Der Caprivi-Strip im Nordosten Namibias ist einerseits ein territoriales Kuriosum, andererseits so völlig anders als der Rest des Landes. Hier ein Jagdbericht aus der westlichsten und kleinsten Caprivi-Konzession, dem Mahango-Game Reserve, vom September 2002.
Ursprünglich wollte ich nur einen Elefanten in meinem Leben erjagen, aber ich muss zugeben, mittlerweile hat mich eine heftige „Elefanten-Passion“ erfasst. Alte Elefantenbullen üben auf mich eine fast schon magische Anziehungskraft aus, und seit einigen Jahren gelingt es mir nur, meine Passion ein bis zwei Jahre zu zügeln. Dann fange ich an, nach einer Jagdgelegenheit zu suchen, die meinem Geldbeutel angemessen ist.
So ist es mir zweimal gelungen, unter schwierigen Bedingungen in Kamerun alte, für westafrikanische Verhältnisse gute Stoßzahn-Träger zu erbeuten. Doch im Januar 2002 hat es mich wieder erwischt. Auf der Jagdmesse in Dortmund geriet ich an den Stand des Berufsjägers, der zurzeit die Jagdkonzession im Mahango hat.
Der Mahango, wie er kurz genannt wird, liegt am westlichen Rand des Caprivi-Zipfels, westlich vom Okavango an der Grenze zu Botswana. Er ist zwar „nur“ 24.500 Hektar groß und damit die kleinste Großwild-Konzession in Namibia, aber der Artenreichtum und die herrliche Flusslandschaft sind beeindruckend. Namibia, völlig anders als wir es sonst kennen.
Der derzeitige Berufsjäger im Mahango, nennen wir ihn G., hat zurzeit pro Jahr unter anderem zehn Elefanten frei. Nun ist es, wenn man nachhaltig wirtschaften will, auf so einer relativ kleinen Fläche kaum über einen längeren Zeitraum möglich, zehn alte Trophäen-Elefanten zu erbeuten. So bot G. auf der Dortmunder Messe eine Hegejagd zum halben Preis an. Bei dieser Jagd ging es darum, Elefanten mit fehlerhaften, also beispielsweise abgekämpften oder geringen Stoßzähnen, zu finden.
Wir verhandelten ausführlich, und ich machte G. klar, dass ich nur an einem alten Bullen interessiert sei. Fehlerhafte Stoßzähne wären für mich kein Hinderungsgrund, ja oft machen sie die Trophäe sogar interessanter. Wir einigten uns schließlich auf einen Jagdtermin (einschließlich An- und Abreise) vom 14. bis 30. September und hielten über die Monate per E-Mail und Telefon Kontakt. G. bot mir schließlich auch noch je eine Leoparden- und Sable-Lizenz an. Beim Leoparden sagte ich freudig zu, bei der Sable wurde mir finanziell doch Angst, und ich lehnte ab. Auch der Einwand, es gäbe Sable mit 44 Inch (also etwa 112 Zentimeter Schlauchlänge) im Mahango, ließ mich nicht schwanken.
Patrick Kastner aus Österreich, einer unserer Geschäftspartner im JAGEN WELTWEIT-Videobereich, signalisierte Interesse, diese Jagd filmisch zu begleiten, und auch darüber wurden wir uns einig. Sein JWW-Video: „Die Big Five“ wird im Frühjahr 2003 erscheinen. Die hier beschriebene Jagd wird ein Teil des Videos werden.
Am 14. September starteten wir pünktlich mit Air Namibia nach Windhuk. Nachdem die Besitzverhältnisse und das Management bei Air Namibia gewechselt haben, klappen die Flüge übrigens wieder gut. Wir starteten 22.45 Uhr in Frankfurt und kamen morgens gegen 8 Uhr am 15. September pünktlich in Windhuk an. Zollabwicklung und Waffen-Deklaration verliefen reibungslos, sodass wir bereits um 9.15 Uhr mit der gecharterten viersitzigen Cessna Richtung Mahango aufbrachen. Gegen 12 Uhr landeten wir auf der Buschpiste Bagani, nördlich des Mahango.
Blaser Safari-Doppelbüchse Side by side
Von Blaser hatte ich einen Prototyp der neuen Side-by-Side-Safari-Doppelbüchse (Kal.:.500/416 3 1/4“ N.E). zu Testzwecken für diese Jagd erhalten. Die Büchse hat frei liegende Läufe, die von einem Brillenstück gehalten werden. Damit ist sie in ihrem Wärmeverhalten unproblematisch. Auch mehrere Doppelschüsse verkraftet sie ohne Veränderung der Treffpunkte. Wie bei Blaser üblich, verfügt sie über ein Handspannsystem.
Bestückt war sie mit einem 1 1/2-5×20 Leupold-Drückjagdglas mit Absehen vier. In Deutschland hatte ich die Waffe sorgfältig auf dem Schießstand geprüft und im Schießkino etliche Serien stehend freihändig geschossen. Auch die Kontrollschüsse vor Ort lagen perfekt, sodass es am 16. September endlich losgehen konnte.
Die erste Rundfahrt mit dem Geländewagen zeigte uns eine fast paradiesische Wildfülle. Wir sahen Elefanten, Sable- und Roan-Antilopen, Lechwes, Kudus, Impalas, Streifengnus, Warzenschweine, Zebras, Riedböcke, Büffel, Hippos, Krokodile… Der Okavango, an dessen herrlichem Ufer auch das Camp lag, bot Panoramen, die dem begeisterten Afrikajäger eine Gänsehaut über den Rücken jagen. Nachts bei Vollmond sahen und hörten wir die Hippos fast am Zelt, und auch das Brüllen der Löwen gehörte zur nächtlichen Szenerie. Wir waren einfach begeistert; hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
Besonders begehrlich beobachtete ich die zahlreichen starken Sable im Bereich von 44 Inch Schlauchlänge und mehr. Aber die pro Jahr freigegebenen drei Sable-Lizenzen waren nun vergeben, und ich bereute es mehrfach, dass ich die Sable-Jagd abgelehnt hatte.
Neben vielen jungen und mittelalten Elefanten fanden wir an diesem Morgen noch eine Gruppe von drei Bullen. Wir folgten ihnen eine Zeit lang, um sie genauer auf Alter und Stoßzahngewicht anzusprechen. Aber auch dabei handelte es sich um mittelalte, viel versprechende Elefanten, sodass wir einige Aufnahmen machten und uns wieder zurückzogen. Nachmittags kontrollierten wir die tags zuvor beschickten Leopardenbaits. Es war allerdings noch keines angenommen.
Im afrikanischen Paradies: Badende Elefanten im Okavango. |
Ein alter Bulle
Am vierten Jagdtag, bis dahin hatten wir nur junge und mittelalte Elefanten gefunden, wurde es spannend. Schon eine halbe Stunde nach dem morgendlichen Aufbruch, also um 7 Uhr 30, fanden wir auf einer der Hauptpisten eine nagelfrische, große, einzelne Elefantenfährte, die auch von der Sohlenstruktur her vielversprechend aussah. Lange begutachtete G. mit seinen beiden Trackern diese Fährte, und als ich ihn fragend anschaute, murmelte er: „Das könnte er sein.“Spannung machte sich breit. Wir luden die Doppelbüchsen, G. seine Krieghoff im Kaliber .500 N.E.. Im sandigen Boden ließ sich die Fährte ausgezeichnet halten. Das war der Jagdtag, den ich so lange herbeigesehnt hatte. Doch nach einiger Zeit vermischte sich die Einzelfährte mit der anderer mittelalter Elefantenbullen. Schon nach rund einer Stunde Fährtenarbeit sahen wir schließlich die grauen Riesen vor uns, weit verteilt im Busch äsend. Bei den rechts vor uns langsam ziehenden Elefanten bestand die Gefahr, dass sie Wind bekamen, sodass wir einen großen Bogen schlagen mussten, um von hinten an die mittlerweile aus 13 Bullen bestehende Herde heranzukommen.
Vorsichtig schoben wir uns an die Elefanten heran. Mehrere starke Bullen standen eng gedrängt äsend im Dickbusch. Wie konnte es anders sein, der, der uns interessierte, mittendrin, sodass wir sehr lange brauchten, um ihn wenigstens einigermaßen ansprechen zu können. Mehrmals mussten wir den Standort wechseln, aber hundertprozentig frei hatten wir ihn trotz fast halbstündiger Beobachtung nie. Er war eindeutig der körperlich größte und älteste. Aber entweder verdeckte der Busch die Stoßzähne, oder einer seiner Artgenossen. Glücklicherweise war der Wind konstant und die Dickhäuter ahnungslos. Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Schließlich, nach unserem fünften oder sechsten Standortwechsel zog die Herde vertraut ins offenere Gelände, und der Bulle ließ sich sauber ansprechen: zweifellos ein alter Elefant mit sehr dicken, beidseitig abgebrochenen Stoßzähnen, die er aufgrund seines Alters bereits wieder rund geschliffen hatte. G. schätzte das Stoßzahngewicht auf etwa je 45 Pfund… und dann zog der Bulle völlig frei auf eine größere Grasfläche. Die Sonne ließ das Elfenbein herrlich aufleuchten, und ich entschloss mich, ihn zu erlegen. Der Puls begann zu hämmern.
Mit G. hatte ich abgesprochen, dass er, falls ich meine beiden Schüsse aus der Doppelbüchse abgegeben hätte und der Elefant noch flüchtete, nachschießen solle, aber soweit kam es, Gott sei Dank, nicht…
Ich wollte einen seitlichen Gehirnschuss kurz vor dem Ohrloch anbringen. Doch dann zog der Bulle leicht halbspitz (von hinten). G. flüsterte mir zu, ich solle den Haltepunkt knapp hinter das Ohrloch verlegen, um den veränderten Winkel auszugleichen. Als der Schuss fiel, musste ich mit Entsetzen feststellen, dass ich das Gehirn verfehlt hatte.
Der Bulle schlug kurz mit dem Haupt, warf sich herum und flüchtete spitz weg. Mir blieb jetzt nur noch der zweite Schuss oberhalb der Schwanzwurzel in die Wirbelsäule. Von dem oft propagierten Schuss in eines der Hüftgelenke halte ich nichts. Die Dornfortsätze der Wirbelsäule bieten hingegen ein deutliches Ziel, um den kranken Dickhäuter zu stoppen.
Der Wirbelsäulentreffer bannte den Bullen an den Platz. Auf den Hintersäulen war er zusammengebrochen, er saß quasi auf den Keulen. Fieberhaftes Nachladen und ein Sprint, um an die Seite des Bullen zu kommen. G. rief: „Aufs Herz.“ Nach diesen Doppelschüssen rasches Nachladen, und der Fangschuss seitlich vor dem Ohrloch beendete die Jagd.
Nach einer Elefantenjagd sind alle Beteiligten wie ausgebrannt. Man ist hin- und hergerissen zwischen Begeisterung und Erschütterung. Selbst hartgesottene Jäger müssen hier schlucken. Nachdem wir uns wieder gefasst hatten, bedankte ich mich bei G., dass er soviel Nerven gehabt hatte, nicht zu schießen. Zwar war er im Anschlag gewesen, hatte aber auf meinen zweiten Schuss gewartet.
Vor uns lag ein alter Elefant, wie angesprochen, mit beidseitig abgebrochenen, aber schon wieder rund geschliffenen Stoßzähnen. Für mich eine herrliche Beute, die wir mit der bei dieser Wildart üblichen Zurückhaltung begutachteten. Auch Patrick war mit den Filmaufnahmen zufrieden, aber die Fotos und entsprechenden Filmperspektiven nahmen noch etliche Zeit in Anspruch.
Nachdenklich und schweigsam liefen wir zurück zum Auto, fuhren ins Camp, aßen rasch etwas, während G. alles zum Bergen des Wildbrets organisierte. Trotz professioneller Organisation dauert das Ganze doch einige Stunden.
Der nächste Vormittag verging mit dem Verteilen des Fleisches an zwei Internate in der näheren Umgebung. Die Fleischlieferung löste Volksfest ähnliche Stimmung bei Schülern und Lehrern aus, verbunden mit herzlichem Dank und dem Wunsch, wir möchten bald wiederkommen. Auch nutzten wir die Gelegenheit, um die Vorräte im Camp aufzubessern. Am Nachmittag blieb noch genug Zeit, um einige Leoparden-Baits anzulegen.
Leopardenjagd
So eine Leopardenjagd ist von viel Arbeit geprägt. Morgens kontrolliert man die Baits (Luder), ob sie angenommen sind, überlegt neue Strategien, hängt sie um oder neue auf und nachmittags, da in dem heißen, trockenen Klima die Wittrung nicht sehr lange hält, werden Gescheideschleppen in Richtung der Baits gezogen. Der Wildreichtum des Mahangos ließ die Arbeit aber nicht schwer werden, denn regelmäßig sahen wir Wild aller Art, darunter auch alte, ja teilweise sogar überalterte Büffel, Sable und Roan, die das Herz eines Afrikajägers höher schlagen ließen. Hätte G. doch mehr Lizenzen!Abends entdeckte Patrick auf dem Heimweg drei Löwinnen, die sich auf 30 Schritt vor uns „verdrückten“. Es gelangen ihm noch einige passable Filmaufnahmen. Zweifellos waren wir in einem kleinen, aber feinen Paradies gelandet… nur starke Leoparden blieben vorerst verschwunden. Die Baits waren teilweise zwar von weiblichen Leoparden angenommen, auch fanden wir ab und zu Löwenspuren unter den Luderbäumen, aber die begehrten starken Leopardenkuder, die wir gelegentlich auf den Pisten fährteten, machten sich rar.
Patrick war es zwischenzeitlich gelungen, einen alten, völlig abgekommenen Kudubullen zu erlegen. Ein echter Hegeabschuss. Das Wildbret konnten wir guten Gewissens als Leopardenbait verwenden; doch auch das half vorerst nicht.
G. erhöhte das Arbeitspensum. Außerhalb des Jagdgebietes kauften wir bei den Einheimischen einen jungen Ochsen, der hoffentlich dem Appetit der Leoparden besser entsprach. Denn mittlerweile näherten wir uns beängstigend rasch dem Ende der Reise. Am 26. September, also drei Tage vor der geplanten Abreise, war dann ein Bait direkt am Okavango von einem starken Kuder, wie die deutliche Spur zeigte, angenommen.
Interessanterweise war es genau an der Stelle, an der vor kurzem ein Jagdgast von einem Leopardenkuder angegriffen worden war (siehe JWW 4/2002, Seite 6). Völlig unvorbereitet hatte der nicht durch einen Schuss verletzte Leopard den Jagdgast am Ufer angegriffen. Nur das beherzte Eingreifen des Berufsjägers, er hatte nur ein Paddel zur Hand, rettete dem Gast das Leben. Der starke Kuder war allerdings verletzt und leicht abgekommen und wurde später von G. erlegt. Unser Baitbaum lag genau zwischen der Stelle, wo der Leopard angegriffen hatte, und der Stelle, wo er später den Fangschuss erhielt. Ein bisschen nachdenklich wird man dann schon.
Sofort, als wir die Trittsiegel sahen und eine Männerfaust darin Platz hatte, kam Optimismus auf. Konzentriert und zügig wurden die Vorbereitungen für den Bau des Blinds (Schirm) gemacht. Im Camp bauten die Tracker unter Anleitung von G. Schilfverblendungen, die wir später vor Ort etwa auf eine Entfernung von 60 Schritt vor dem Bait aufbauten.
Zusätzlich gruben wir uns knapp einen Meter tief in den Boden ein, sodass nach unserer Einschätzung relativ wenig optische Veränderungen im Gelände entstanden waren. Rechtzeitig am Nachmittag waren wir fertig, schickten die Helfer und das Auto weg, um dann gespannt und absolut leise und unauffällig drei Stunden im Blind auszuharren.
Um es kurz zu machen: Außer den bekannten zahlreichen Vögeln, die sich im Ufergebüsch des Okavango tummelten, sahen wir keine Wildtiere, geschweige denn einen Leoparden. Enttäuscht brachen wir nach Ende des Büchsenlichtes ab. Bisher war die Stimmung ausgezeichnet gewesen, aber an diesem Abend wollten amüsante Plaudereien am Camp-Feuer nicht mehr so recht aufkommen. Der nächste Tag war der letzte Jagdtag.
Wir standen noch früher als sonst auf und begannen, im ersten Licht die Baits zu kontrollieren. Um möglichst wenig Wittrung in der Nähe des Luders zu hinterlassen, kontrollierte G. mit seinem Haupttracker Matthias alleine die Luderplätze. Freude strahlend kam er von dem Bait am Okavango, an dem wir den gestrigen Tag verbracht hatten, zurück: „Zwei Kilo Fleisch hat er gefressen diese Nacht, nachdem wir weg waren. Wahrscheinlich hat er uns gestern beim Bauen des Blinds mitbekommen, und nachdem wir abgerückt waren, hat er sich den Bauch vollgeschlagen. Er weiß jetzt, was gespielt wird.“
Eiligst kontrollierten wir noch die restlichen Baits. Keines war aber von einem starken Kuder angenommen, sodass wir zügig ins Camp fuhren, um uns eine Jagdstrategie für den letzten Abend auszudenken.
Bei einem Orangensaft erläuterte G. uns: „Der Kuder hat das Spiel durchschaut. Er weiß, wo das Blind steht. Von dort aus haben wir keine Chance. Wir können jetzt nur noch versuchen, uns direkt am Steilufer des Okavango, 20 Meter vom Bait entfernt, ein möglichst unauffälliges Blind ohne viel Aufwand zu bauen.
So schnell wie möglich, damit dort über Tag Ruhe einkehrt. Am besten legen wir uns in die Böschung und schaffen uns nur zum Bait hin mit Palmwedeln entsprechende Deckung. Die Durchblicke aus Grasringen müssen so klein wie möglich sein. Das Gewehr wird so eingebaut, dass es mit der Mündung auf das Bait zeigt und mit geringsten Bewegungen nur noch in Anschlag gegangen werden muss. Wir müssen zwei Stunden nahezu bewegungslos liegen. Fliegen, Mücken und Ameisen sind zu ignorieren. Elke (meine Frau) sollte im Camp bleiben. Je weniger Leute im Blind sind, desto besser!
Sollte der Leopard nicht bei gutem Büchsenlicht erscheinen, werden wir vor Schwinden des Büchsenlichtes Patrick, unseren Kameramann, laut und auffällig aus dem Blind wegschicken. Vielleicht fällt er auf den Trick herein.“ Ich muss zugeben, dass ich an derartige, wie ich meinte, vermenschlichende Verhaltensinterpretation nicht so recht glaubte. Im Nachhinein fiel mir allerdings ein, dass solche „Jagdlisten“ auch bei der Baujagd, wenn Reineke bemerkt hat, dass Jäger am Bau sind, funktionieren. Laut läuft die Jagdkorona weg und ein Schütze bleibt bei gutem Wind absolut regungslos bis zu einer halben Stunde am Bau.
Manchmal versucht Reineke sich dann davonzustehlen, weil er „glaubt“, die Gefahr sei vorbei.
Selbstverständlich widersprach ich G. nicht, denn warum sollte ausgerechnet ich, der außerhalb von Nationalparks noch nie einen Leoparden zu Gesicht bekommen hatte, schlauer sein als der Berufsjäger. Schnellstmöglich bauten wir unser „Hilfsblind“ am Ufer des Okavango. Probeliegen sowie Fixieren der Waffen in Richtung Luder, all das dauerte nur knapp zwei Stunden, sodass, wie wir hofften, dass rechtzeitig Ruhe in der Umgebung des Luderplatzes eingetreten war. Wenn ich an das abendliche Liegen dachte, graute mir schon im Voraus, denn reichlich zwei Stunden fast im Voranschlag liegen, gehört nicht gerade zu den bequemen Jagdarten, obwohl man mir eine Schaumstoffmatratze gönnte.
Leopard hautnah
Wir waren diesmal etwas später vor Ort, da wir davon ausgingen, dass der Leopard wieder spät am Luder erscheinen würde. Die Zeit wurde einem trotzdem lang in dieser unbequemen Haltung. Vorsichtig versuchte ich, das Körpergewicht auf verschiedene Körperteile zu verlagern. Bei jedem kleinsten verursachten Geräusch erntete man allerdings die vorwurfsvollen Blicke der Mitstreiter. Wenn man etwas länger auf den Ellenbogen aufgestützt lag, fingen irgendwann die Fingerspitzen an einzuschlafen… und die Zeit quälte sich dahin.
Ich verlor irgendwann das Zeitgefühl, aber, noch war gutes Büchsenlicht, und ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen. Gemächlich zog der Leopardenkuder spitz auf mein bierdeckelgroßes Sichtloch im Blind zu. Schließlich füllte er es „formatgroß“ aus. Entfernung zu meinem Gesicht, man mag es nun für Jägerlatein halten oder nicht, zwei Meter. Ich hielt den Atem an und senkte langsam die Lider, in der Hoffnung, dass er sich beruhigen würde, denn die Mündung des Repetierers war schließlich auf das Bait im Baum eingerichtet. Eine Chance, die Waffe in Anschlag zu bringen, gab es also nicht. Vorsichtig blinzelte ich durch die Wimpern, aber die Großkatze hatte bereits gemächlich gewendet und zog spitz weg.
Bevor ich die Waffe in Anschlag bringen konnte, war sie in der Deckung verschwunden. Ich konnte es kaum fassen. Was für ein einmaliges Erlebnis. G. sah mich fragend an. Aus seinem Sichtloch hatte er den Kuder überhaupt nicht sehen können. Flüsternd deutete ich auf die Stelle, zwei Meter vor mir, wo ich die Katze noch vor kurzem gesehen hatte. Auch G. schüttelte fassungslos den Kopf.
Uns blieb nur noch der Trick mit dem Wegschicken unseres Kameramanns. Ich signalisierte dem Berufsjäger, dass er mit dem Walkie-Talkie den Wagen rufen und Patrick möglichst auffällig das Blind verlassen sollte. So geschah es denn auch. Patrick schaltete die Kamera aus. Wir hörten den Wagen auf 300 Meter heranfahren. Pfeifend und murmelnd verließ Patrick das Blind. Kurz darauf wieder absolute Stille. Unterdessen war es auch so duster, dass wir mit der Kamera ohnehin nichts mehr ausgerichtet hätten.
G. signalisierte mir, in Voranschlag zu gehen und mich möglichst nicht mehr zu rühren. „Pass‘ auf, es kann jetzt schnell gehen“, flüsterte er. Nun wurden die Insekten munter, und diese verkrampfte, regungslose Haltung führte zu Jucken und Kribbeln an allen möglichen und unmöglichen Körperstellen und zu guter Letzt zu Schweißausbrüchen, was die kleinen Peiniger natürlich noch mehr anzog.
Die Zeit zog sich wieder wie Gummi, und ich ertappte mich dabei, aufgeben zu wollen. Immer wieder suchte ich den Ast neben dem Bait ab, aber nichts tat sich. Allmählich wurde es nun mit dem Licht eng. Doch plötzlich stieß mich G. an und hauchte: „Er kommt.“ Nun hörte ich auch das Kratzen der Krallen am Baum, und schon war der Kuder auf dem Ast zum Bait. Als er das erste Mal verhoffte, schoss ich sofort. Kurz darauf deutlich hörbar das Aufschlagen des Wildkörpers. „Das hörte sich gut an“, sagte G. ruhig, wie ich mühsam das Jagdfieber unterdrückend. Wir horchten Richtung Baitbaum, keinerlei Geräusche.
Nach einiger Wartezeit, kontrollierten wir unsere Waffen auf Lade- und Sicherheitszustand und gingen im Bogen, Schulter an Schulter Richtung Bait. Man ist konzentriert bis in die Haarspitzen! Aber der Kuder lag verendet unterm Baum, da, wo wir ihn vermuteten. Erleichtert hauten wir uns gegenseitig auf die Schultern.
G. rief mit dem Walkie-Talkie das Auto, und die Freude wollte, als Patrick, Henning und Siggi eingetroffen waren, kein Ende nehmen. Letztere beiden hatten tatkräftig als junge „Berufsjägerassistenten“ im Jagdbetrieb mitgeholfen. Henning „hatte die Ehre“, den Kuder in klassischer Manier über der Schulter zum Auto tragen zu dürfen. Weder die zahlreichen Parasiten noch der Schweiß, der ihm an der Seite herunter lief, konnte ihn schrecken.
Das Geschoss war übrigens tiefblatt eingedrungen und auf der anderen Seite hochblatt ausgetreten. So war der Kuder bereits verendet, bevor er den Boden erreicht hatte. Alle waren rundum zufrieden. Mit 2,12 Meter, also rund sieben Fuß Länge, war der Leopard groß, aber mit 44 Kilogramm nicht sehr schwer. Uralt war er wohl nicht, aber jagdbar.
Am nächsten Tag ließen wir die Jagd gemütlich ausklingen. Nachmittags, bevor die neuen Gäste per Charterflug eintrafen, machten wir noch eine gemütliche Bootsfahrt auf dem Okavango, die bei uns, die wir nun abreisen mussten, Wehmut aufkommen ließ.
Die nächsten Gäste waren fünf Spanier. Tony Sanchez Ariño und zwei spanische Ehepaare reisten zur Elefantenjagd an, und ich freue mich sehr, dass ich diesen großen Jäger einmal persönlich kennen gelernt habe.
Am nächsten Morgen ging es per Charter von Bangani zurück, und auch die Rückreise nach Deutschland klappte reibungslos. Aber ich meine, dass ich zumindest noch eine Rechnung mit einer Sable im Mahango offen habe… und vielleicht mit einem der überalterten Büffel.