Was haben Elefanten mit Ökonomie und Selbsthilfeorganisationen zu tun?

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Dr. Rolf D. Baldus hat sich in diesem Artikel mit der Problematik von Wildlife-Management, Totalschutz und der Krise der Nationalparks in Afrika beschäftigt

Wildlife-Management in Afrika: In der Vergangenheit immer wieder Zündstoff für emotional geführte Debatten.

Dr. Rolf D. Baldus
Quelle: Michael Kirk, Jost W. Kramer, Rolf Steding (Hrsg.): Genossenschaften und Kooperation in einer sich Wandelnden Welt, Münster 2000 (LIT Verlag; ISBN 3-8258-4879-5), S. 479-511.

1. Grzimek und seine Erben

Seit „Serengeti darf nicht sterben“, dem 1959 veröffentlichten Bestseller von Prof. Bernhard Grzimek, bewegt die mannigfaltige Tierwelt Afrikas die Menschen in aller Welt. 367.000 große Tiere schienen damals in der Serengeti vom Aussterben bedroht 1, und TV-Star Grzimek rief eine höchst erfolgreiche „Hilfe für die bedrohte Tierwelt“ ins Leben.
Die Öffentlichkeit in der westlichen Welt assoziiert bis heute Elefanten 2 und anderes afrikanisches Wild mit Bedrohung und notwendiger Hilfe: Ein Erbe der Menschheit, das vor Verfolgung geschützt und dessen Überleben durch Spenden finanziert werden muss.

Die Grundannahme dabei ist, die Wildbestände seien überall in Afrika bedroht und im Rückgang begriffen. Hauptgefahr sei jede Form der Nutzung, sei sie illegal als Wilderei oder legal als kontrollierte Jagd. Als einzige Form unschädlicher Nutzung gilt in Teilen der öffentlichen Meinung der Fototourismus.

Nun sind in der Tat weite Landstriche, vor allem in West- und Zentralafrika, vom Wild entvölkert, einzelne Tierarten sind stark reduziert oder an den Rand der Ausrottung gebracht worden.

Abgesehen von Sonderfällen wie Bürgerkriegen, liegt die Hauptursache für solche Rückgänge heute in erster Linie im Verlust von Lebensräumen der freilebenden Tierwelt durch das Bevölkerungswachstum.

Erst in zweiter Linie und regional sehr unterschiedlich spielt die Wilderei eine Rolle. Sie ist fast immer kommerziell, monetarisiert und auf Marktversorgung ausgerichtet. Die häufig romantisierte Subsistenzjagd ist heute ohne Bedeutung.

Auf der anderen Seite haben sich die schon seit über hundert Jahren geäußerten Befürchtungen 3, dass Afrikas Wildbestände bald völlig ausgerottet sein würden, als unbegründet erwiesen.

Afrikaweite Bestandserhebungen 4 zeigen ein uneinheitliches Bild. Regionale und artenspezifische Rückgänge überwiegen. Allerdings gibt es auch stabile oder zunehmende Bestände 5.

2. Nutzung versus Totalschutz

Der internationale Artenschutz kann mit „Erfolgsgeschichten“ aufwarten, z.B. der des Breitmaulnashorns, von dem es Anfang des Jahrhunderts in Südafrika nur noch etwa 30 Tiere gab.

Inzwischen sind es wieder über 7.000, und der Bestand ist gesichert. Ähnliches gilt für das Krokodil, dessen 23 Arten vor 30 Jahren allesamt als bedroht galten. Heute sind nur noch sieben Arten gefährdet 6.

Möglich wurden solche Erfolge durch die Kombination von wirksamen Maßnahmen gegen unkontrollierte Übernutzung 7 mit sinnvoller, nachhaltiger Nutzung.

Sie gibt den betroffenen Wirtschaftssubjekten und den staatlichen Körperschaften einen materiellen Anreiz zur Erhaltung der jeweiligen natürlichen Ressourcen mit dem Ziele ihrer dauerhaften Ausbeutung. Die Zukunft des afrikanischen Wildes wird deshalb von manchen auf die Formel „Use it or loose it“ reduziert.

Für den Naturschutz und die Dauerhaftigkeit der Nutzung ist ihre Nachhaltigkeit entscheidend. Dieser heute inflationär angewandte Begriff wurde von Georg Ludwig Hartig in die neuzeitliche Forstwissenschaft eingeführt 8 :Die natürliche Ressource Wald soll zwar so hoch wie möglich genutzt werden, aber doch in einer Form, dass die Nachkommenschaft daraus wenigstens ebensoviel Vorteil ziehen kann, wie sich die lebende Generation zueignet.

Dieser Gedanke prägt die internationale Naturschutzdiskussion spätestens seit der „World Conservation Strategy“ der Weltnaturschutzunion im Jahre 1980 9.

Er ist auch eine Grundlage der Konvention über Biologische Vielfalt 10 und des dort begründeten „Rio-Prozesses“ mit seiner Verknüpfung von Umwelt und Entwicklung. „Conservation“ beinhaltet Schutz, schließt aber die Nutzung nicht notwendigerweise aus.

Die wirtschaftliche Nutzung der natürlichen Ressourcen aller Art wird im Gegenteil als Hebel eingesetzt, um über ihre Inwertsetzung und eine auf Nachhaltigkeit angelegte Interessenlagerung der wirtschaftenden Menschen Biodiversität langfristig zu erhalten.

Über die wirtschaftlichen Erträge hinaus können insofern auch die Gemeinwohlfunktionen der natürlichen Ressourcen wie Erholung, Wasser- und Bodenschutz und Ästhetik gesichert werden.

Auf die freilebende Tierwelt in Afrika bezogen bedeutet Nutzung die Gewinnung von Fleisch, Häuten, Hörnern, Elfenbein u.ä. sowie Fototourismus und die Erlegung von Tieren durch Sportjäger, die dafür ein Entgelt leisten.

Die häufig angewandte Unterteilung in konsumptive und nicht-konsumptive Nutzung ist irreführend, da auch der vermeintlich „nicht-konsumptive“ Fototourismus die Ressource Naturraum verbraucht und sie als Massentourismus schwer schädigen kann.

Kontrollierte Safarijagd als „konsumptive“ Nutzung hat demgegenüber meist eine geringere Naturbelastung zur Folge 11. Roth und Merz beurteilen sie insofern als „extensiv nicht-konsumptiv“, und Ellenberg et al. rechnen sie dem Ökotourismus zu 12.

Trotz der bei großen Naturschutzorganisationen wie z.B. dem WWF inzwischen vorherrschenden Akzeptanz der nachhaltigen Entnahme von Wildtieren, sei es durch kontrollierte Trophäenjagd oder durch die lokale Bevölkerung, gibt es in Westeuropa und den USA eine Vielzahl von finanziell starken Tierschutz- und Tierrechtsorganisationen, die die Wildtiernutzung in ihrer „konsumptiven“ Form generell, vor allem aber in Afrika ablehnen und Lobbyarbeit zu deren Unterbindung betreiben 13. Das Interesse richtet sich dabei vor allem auf Emotionen anregende Tiere wie Robben (Namibia) und Elefanten, aber auch alle anderen Grosstierarten.

Die Forderung nach generellem Totalschutz lässt sich in biologischer Hinsicht nicht wissenschaftlich rechtfertigen. Wirtschaftlich ist sie ebenfalls nicht plausibel, im Gegenteil. Arme Entwicklungsländer können sich Nutzungsverbote für vorhandene natürliche Ressourcen – von begründeten Ausnahmen abgesehen – nicht leisten.

Wenn Wild keinen Wert hat, wird es außerhalb der Nationalparks Maisfeldern und Kühen weichen.

Die bestenfalls ethisch, meistens aber ideologisch begründeten Anti-Nutzungskampagnen schaden deshalb ihrem vorgeblichen Ziel, nämlich der Erhaltung der Wildbestände.

Es ist auch kein Zufall, dass diese Kampagnen von nicht unmittelbar betroffenen Personen und Gruppen in den reichen Industrieländern ausgehen.

3. Nationalparks in der Krise

Eine wichtige Rolle beim Schutz von Ökosystemen und der dort lebenden Wildbestände haben die Nationalparks und Wildreservate gespielt 14. Der erste Nationalpark in Afrika war der Krüger Nationalpark, der 1898 und damit nur 26 Jahre nach der Einrichtung des weltweit ersten Nationalparks, des Yellowstone Parks in den USA, eingerichtet wurde.

In Tansania bsplw. hatte die deutsche Kolonialregierung bereits vor dem ersten Weltkrieg mindestens 16 Wildschutzgebiete eingerichtet oder vorbereitet 15.

Die vor allem nach der Unabhängigkeit unter Schutz gestellten Gebiete sind von erheblicher Größenordnung 16 und übertreffen die der Industriestaaten um ein Vielfaches. Weltweit gibt es derzeit über 2.200 Nationalparks.

Die ökonomischen Wirkungen von Nationalparks und von Ressourcenschutz werden unterbewertet. Allerdings hat die methodische Erfassung im letzten Jahrzehnt Fortschritte gemacht 17.

Im östlichen und südlichen Afrika beruht der Tourismus, einer der wichtigsten und am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweige, wesentlich auf diesen Schutzgebieten, und die volkswirtschaftlichen Wirkungen sind insgesamt überwiegend positiv einzuschätzen.

Allerdings befindet sich die Nationalpark-Entwicklung in Afrika in einer konzeptionellen Krise und bedarf des Überdenkens.

Dies zeigen Parks ohne finanzielle Basis, mancherorts korrupt-ineffiziente Administrationen oder die weit verbreitete Ablehnung der Schutzgebiete durch die Anrainerbevölkerung.

Die Krise hat zwei Hauptursachen:

  • Nationalparks sind gleichzeitig Wirtschaftsunternehmen und können ihren Schutzauftrag nur mit ausreichender Finanzierung erfüllen. Dies ist vielerorts nicht gewährleistet.
  • Die zweite Ursache liegt in den bis heute nicht gelösten Konflikten mit der im Parkumfeld lebenden Bevölkerung, die einen Grossteil der wirtschaftlichen und sozialen Kosten der Schutzgebiete und der dort lebenden Tiere trägt 18, ohne selbst materielle Vorteile daraus zu ziehen.

    In den offener und demokratischer werdenden Entwicklungsgesellschaften haben diese Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit, sich politisch zu artikulieren. Die Parkmanager geraten dadurch zunehmend unter Legitimationszwang.

    Ein besonders herausragender Fall ist Makuleke in Südafrika, wo der Bevölkerung ihr einstiger Siedlungsraum im Krüger Nationalpark durch Gerichtsurteil wieder zugesprochen wurde.

    4. Ohne Eigenfinanzierung kein erfolgreiches Management von Schutzgebieten

    Es herrscht eine Korrelation zwischen Aufwand pro Flächeneinheit Schutzgebiet und Schutzerfolg. Zwar zeigt die afrikanische Realität, dass auch erhebliche Ausgaben nicht notwendigerweise sinnvoll oder wirksam eingesetzt werden. Unterfinanzierung von Parks führt allerdings immer zum Misserfolg.

    Als Faustregel wurden bereits 1988 Ausgaben von 200 US-$ pro qkm als erforderlich geschätzt 19.

    Angesichts völlig unterschiedlicher Bedingungen von Land zu Land und von Park zu Park ist es nicht möglich, eine allgemein gültige Kennziffer anzugeben.

    Eigene Berechnungen aus Tansania führen angesichts der dortigen Kostenstrukturen sowie der Mindestanforderungen an ein aktives Schutzgebiet-Management zu Kosten von mindestens 40 US$/qkm für ein sehr großes (50.000 qkm) Schutzgebiet mit Jagdtourismus (d.h. relativ geringen Infrastruktur-Anforderungen) und über 700 US$ für ein sehr kleines (500 qkm) Schutzgebiet mit Foto-Tourismus.

    In Tansania z.B. kann die Nationalparkbehörde TANAPA, die als Parastatal ihre Einnahmen einbehält, relativ erfolgreich wirtschaften. Sie ist in der Lage, z.B. für die Serengeti 360 US$ pro qkm auszugeben.

    Acht defizitäre Parks werden von den vier Parks, die 93 % aller Einnahmen erzielen, subventioniert. Die der Zentralregierung unmittelbar unterstehenden und aus dem Staatshaushalt finanzierten Wildreservate erhalten demgegenüber (mit Ausnahme des Selous, der sich durch ein „retention scheme“ selbst finanziert; s.u.) im Durchschnitt weniger als 10 US$/qkm 20.

    Diese Gebiete können nicht wirksam geschützt werden.

    Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten, solche Schutzgebiete zu finanzieren:

  • durch internationale Hilfe
  • aus dem allgemeinen Budget
  • durch Eigenfinanzierung

    Vielfach wird die Forderung erhoben, dass die Nationalparks als Erbe der ganzen Menschheit auch durch internationale Hilfe zu finanzieren seien. Dies wäre durchaus konsequent, da zahlreiche positive Wirkungen, z.B. Erhaltung der Biodiversität oder Klimaschutz, der ganzen Welt zugute kommen, die Kosten aber einseitig von den betreffenden Entwicklungsländern und hier überwiegend von armen Bevölkerungsgruppen auf dem Lande getragen werden.

    Wenn man bedenkt, dass Nationalparkbesucher, die überwiegend aus reichen Industrieländern kommen, in aller Regel noch nicht einmal die direkten Kosten der Schutzgebiete decken, wird das Ausmaß der Subventionierung der reichen durch die armen Länder noch deutlicher.

    In den letzten Jahren wurden eine Vielzahl von Finanzierungsinstrumenten eingerichtet. Erhebliche Summen an internationaler Entwicklungshilfe und an privater Hilfe sind in die Naturschutzgebiete Afrikas geflossen 21.

    Zum grossen Teil dienten diese Maßnahmen aber der Verbesserung der (touristischen) Infrastruktur, Interventionen zugunsten einzelner (bedrohter) Tierarten oder der Forschung. Nur ein Teil der Mittel floss in das Management und die wirtschaftliche Absicherung solcher Gebiete.

    TANAPA in Tansania kann bsplsw. 38 % seines Budgets durch Geber finanzieren. Dies ist hoch im Vergleich zu vielen anderen Ländern.

    Eine dauerhafte internationale Subventionierung dieses Erbes der Menschheit wäre umweltpolitisch vielleicht wünschenswert, ist bei abnehmenden Entwicklungshilfeetats jedoch wenig realistisch.

    Eine ausreichende Finanzierung solcher Schutzgebiete aus den Staatshaushalten der Entwicklungsländer ist angesichts anderer Entwicklungsprioritäten, unerfüllter Grundbedürfnisse der Bevölkerung und Schwierigkeiten beim Nachweis der wirtschaftlichen Wirkungen gleichermaßen illusionär.

    Die bereitgestellten Mittel reichen erfahrungsgemäss nur für eine Mindestversorgung aus.

    Die Schutzgebiete sind deshalb in starkem Masse auf Eigenfinanzierung angewiesen. Ihre Entwicklung in Afrika wurde aber im wesentlichen von Biologen geprägt. Wirtschaftliches Denken hat in den meisten Naturschutzverwaltungen bis in die neunziger Jahre keinen Einzug gehalten 22.

    Einige denken jetzt um, viele sind aber immer noch durch mangelndes Kostenbewusstsein, kameralistisches Wirtschaften und fehlendes Ertragsdenken geprägt.

    Auch der in Afrika sich inzwischen durchsetzende Deregulierungs- und Privatisierungsprozess hat die überwiegend noch staatswirtschaftlich und zentralistisch geprägten Parkverwaltungen bislang kaum verändert.

    Als ein Beispiel für konsequente Eigenfinanzierung sei das mit 50.000 qkm größte Wildschutzgebiet Afrikas, das Selous Wildreservat in Tansania, angeführt. In Zusammenarbeit mit deutscher Entwicklungshilfe wurde dieses Gebiet innerhalb eines Jahrzehnts auf eine wirtschaftlich solide Basis gestellt.

    Der systematische Ausbau von nachhaltigem Naturtourismus führte zu Einnahmen von mittlerweile ca. 3,5 Mio. US-$ im Jahr (= 70 US-$/qkm; 90 % Jagdtourismus, 10 % Fototourismus).

    In einer Vereinbarung mit dem tansanischen Finanzministerium wurde eine Reinvestitionsquote von 50 % für das Schutzgebiet-Management vereinbart. Zusätzliche externe Unterstützung dient nur noch besonderen Investitionsvorhaben. Die Management-Ausgaben stiegen in dieser Zeit von ca. zwei US$ pro qkm auf knapp 40 US$ pro qkm 23.

    Die Zahl der gewilderten Elefanten sank innerhalb von 10 Jahren von etwa 5.000 pro Jahr auf nahe null. Die Elefantenbestände erholten sich von rund 30.000 auf rund 57.000 24. Der Naturtourismus finanziert auf diese Weise den Schutz der Ressourcen und sichert dadurch langfristig seine eigenen Grundlagen.

    Diese Entwicklung kann nachhaltig bleiben, wenn es nicht zu einer radikalen Veränderung der Rahmenbedingungen, z.B. Verbot der Trophäenjagd oder Verlust der „good governance“ Prinzipien im Schutzgebiets-Management kommt oder die Zentralregierung die Eigenfinanzierung unterbindet.

    Als Fazit bleibt festzuhalten, dass wirtschaftlich nicht erfolgreiches Parkmanagement auch bei bester ökologischer oder tierschützerischer Absicht nicht zu den erstrebten Schutzwirkungen führt. Eine unzureichende wirtschaftlich-finanzielle Basis verhindert eine erfolgreiche Betriebsführung und wirksamen Naturschutz.

    Die ständige Vermehrung defizitärer Schutzgebiete ist deshalb keine geeignete Naturschutzstrategie. In jedem Einzelfall ist zu prüfen, welche ökologisch prioritären Gebiete unbedingt schützenswert sind, inwieweit Eigenmittel, staatliche Haushaltsmittel sowie evtl. ausländische Hilfe bereitstehen, und ob ein Potential für die Erwirtschaftung von Überschüssen gegeben ist.

    Es muss dann aber auch sichergestellt sein, dass Erträge ganz oder teilweise im Schutzgebiet verbleiben können.

    Bei der Prüfung der Eigenfinanzierungsfähigkeit sind alle nachhaltigen Nutzungsoptionen einzubeziehen. Dazu gehört der Jagdtourismus, der in manchen Gebieten die wirtschaftliche und ökologische Alternative zum Fototourismus darstellt 25: Investitionen und laufende Kosten sind geringer, und die Einnahmen können – je nach Rahmenbedingungen – höher sein, insbesondere bei relativ geringen Wildbeständen und niedriger landschaftlicher Attraktivität.

    Notfalls sind die vorhandenen Finanzmittel auf wenige prioritäre Gebiete zu konzentrieren, auch wenn dies die Aufgabe von grundsätzlich schützenswerten Biotopen zur Folge hat.

    Es führt zu besseren Naturschutzergebnissen, wenige Schutzgebiete ausreichend mit Finanzmitteln zu versehen, als viele unterzufinanzieren.

    Für ökologisch ebenfalls wertvolle Naturräume, die aus finanziellen oder anderen Gründen nicht geschützt werden können, gibt es jedoch eine Möglichkeit zum besseren Schutz der Wildbestände, nämlich durch Übertragung des Managements an die lokale Bevölkerung.

    5. Naturschutz „gegen“ oder „mit“ Menschen

    Auch außerhalb von Schutzgebieten darf in fast allen afrikanischen Ländern niemand Wild töten, es sei denn, er hat eine gültige staatliche Lizenz dafür. Ausnahmen gelten für die Abwehr von Schäden an Leben und Eigentum.

    Diese Schutzgesetze gehen noch auf die Kolonialzeit zurück, in Tansania z.B. auf die deutsche Gesetzgebung, die bereits kurz nach der Jahrhundertwende ein erstes Wildschutzgesetz erlassen hatte, das sich in weiten Teilen im heute gültigen Wildlife Act von 1974 widerspiegelt 26.

    Allerdings hat der Staat es nirgendwo vermocht, die gesetzlich unzulässige Nutzung zu verhindern. Wild galt und gilt überall als natürliche Ressource, die einen großen Teil der Versorgung mit tierischem Protein sicherstellt, insbesondere dort, wo die Tsetse-Fliege die Haltung von Nutzvieh verhindert.

    Es ist kein Zufall, dass z.B. in Kiswaheli das Wort „Nyama“ sowohl „Wildtier“ als auch „Fleisch“ bedeutet. Die Bedeutung des Wildes für die Ernährung in Afrika wird allerdings häufig übersehen 27.

    Die illegale Beschaffung und Vermarktung von Wildfleisch und Trophäen ist Teil des informellen Wirtschaftssektors und wird durch private Kleinunternehmer einzelwirtschaftlich effizient und mit angepasster Technologie abgewickelt.

    Da die Ressource unentgeltlich genutzt wird, ist die Entnahme verschwenderisch. Im Gegensatz zur traditionellen Jagd, deren Ausbeutungsgrad durch wenig entwickelte Techniken und noch funktionierende soziale Regelungen beschränkt war 28, schöpft die heutige Wilderei außerdem meist mehr als den natürlichen Zuwachs ab.

    Durch das Verbot traditioneller Nutzung wurde das Wild Eigentum der Zentralregierungen, und die vorher legitimen Nutzer wurden in die Illegalität abgedrängt. Verschärft wurde die Situation dadurch, dass zahlreiche Schutzgebiete eingerichtet wurden, aus denen die dort lebenden Menschen zwangsweise und meist entschädigungslos ausgesiedelt wurden.

    Sie tragen die Kosten des Naturschutzes, ohne Vorteile daraus zu ziehen – eine Umverteilung zu Lasten armer Bevölkerungsgruppen.

    Der von den Regierungen praktizierte Naturschutz „gegen“ die Menschen (im Amerikanischen „fences-and-fines-approach“ genannt) fand nirgendwo soziale Akzeptanz.

    Die meisten modernen Wildschutzkonzepte versuchen deshalb, dieses Konzept wieder in einen Naturschutz „mit“ den Menschen 29 zu überführen und die Betroffenen sowohl an den Entscheidungen zu beteiligen als auch ihnen wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen.

    Die bislang vorherrschenden „top-down“ Stragegien sollen durch partizipative abgelöst werden.

    Das erste praktische, gemeindeorientierte Wildschutzprogramm in Afrika war CAMPFIRE in Simbabwe 30.

    In Tansania wurde das Konzept ab 1987 u.a. im Zusammenwirken mit der deutschen Entwicklungshilfe in den Pufferzonen des Selous Wildreservats eingeführt 31.

    Es ist inzwischen weit im Lande verbreitet und zentraler Bestandteil der neuen „Wildlife Policy“ des Landes 32.

    6. Wildbewirtschaftung als Form multipler Landnutzung

    Es besteht heute weitgehend Einigkeit darüber, die Wildbestände auch außerhalb der Schutzgebiete zu erhalten 33.

    Ob dies möglich sein wird, unterliegt beim Fehlen wirksamer öffentlicher Sanktionen im wesentlichen dem interessenbestimmten Handeln der Wirtschaftssubjekte, d.h. vor allem der Klein- und Subsistenzbauern in den ländlichen Räumen. Deren Verhalten wird aus einzelbetrieblicher Sicht von folgenden Überlegungen beeinflusst:

  • Wild verursacht hohe reale Kosten durch Ernteschäden und den Verlust an Menschenleben.
  • Wild hat Opportunitätskosten im Vergleich zur Nutzung seiner Lebensräume durch Landwirtschaft.
  • Nutzungsverbote verhindern eine legale Inwertsetzung des Wildes.

    Nun lässt sich Wild illegal nutzen und damit monetarisieren. Diese Nutzung orientiert sich jedoch nicht am Nachhaltigkeitskonzept, weil Wild als öffentliches Gut gilt, von dessen Nutzung niemand ausgeschlossen werden kann („open access“). Nutzungsverzichte kommen anderen zugute.

    Jeder Marktteilnehmer bemüht sich um maximale Nutzung, um anderen zuvorzukommen. Das Ergebnis des unkontrollierten, freien Zugangs ist Übernutzung und schließlich Zerstörung der Ressource. Seit Hardin wird dies als „tragedy of the commons“ bezeichnet 34.

    Im Mittelpunkt der Schutzbemühungen zur Erhaltung der Biodiversität in Entwicklungsländern stehen deshalb heute Versuche, die natürlichen Ressourcen auf kommunaler Basis zu bewirtschaften („community based natural resources management“).

    Den Ausweg aus dem Problem des unkontrollierten Zugangs zu Kollektivgütern sieht man dabei im Eigeninteresse der Nutzer.

    Indem den Kleinbauern vor Ort die Eigentums- oder Nutzungsrechte an den natürlichen Ressourcen eingeräumt werden, entsteht ein ökonomischer Anreiz zum Erhalt dieser Ressourcen. Soweit Wildtiere betroffen sind, führt die veränderte Interessenlagerung nicht das Töten von Tieren ein, die ansonsten weiterleben würden.

    Versucht wird im Gegenteil, die ohnehin stattfindende Nutzung in die Verantwortung von Eigentümern zu legen, die langfristige Nutzungsinteressen haben und Dritte von der Nutzung ausschließen können.

    Der freie Zugang zur Ressource wird eingeschränkt. Sie ist dann „common property“ ohne „open access“. Landrecht, Landnutzungssysteme und die politischen Ordnungen der afrikanischen Länder lassen in aller Regel eine Privatisierung der Wildressourcen zugunsten individueller Eigentümer nicht zu 35.

    Die Privatisierung vollzieht sich auf Gemeindeebene, in Einzelfällen auch zugunsten von Gruppen auf ethnischer oder Grossfamilienbasis.

    Erstmals wird es den Landeigentümern oder -nutzern dadurch ermöglicht, auch Wildtiere in den Ertragsvergleich unterschiedlichen Landnutzungsoptionen einzubeziehen. Lohnt es sich, Wildtiere durch Fleischproduktion, Trophäenjagd, Fototourismus u.ä. zu nutzen, anstatt sie durch Viehzucht und Ackerbau zu verdrängen?

    Häufig zeigt sich, dass die Kombination mehrerer Nutzungsarten („multiple land use“) und die Einbeziehung unterschiedlicher Wildarten („multi species“) insgesamt den höchsten Ertrag bringt bei gleichzeitig besserer Risikoverteilung.

    Die Einführung der kommunalen Wildbewirtschaftung nimmt eine – auf dem Land wirtschaftlich und politisch bedeutsame – Ressource aus dem Eigentum bzw. der alleinigen Verfügungsgewalt des Staates heraus.

    Es handelt sich damit um eine Form der Deregulierung und Privatisierung im Einklang mit den neueren Entwicklungskonzepten, die auf Entstaatlichung abzielen.

    Es kann daher nicht ausbleiben, dass Regierungen und die häufig parasitären Verwaltungseliten in Afrika der Verwirklichung dieses Prozesses Widerstand entgegensetzen, selbst wenn die Initiative dafür – wie fast überall – von oben, d.h. von ihnen selbst, ausgegangen ist.

    Dies wird z.B. in dem Versuch sichtbar, nur widerrufliche Nutzungs-, nicht aber Eigentumsrechte abzutreten. Privatisierung kann allerdings angesichts bestehender Wettbewerbsverzerrungen u.ä. nicht bedeuten, dass man afrikanische Dorfgemeinschaften allein an den Markt verweist.

    Dem Staat kommen Aufgaben zu, z.B. Beratung, Vergabe und Kontrolle von Nutzungsquoten oder die Unterbindung illegaler Nutzungen, und die Ressourcen werden in Ko-Management 36 bewirtschaftet.

    7. Selbsthilfeorganisationen für kommunale Wildwirtschaft

    Eigentums- oder Nutzungsrechte an Wild lassen sich – mit Ausnahme eingezäunter Wildfarmen – nicht individuell verwirklichen. Wildtiere bewegen sich über weite Gebiete in Abhängigkeit von Regenfällen und anderen ökologischen Faktoren. Wildnutzung muss grossflächig betrieben werden und hat daher zur Voraussetzung, dass die individuellen Nutzer sich zu kooperativen Organisationen zusammenschließen.

    Dies ist sowohl bei großen privaten Wildfarmen erforderlich, die sich zu Wildhegegemeinschaften oder „conservancies“ zusammenschließen, als auch bei der kommunalen Wildbewirtschaftung auf Dorfebene. Bei letzterer schließen sich Dorfbewohner zusammen, z.B. zu einer „Authorized Association“ mit Organbetrieb.

    Es müssen deshalb gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die gemeinschaftliche Wildhege und –nutzung in der Form von Selbsthilfeorganisationen rechtlich abzusichern.

    Diese beruhen meist auf dem Dorf als Grundeinheit. Ein Teil des Dorflandes wird zum „Wildlife Management Area“ erklärt, auf dem landwirtschaftliche Nutzungen eingeschränkt oder unterbunden sind und die Wildnutzung die vorherrschende Wirtschaftsform darstellt.

    Als Personenvereinigungen mit Selbsthilfeabsicht durch zugunsten der Mitglieder wahrgenommene wirtschaftliche Funktionen (Jagd, Vermarktung) handelt es sich um Selbsthilfeorganisationen im Sinne der üblichen Terminologie 37.

    Die Wildbewirtschaftung wird durch Statuten geregelt. Ein gewähltes Komitee leitet den Organbetrieb. Wildhüter – häufig identisch mit den bisherigen Wilderern – werden zur Kontrolle der „Wildlife Management Areas“ des Dorfes bzw. zur Durchführung der Wildnutzung, also z.B. Fleischjagd, eingestellt.

    Aus den erzielten Erlösen – Fleischverkauf, Vergabe von Jagdrechten und sonstige Lizenzgebühren – werden die Kosten des Organbetriebs bestritten.

    Um die erforderlichen Mindestgrößen zu erreichen, schließen sich auch diese Selbsthilfeorganisationen häufig zu größeren Einheiten zusammen.

    Die genossenschaftliche Organisationsform scheidet meist aus, da die bestehenden Genossenschaftsgesetze sich für diese Betriebszwecke als ungeeignet erweisen. Die ländlichen Nutzer mit geringer formaler Bildung sind durch komplexe moderne Organisationsstrukturen meist überfordert.

    Flexible Organisationsformen, die die Dörfer innerhalb vom Staat gesetzter Grenzen selbst ausfüllen können, bieten sich an und werden in der Praxis auch meist gewählt.

    8. Ausblick

    Angesichts des anhaltenden Bevölkerungswachstums, der fortbestehenden ordnungs- und wirtschaftspolitischen Strukturprobleme Afrikas und des Entwicklungsbedarfs bleiben die Aussichten für die langfristige Erhaltung der Biodiversität ungewiss.

    Auch von nachhaltigen, gemeindeorientierten Nutzungskonzepten mit neuer Interessenlagerung der Wirtschaftssubjekte sind keine Wunder zu erwarten.

    Sie können sogar neue Probleme mit sich bringen, wie z.B. ungleiche Verteilungswirkungen 38. Korruption, Machtkonzentrationen, ungeeignete rechtliche Rahmenbedingungen und Managementdefizite bei den armen ländlichen Zielgruppen erschweren Partizipation und Selbstverwaltung und können verhindern, dass ihnen die Vorteile aus der Ressourcennutzung überhaupt zufließen. Marktverzerrungen durch die staatliche Steuer-, Subventions- und Landwirtschaftspolitik können die Entwicklung eines Wildwirtschaftssektors ebenfalls behindern.

    Der sicherste Garant für Akzeptanz ist letztlich ausreichende wirtschaftliche Attraktivität der Wildwirtschaft. In der individuellen Präferenz der Kleinbauern rangieren Land- und Viehwirtschaft vor Wildnutzung.

    Nur wenn Wild hohe komparative Vorteile aufweist, wird es sich langfristig als Form nachhaltiger Landnutzung außerhalb geschützter Gebiete behaupten können 39. Hohe und konkurrenzfähige Erträge bringen aber nur wenige Nutzungsarten, z.B. Massen- oder Hochpreistourismus an herausragenden Standorten oder Jagdtourismus.

    Subsistenznutzung kann diese ergänzen bzw. spielt eine wichtige Rolle an marginalen Standorten mit sehr geringem landwirtschaftlichen Potential, in Tsetse-Gebieten ohne Viehzucht sowie bei sehr armen, traditionellen Zielgruppen.

    Inwieweit das Dauerübel Wilderei durch gemeindeorientierte Wildnutzung verringert werden kann, wird angesichts der verbreiteten Ablehnung des Wildschutzes durch die ländliche Bevölkerung in Afrika 40 häufig überschätzt.

    Die praktische Erfahrung zeigt zwar positive Auswirkungen, denn die legitimen Nutzer versuchen, nicht berechtigte Dritte auszuschließen und im Rahmen sozialer Sanktionen illegitime Nutzer aus dem eigenen Gemeindeverbund zu kontrollieren.

    Dies ist jedoch nur teilweise erfolgreich. Die konventionellen Verfahren polizeilicher Wildereibekämpfung sind deshalb weiterhin erforderlich 41, werden allerdings durch die Gemeinden selbst durchgeführt oder erfolgen in Kooperation mit ihnen.

    Ohne eine stärkere wirtschaftliche Nutzung der natürlichen Ressourcen innerhalb und außerhalb der Schutzgebiete in Afrika ist die langfristige Erhaltung der Biodiversität ausgeschlossen.

    Insofern hat die Formel „Use it or Lose it“ ihre Berechtigung, wenn sie auch nicht in jedem Einzelfall anwendbar ist und ökologische Gründe die Nutzung mancher Tierarten oder Biotope ausschließen.

    Inwieweit die gemeindeorientierten Strategien der Wildbewirtschaftung den Artenschwund im Wettlauf mit dem Bevölkerungswachstum verlangsamen können, muss sich erweisen.

    Die Erfahrungen aus vier Jahrzehnten Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika zeigen jedoch, dass ohne Partizipation der Bevölkerung und ohne Freisetzung ihrer Selbsthilfepotentiale auf keinem Gebiet Erfolge möglich sind.

Hansgeorg Arndt

Hansgeorg Arndt

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Von PPZV
Hansgeorg Arndt

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