Tipps für den Tip

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Ein gewohnter Vorgang und dennoch ein Problem: Warum geben wir Trinkgeld (engl. tip)? Aus Dankbarkeit? Aus Eigennutz? Als Entlohnung? Und wie viel ist angebracht? Gibt es Unterschiede bei der Höhe des Trinkgelds in Asien, Afrika oder Amerika?

Von Rose Reb & Dr. Rolf Roosen

 

 

Hans schwitzt fürchterlich, und er japst nach Luft. So mühevoll hatte sich der kleinwüchsige, korpulente Weidmann aus dem Allgäu die Pirsch auf Nyala durch verbuschte Ufervegetation nicht vorgestellt. Hans ist körperlich am Ende, will abbrechen, doch sein Professional Hunter (PH) Jorge motiviert ihn. Die Jagd geht weiter, dann kommt der Weidmann auf einen reifen Nyala zu Schuss. Geistesgegenwärtig schießt Jorge nach, denn das Stück ist weidewund?…
Am nächsten Morgen: Während der Verabschiedung händigt Hans Jorge 20 Euro aus. Jorge verzieht keine Miene, nimmt den blauen Schein und steckt ihn zurück in Hans’ Hemdtasche – mit der Bemerkung, dass sich der Herr doch ein kühles Bier auf dem Flughafen gönnen solle.

 

Eine Frage des Stils?

 

Aber welche Summe wäre angemessen gewesen?
Der ADAC empfiehlt in Europa 10 Prozent Trinkgeld (Faustregel).

Als Grundsatz gelte aber zudem: Je weiter nördlich man sich in Europa befindet, desto geringer das Aufgeld. In Skandinavien sind 5 Prozent des Rechnungsbetrages üblich, im Mittelmeerraum bis zu 15 Prozent.

Trinkgeld, im Englischen gratuity oder tip, ist auch bei Auslandsjagenden kein Geld für Jagdhelfer, von dem sich diese nach „Dienstschluss“ betrinken können. Vielmehr ist es nicht nur in englischsprachigen Ländern (Schottland, England, USA, Kanada, Südafrika, Tansania oder Simbabwe) fester Bestandteil der Entlohnung. Das Personal lebt also davon.

Wer beispielsweise in den schottischen Highlands auf Rothirsche weidwerkt, sollte sich auf folgende vor Ort zu zahlenden Nebenausgaben einrichten: 50 Pfund für jeden erlegten Hirsch erhält der Stalker, möglichst jeweils am Abend des Jagdtages. So ist man im Falle eines Betreuerwechsels auf der sicheren Seite. Kam kein Hirsch zur Strecke, werden dem Stalker 30 Pfund ausgehändigt. Darüber hinaus sind mit Ende einer jeden Jagdwoche weitere 20 bis 30 Pfund für die einzelnen Mitglieder der übrigen Crew, inklusive des Küchenpersonals, fällig. Gehen wir einmal von 5 Jagdtagen, einem Mulefahrer und 2 Küchenbediensteten aus, sind 160 bis 240 Pfund anzusetzen. Generell gilt naürlich, dass es auch mehr sein darf, wenn man als Jagdgast zufrieden ist.

 

Trinkgelder in Afrika

 

Das Foto veranschaulicht: Der PH ist stets eine Hilfe und unterstützt seinen Jagdgast. Der wird beim tip sicher nicht kleinlich sein

Insbesondere auf dem schwarzen Kontinent sind neben Jagdführern und Campleitern eine Vielzahl weiterer Helfer eingebunden. Auf Safaris hat sich die Regel bewährt, pro Tag und „guten Geist“ jeweils einen US-Dollar anzusetzen. Hinzu kommen natürlich die tips für die leitenden Angestellten sowie den oder die Professionell Hunter. Es gibt auch die Gepflogenheit, dem PH den tip als Gesamtsumme auszuhändigen. Dieser wird das Geld in eine Gemeinschaftskasse (kittybox) packen und es am Ende der Jagdsaison nach einem Verteilerschlüssel auszahlen. Das ist natürlich nicht zu kontrollieren.

Die Höhe des tip lässt sich nicht pauschalisieren, sie hängt vielmehr vom Einzelfall ab. Gibt ein Großwildjäger am Ende einer 3-wöchigen Safari, die von einem 20-köpfigen Team betreut wurde, 600 US-Dollar (kittybox), dann ist das zu wenig. Denn dem PH verbleibt hier nichts vom tip, weil zuerst die Helfer ausgezahlt werden (mit mindestens einem Dollar pro Tag und Nase). Dieselbe Summe wäre bei einem einwöchigen Aufenthalt auf einer Jagdfarm mit Daueransitz am Wasserloch dagegen eindeutig überhöht.

Einige Zahlen seien an die Hand gegeben: Nach einer einwöchigen Antilopenjagd erhält der PH 400 bis 500 US-Dollar, das übrige Personal (cookies) 300. Ist sie mit einer Büffeljagd kombiniert, erhöht sich nur der Betrag für den PH auf 800 bis 1.000 US-Dollar. Teurer ist es bei einer 21-tägigen Safari auf die big four. Hier erhalten die cookies 500 bis 600 und der PH 2.000 bis 2.500 US-Dollar.

Hinzu kommen 100 bis 200 Dollar pro Fährtensucher und Skinner.

 

Trinkgelder in Asien

 

Das Beispiel Afrika machte es deutlich: In „armen“ Ländern wird man beim tipping zurückhaltender sein als etwa in Nordamerika. Leider ist Asien und Asien aber nicht deckungsgleich. Wer auf Sikahirsch in Japan oder Blauschaf in China weidwerkt, wird das Trinkgeld nicht offen, sondern nur verdeckt überreichen, also beim Händeschütteln. Alles andere würde als grobe Beleidigung aufgefasst. Das hat sich auch in Großbritannien bewährt.

In der Türkei und anderen islamischen Ländern hat der Backschisch seinen festen Platz. Hier kommt es weniger auf die Höhe des Betrages an, vielmehr ist wichtig, dass kontinuierlich Geld fließt. Übrigens müssen es nicht stets Scheine sein. Schon eine Zigarette oder ein Taschenmesser können Wunder bewirken. Schließlich lautet die Übersetzung von Backschich ja auch Gabe oder Geschenk. Bei Keiler- und Bezoarjagden empfehlen nahmhafte Jagdreiseanbieter dagegen 300 bis 500 US-Dollar als tip.

Als schwierig erweist sich so manches Camp in Jagdregionen wie Kasachstan, der Mongolei oder Usbekistan. Hier kommt es vor, dass sogar 200 Dollar niemanden zufrieden machen. Die sogenannten guten Sitten sind hier reichlich verdorben. Also ist schon im Vorfeld der Veranstalter zu befragen. Das schadet nie!

Asien ist der problematischste Kontinent für Tip-Geber. Oft ist schwer festzustellen, wer PH oder Scout, ja wer für was verantwortlich ist. Bewährt hat sich in solch undurchsichtigen Situationen, den zum PH zu machen, der führt, und ihn mit 300 bis 500 US-Dollar zu entlohnen. Wirklich besondere Trophäen, etwa Marco Polo-Schafe, liegen bei einem tip in Höhe von 1.000 bis 1.500 US-Dollar. Helfer erhalten insgesamt 300 bis 400 US-Dollar. Als Anhaltspunkt: Rechnen Sie 5 Prozent der Jagdkosten als Trinkgeld ein.

 

Trinkgelder in Nordamerika

 

Nochmals einen Blick auf die Empfehlungen des ADAC: In der Gastronomie sind in den USA und Kanada 15 bis 20 Prozent des Rechnungsbetrages als Trinkgeld Usus. Bei der Jagd muss es nicht soviel sein, sollte dem aber nahekommen. Den Löwenanteil wird man dem Guide aushändigen. Nicht zu vergessen sind, Charterpilot, Bootsfahrer und campjacks.

Beim Guide ist die halbe bis zweifache Summe der Lizengebühren (tag fees) für die bejagten Wildarten ein möglicher Anhaltspunkt. Das hängt natürlich vom Aufwand ab. Wer wochenlang samt Personal im Wildniscamp unter erschwerten Bedingungen zum Beispiel auf Schneeziegen weidwerkt, wird erheblich mehr zahlen, als der, der eine Moteljagd gebucht hat und bloß während der Pirsch auf den Schwarzbären begleitet worden ist.

Führende deutsche Jagdreisevermittler empfehlen, den PH bei Elchjagden stets um die 800 bis 1.000 US-Dollar zu geben sowie 500 US-Dollars für das andere Personal. Letzteres gilt generell in Nordamerika.

Nach Schaf- und Karibujagden ist derselbe Satz wie bei Elchjagden angebracht. Er gilt auch für Grizzlys. Bei der Pirsch auf Schwarzbären sind für den PH 400 bis 500 Dollar angemessen. Übrigens rangiert der green buck, der Dollar, beim tipping immer noch als Währung erster Wahl.

 

Der Deutsche und das Tipping

 

Hervorragendes Essen und beste Unterkunft schlagen sich im tip positiv nieder (Fotos: Lukas Wernicke)

Eine 10-tägige Wildnisjagd im Herbst auf Elch und Karibu oder Schneeziege kostet gut 20.000 US-Dollar. Der sich daraus errechnende tip liegt demnach zwischen 2.000 und 3.000 US-Dollar. Dies ist sehr viel Geld, ja der Betrag scheint unangemessen saftig zu sein.

Uns Deutschen ist aber die Trinkgeld-Kultur nicht vertraut. Amerikaner, Briten, Franzosen und Spanier planen dagegen tips von Anfang an ein und zahlen sie ohne mit der Wimper zu zucken. Falsch liegt man, wenn man deutsche Stundenlöhne als Berechnungsgrundlage heranzieht. Dies heißt aber nicht, dass man generell einen tip in voller Höhe zahlt. Trinkgeld setzt eine entsprechende Dienstleistung voraus. War der Guide öfter betrunken oder übernachtete man statt in der schriftlich zugesagten Lodge in einem 2-Mann-Zelt, wird man sich überlegen, ob man überhaupt tippt. Und noch etwas: Hat sich der Guide alle Mühe gemacht, um seinen Gast auf Elch und Karibu zu Schuss zu bringen, das Jagdgebiet war aber wildleer, erhält er dennoch seinen tip. Der Gastjäger wird sich später den Jagdreiseveranstalter zur Brust nehmen.

Übrigens haben manche Jagdreiseanbieter – überspitzt formuliert – zwei Preislisten. Eine für Deutsche und eine für den Rest der Welt.

Kurzum: Tipping ist erlernbar. Wer darunter weiterhin das Verschenken abgetragener Jagdjacken oder ausgemusterter Ferngläser versteht, hat es nicht begriffen.

 

 

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