Reise in ein geschundenes Land – Simbabwe

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Kann man nach all den Gräuelgeschichten, die man gelesen hat, noch guten Gewissens in Simbabwe jagen? Ich habe es gewagt und im Süden des Landes mein kleines Paradies gefunden.

Im größten privaten Jagdgebiet sind ganze Herden von Elefanten ausgesetzt worden.

Von Gerd G. von Harling
Oktober des Jahres 2002: Unruhen, Plünderungen, Vertreibungen weißer Farmer, Morde in Simbabwe. Was an Unzulänglichkeiten eines politischen Umbruchs in einem afrikanischen Land vorstellbar ist, hat in Simbabwe seinen Höhepunkt erreicht

So steht es jedenfalls in deutschen Zeitungen, so hört man es im Rundfunk, und so sieht man es in den abendlichen Fernsehnachrichten. Meldungen über Hungersnot, Verbrechen, Vergewaltigungen und andere Gräueltaten überschlagen sich in den Berichterstattungen der Medien. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Unbestritten sind Armut und Hunger durch Misswirtschaft.

Nach den Horrormeldungen und den Warnungen des Auswärtigen Amtes habe ich zwar über die Zustände auf dem Flughafen in Harare und meinen dortigen Empfang bedenkliche Vorstellungen, mir aber unnötige Sorgen gemacht: Die Stimmung ist wie immer gut. Die Schwarzen sind fröhlich und zuvorkommend.

Nach schlechten Erfahrungen als Reporter vor einigen Jahren während der Apartheid-Ära in der benachbarten Republik Südafrika überlege ich beim Ausfüllen des Einreiseformulars, ob ich bei der Frage nach meinem Beruf vorsichtshalber „Kaufmann“ schreibe, beantworte sie dann aber wahrheitsgetreu mit „Journalist“.

Während meine Frau mich auf einer geruhsamen Safari im tansanischen Selous wähnt, brause ich mit meinem Freund und Jagdführer Jonathan im klimatisierten Kleinbus Richtung Süden. Jons Familie lebt in der vierten Generation in Simbabwe. Im Februar wurde er von seiner kleinen Farm in der Nähe von Harare vertrieben.

Aus Enttäuschung hierüber plante er, nach Tansania zu gehen, zumal er für dort wie für Mosambik und Sambia eine Berufsjägerlizenz besitzt, zog sich dann aber auf einen Jagdblock im Süden Simbabwes zurück, wo er seit 15 Jahren die Jagdkonzession besitzt.

„In den vergangenen zwei Jahren wurden in Simbabwe ungefähr 20 Weiße getötet, was ist das gegen Südafrika, wo jeden Monat mindestens ebensoviele Weiße ermordet werden“, schimpft Jon.

Links und rechts der Straße liegen Weiden mit herrlichem Grasbewuchs, aber weit und breit ist kein Rind zu sehen. Das Vieh ist verkauft. Die Besitzverhältnisse einiger Farmen in Simbabwe haben sich verändert. Von Weiß nach Schwarz.

Wir fahren durch verkohlte Buschsteppe. In den zerstörten Drahtzäunen hängt Papier, Plastik und anderer Unrat, selten sieht man Vieh in diesem Landstrich, der noch vor einem Jahr zu den reichsten Afrikas zählte. „Vor einem Jahr war all dies noch exzellentes Farmland“, klärt mich Jon auf. Viele Schwarze, die die Farmen von den Weißen übernahmen, haben die alten Arbeiter, die jahrelang dort angestellt waren, entlassen. Hunderte von Familien wurden dadurch arbeitslos und haben keine Bleibe mehr.

Zwischendurch entdecke ich vereinzelt gesunde Viehbestände, gepflegte Farmhäuser, beregnete Felder, intakte Zäune, Besitze, die sich noch in weißer Hand befinden. Spuren des vergangenen Reichtums dieses Landes sind aber überall noch zu entdecken. Es ist erstaunlich, wie wenig Zeit die Natur benötigt, um sich das zurück zu erobern, was der Mensch ihr in zähem Ringen in mehreren Generationen abgerungen hat.

Auf dem Land herrschen nach wie vor passable Verhältnisse, gleichermaßen für Weiße wie für Schwarze. In den Städten aber steigen Armut und Kriminalität.

Den schwarzen Farmarbeitern geht es gut, sie sind meist zufrieden, ihren „weißen Herren“, denen sie oft schon seit mehreren Generationen dienen, treu ergeben. Sie verhalten sich loyal, können die Entwicklung und Wandlung von Präsident Mugabe, des früheren Hoffnungsträgers ganz Afrikas, nicht verstehen und nachvollziehen.

Viele Weiße haben das Land vorsichtshalber verlassen. Große Maschinen werden in der einst blühenden Landwirtschaft des Landes kaum noch eingesetzt, Spezialkräfte, die sie bedienen können, sind rar geworden. Manche Felder werden stattdessen mit Ochsen gepflügt, und Frauen hacken tief gebückt mit vorsintflutlich anmutenden Geräten im trockenen Erdreich.

Die Ernte auf dem Land wird für die dort wohnenden Familien reichen, in den großen Dörfern und Städten aber herrscht Hunger. Der Tabakanbau, Simbabwe war einer der größten Exporteure weltweit, liegt durch Enteignung dieser Industrie am Boden.

Fotos: Heinz Lehmann, Rudolf Moraw

Devisen für Simbabwe

Devisen für Simbabwe

Die einzigen nennenswerten Devisen für das Land kommen nur noch durch die Jagd herein. Jon ist trotz allem, was er an Ungerechtigkeiten, Korruption und Enttäuschungen in diesem Jahr erleben musste, zuversichtlich. „Es ist nicht mehr so wie früher, und es wird auch nie wieder so sein. Wir haben in den letzten Jahrzehnten so viele politische einschneidende Wandel und Wechsel in diesem Land durchmachen müssen: Rhodesien, Sambia, Simbabwe, alles Äußerlichkeiten, die Schönheit des Landes kann man nicht zerstören. Die Wirtschaft liegt zwar am Boden, die grandiose Schönheit unseres Landes aber wird bestehen bleiben, ob die Hauptstadt nun Salisbury oder Harare heißt“, meint er.Nach vierstündiger Autofahrt von Harare, der Hauptstadt Simbabwes, erreichen wir die Devure Resettlement Area, das größte in Privatbesitz befindliche Jagdgebiet der Welt: 3.400 Quadratkilometer Fläche in dem großen Save Valley, auf der bis Anfang der 80er Jahre Rinder gefarmt wurden.

Das Konsortium aus 22 internationalen Investoren, Amerikaner, Deutsche, Engländer, Südafrikaner und Anleger aus Simbabwe, besteht aus reinen Idealisten, die ihr Geld gewiss besser anlegen könnten.

Die Devoli-Rinderfarm

Jons Urgroßvater – Thomas Bridge wurde er getauft, weil man ihn unter einer Brücke in London fand – ging nach seiner Ausbildung zum Missionar nach Argentinien, übersetzte dort die Bibel in den örtlichen Dialekt, gründete anschließend eine Schaffarm und kam 1919 aus der Kälte Argentiniens in die Hitze Süd-Rhodesiens, damals auf den Landkarten in London noch als weißer Fleck verzeichnet.Hier gründete er die Devoli-Rinderfarm. Obwohl das Land sehr fruchtbar ist, wurde die Viehzucht durch ständig wiederkehrende Dürren immens erschwert. Alle acht bis zehn Jahre verdurstete der gesamte Viehbestand, so dass man Anfang der 80er Jahre die Ranch aufteilte und erste Schritte zum „Wildfarming“ einleitete. Die Rinderzucht hatte sich nicht bewährt.

In der Absicht, einen Safari-Tourismus aufzubauen, wurden schwarze Nashörner eingeführt. 1991 schließlich wurde das gesamte Gebiet fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt „Wild“ verwaltet, und 1992, als die schlimmste Dürre der vergangenen Jahre herrschte, waren sich alle Besitzer einig, statt der Rinder nur noch Wild zu halten. Man errichtete einen 340 Kilometer langen Zaun um das Gebiet, die Innenzäune wurden abgerissen, und so entstand das größte private Jagdreservat nicht nur Afrikas, sondern der Welt.

Die Dürre blieb, Wild war, da es wie in allen intensiv genutzten Viehzucht-Gebieten der Welt erbarmungslos verfolgt wurde, aber kaum noch vorhanden. 1993 wurden 600 Elefanten vom Gonarezhu-Nationalpark importiert, das erste Mal in der Geschichte, dass ganze Elefanten-Familien umgesiedelt wurden. Dazu kamen Büffel und weitere schwarze Nashörner. Elands, Gnus, Giraffen, Rappenantilopen, Kaffernbüffel folgten. Zebras, Kudus und Impalas gab es zwar bereits, es wurden aber noch viele dazu gekauft. Bis 1996 investierte man viel Geld in den Transport und den Fang.

Viele Flächen waren durch Überweidung der Rinder und die ständigen Dürren ohne jeglichen Grasbewuchs, waren verbuscht. Erosion hatte sich breit gemacht, bereits 1992 war das Land fast vollständig versteppt. Aber die Trockenperioden hatten durch das Schwinden der Rinder auch ihren Vorteil, denn nun konnte sich das Gebiet von der Überweidung durch die Viehbestände erholen, und das Wild fand zunehmend bessere Lebensräume. Die positive Wechselwirkung zwischen Wild-Erhaltung, Jagd- und Landschaftserhaltung wirkte.

„Ein Juwel in der Krone Afrikas“

„Ein Juwel in der Krone Afrikas“

1998 wurde ein Fluss angestaut, es entstand ein riesiger See mit über 70 Hektar Wasserfläche, der mit einem Bewässerungssystem, das die umliegenden Gebiete erschloss, ausgestattet wurde. „Ein Juwel in der Krone Afrikas“, wie es Dr. Alistiar Pole, begeisterter Jäger, promovierter Zoologe und Direktor von Zambezi Hunters nennt. Pole ist recht zuversichtlich, was die Zukunft betrifft, und versucht, weitere Investoren und Industrien wie Holzschnitzereien durch die Einheimischen und Hartholz-Export anzusiedeln, um dieses gigantische Projekt zusammen mit dem Jagdtourismus voranzutreiben. „Ein Pionierprojekt, das weitaus mehr Arbeitsplätze bringt als die herkömmlichen Rinderfarmen.“Mit den Anliegern wurde 1993 ein Trust gebildet und größere Aktionen abgestimmt. Die Einwohner der das Projekt umgebenden Dörfer bekommen Geld, kaufen Tiere, die im Park ausgesetzt werden, sind somit Mitinhaber, profitieren vom Verkauf oder den Trophäengebühren und haben deshalb ein Interesse an deren Nutzung, Erhaltung und Schutz.

„Im Süden des Parks ist die Wilderei noch sehr groß, aber seit einigen Monaten bekommen wir Unterstützung von der Regierung, durch Armee und Polizei.“ Im Jagdblock von Zambesi Hunters sind 20 Ranger angestellt, die versuchen, der Wilderei Einhalt zu bieten. Sie erhalten für die Ergreifung eines Wilderers eine Belohnung von einem Monatsgehalt. Die Regierung zeigt großes Interesse am weiteren Ausbau und hat trotz schwieriger Zeiten in Simbabwe eingesehen, dass „Wildlife“ die beste Möglichkeit der Landnutzung ist, führt Pole weiter aus.

Der Jagdblock meines Professional Hunters Jon – er teilt sich die Jagdausübungsrechte mit drei weiteren Safari-Unternehmen – ist über 120.000 Hektar groß und beschäftigt mehr als 300 Leute. Das bedeutet, über 1.500 Menschen leben davon.

Da auf diesem Gebiet nur ein Berufsjäger jagt und weder in der Nähe der Wasserstellen noch vom Auto aus geschossen werden darf, unterliegt das Wild keinem Jagddruck. So ist es vertrauter, als ich es in den großen Nationalparks Afrikas erlebt habe.

Ehemals investierten die Safari-Unternehmen kaum in luxuriöse Camps, weil sie ihre Gebiete nur maximal für fünf Jahre pachten durften und sich teure Anschaffungen für diese kurze Zeit kaum lohnten. Nun entstehen aufgrund des Interesses der privaten Investoren aufwändige Lodges, die auch verwöhnte Foto-Touristen beherbergen. Die wohlhabenden Besitzer sind auf die Abschussquoten nicht angewiesen, und die Gebiete, die sich die vier Outfitter teilen, werden nicht überjagt.

Selbst der WWF unterstützt dieses gewaltige und einmalige Projekt. Mit seiner Hilfe erfolgt im September 2003 eine Wildzählung, einmal aus der Luft, von dort ist es relativ einfach beispielsweise Büffel zu zählen und einmal vom Boden aus, weil Buschbock und Ducker mit dem Flugzeug kaum auszumachen sind.

Knapp 1.000 Elefanten leben in dem Gebiet, die seinerzeit 1993 importierten 800 Büffel haben sich auf ungefähr 2.000 vermehrt und finden ebenfalls beste Lebensbedingungen.

Die wissenschaftlich überarbeiteten Abschussquoten werden bewusst niedrig gehalten. In den Regierungsgebieten dagegen werden die Quoten immer höher geschraubt, da finanzielle Mittel benötigt werden. Nach letzten Zählungen leben in der „Save Valley Conservancy“ knapp 2.000 Eland, um die 300 Sable-Antilopen, etwa 700 Wasserböcke, bis zu 3.800 Gnus, 4.000 Zebras, 400 Giraffen, schätzungsweise 15 000 Kudus, über 8.000 Warzenschweine und etwa 60.000 Impalas.

Der Zuwachs bei Büffeln beträgt 15 bis 20 Prozent, und man rechnet in fünf Jahren mit einem Bestand von etwa 5.000 Stück. Impalas, im Sambesi-Gebiet werden die „afrikanischen Ziegen“ bereits „gefarmt“, sind genügsam, können fast überall überleben, ihre Vermehrungsquote ist enorm.

Sie müssen demnächst wahrscheinlich in einer großen Culling-Aktion kurz gehalten werden. Für diese Antilopenart gilt keine Abschussquote, genauso wenig wie für die Paviane, die recht viel Schaden unter dem Niederwild anrichten und nicht nur Gelege, sondern auch das Jungwild dezimieren.

Das größte Naturschutz-Gebiet der Welt

„Die beste Entwicklungshilfe, die Ausländer leisten können, ist, dass sie uns besuchen“, meint Dr. Pole. „Manchmal verlässt uns der Mut, alles läuft zu unserer Zufriedenheit, wir sitzen quasi in einem Paradies, aber dann macht die Weltpolitik Schwierigkeiten“, fährt der Biologe fort und berichtet von dem 38.600 Quadratkilometer großen gigantischen Limpopo-Naturpark, auch Transfrontier oder Peace Park genannt.

Mit diesem länderübergreifenden Park, der Südafrika, Mosambik und Simbabwe einbezieht, einem der ehrgeizigsten multinationalen Naturschutz- und Ökotourismus-Projekte des Kontinents, wird das größte Naturschutz-Gebiet der Welt entstehen.

Zählt man geschützte Gebiete hinzu, die an den neuen Park grenzen, dann überträfe die Fläche mit 100.000 Quadratkilometern die der Schweiz und der Niederlande zusammen. Durch einen Korridor zum Save soll es mit dem Jagdgebiet verbunden werden.

Dabei ist geplant, im Südosten Simbabwes wegen der Gefahr der Maul- und Klauenseuche einen Zaun zu errichten, um auch dieses Problem kontrollieren zu können.

Von der Regierung wurden kürzlich 80 Nashörner im Divuli-Park ausgesetzt. Sie befinden sich nicht im Besitz der Gesellschaft, die kostenlos für deren Schutz und Äsung sorgt, sondern sind quasi geliehen. „Irgendwann müssen auch sie bejagt werden“, wende ich ein. „Jedes dieser Nashörner hat seinen eigenen Namen, aber bald wird man diesen oder jenen alten Bullen der Wildbahn entnehmen müssen“, so Dr. Pole.

Die Erlöse werden dem Naturschutz zugute kommen, ein Abschuss bringt für fünf Jahre das Gehalt von ungefähr zehn Wildhütern und deren Familien. „Hunting Industry ist ein böses Wort, aber es bringt dem Land mehr Devisen ein als Touristen-Industrie, die Erfahrung hat es bewiesen.“ „Sehen Sie die Gefahr einer Enteignung?“ frage ich. „Die Afrikaner glauben, es sei einfacher, Viehzucht oder Ackerbau zu betreiben, Wildlife ist in der Tat sehr kompliziert, dies Feld ist ihnen noch fremd, sie benötigen dafür Spezialisten“, antwortet er.

Ist das Afrika von Hemingway, Ruarke, Selby und anderen „Jägergrößen“, ist die Jagd auf dem schwarzen Kontinent so, wie man sie in verklärten Geschichten serviert bekommt, wirklich am Ende? Gehören die Zeiten des fast unbeschreiblichen Wildreichtums Afrikas ohne Grenzen, Straßen, Bahnlinien, Zäunen, des fast unbegrenzten Jagens wirklich der Vergangenheit an? Pessimisten behaupten es.

Es gibt aber auf unserer trotz aller Unkenrufe schönen Welt noch Optimisten und unverbesserliche Idealisten. Einige von ihnen haben den Beweis angetreten: Afrika, „dunkel lockende Welt“, wie es Tanja Blixen vor 80 Jahren beschrieb, dieses Afrika existiert noch. Auf dieser Jagd im Oktober 2002 in diesem geschundenen Land konnte ich mich davon überzeugen.

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