Vom Ussuri bis ins Outback – Die Sauen Asiens

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Der 55. Breitengrad ist in Asien die nördliche Grenze des Vorkommens von Schwarzwild. Und die stärksten Sauen finden sich auf dem eurasischen Festland im Fernen Osten, am Ussuri

Von Anno Hecker, Toma Ivanovic und Dr. Kibo M. Windaji

25,6 cm Waffen
Keiler aus Kasachstan mit 25,6 Zentimetern Waffenlänge.
Welcher Jäger träumt nicht davon, einmal einen kapitalen Bassen, ein wirkliches Hauptschwein zu erbeuten?
Ein Wunsch, der für die meisten Grünröcke im Westen Illusion bleiben dürfte, sind doch solch grobe Sauen seltener als reife Hirsche, so dass sich hierzulande schon die Erlegung eines Zweizentnerkeilers herumspricht wie ein Lauffeuer.
Inzwischen hat die Entwicklung des Jagdtourismus mit seinen schnellen Flugverbindungen die Möglichkeit geschaffen, außerhalb Europas in weniger zivilisierten Landstrichen erfolgreich auf wirklich kapitales Schwarzwild zu jagen.
Eine Reihe günstiger biologischer Eigenschaften hat die erstaunliche Anpassungsfähigkeit bewirkt, die Sus scrofa zu einer der erfolgreichsten Schalenwildarten der Welt werden ließ: in erster Linie wohl das vielfältig gefächerte Nahrungsspektrum, wodurch sich das Schwein als einziger Paarhufer zum Allesfresser entwickelt hat.
Ferner die robuste Behaarung wie auch die Fähigkeit, Fett zur Wärme-Isolation anzulegen und zum Ausweichen vor Nahrungsnöten viele hundert Kilometer zu wandern oder ausdauernd zu schwimmen.
Und, last not least, die auf günstige Ernährungsbedingungen (Mast) reagierende hohe Vermehrungsquote, die auch große Verluste sehr schnell auszugleichen vermag.
Der Lebensraum der Sauen reicht heute von der portugiesischen Atlantikküste über den Ural hinaus bis zum Pazifik und von Nordafrika über Kleinasien nach Indien und Malaysia.
Die Sauen vom Ussuri
Jagdlich besonders interessant ist das mehr oder weniger zusammenhängende Areal, das sich im asiatischen Teil der früheren UdSSR bis zum Amur im Fernen Osten erstreckt.
Während die nahrungsarme Nadelholztaiga mit anhaltenden Schneehöhen von mehr als 50 Zentimetern das nördliche Vorkommen etwa am 55. Breitengrad begrenzt, zählen weiter südlich mastreiche Mischwälder in Bergland und Ebene, schilfreiche Flußniederungen und ufernahe Eichenhaine zu den bevorzugten Lebensräumen.
Und die Entwicklung des Ackerbaus in den letzten Jahrzehnten hat darüber hinaus eine starke Ausbreitung der Bestände gefördert.
In Mittelasien, zum Beispiel Kasachstan, können Sauen je nach Jahreszeit und Laubholzanteil auch im höheren Gebirge bis über 3000 Meter Seehöhe angetroffen werden.
Wissenschaftler haben im asiatischen Teil Russlands und der GUS drei Unterarten oder Lokalrassen unterschieden, wovon die östlichste, das Mandschurische oder Ussurische Schwarzwild, am stärksten wird.
Die Kurzformel lautet: je weiter im Osten und je feuchter der Lebensraum, desto stärker die Sauen.
Besonders die Region Primorsky Kray im Sichote Alin (Ferner Osten) beherbergt mit unterwuchsreichen, teilweise schon fast subtropischen Mischwäldern, Schwemmlandebenen und sumpfigen Grasflächen die stärksten Keiler der Welt.
Von hier, wo Keiler über 300 Kilogramm Gewicht und Gewehrlängen von 32 Zentimetern erreichen, kommen auch die russischen Rekordwaffen (149,20 Punkte). Allein die Haderer (bis 20 cm) sind oft so stark wie gute Gewehre bei Sauen in Deutschland.
Einer der Gründe für das häufige Vorhandensein reifer Keiler dürfte in Verbindung mit strengen Wintern die gnadenlose Auslese durch Wölfe sein, deren Fraß gegendweise bis zu 80 Prozent aus Frischlingen besteht.
Auch der Bär schlägt mehr Sauen, als man früher angenommen hatte. Starke Stücke werden dagegen von den hungrigen Grauhunden weniger attackiert, können alt werden und ein kapitales Gewaff, das ja während des ganzen Lebens wächst, entwickeln.
Nur der Sibirische Tiger schlägt erwachsene Sauen (bis zu 50 Prozent seiner Beute), lässt sich jedoch selten auf den Kampf mit einem hauenden Schwein ein. Ansonsten kann er die Schwarzwildbestände derart kurzhalten, dass der Tiger deshalb in Korea 1964 unter Vollschutz gestellt wurde.
Korea war übrigens schon vor dem Zweiten Weltkrieg für sein hochkapitales Schwarzwild bekannt, dem von den Einheimischen nicht zuletzt wegen der in der dortigen Medizin begehrten Gallenblase nachgestellt wird.
Die gebräuchlichsten Jagdarten sind weitläufige Treiben mit Hunden, der sommerliche Ansitz am Haferfeld, an Kirrung und Luder oder aber, später im Jahr, die Pirsch.
Besonders reizvoll ist bei Schnee das Ausgehen der Fährte in den verhältnismäßig lichten Laubwäldern, wenn der bei der Rotte stehende Keiler durch seine „überhöhte” Körpergröße leicht auszumachen ist.
Wer an einer eindrucksvollen Kopf-/Schultermontage interessiert ist, sollte zur Rauschzeit jagen, wenn die zottige Winterschwarte geradezu an einen Bären erinnert. Nackte, im Hafer gestreckte Sommerkeiler wirken an der Wand wie ausgestopfte Eselsköpfe!
Zentralasien
Wie im europäischen Teil Russlands oder in Sibirien sind auch Keilertrophäen aus den zentralasiatischen Republiken Kasachstan, Kirgisien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan von außerordentlich guter Qualität.
Zwar dauert die Anreise viel länger als nach Osteuropa, dafür liegen aber die Abschußgebühren hier auch 50 Prozent unter dem üblichen Niveau.
In Zentralasien und Kasachstan kommt eine besondere Unterart des Schwarzwildes vor: das Zentralasiatische Schwarzwild (Sus scrofa nigripes).
In den 30er Jahren dieses Jahrhunderts verlagerte sich die nördliche Verbreitungsgrenze des Zentralasiatischen Schwarzwilds zwar nach Süden, aber der Bestand wuchs in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts.
In den 80er Jahren gab es immerhin etwa 42500 Stück Schwarzwild (davon in Kasachstan 5500, Kirgisien 9600, Tadschikistan 7000, Turkmenistan 2300 und in Usbekistan 14500).
Bis zur Mitte der 90er Jahre hatte man geglaubt, dass die wesentlich schwächeren Sauen aus Zentralasien keine starken Waffen haben könnten.
Es kamen aber in den vergangenen Jahren mehrere Keiler zur Strecke, die mit Waffenlängen von 24 bis 27 Zentimetern zu den absoluten „Top“ zählen.
Im Vergleich mit Osteuropa ist der Bestand an Schwarzwild in ganz Zentralasien nicht groß, und um diese interessante Wildart hat man sich kaum ernsthaft bemüht.
In Kasachstan galt das Interesse der Auslandsjäger bisher vor allem Steinbock, Maral und Saiga.
In vielen Hügel- und Berggebieten kann man aber auch Schwarzwild erbeuten. Das ist aber, weil Sauen hier nicht so häufig sind, eher Zufall.
Eine ähnliche Situation findet man auch in dem bergigen Kirgisien. In Tadschikistan hat man noch vor zwei oder drei Jahren vorgehabt, gute Saujagden in einigen wenigen Gebieten mit relativ hohem Wildbestand aufzubauen.
Dieses Vorhaben scheiterte aber an der unsicheren politischen Situation im Lande, die sich bis zum heutigen Tag nicht wesentlich gebessert hat.
In Turkmenistan hat das Schwarzwild wegen seines geringen Bestandes kaum eine Bedeutung für den Jagdtourismus.
Deutlich günstiger sieht die Sache dagegen in Usbekistan aus, wo dieses Wild in den Flußniederungen, in den Uferstreifen der Seen und in den Gebirgswäldern relativ weit verbreitet ist.
Hansgeorg Arndt

Hansgeorg Arndt

Ussuri
Fahrt zur winterlichen Saujagd im Ussuri-Gebiet.



Tabellen:

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Foto: Friedrich Scholtes, Ralf Schneider

Hansgeorg Arndt

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