Farmer im Kernland der Rinderzüchter, die den Wert der Jagd und nachhaltiger Nutzung erkannt haben Robert W. Kornmesser.
Weideland in der Kalkfeld-Conservancy. |
Von Robert W. Kornmesser
Nee Mann, fuzzek, fuck den ganzen Mist mit der Conservancy!“ – so gehört, weiß man, wo man ist. In einem Land so mancher Widersprüche, wo Widerspruch auch erst mal männlich ist, vor allem bei denjenigen weißen Farmern, die es eigentlich immer noch gerne so hätten, wie es einmal war.
Durcheinander in der Sprache und mitunter auch durcheinander im Kopf. Diese mittlerweile Wenigen haben die Zeit verschlafen. In Namibia hat sich eine ganze Menge bewegt – im Land, auf dem Land, in den Köpfen, auch in den Herzen. Und vor allem auch auf den Farmen, bei der Jagd, bei der Nutzung des Wildes.
Der Hegering Kalkfeld, oder Kalkfeld Conservancy, ist ein Beispiel dafür, ein besonders gutes Beispiel. Er ist etwas später gestartet als einige andere, aber das war eher ein Vor- als ein Nachteil. Die Mitglieder haben aus den Fehlern der anderen gelernt, stecken sich nicht zu hohe Ziele, sind keine Utopisten, die den afrikanischen Naturschutz neu definieren wollen, sondern sie stehen mit beiden Füßen auf dem Boden, ohne ihren potentiellen Mitgliedern dabei auf Selbige treten zu wollen.
Das hat ihnen viele Sympathien eingebracht, auch bei denjenigen, die mit dieser urdeutschen Hegering-Idee – „fuck“ – zunächst überhaupt nichts anfangen konnten. Das waren in erster Linie die weißen afrikanischen Farmer, die Buren, die in ihrer Mehrheit nach wie vor traditionelle Rinderfarmer sind.
Der Herr der Rinder
Als ich den ersten Kontaktversuch mit einem von ihnen machte, dachte ich, ja, so sind sie eben. Das war per Telefon. Es stellte sich aber sehr schnell heraus, dass Hercules Botha nur etwas verunsichert war, was denn dieser deutsche Journalist an ihm so interessant finden könnte. Auf seiner Farm Radio war dann nach einigen Minuten des Beschnupperns auch alles plötzlich völlig anders. Da dominierten die alten Tugenden. Gastfreundschaft und noch einmal Gastfreundschaft.
Seine Frau Maryna sorgte sich um das Wohl der Gäste, denn der Hausherr kam später. Und ich wagte zunächst nicht, mit dem Teetässchen in der Hand, so ganz einfache Dinge wie nach der Jagd zu fragen, zumal dieses Farmhaus, anders als andere, nicht mit Trophäen vollgestopft war. Aber wir waren ja auf einer Rinderfarm.
Der Herr über 1.500 Rinder schaute kurz rein, verschwand aber sofort wieder, weil er seiner Frau versprochen hatte, sich für die Herren der deutschen Jagdpresse ein frisches Hemd anzuziehen. Das tat er auch, aber eigentlich sah er anschließend so aus wie vorher auch. Sympathisch, knorzig – nach einigen Minuten war das Eis gebrochen.
Also Jagd!? Nein, mit Jagdgästen möchte er nichts zu tun haben, sagt Hercules Botha. Er schießt sein Wild nur für den eigenen Gebrauch und würde das auch weiterhin so halten. Den Wert und den Nutzen des Wildes habe er aber längst erkannt – übrigens im Gegensatz zu seinem verstorbenen Vater, mit dem er sich darüber heftig gestritten habe. Für seinen Vater war das Wild nichts weiter als ein Nahrungskonkurrent für die Rinder. So wie jede Raubkatze ein natürlicher Todfeind war.
Mit den Katzen hält es der Sohn noch wie der Vater. Bei Kudu, Oryx, Hartebeest, Eland und Warzenschwein – das sind die Wildarten, die auf Radio ihren Einstand haben – ist er in Sachen Hegering mittlerweile Überzeugungstäter. Die im größeren Rahmen gemeinsame, nachhaltige Nutzung leuchtet ihm ein. Nicht ohne Respekt nennt er das eine gute deutsche Idee – so wie er im Laufe des Gesprächs immer deutlicher zu erkennen gibt, dass er eine hohe Achtung vor den Leistungen der Deutschstämmigen in diesem Land hat.
Beim Abschied sagt Hercules Botha dann doch noch, dass er sich in vier, fünf Jahren vielleicht doch Jagdgäste vorstellen könne – wenn sein Wildbestand dann so sei, dass er mit gutem Gewissen nachhaltig nutzbar ist.
Etwa 200 Kilometer nordwestlich von Windhuk liegt das Hegegebiet “Kalkfeld”. |
Nashörner
Nashörner
Unser nächster Besuch führt uns zu einem hochinteressanten, aber nicht immer unumstrittenen Mann: einem alten Hasen in Sachen Wildmanagement, obwohl Peter Clausen gerade erst 47 Jahre alt ist. Umstritten, weil er zu den ersten gehörte, die auf ihren Farmen Wildkamps einrichteten – also wildsicher eingezäunte Gebiete, die man entweder vernünftig – ökologisch, biologisch und jagdlich – nutzen kann oder auch unvernünftig, nämlich vornehmlich materiell orientiert.Peter Clausen hat seine Kritiker zwar nicht schnell, aber nachhaltig überzeugt – mich übrigens auch. Sein Motiv war von Anfang an nicht, so schnell und teuer wie möglich auch ausgefallene Trophäen an seine Jagdgäste zu verkaufen, sondern er hat eine große Freude daran, Wild in seiner natürlichen Umwelt zu hegen und zu pflegen. Kritiker würden heute vielleicht immer noch sagen, auch zu züchten. Aber wenn er das tut, dann tut er es mit Sinn und Verstand. Es ist im besten Sinne Wild- und Naturmanagement.
Natürlich haben sich viele innerhalb und außerhalb des Hegerings gefragt, wie ein eingezäunter Wildfarmer Mitglied eines Hegeringes sein könne. Denn eigentlich widerspricht es ja dem Gedanken der gemeinsamen nachhaltigen Wildnutzung. Zu ihr gehört nun einmal auch, dass ein Jagdführer nicht nur auf seiner, sondern auch auf der Farm eines anderen Hegering-Mitglieds mit dessen Genehmigung einen Jagdgast führen darf.
Man kann kaum erwarten, dass der Besitzer eines Wildkamps mit Rappenantilopen, Nashörnern und schwarzen Springböcken die Zäune niederreißt oder Jagdgäste anderer Farmen seine mühsam gehegten Trophäenträger erlegen lässt.
Das erwartet auch niemand im Kalkfelder Hegering ernsthaft. Hier ist man froh, dass Okosongoro mit seinen 7.000 nicht eingezäunten Hektar Mitglied ist und Peter Clausen seine Wildmanagement-Erfahrung in die große Gemeinschaft einbringen kann.
88 andere Farmen – so viel sind es zur Zeit in diesem etwas anderen Hegering – mit über 450.000 Hektar können davon nur profitieren. Erfahrungen sind im Falle Okosongoro mitunter auch schmerzhafte Erfahrungen. Die Frage ist eben nur, ob man aus diesen Erfahrungen auch die Lehren zieht. Peter Clausen steht zu seinen Fehlern.
Einer seiner ehrgeizigsten Wünsche war die Ansiedlung von Elefanten auf Okosongoro, obwohl dieser Herero-Name so viel bedeutet wie „Der Platz wo die Zebras sind“.
Die ersten grauen Dickhäuter kamen 1991. Die letzten zwei Bullen hat Peter Clausen vor einem Jahr wieder schweren Herzens verkauft. Er sah, dass er es nicht mehr verantworten konnte, wie die Elefanten einen Baum nach dem anderen niederlegten. Als er dann mal nachrechnete, wie schnell es im 7.000 Hektar großen Wildkamp von Okosongoro wohl keine Bäume mehr geben würde, tat er den für ihn nicht leichten Schritt.
Abnehmer hat er für die grauen Riesen gefunden, weil es doch einige sogenannte Gamelodges gibt, denen es wichtiger ist, dass ihre Gäste viel und auch attraktives afrikanisches Wild sehen, als dass sie lange über den Schaden für die Umwelt nachdenken wollen. So sehen dann auch einige dieser großen Privatzoos aus. Ein ausgewachsener Elefant wirft übrigens pro Jahr 1.000 bis 1.300 Bäume um.
Natürlich fehlen die Elefanten irgendwie, sagt mir Peter Clausen, als wir mit seinem alten Willy-Jeep durchs Kamp fahren, aber wenn er glaubwürdig bleiben wolle, könne er nicht anders handeln.
Es bleibt aber auch so noch genug zu sehen. Was vor allem sofort auffällt, ist der für diese Jahreszeit noch gute Weidezustand. Bei jemandem, der zuviel Wild hat, sieht das anders aus. Attraktiv und interessant ist sein Wildkamp trotzdem allemal: Roan, Sable, Wasserböcke, Blessböcke, Impala, schwarze Springböcke, Eland, beide Zebraarten, Giraffe und mittlerweile 18 Nashörner – sechs Weiße und zwölf Schwarze.
Die Schwarzen Nashörner hat er vor Jahren gewissermaßen vom Staat in Pension genommen. Er betreut sie, und der Staat verfügt über sie. Davon profitieren alle. Peter Clausens Gäste erfreuen sich an diesem urigen Wild, der Staat weiß sie in guten Händen, andere Wildfarmen können den Zuwachs erwerben und schließlich wird ein Beitrag dazu geleistet, diese vom Aussterben bedrohte Wildart zu schützen. Auf Okosongoro gibt es bereits die vierte Generation Schwarzer Nashörner. Acht Stück sind bereits auf anderen Farmen erfolgreich angesiedelt worden.
Die Nashornkühe Gerda und Tilla von der weißen Spezies sind hochtragend und müssen in diesen Tagen kalben. Das ist immer noch nicht Routine für Peter Clausen, sondern nach wie vor hochspannend. Das merkt man ihm deutlich an, als wir versuchen, mit seinem Peilsender die Kühe ausfindig zu machen. Das gelingt erstaunlich schnell. Bis auf 15 Meter zu Fuß kommen wir heran und können nur staunen, wie scheinbar zutraulich diese Kolosse sind, um dann aber plötzlich und blitzschnell wieder von der Bildfläche zu verschwinden.
Die große Sorge ist die Wilderei. Nach wie vor sind die wuchtigen Hörner auf dem Schwarzmarkt gefragt. Hier aber ist außer den Peilsendern noch mehr Vorsorge getroffen worden, über die Peter Clausen verständlicherweise öffentlich nicht reden möchte.
Multifunktionär
Bevor wir weiterfahren zur Farm Gross-Okandjou im südwestlichsten Zipfel des Hegerings machen wir noch einmal in Omaruru Station. Dort hat Ingo Jacobi sein Büro. Auch er ist Farmer aber auch Beamter des Landwirtschaftsministeriums. In Europa würde man ihn wohl einen Multifunktionär nennen. Neben anderen Ehrenämtern, die er übernommen hat, ist er auch stellvertretender Vorsitzender der Kalkfeld Conservancy und ebenfalls stellvertretender Vorsitzender des Farmervereins.Aber er ist vor allem eins, er ist umsichtig und rührig, Mitinitiator des Hegerings und ein Mann, den man einfach braucht, um so ein großes Ding zu stemmen. Die Farmer sagen zwar, er sei der Einzige von ihnen, der wirklich Zeit für so etwas hat, weil er Beamter sei. Ganz ernst meinen sie das aber nicht. Vielleicht ist er aber der Einzige, der einen Gesamtüberblick hat (siehe das Interview auf Seite 75).
Ingo Jacobi erklärt mir, dass man sich entschieden hat, wegen der Größe des Hegerings, vier Untergruppen zu bilden, die zusammen leichter zu hantieren sind – Nord, Süd, Ost und West. Die Karte sieht zwar immer noch eher wie ein Flickenteppich aus, aber alle Farmen haben Anschluss miteinander, so wie es der Staat verlangt. Diejenigen, die noch nicht mitmachen, wolle man nicht drängen, aber dennoch offen sein für jedes neue Mitglied, das aus Überzeugung kommen möchte. Dass niemand auf seine Eigenständigkeit verzichten müsse, das hat wohl jeder verstanden.
Einige waren abgeschreckt durch Beispiele anderer Hegeringe, bei denen eher autoritär agiert wurde und sich einige wenige über die anderen hinweg durchsetzen wollten. Die größten Probleme haben Farmer, die sich der Forderung gegenüber sehen, ihre Rinderzäune abzureißen, weil der Hegering – wohlgemerkt nicht der Kalkfelder – sich nur noch dem Naturschutz, der Jagd und dem Tourismus widmen will.
Eine wildsichere Einzäunung von großen Gebieten ? was andernorts geplant ist – fordert nicht nur den Widerstand der Rinderfarmer heraus, sondern auch vieler besonnener Jäger und Jagdfarmer. Uralte Fernwechsel des Wildes werden unüberwindbar zerschnitten, eine natürliche Blutauffrischung in manchen Gebieten wird schwieriger oder gar unmöglich. Die Kalkfelder wollen da bewusst kleinere, man kann auch sagen besser zu verdauende Brötchen backen.
Dennoch geht es voran. Heute schon kann auf Mitgliedsfarmen Wild bejagt werden, das dort bisher nicht konzessioniert war. Vorausgesetzt, es entspricht der nachhaltigen Nutzung des Wildes und findet die Zustimmung des Vorstandes. Anderseits kann ein Jagdführer mit Zustimmung des Besitzers auf einer anderen Farm Wild bejagen, das bei ihm nicht vorkommt. Das geht vom Blessbock bis zur Giraffe.
Langsam voran kommt man bei den Kalkfeldern auch bei der gemeinsamen Bewerbung dessen, was man so alles anzubieten hat außer der Jagd – vom Reiten über das Fliegen, Camping, historische Sehenswürdigkeiten, Hiking Trails oder Vogelbeobachtungen.
Zu Pferde
Zu Pferde
Wir fahren von Omaruru weiter 30 Kilometer nordwestlich nach Gross-Okandjou. Auch so ein widersprüchliches Namensgebilde, das der alte südwester Amtsschimmel zu verantworten hat. Wenn man versucht, es genau zu übersetzen, so heißt das so viel wie „Großer, kleiner Elefant“. Da sind zu früheren Zeiten einmal zwei Farmen zusammengelegt worden. Und weil zwei größer sind als eine heißt diese 9.000-Hektar-Farm eben Gross-Okandjou.Manchmal stört den Besitzer diese Unlogik der Sprache. Wahrscheinlich auch weil er in seinem zweiten Beruf Journalist ist. Zwischendurch weist er auch gerne eher resignierend darauf hin, dass man „Gross“ in deutscher Sprache immer noch mit „ß“ schreibt und „gross“ im Englischen – der namibischen Amtssprache – zu allem Überfluss auch noch „grob“ heißt.
Zum Glück nimmt er – Immo Vogel – das alles nicht so ernst, zumal er als ehemaliger Chefkorrespondent beim Deutschen Fernsehen nur zu gut weiß, dass es in der Welt größere und gröbere Probleme gibt.
Immo Vogel ist das, was die alten Südwester einen Deutschländer nennen. Heute nennt die Regierung das einen ausländischen Farmbesitzer, der vor dem Kaufverbot – nämlich 1987 – Gross-Okandjou erworben hat.
Nachdem er sich mit 60 Jahren in den unruhigen Ruhestand hat versetzen lassen – er sagt, dass ein Journalist eigentlich immer im Beruf ist – kann er sich noch mehr um die Farm kümmern, als vorher schon und merkt spätestens jetzt, dass auch ein richtiger Farmer immer im Beruf sein sollte. Der Hegering – nicht weil die Deutschländer das Urheberrecht dafür in Anspruch nehmen – ist ihm eine Herzensangelegenheit.
Als der Hegering seinen Fragebogen verschickt hat, was es denn auf Gross-Okandjou Besonderes gäbe, hätte er am liebsten geantwortet „nichts“. Dann hat er aber doch gerne darauf verwiesen, dass seine Farm seit kurzem die erste namibische Westernriding-Ranch ist.
„Hat das auch etwas mit der Jagd zu tun?“, wollten wir wissen. Bei so einer Frage muss man aufpassen, dass einem der alte deutsche Jäger und namibische Meisterjagdführer nicht einen längeren, engagierten Vortrag über Jagd und Reiten hält, und dann über Hundezucht und Jagdhundeführung – speziell Teckel und Deutsch-Drahthaar – und schließlich über Afrika im allgemeinen und Namibia im besonderen.
Wer genau zuhört, merkt, dass der Teil über das Reiten am kürzesten ausfällt. Problemlos räumt er dann ein, dass seine Frau Heike, Tochter Alina und er das Westernreiten erst vor drei Jahren für sich entdeckt haben. Das aber mit voller Begeisterung, weil das Westernreiten nicht nur das 60-jährige Kreuz schont, sondern auch der Umgang mit den Pferden so ist, wie die Familie Vogel gerne mit Tieren umgeht – ohne Drill und Zwang, aber mit einer gewissen zielgerichteten Konsequenz.
Bevor man die Frage richtig los wird, ob das vielleicht auch irgendetwas mit dem Hegering zu tun hat, bekommt man die Antwort. In der Natur und im Umgang mit der Natur hinge doch alles irgendwie miteinander zusammen. So wie man mit Tieren, Pflanzen und anderen Ressourcen umgeht, bekommt man es doch auch zurück. Wer glaubt, nur ausbeuten und ausnutzen zu können, der erhält früher oder später die Quittung.
Nicht nur als politischer Journalist müsse man eigentlich wissen, dass das auch für den Umgang mit Menschen gilt. Wer gerne darüber debattiert, kann sich auf Gross-Okandjou nächtelang unterhalten. Da Immo Vogel sich aber eigentlich mal einige Zeit von seinem Leben als politischer Journalist erholen möchte, kommt er schnell und gerne auf den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur zurück.
„Wenn Sie gesehen hätten, wie das vor 16 Jahren hier ausgesehen hat – keine Weide, kaum Wild, kaum Wasser, dann wüssten Sie, wie man mit etwas Vernunft und auch Bescheidenheit Natur nachhaltig bewahren und entwickeln kann. Wer glaubt, man könne einfach ein bisschen Geld reinstecken, um dann schnell wieder umso mehr herauszuholen, der hat nicht begriffen, worum es geht.“
Bevor die Debatten zu theoretisch werden, geht Immo Vogel mit dem Gast dann doch lieber in den Busch, nimmt den nimmermüden Suzuki oder den selbstgestrickten Jagdwagen, immer Cato oder Luna dabei – die beiden Deutsch-Drahthaar. Den schwarzen Jagdbegleiter und Fährtenleser Richard hat Immo Vogel gerade auf einen Jagdführerkursus geschickt. Das machen noch nicht viele weiße Farmer in Namibia. Die Prüfung hat er im ersten Anlauf leider noch nicht bestanden, aber das schafft heute auch kaum ein weißer Kandidat.
In letzter Zeit stehen auch immer häufiger die Fahrzeuge auf dem Hof und Lenz oder Cortez und Geronimo, die Westernpferde, dienen trittsicher als Transportmittel. Geschossen, sagt er, wird auf keinen Fall vom Pferd. Mit ihnen hat man zwar die Chance, näher ans Wild heran zu kommen, aber bis auf Schussentfernung muss immer noch zu Fuß gepirscht werden.
Wir sehen sehr bald auf der Fahrt durch das wunderschöne Okandjou-Revier mit seinen riesigen, mehrere hundert Jahre alten Anabäumen – Revier heißt hier Trockenfluss – dass das mit dem Bewahren und Entwickeln nicht nur Sprüche waren. Gesunde Herden von Oryx-Antilopen und Kudus, Springböcke, Warzenschweine, Steinböckchen. Eins fällt besonders auf: Die Alterspyramide ist stimmig.
Angst hat Immo Vogel vor der derzeit im Land grassierenden Kudutollwut und fast noch mehr vor Nachbarn, die sich nicht dem Hegering angeschlossen haben und bei sogenannten Erntejagden ganze Bestände und gewachsene Altersstrukturen zusammenschießen könnten.
Wir wundern uns, dass wir auch Rinder sehen und fragen nach. „Nein, wir sind nicht nur aufs Wild beschränkt.“ Bei einer professionellen Weidewirtschaft sei das Zusammenleben von Rindern und Wild kein Problem. Auch das ungeübte Auge sieht, dass da was dran ist.
Rinderzucht
Rinderzucht
Schließlich verlassen wir Gross-Okandjou und fahren 110 Kilometer weiter nordöstlich, nach Kalkfeld. Staubpad, Teerpad und dann hinter Kalkfeld wieder Staubpad. Wenn es überhaupt so etwas gibt, dann ist der Farmer von Onduasu der typische Vertreter des Hegerings Kalkfeld. Eigentlich ist Kurt Kretschmar klassischer Rinderfarmer. Seine Brahmanenzucht ist sein ganzer Stolz. Diese Fleischrinder sind nach wie vor seine finanzielle Basis. Jagd, sagt er, ist wie der Tourismus ein verdammt sensibler Bereich. Bei seinen Rindern weiß er, was er hat, auch wenn die Preise im Moment mal wieder im Keller sind.„Aber Sie sind doch jetzt schon seit über 10 Jahren Jagdfarmer?“ frage ich. „Ja“, antwortet er: „das bin ich ebenfalls aus Überzeugung und natürlich auch aus materiellen Gründen. Eine 5.000-Hektar-Farm kann heutzutage kaum noch von den Rindern alleine eine Familie ernähren. Alles ist sprunghaft teurer geworden und wird es weiter, aber die Fleischpreise für den Farmer hinken kläglich hinterher.“
Wer jetzt vermutet, Kurt Kretschmar betreibe die Jagdfarmerei nur wegen des Geldes, der irrt. Man spürt in jedem Satz des Gesprächs mit ihm, wie er an seinem Wild hängt, und wie ihm deshalb die Idee des Hegerings wie gerufen kam. Jetzt sah er endlich die Gelegenheit, nicht nur alleine vor sich hin zu wurschteln, sondern in größerem Rahmen das zu tun, was er immer schon tat, nämlich das Wild nachhaltig zu schützen und zu nutzen.
Dass das kein Widerspruch ist, das muss man ihm nicht erst erklären. Das erklärt er einem schon selbst. Damit hat er schließlich Routine. Als Vorsitzender des Farmervereins Kalkfeld, der ja bekanntlich die Keimzelle des Hegerings ist, und als Vorsitzender der Ostgruppe des Hegerings gerät er ständig in Erklärungszwang. Da ist er ganz nüchtern.
Er weiß längst – und verurteilt das auch nicht – dass ein Großteil der Motivation über den persönlichen Nutzen läuft, übers Geld. Wenig Abgaben an den Hegering und sichtbare Zugewinne auch für die Nicht-Jagdfarmer, das macht eine gute Idee für den Durchschnittsfarmer noch besser. Abschiedsschmerz war es nicht, als wir uns von Onduasu und der Familie Kretschmar verabschiedeten. Eher das Gefühl, es ist schön, diese Menschen kennen gelernt zu haben. Man kann sich ja irgendwann mal wiedersehen.
Dino-Spuren
Die nächste knappe Stunde haben wir einen ständigen Begleiter – den Tafelberg Mount Etjo. Er weist uns den Weg zu einem der bekanntesten Nationalen Monumente Namibias und sicher dem wichtigsten Anziehungspunkt für Touristen im Hegering Kalkfeld.Die Namen der Farmen hier werden immer unaussprechlicher – zum Beispiel Otjihaenamaparero. Das kann sich kein Mensch merken. Aber wenn man „Dino-Spuren“ oder „Dino-Footprints“ sagt, dann weiß jeder zweite Tourist, was gemeint ist. Jeder Reiseführer weist auf diese Attraktion hin.
Die neuen Besitzer Adele und Reinhold Strobel aus dem Badischen haben sich die Dino-Lodge so ausgebaut, dass sie sich dort wohlfühlen und die Gäste mit Sicherheit auch. Das Gästehaus und den Campingplatz besuchen zusammen mit den Tagesgästen immerhin bis zu 5.000 Touristen pro Jahr.
Dass es sich um „nur“ 440 Hektar handelt, spielt im Falle der Dino-Lodge überhaupt keine Rolle – für den Hegering nicht und für die Touristen auch nicht. Neugierig machen die Dinosaurierspuren in den 190 Millionen Jahre alten Sandsteinen der Etjo-Formationen.
Adele und Reinhold Strobel verteidigen sich heute auch recht erfolgreich gegen die Tücken des afrikanischen Alltags und kämpfen auf ihre Weise für die Ziele des Hegerings. Überzeugen musste man sie von der Idee nicht erst. Als Jäger in Deutschland sind Reinhold Strobel Hegeringe bekannt, sagt er, und er weiß auch, dass sie nur erfolgreich sein können, wenn alle an einem Strang ziehen.
Mit dem Besitzer von dem über 100 Kilometer entfernten Gross-Okandjou hatte er schon mal vor der Hegeringgründung über eine Zusammenarbeit nachgedacht. Die beiden kennen sich gut aus Deutschland, haben dort zusammen gejagt, und 1990 wurde Reinhold Strobel auf Gross-Okandjou als Jagdgast vom Afrika-Virus gepackt. So schließen sich die Kreise.
Heute sind er und Immo Vogel froh, dass nicht die „obergescheiten“ Deutschländer die Erfinder der Kalkfeld Conservancy sind, sondern die namibischen Farmer selber auf diese Idee kamen. Wenn allerdings jemand wagt zu sagen „Nee Mann, fuzzek, fuck den ganzen Mist mit der Conservancy!“, dann sind sie zur Stelle.