Die etwas andere Safari

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Farmjagd in Simbabwe zu Preisen, die deutlich unter dem Durchschnitt liegen, heißt: Abstriche an der Trophäenqualität machen. Aber das reizt auch manchen Jäger.

Von Peter Lambert

Warzenkeiler
Deutlich waren die Waffen des Warzenkeilers auf einer Seite abgenutzt.
Beim Lesen des „Simbabwe-Hunters“, einer Jagdzeitschrift, stieß ich auf eine Anzeige, die meine Aufmerksamkeit erregte. Neben den üblichen Jagden auf Big Game und Plainsgame, wurden auch Budget Management Hunts offeriert, das heißt, eine limitierte Anzahl von Jagden auf schlecht veranlagtes Wild (animal of poor breeding stock), Wild, dessen Trophäen einseitig abgerieben oder abgebrochen sind (animal of poor Trophy potential), oder einfach verletztes Wild (injured animal). Der Jagdführer sollte, so der Text, die letzte Entscheidung über Leben oder Tod haben. Die erbeuteten Trophäen könne man mitnehmen. Da ich zwei A – Abwechslung und Afrika – liebe, ließ ich mir nähere Informationen zusenden.
Was kam, ließ mich, salopp ausgedrückt, anbeißen: Die Jagd sollte unter Führung eines erfahrenen Berufsjägers, der annähernd 20 Jahre im Busch für Simbabwes Park and Wildlife Departement gearbeitet hatte, auf einer der größten Farmen in Simbabwe stattfinden. Die Farm umfaßt eine riesige Fläche ungegatterter Savanne und Miombowald im Herzen dieses Landes.
Die Midlands sind so hoch gelegen, daß man im August und September praktisch keine Malaria zu befürchten hat. Der Tagessatz (1:1-Führung) sollte auf 70 Prozent des sonst üblichen Satzes reduziert sein. Der Transport von und nach Harare (200 Kilometer) sei frei.
Und das Beste: Die Trophäenkosten waren moderat. So sollte als teuerste Trophäe ein Elandbulle 400 US-Dollar kosten, ein Kudu 300 US-Dollar und ein Warzenkeiler 60 US-Dollar. Weibliches Wild (darunter auch Hornträger) waren nochmals reduziert. Als ich die Bedingungen durchgelesen und eine Nacht darüber geschlafen hatte, war ich fest entschlossen, eine solche Jagd zu unternehmen. Preisliste
Ich wußte zwar von meinen verschiedenen Safaris, daß Wild, das unter die Kategorie Hegeabschuß fällt, genauso schwer zu erbeuten ist wie Rekordtrophäen, aber genau dieser Seltenheitswert reizte mich. In Namibia zum Beispiel konnte ich einen Oryxbullen mit einem abgebrochenen Horn (zu einem weit günstigeren Preis als normal) erlegen. In Südafrika erbeutete ich zu meiner Überraschung einen einhornigen Impalabock, dessen fehlendes Horn dem Jagdführer entgangen war. Im südlichen Afrika schoß ich über ein halbes Dutzend Warzenkeiler und Bachen, die alters- oder gewohnheitsbedingt einseitig abgeriebene oder abgebrochene Waffen besaßen.
Die wohl phantastischste „Nichtnormaltrophäe“ begegnete mir in Simbabwe auf einer Jagdfarm im Galeriewald entlang des Mwenezi Rivers. Auf der nächtlichen Heimfahrt von der Jagdkonzession zum Lager fuhren wir beinahe auf ein Rudel von Kudubullen auf. Nichts ungewöhnliches, wenn nicht ein Bulle im milchigen Licht der Autoscheinwerfer unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte: Seine Hörner waren ineinander gedreht.
Noch heute, wenn ich zurückdenke und die Augen schließe, kann ich mir diese merkwürdige, einem riesigen Kerzenleuchter erinnernde Hornkonfiguration bildhaft vorstellen. Auch der Farmer, der in seinem Leben schon viele tausend Kudubullen gesehen hatte, gab zu, niemals so etwas gesehen zu haben. Natürlich versuchten wir im weiteren Verlauf unserer Jagd, Ausschau nach dem Bullen zu halten, aber vergeblich. Der Busch hatte ihn verschluckt.
Auf der gleichen Safari stieß ich während einer Fußpirsch mitten im Busch auf eine zweifellos interessante Trophäe: ein Impalaschädel, dessen eines Horn sich zu einer Blase verdickt hatte. Aufgelesen und abgesägt, ziert es noch heute mein kleines Raritätenkabinett.
Das war ein Einblick in eher zufällig erbeutete oder gesehene „management animals“. Diesmal sollte also eine Safari gezielt auf diese Spielarten der Mutter Natur folgen.
Nach einer Woche „Normaljagd“ lieferte mich mein Jagdführer, mit dem ich nebenbei bemerkt, nicht so recht gekonnt hatte, auf dem kleinen Anwesen meines neuen Jagdführers ab. Der erste Eindruck, den der Professional Hunter auf mich machte, und den ich Rob nennen will, war gut. Ein Mann, kräftig, um nicht zu sagen, gut genährt, der eine Reihe mir sympathischer Hunderassen besaß und der Bienenzüchter war (alles traf auch teilweise auf mich zu). Er mußte einfach nett sein.
Von seinem Anwesen fuhren wir am gleichen Abend auf die nahegelegene Farm, in dessen Herz das Jagdlager lag. Der Sebakwe River floß an den pieksauberen Einrichtungen, Zelten und schilfgedeckten Rondevells vorbei. Eine Reihe exzellenter Trophäen, darunter ein 50-Zoll-Büffel, erlegt im Lowveld während eines Cullings, zierten das Messezelt.
Nach der Einweisung saßen wir noch zusammen. Wie üblich, kamen wir bald auf das Thema zu sprechen, das die Weißen in Simbabwe bewegt: die Enteignungsdrohungen des Präsidenten – besser Machthabers – Mugabe. Das Auf und Ab zwischen Hoffen (weitermachen zu dürfen, wie bisher) und Bangen (beinahe ersatzlos enteignet zu werden) beschäftigt verständlicherweise alle.
Einen lähmenden Fatalismus konnte ich bei meinen Gesprächen erkennen. Manche sind schon gegangen, die diese unstete und bedrohliche Politik nicht mehr ertrugen. Viele sitzen auf gepackten Koffern, nur wenige arrangieren sich und meinen, damit zurecht zu kommen.
Die einzige Hoffnung stellt der internationale Währungsfond dar. Er würde bei einer Radikallösung, nämlich der Enteignung tausender Farmen, sicher den Geldhahn, an dem das hochverschuldete Land hängt, zudrehen.
Nicht die ehemalige Schutzmacht England, den Papiertiger UNO oder die Supermacht USA fürchten die Schwarzen so sehr, wie diese Institution. Die Enteignung würde zwar kurzfristig tausenden landloser Kleinbauern zu Land verhelfen, gleichzeitig aber tausende Farm- oder Landarbeiter in die Arbeitslosigkeit treiben. Die Staatseinnahmen würden eher sinken als steigen.
Bei der Jagd würden viele Arbeitsplätze – weiße wie schwarze – wegfallen, die zahlende Jagdgäste aus aller Welt schaffen. Der Auslandsjäger würde gute Jagdgelegenheit zu moderaten Preisen auf den Farmen verlieren. Und mit diesen düsteren Aussichten legten wir uns zum Schlafen.
Erster Jagdtag
Um halb sieben, nach dem obligatorischen Early Morning Tea, beginnen wir unsere Pirschfahrt. Dabei sind drei Tracker, alle verschiedenen Alters: ein erfahrener Weißhaariger, einer im besten Mannesalter und ein junger, der noch lernen will. Als erstes fahren wir kurz hinter dem Lager an zwei Rudeln Wasserböcke vorbei. Beim Überqueren des Flusses beobachten wir auf den Steinblöcken ein Rudel Klippspringer. Das Böcklein trägt ein Rekordgehörn, also tabu, denke ich.
Die weitere morgendliche Pirschfahrt führt uns an guten und teilweise exzellenten Trophäenträgern vorbei. Im Miombowald und im offenen Dambos – flachen, grasbewachsenen Mulden – wechseln sich Rotten von Warzenschweinen mit Impala-, Kudu-, Tsessebie-, Zebra-, Gnus- und Elandrudeln ab. Jedesmal halten wir, und fünf Augenpaare mustern das vertraut weiteräsende oder höchstens sichernde Wild daraufhin, ob sich darunter eine Trophäe speziell für mich befindet. Ruhiges Wild ist übrigens ein Zeichen dafür, daß nicht vom Auto aus geschossen wird. Doch Fehlanzeige für diesen ersten Vormittag. Es folgt ein opulentes Mal und die obligatorische Siesta.
Um drei Uhr nehmen wir wieder die Pirsch auf, die mir erneut höchst erfreulichen Anblick bietet, was Anzahl und Vielfalt des Wildes angeht. Auf einen Schabrackenschakal, der mir der Jagdführer freigibt, werde ich nicht fertig. Hier kommt sowohl diese Schakalart vor, wie auch sein Vetter, der Streifenschakal. In diesem Jahr steht das Gras hier hüfthoch, wo eigentlich normalerweise gar kein Gras stehen sollte. So bleiben viele mittlere und kleine Wildarten unseren Blicken verborgen.
Als wir uns einer riesigen Dambo in einem umgebenden Miomboholz nähern, entdecken die Fährtensucher einen einsamen Elandbullen. Ich selbst habe ihn nicht bemerkt, weil er unter den vielen Rindern, die auch in dieser Dambo grasen, nicht aufzufallen scheint. Er hat uns – im Gegensatz zu den tumben Rindern – schon spitz bekommen und äugt uns auf mehr als 300 Meter an. Als Lebensraum ist eine solche Dambo für Eland eher untypisch. Vielleicht haben wir ihn beim Durchziehen oder beim Äsen der wenigen Büsche, die die Mulde auflockern, gestellt.
Intensiv, so fällt mir auf, mustert auch Rob den Bullen. Ich jedenfalls mache mir keine Hoffnungen, zu Schuß zu kommen, denn ich habe ihn in die Sparte Trophäenträger eingeordnet. Er scheint zwar alt zu sein, aber trägt wohl immer noch eine Trophäe. Zu meiner Überraschung gibt Rob mir den Bullen frei. Wir lassen uns aus dem Auto herab und kriechen auf dem Weg in Richtung des noch immer sichernden Bullen. Das hohe Gras ist diesmal unser Verbündeter und entzieht uns den scharfen Lichtern des Riesen.
An einer Baumgruppe am Wegrand pausieren wir und richten unsere Blicke über die Grasspitzen zum Bullen hin. Er ist immer noch da, denke ich erstaunt. Denn ich habe schon mehrfach auf Eland gejagt und weiß, wie vorsichtig sie sein können. Aber weiter kommen wir nicht heran, weil der Weg abbiegt und ich aus dem hohen Gras heraus nicht sehen, geschweige denn schießen kann. So streiche ich kniend meinen Repetierer an einem Stämmchen an. Vom Bullen sehe ich nur Haupt und Vorderteil des Trägers. Der Rest ist in den Büschen verborgen. Ich halte auf die Verbindung Träger zum Haupt. Im Knall der .300 Holland & Holland Magnum verschwindet der Bulle im Gras.
Kurz danach kommt er wieder hoch, und als er abgeht, setze ich im Laufschritt nach. Ich feuere, erneut bricht er zusammen. Er kommt wieder hoch und zieht schwankend dem gegenüberliegenden Miombowald zu. Aber dort gebe ich dem niedergetanen Bullen den Fangschuß. Außer Atem berühre ich die dicken abgestumpften Hörner und die prächtige Stirnlocke. Zu fünft laden wir in Schwerstarbeit den Bullen, der gut seine 14 Zentner wiegt, auf den Geländewagen.
Auf dem Heimweg stoßen wir in der rasch einsetzenden Dämmerung auf eine Tsessebie-Herde. Als wir sie routinemäßig mustern, erkennen wir darunter eine Kuh mit merkwürdiger Hornstellung. Statt wie normal nach hinten oben zeigende Hörner, hatte sie ein flach zur Seite gerichtetes Hornpaar. Aber sie führt ein Kalb.
Beinahe hätten wir zu unserem Bedauern auf der nächtlichen Fahrt einen Erdwolf erbeutet, er entkommt beim Überqueren der Straße gerade noch den grobstolligen Reifen des Vorderrades. Den Abend des ersten Jagdtages beschließen wir neben anderen Köstlichkeiten mit einer Markknochensuppe vom Eland.
Zweiter Jagdtag
Wie gestern sehen wir bei der Morgenpirsch viele gute und einige sehr gute Trophäenträger in den Herden und Rudeln oder auch als Einzelstücke. Einen „Management Kudubullen“ padoniere ich, obwohl es eine gute, reife Trophäe gewesen wäre. Auf anderen Farmen wäre dieser schon leicht abgekommene Bulle als normaler guter Trophäenbulle geschossen worden.
Im Verlauf der Safari sehe ich mehrere Kudubullen in der 55 und mehr Zoll-Klasse, einer sieht aus, als ob er die magischen 60 Zoll erreichen würde. So ist es kein Wunder, wenn Rob mir diesen Bullen mit seinen „nur“ 50 Zoll freigibt. Als aber kurze Zeit später ein Ducker, ein Einhörnchen, davonspringt, ruft dies meine Begehrlichkeit hervor. Die folgende Pirsch auf ihn bringt aber kein Ergebnis. Das hohe Gras, diesmal zu meinen Ungusten, verschluckt ihn auf Nimmerwiedersehen.
Von einem „Management Keiler“ wage ich gar nicht mehr zu träumen. So gute und gleichmäßige Zähne haben alle bisher gesehenen Sauen. Am Nachmittag versuche ich, einen davonstiebenden Schakal mit der Kaninchenklage wieder zum Zustehen zu bringen. Aber die nachgesandten Klagelaute verhallen im Miombowald. In einer davonziehenden Elandherde machen wir eine Kuh mit Kalb aus, deren Hörner sich wie ein X nach hinten überkreuzen.
Aber Diana lächelt mir dann doch wieder zu: In einer flachen Dambo entdecken wir zwei Keiler. Einer davon, mein Herz macht einen Sprung, trägt ungleich abgewetzte Waffen. Als er sich auf gut 100 Meter querstellt, schieße ich ihn hochblatt. Er fällt so blitzartig, daß sein Gefährte erst gar nichts davon bemerkt. Dann sichert er und springt ab, während wir uns schon nähern. Der erlegte Keiler ist mittelalt und trägt zu meiner Freude recht ordentliche Waffen.
Wenig später stoßen wir im dichten Busch auf eine Rotte Warzenschweine. Darunter befindet sich ein kapitaler Keiler. Sein Unglück ist es, daß er nur auf einer Seite kapital ist. Blitzschnell hechte ich aus dem Wagen, als Rob ihn mir frei gibt. Der hastig abgegebene Schuß trifft den in voller Fahrt abgehenden Keiler. Er fällt, kommt wieder hoch, erhält einen weiteren Treffer. Zum letzten Mal geht er zu Boden, wälzt sich wie rasend in den Büschen. Der dritte Schuß erlöst ihn. Das Ganze hat vielleicht 20 Sekunden gedauert.
In den zwei weiteren Jagdtagen sah ich neben vielem „normalen“ Wild noch einen guten „Management-Kudubullen“, eine „Management Elandkuh“ und auch einen Bullen. Die Kuh trug einen riesenlangen Spieß. Ich schoß noch einen Schakal und für die Küche noch ein paar Frankoline. Ein Impalabock, der nur mit dem Haupt und einem winzigen Stück Träger aus dem Gras hervor lugte, fehlte ich.
Am Ende der kurzweiligen Woche, auf der Fahrt nach Harare, war ich mir schon sicher, daß es eine gute Safari war. Als gebranntes Kind lasse ich mir Zeit bei der abschließenden Beurteilung. Zeit läßt einem Abstand gewinnen, relativiert Euphorie und Ärger. Jetzt, nach einem Jahr, hat sich bei mir die Überzeugung festgesetzt, daß diese eine gute Safari gewesen war. Ich habe schon wieder Angebote von Farmern vorliegen.

Tabellen:

[Preise]

Foto: Peter Lambert

Hansgeorg Arndt

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