Sauen im Sumpf

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Pripjat Sümpfe
 

1/2013

Drückjagden in Ungarn und Polen sind unter Jägern durch große Strecken und reife Keiler bekannt. Doch auch in Weißrussland kommt der Jäger auf seine Kosten. Eine 11-köpfige Jagdtruppe machte sich auf den Weg nach Belarus.

Von Markus Lück

 

Pripjat Sümpfe
Der Untergrund im Jagdgebiet steht in weiten Teilen unter Wasser. Nur über Holzplanken sind die Stände zu erreichen. Foto: M. Lück
So viel Wild, wie wir in 3 Tagen vorhatten, sehen manche Jäger in ihrem ganzen Leben nicht. Der Anblick reicht für mindestens ein ganzes Jagdjahr.“
Christophs Fazit fällt eindeutig aus. Ohne Wenn und Aber gebe ich ihm Recht. Die Masse an Wild, die ich während der 5-tägigen Reise in den weißrussischen Wäldern gesehen habe, werde ich so schnell nicht wieder in Anblick bekommen.
 
Noch immer tief beeindruckt von der urigen Landschaft in den Pripjat-Sümpfen kommt die 11-köpfige Jagdgesellschaft am Flughafen in Frankfurt an. Fazit aller Beteiligten: Es hat sich gelohnt!
 
Anfang November ging es endlich los. Nach einigem Hick-Hack mit den deutschen Behörden am Frankfurter Flughafen sind alle Waffen eingecheckt. Auch das Missverständnis um den Gültigkeitsbereich des Europäischen Feuerwaffenpasses ist aus der Welt geschafft. Wir sitzen im Flieger in Richtung Minsk.
 
Am Flughafen in der weißrussischen Hauptstadt verläuft alles reibungslos – das verdanken wir vor allem der sehr gut deutschsprechenden Dolmetscherin Lilia. Nachdem wir unser Gepäck in den Reisebus verladen haben, geht es los.
 

Ab in den Süden

 

Pripjat Sümpfe
Elchwild kam sowohl inner- als auch außerhalb des Gatters häufig vor. Foto: M. Lück
Unser Jagdgebiet liegt etwa 3,5 Stunden vom Flughafen entfernt. In den kommenden 3 Tagen werden wir in den Pripjat-Sümpfen jagen. An 2 der 3 Jagdtage wird es in ein rund 5.000 Hektar großes Gatter gehen. An dem verbleibenden Tag werden wir in freier Wildbahn weidwerken.
 
Die Unterkunft für die kommenden Nächte: ein neuerbautes Hotel. Alles ist hier auf Jagdtouristen eingestellt. Die Inneneinrichtung mit zahlreichen Präparaten, der rustikale Gastraum und der morgendliche Weckruf mit dem Jagdhorn runden das Bild vom jagdlich geprägten Hotel ab.
 
Doch auch der Komfort kommt nicht zu kurz. So steht für die Hotelgäste eine Sauna zur Verfügung, die wir jedoch angesichts der unerwartet milden Außentemperaturen von 5 bis 8 Grad nicht in Anspruch nehmen werden.
 
Die Nacht ist kurz. Nach nur 4 Stunden Schlaf wird die Jägergruppe durch Jagdsignale geweckt. Alle sind voller Vorfreude. Vor allem die, die das erste Mal in Weißrussland jagen, darunter ich, stehen unter Strom. Nach einem reichhaltigen Frühstück brechen wir auf.
 

Auf 7 geht es los

 

Pripjat Sümpfe
Den Sauen macht das Wasser nichts. Foto: M. Lück
Die Stände für die bevorstehenden Treiben werden verlost. Nach jedem der rund 1 bis 1,5-stündigen Treiben rotieren die Schützen eine Standnummer weiter. Dolmetscherin Lilia erklärt, dass das System sich in den vergangenen Jahren bewährt hätte, da so niemand den ganzen Tag auf einem vermeintlich schlechten Platz steht. Mein Stand fürs erste Treiben: die Nummer 7.
 
Nachdem sich alle Schützen auf äußerst geländegängige russische Kleinbusse verteilt haben, setzt sich die Kolonne in Bewegung. Beeindruckend: Vor dem Eingang ins Jagdgatter werden wir von einer rund 70-köpfigen Treiberwehr empfangen. In Reih und Glied aufgestellt, warten die Jagdhelfer auf uns Schützen und Generaldirektor Stephan Bambisa.
 
Die Freigabe an diesem Tag ist schnell geklärt: Alles dreht sich um Sauen. Außer Bachen mit einem Gewicht von über 70 Kilogramm ist alles frei. Weiterhin sind noch Füchse, Enoks und der im Gatter sehr selten vorkommende Wolf freigegeben. Alle anderen zum Teil sehr zahlreich vertretenen Wildarten, wie Rot-, Dam- und Rehwild, Elche sowie Wisente, werden auf den Drückjagden nicht bejagt.
 
Rums, Rums, Rums … Eine Serie von Schüssen zu meiner Linken kündigt Wild an. Sofort greife ich den Repetierer. Meine Augen sind nur noch auf eine Schussschneise fixiert, die nach vorne von mir wegführt. Rums, das war mein Nachbarschütze. Jetzt muss die Rotte gleich bei mir durch den Birkenwald rauschen. Doch die Schneise bleibt leer. Direkt neben meinem Standnachbarn durchbricht die Rotte unsere Schützenkette. 3 weitere Schüsse folgen.
 

 

Pripjat
Mittagspause: Bei Gewürztee und Speck tauschen sich die Jäger über Erlebtes aus. Foto: M. Lück
Rolf schießt verdammt schnell, und das obwohl er seinen Doppelbüchsdrilling lange nicht geführt hat, wie er mir nachher erzählt. 2 Schwarzkittel gehen über Kopf. Etwa 80 Meter von mir entfernt gehen die Sauen hochflüchtig durch ein Kiefernstangenholz. Das ist mir zu weit für einen Schuss auf hochflüchtiges Wild. Die Chance ist vertan, aber weitere sollen folgen.
 
Mittlerweile fängt es an zu dämmern. Es ist 17 Uhr. Das letzte der 6 Treiben am 1. Jagdtag ist in vollem Gange. Jetzt stehe ich auf Stand 1. Der aufgeweichte Boden war in den zurückliegenden Treiben schon unangenehm für die Jagdhelfer. Doch mit diesem Treiben verglichen, entpuppt sich alles Zurückliegende als Kinderspiel.
 
Um meinen Stand herum: eine durchgehende Wasserfläche, die nur von den Wurzeltellern der Birken unterbrochen wird. Der einzige Weg, um trockenen Fußes auf die Drückjagdstände zu gelangen, ist ein Holzsteg. Er führt entlang der Schützenkette zu einem Pfad, der mit den robusten Kleinbussen befahren werden kann.
 
Schon beim Angehen der Stände haben wir Schwarzwild in Anblick. Die Schwarzkittel lagen eng zusammengepresst auf den trockenen Stellen ringsum den Birken. So etwas habe ich zuvor nicht gesehen – unglaublich, wie viele Sauen auf solch kleine Fläche passen. Platsch, platsch. Gut sind die Tritte des Wildes in dem sumpfigen Untergrund zu hören. Die Geräusche werden immer lauter. Das müssen mehrere Stücke sein. Das Rauschen im Wasser schwillt an. Im Augenwinkel sehe ich, wie mein Nachbarschütze die Waffe hebt und in Anschlag geht.
 
Rums. Eine geringe Überläuferbache von vielleicht 40 Kilogramm quittiert den Schuss mit kurzem Zusammenzucken und zieht nun langsam in meine Richtung. Sichtlich krank torkelt sie auf mich zu. Der Repetierer ist schon gespannt, und der rote Punkt des Absehens steht auf dem Blatt der Sau. Da muss ich nicht weit vorhalten. Ich fahre mit, und im Schuss geht die Sau zu Boden. Meine 1. Beute in weißrussischen Wäldern. Noch lange ist die abgehende, bestimmt 40 Kopf starke Rotte im Birkenwald zu hören.
 

Wildbergung auf weißrussisch

 

Pripjat
Ungewöhnliche Bergung: Mit einem Kranaufbau wird das Wild vom Hänger gehoben. Foto: M. Lück
Mittlerweile ist es Donnerstagabend. Am 2. Jagdtag ging es in die freie Wildbahn. Wir stehen am Streckenplatz und beobachten die Jagdhelfer, wie sie das Wild vom Bergefahrzeug abladen. Wildbergung auf weißrussisch ist für uns ungewöhnlich. Alle bestaunen die Prozedur. Das Wild wird mit einem Traktor geborgen, der einen Anhänger mit Kranaufbau hinter sich herzieht. Die Stücke werden mit dem Greifer gepackt und auf dem Hänger abgelegt. Doch so rustikal, wie das Wild aufgeladen wird, so penibel achtet Generaldirektor Bambisa am Streckenplatz auf das brauchtumsgerechte Legen der Strecke. Und die kann sich wirklich sehen lassen. Vor allem ein Wolf, Elchkalb, Hirsch und ein reifer Keiler mit einem Gewicht von 210 Kilogramm aufgebrochen werten die bunte Strecke auf.
 
Letztmalig ertönt das Jagdhorn zum morgendlichen Weckruf. Es ist Samstag und damit der letzte Jagdtag. In der Nacht hat es stark geregnet. Zum Glück haben sich die dicken grauen Wolken verzogen. Nachdem die Stände ausgelost wurden, verteilen wir uns auf die Kleinbusse. Heute sind wir wieder im Gatter unterwegs. Es gibt also noch einmal Sauen satt.
 
Schon von Weitem sind die Rufe der Treiber zu hören. Da, von links wechseln 15 schwarze Klumpen durch den Birkenwald. Die ersten 5 sind mir zu stark. Allesamt Bachen. Doch die letzten passen. Ich spreche sie als Frischlinge von rund 25 Kilogramm an.
 
Ich greife meinen Repetierer und gehe in Anschlag. Immer näher wechseln sie auf meinen Stand zu. Die vorletzte Sau picke ich mir raus. Ich fahre mit, und im Knall geht der Frischling über Kopf, die .308 Win. hat ganze Arbeit geleistet.
 
Rums, rums. Wieder knallt es neben mir. Doch diesmal sind es keine Schüsse. Wir sind am Streckenplatz, und der Himmel ist durchzogen von roten Leuchtstreifen. Immer wieder knallt es, und der Himmel ist hell erleuchtet. Ein Feuerwerk mitten im Wald. Das Ende der Jagd wird also viel eindrucksvoller als in Deutschland zelebriert. Ein würdiges Ende für eine herrliche Jagd. Denn nur in ganz wenigen Revieren erlegt man in 3 Jagdtagen mit bloß 11 Schützen rund 120 Stück Wild.
 

Weitere Impressionen der Sauenjagd

Pripjat Pripjat Wolf Wolf Feuerwerk

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