Küstenkeiler und Wasserbüffel: Pirsch im australischen Busch

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Australien hat wohl als einziger Erdteil noch gute bejagbare Bestände des eingebürgerten, aber wildlebenden Wasserbüffels. Und auch die von der Insel Timor eingebürgerten Sauen bieten in den küstennahen Wäldern spannende Pirsch

Von Siegfried Kursch
Es ist sehr windig. Die Arafura-Sea ist für das kleine Boot zu aufgewühlt. Am Nachmittag wagen wir doch vom South Goulburn Island aus der 40 Kilometer Bootsfahrt rüber zur Festlandküste, um dort für einige Tage auf Keiler zu jagen.

Gut, dass wir unsere Ausrüstung und die Proviantkiste im Boot spritzwasserdicht mit Planen abgedeckt haben. Vier Stunden dauert die Überfahrt in der rauen Arafura-Sea. Jetzt liegt vor uns, wie ein olivgrünes Band, die Festlandküste.

In den küstennahen Eukalyptuswäldern und den anschließenden großflächigen Sümpfen wollen wir Jagd auf Keiler des Timor-Wildschweines machen.

Unser Zeltcamp am Strand errichten wir unter einer schattenspendenden Casuarina-Baumgruppe. Es weht hier immer eine leichte Brise.

Der Wind kühlt angenehm und vertreibt ein wenig die Moskitos, die allabendlich über uns herfallen. Gerald ist mit Salomon, einem Aboriginal von South Goulburn Island, in einem zweiten Boot mit uns hierher gekommen.

Der Aboriginal Salomon ist ein guter Jäger und Fischer. Er versteht es, mit Geschick und einem selbstgefertigten Speer im knietiefen Seewasser Fische zu harpunieren. Er ist uns ein Garant für die Versorgung mit frischen und schmackhaften Seefischen.

Gerald ist ein junger Österreicher, der als Berufsjäger bei Simon in Australien die Wildnisjagd auf Büffel und Sauen erlernen möchte. Er ist ein freundlicher und sehr hilfsbereiter Typ und ein guter Jäger.

Letzte Nacht hat Salomon, der vor dem Zelt am offenen Feuer schläft, bei halbem Mond unweit unseres Camps eine einzelne Sau bemerkt, die langsam durch den hellen Dünensand zog. „Du hättest und wecken müssen“, sage ich beim Frühstück am Feuer zu ihm.

Salomon lacht nur, er habe uns wegen eines Wildschweins nicht aus dem tiefen Schlaf holen wollen. Wildschweine könne man hier auch tagsüber jagen. Nachts solle man ausruhen und nicht jagen. Das klingt ja ganz plausible, aber trotzdem ich hätte dafür gerne meinen Schlaf unterbrochen.

Tatsächlich steht etwa 120 Meter vor unserem Camp eine frische Keilerfährte im Sand. Hier und dort hat der Keiler nach „Leckerem“ im Sand gebrochen. Außer den großen Trittsiegeln ist bei dieser Fährte noch eine Besonderheit zu erkennen.

Mit den Schalenspitzen des linken Vorderlaufes zieht der Keiler eine „Furche“ in den Sand. Eine alte Verletzung also, die er sich vermutlich beim Kampf mit einem Rivalen oder bei einem missglückten Angriff eines Krokodils zugezogen haben kann.

Eine Schussverletzung ist hier in dieser einsamen Wildnis wohl auszuschließen, aber wer weiß das schon.

Durch den losen Sand der Dünen folgen Simon und ich der Fährte. Immer wieder finden wir Stellen, an denen der Keiler gebrochen hat. Nach etwa 1000 Metern wechselt die Fährte vom Dünengelände in einen dichtbewachsenen Buschstreifen, in dem Pandanis-Palmenbäume in Horsten stehen.

Der Boden ist übersät mit langen trockenen Palmenblättern, die ein leises Pirschen unmöglich machen. Hier ist Vorsicht geboten: Die dicke Lage der trockenen Palmensicheln wird von Schlangen gern als Unterschlupf gewählt.

Kurzzeitig verlieren wir die Fährte. Dann steht sie wieder im feuchten Untergrund. Sie führt aus dem Buschstreifen hinaus in einen trockenen Eukalyptuswald mit Unterwuchs von schulterhohem Hartgras.

Nach 100 Metern finden wir das Lager des Keilers. Kurz vor uns muss er es verlassen haben, der „Keilerduft“ ist deutlich wahrnehmbar. Sicher hat er von uns Wind bekommen und ist unbemerkt durch das hohe Gras davongezogen. Ihm weiter zu folgen, macht wenig Sinn.

Im Sumpf

Wir pirschen hinüber in den angrenzenden Sumpf. Jetzt, am frühen Morgen, sind die Wasservögel sehr aktiv.

Vor uns steht ein Pulk Pelikane schwerfällig vom Boden auf. Viele Seidenreiher und Ibisse suchen hier im Schlamm nach Nahrung. Burdekin-Enten und Magpie-Gänse liegen zwischen den Sumpfgräsern auf dem flachen Wasser.

Zwei der sehr scheuen Marabus erheben sich weit vor uns und fliegen majestätisch mit gleichmäßigen Schwingenschlägen einen weiten Bogen um uns. Links ragt das Totholz eines hellgebleichten Baumriesen aus dem Sumpf. Auf einem seiner bizarren Äste hält ein Adler nach Beute Ausschau.

Außer den Vogelstimmen ist es hier still. Weit und breit kein Mensch, alles Natur pur. Nur wir zwei Jäger auf der Keilerpirsch stören diese Idylle.

Jetzt wird der Boden trockener. Im Sand stehen viele Schwarzwildfährten, und vor uns schnurgerade die Spur eines Dingos. Wir pirschen weiter durch kniehohes Sumpfgras und viele Buschgruppen. Unerwartet kommt vor uns eine einzelne Sau hoch.

Flüchtig wechselt sie in den nahen schützenden Bewuchs. Ehe ich meine geschulterte und unterladene Büchse repetiert und angebackt habe, ist die „Bühne“ bereits leer.

Das ist nicht weiter tragisch, es war ein jüngerer Keiler, der hier seine Schwarte rettete. Im weiten Bogen kehren wir zum Camp zurück. Salomon hat zwei Queenfische mit dem Speer im Meer gefangen, deren Filets wir uns zum Lunch gebraten schmecken lassen.

Auf Keilerpirsch

Wieder bin ich mit Simon unterwegs auf der Pirsch am Rande des Buschwaldes, der in eine weite Sumpffläche übergeht. Hier am Buschsaum haben wir immer wieder Schwarzkittel vor. Meist jüngere Keiler, Überläufer und Bachen mit Frischlingen.

Ich habe aber nicht die Absicht, jüngere Keiler zu erlegen. Nachdem ich schon zum sechsten Male hier in Australien jage und viele Keilertrophäen mich zu Hause an aufregende und erlebnisreiche Jagdtage mit Simon erinnern, gilt mein jagdliches Interesse mehr den alten Bassen unter den Keilern.

Bei der Pirsch im dichten Busch jedoch ist kaum Gelegenheit, ein Stück auf sein Alter hin anzusprechen. Wenn hier ein Keiler aus seinem Lager hochgemacht wird, muss spontan und treffsicher reagiert werden.

Macht man unter solch jagdlich nicht einfachen Bedingungen Beute, dann ist es auch ganz egal, ob junger oder alter Keiler. Hier steht normalerweise das Jagderlebnis oben an.

Der Tag geht zu Ende. Der rötliche Abendhimmel deutet den Sonnenuntergang an. In etwa 30 Minuten wird der tiefrote Sonnenball am Horizont in die Arafura-Sea eintauchen.

Wir queren einen breiten Buschstreifen mit viel Unterholz, um über die Dünen an den Strand zu gelangen. Dort kommen wir in der Dämmerung schneller zu unserem Zeltcamp. Noch im dichten Busch bleibt Simon stehen und zeigt gestikulierend vor sich zwischen die Bäume in das Strauchwerk. Zunächst kann ich nichts erkennen.

Jetzt sehe auch ich ihn, einen dicken schwarzen Klumpen. Etwa 20 Meter vor uns hat sich ein Keiler von seinem Lager neben einem am Boden liegenden Totholzstamm erhoben und sichert zu uns herüber. Fast auf Tuchfühlung mit dem Keiler, lässt ihn das Repetiergeräusch meiner Büchse hochflüchtig davonstürmen.

Nach dem von mir hingeworfenen Schuss ein kurzes helles Klagen des Bassen. Nun dreht er sich mehrmals auf der Stelle im Kreis.

Durch die Büsche erhält er von mit das zweite 19,4 Gramm schwere Geschoss, geht kurz zu Boden, kommt aber sofort wieder hoch und nimmt uns an. Knapp zehn Meter von uns entfernt erhält er den Fangschuss, der ihn an den Platz bannt und verenden lässt.

Ich stehe an einem acht- bis zehnjährigen Keiler, dessen Gewehre eine Länge von bestimmt 20 Zentimetern versprechen. So etwas ist für mich Jagd; Jagd, die unter die Haut geht.

An den nächsten drei Tagen kann ich hier noch vier gute Keiler strecken. Von den 350 000 Hektar Keilerjagdgebiet, das Simon allein bejagt, haben wir während meines Aufenthaltes nur einen Bereich von 1500 Hektar durchpirscht. Keiler gibt es hier noch satt.

Wasserbüffel

Da vor uns, mitten auf dem rotstaubigen Track, der sich durch den Buschwald schlängelt, verhofft er gelangweilt und nässt unter sich – ein starker, auffallend hellgrauer Wasserbüffelbulle.

Simon stellt sofort den Motor seines Toyota-Geländewagens ab und lässt ihn einige Meter ausrollen; nur jetzt kein quietschendes Bremsgeräusch verursachen. Der Büffelbulle nimmt vom Fahrzeug anscheinend keine Notiz und wechselt etwa 100 Meter vor uns in den Buschwald aus Eukalyptus mit strauchartigem Unterholz ein.

Es ist Pfingstsonntag, die Morgenpirsch brachte genügend Anblick, jedoch war kein alter jagdbarer Büffelbulle dabei. Nun auf der Rückfahrt zum Basiscamp diese Begegnung. Simon hatte den richtigen „Riecher“ gehabt, er deutete schon vorher an, dass die Chance realistisch sei, hier im Busch einen alten jagdbaren Wasserbüffel zu überraschen.

Zu dieser Zeit wechseln die Wasserbüffel von den Äsungsplätzen in den schattenspendenden Busch ein, um auszuruhen und wiederzukäuen. Sie ziehen dann satt und gelangweilt durch den Busch und suchen einen schattigen Einstand, möglichst in der Nähe von Wasserlöchern.

Vorsichtig verlassen wir den Geländewagen, die Türen bleiben offen. Simon pirscht mit schnellen Schritten durch den Busch in Richtung des davonziehenden Büffels. Lautloses Pirschen ist hier kaum möglich.

Überall am Boden liegen trockenes Eukalyptuslaub und Zweige. Simon pirscht fast lautlos vor mir her; es ist barfuss. Ich folge ihm in Schuhen. Trotz aller Sorgfalt pirsche ich jedoch zu laut. Ein missfallender Blick von Simon bestätigt es. Schnell ziehe ich meine Schuhe aus, lasse sie im Busch zurück, und weiter geht es auf Socken.

Über uns kreischen weiße und schwarze Kakadus und buntfarbene Sittiche. Nicht gerade angenehm sind die großen, grünen Ameisen, die auf der Unterseite der Blätter des Strauchwerks sitzen und alle anscheinend nur auf uns lauern – wir haben sie überall am Körper. Sie beißen fürchterlich.

Den vor uns ziehenden Büffel hören wir immer wieder im Unterholz. Nur einige Male haben wir einen flüchtigen Sichtkontakt zu ihm. Es reicht jedoch nicht für einen sicheren Schuss. Kein Luftzug ist spürbar.

Die Hitze und die Spannung des Augenblicks treiben mir den Schweiß aus den Poren. Nun wird der Busch lichter. Wir sehen den Büffel etwa 50 Meter vor uns etwas seitlich. Simon kauert sich vor mich auf den Boden. Ich benutze einen Eukalyptusbaum zum Anstreichen der Repetierbüchse im Kaliber .375 Holland & Holland.

Simon ahmt den Angstruf eines Büffelkalbes nach. Der Büffelbulle verhofft und macht kehrt. Er steht nun spitz zu uns, jedoch nicht frei.

Einige störende Sträucher sind noch unmittelbar vor dem Büffel. Voll konzentriert habe ich den Büffelbullen in der offenen Visierung der Büchse. Abermals lässt Simon das Klagen hören.

Das wehrhafte Wildrind setzt sich langsam in Bewegung und zieht spitz auf uns zu. Nur 35 Meter vor uns verhofft der Büffel misstrauisch und schlägt mit der starken Hornwehr. Erneut wirft er nun sichernd auf und windet hörbar zu uns herüber.

„Shoot,“ flüstert mir Simon zu. Der Schuss bricht. Ich habe dem Büffel das 300 Grain schwere Teilmantelgeschoss am Trägeransatz mittig auf den Stich gesetzt.

Der Bulle wirft sich im Knall herum und stürmt, einige Bäume annehmend, davon. Wir folgen ihm sofort mit schussbereiter Waffe. Ich sehe den Büffel im lichten Strauchwerk zusammenbrechen.

Er ist noch nicht verendet, kommt aber nicht mehr auf die Läufe. Ein Fangschuss auf den Träger lässt den alten Recken verenden.

Welch ein Koloss liegt da vor mir. Seine hellgraue, spärlich behaarte Decke ist von Kampfspuren durch Rivalen gezeichnet. Lange, vernarbte Risse und Einstiche im Träger- und Blattbereich signalisieren einen alten Kämpfer.

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