2/2012
Dicke Knochen = alter Hirsch? Schon beim heimischen Rothirsch ist es nicht einfach, das Alter anzusprechen. Umso schwieriger ist dies in Afrika, weil uns Kaffernbüffel, Riedbock oder Oryx nicht vertraut sind. Ein Schnellkurs von JAGEN WELTWEIT.
Von Dr. Christoph Schüle
Einen Rehbock oder Rothirsch anzusprechen, ist für viele von uns täglich und dennoch oft schwierig Brot. Bei afrikanischen Trophäen hingegen bewegt man sich meist auf noch unsichererem Terrain. Man ist angewiesen auf das Urteil des Berufsjägers oder eines Jagdfreundes. Dieser Beitrag soll das Urteilsvermögen für die Stärke von Trophäen aus dem südlichen Afrika schulen. Auf Grund eigener Erfahrungen sowie Auswertungen wird aufgezeigt, welche Bandbreiten es bei den Trophäen gibt und wie es gelingt, diese richtig einzustufen.
Unterarten
Ähnlich wie beim Rotwild (Europäischer Rothirsch im Vergleich zum Maral) werden viele afrikanische Wildarten in verschiedene Sub-Spezies unterteilt, die in Trophäenstärke und Körpergröße nicht vergleichbar sind, obwohl sie zur selben Familie gehören. Diese Sub-Spezies kommen in aller Regel in unterschiedlichen Biotopen und Regionen vor. Die verschiedenartigen Ausprägungen in den Trophäenstärken erfordern eine Trennung der Unterarten, um die Vergleichbarkeit der Trophäen zu gewährleisten.
Als geläufiges Beispiel sei der Springbock genannt. Er wird im Rekordbuch vom Safari Club International (SCI) in 5 verschiedenen Unterarten geführt: Kalahari-Springbock, Angolanischer Springbock, Südafrikanischer Springbock, Schwarzer und Weißer Springbock. Die letzten 3 unterscheiden sich minimal in der Trophäenstärke, allerdings deutlich in der Deckenfärbung. Kalahari und Angolanischer Springbock sind im Wildbret viel stärker, zusätzlich hat der Kalahari-Springbock einen deutlich stärkeren Kopfschmuck.
Bewertungen
Für die Trophäen afrikanischer Wildarten haben sich 2 Bewertungssysteme etabliert. Zum einen die traditionsreiche Meßmethode nach Rowland Ward (RW), zum anderen die etwas jüngere Methode nach SCI. RW misst die Horn- oder Zahnlänge der Trophäen und nimmt bei unterschiedlichen Längen den größeren Wert.
Die Vermessungen sowie die Differenzierung bei den Unterarten ist nach SCI deutlich aufwendiger bzw. detaillierter. Denn im Unterschied zum SCI wird bei RW nur das längere Horn oder der längere Zahn gemessen. Ferner werden vielerlei Kriterien, wie zum Beispiel die Basis, nicht berücksichtigt.
Das Gesagte soll an Hand von 2 Beispielen veranschaulicht werden:
- Bricht einem Flusspferd auf einer Seite ein Haderer ab, hat das Gewehr keinen Gegenschliff und wächst „ins Uferlose“. Bei der Methode von RW ist dieses Flusspferd gegenüber der vom SCI im Vorteil, auch wenn das zweite Gewehr kümmert. Denn beim SCI werden Länge und Durchmesser beider Zähne addiert.
- Ein Büffel mit einer Auslage von 39 Inch nach RW kann beim SCI unter Umständen besser punkten, da hier nicht nur die Auslage, sondern zudem die Hornlänge und somit auch der Radius (Curl) zuzüglich des Umfangs an beiden Hornansätzen (Boss) gemessen wird. Die Skizzen auf Seite 38 zeigen die Methode nach SCI (oben) und RW (unten).
Grundsätzlich bleibt es natürlich jedem selbst überlassen, wie eine wirkliche Spitzentrophäe erbeutet. Jedoch sollte sich jeder Jagdgast vor Augen halten, dass er sich im Rahmen einer Jagdreise maximal 21 Tage in einem Gastland aufhält und in der Kürze der Zeit nicht erwarten darf, von jeder Trophäe den „neuen Weltrekord“ zu erbeuten. Für den Jagdführer ist es äußerst deprimierend, wenn sich sein Gast über eine hart erarbeitete und reife Trophäe nicht freuen kann, weil sie nicht den Vorstellungen des Kunden entspricht.
Kaffernbüffel
Der Büffel steht nach wie vor im Mittelpunkt der Jagd in Afrika. Seine Trophäe gehört zu den begehrtesten des Kontinents. Trotzdem oder gerade deshalb kursieren seitens Reiseveranstalter und -vermittler utopische Angaben über deren Stärke.
Ein Büffel mit 40 Inch (“) ist ein guter Büffel, ein Büffel mit über 42“ ein sehr guter Büffel und ein Büffel mit 50“ nahezu eine Legende. Auch beim Büffel ist das oberste Grundprinzip, dass er alt genug sein muss, um eine reife und ausdrucksstarke Hornzier zu tragen.
Ein Büffel ist jagdbar, wenn er zumindest einen ausgehärteten Boss aufweist, also das Alter überschritten hat, in dem er am Hornansatz noch so starke Zuwächse zeigt, dass sich das Wachstumsgewebe der Hornmasse nach dem Abkochen ablöst. Die Abbildung 3 zeigt einen Büffel, der ausgehärtet, jedoch nur mittelalt ist, obwohl sein Boss zuhat. Seine Hornspitzen sind nahezu abgewetzt, die Maserung auf der Trophäe nur noch zu erahnen. Im Wildbret hingegen ist er sehr massig, denn ein solcher Büffel zieht als Einzelgänger oder in Altherrentrupps seine Fährte. Er steht nicht mehr bei einer Herde und ist somit auch nicht mehr dem wichtig für ihn Rekordbuchpunkte oder Inches sind. Unbestritten dürfte sein, dass man ein tiefes Glücksgefühl empfindet, wenn man zusammengewachsen ist. Es ist hier deutlich zu erkennen, dass es sich um einen Büffel mit Veranlagung und einem starken Boss handelt, so wie es Rehböcke mit starken oder schwachen Rosen gibt.
Beispiele für Trophäenbewertungen bei Büffeln nach SCI und RW
Dass ein alter Büffel am Boss zusammengewachsen sein muss, ist falsch. Die Abbildung 5 zeigt einen Büffel, der als alt zu klassifizieren ist. Man sieht deutlich, dass die Hornspitzen (Tips) abgewetzt sind und die Hornoberfläche bereits an Maserung verloren hat. Die Abbildung mit der Nummer 2 zeigt den mit Abstand ältesten der abgebildeten Büffel, obwohl er den größten Spalt zwischen den Bossen Stress von Rangkämpfen etc. ausgesetzt. Ebenfalls typisch für einen alten Büffel ist die graue Färbung sowie die haararme Decke.
Betrachtet man die Bewertungen aller 5 Büffel wird deutlich: Das Alter geht in die Bewertung afrikanischer Trophäenträger überhaupt nicht ein. Denn der am besten bewertete Büffel ist bloß mittelalt.
Die Abbildungen mit den dazugehörigen Bewertungen veranschaulichen übrigens auch, wie durch geschicktes Fotografieren aus einer mittelmäßigen Trophäe eine scheinbar kapitale werden kann.
Um mir einen reellen Eindruck über die durchschnittlichen Abmessungen von Büffelbullen zu verschaffen, habe ich am Ende einer Jagdsaison in einem Jagdgebiet in Tansania alle Trophäen nach SCI vermessen. Bei 89 ausgewerteten Büffelbullen von 45 Kunden aus Büffelkurzsafaris bin ich zu folgendem Ergebnis gekommen:
Antilopen
Älterer Kudubulle mit guter Hornlänge. Foto: E. Pum |
Neben dem Büffel schenken Trophäenjäger im südlichen Afrika den sogenannten Spiral Horned Antelopes große Aufmerksamkeit. Hierzu gehören Antilopen, deren Hauptschmuck sich wie ein Gewinde entwickelt (Kudu, Eland, Nyala, Buschbock, Bongo und Sitatunga mit all ihren Unterarten). Die Vermessung der Trophäen erfolgt bei RW nach der Länge an der Kante der Spirale gemessen, während SCI auch die Basis mitrechnet und wieder die Summe der Werte ermittelt.
Auch bei diesen Antilopen gilt: Die Trophäe eines jungen Stückes ist am Hornansatz noch weich. Am lebenden oder nicht bearbeiteten Stück zeigt sich dies durch einen hellen, ja geradezu glänzenden Hornansatz, der mit zunehmendem Alter dunkel und vor allem hart wird.
Die Stärke des Kudus wird maßgeblich von Tiefe und Anzahl der Windungen bestimmt. Die Abbildung unten zeigt einen braven, älteren Kudubullen mit guter Hornlänge. Diese Hornlänge wird durch die deutlich sichtbaren, tiefen Windungen erreicht.
Alte Eland-Bullen werden an ihrer Blaufärbung in Nacken und Blatt erkannt. Foto: Dr. C. Schüle |
Markant für alle Buschböcke, Sitatunga und auch Nyalas ist die Stellung der Hornspitzen. Meist sind diejenigen Antilopen, deren Hornspitzen nach der ersten Umdrehung nach außen zeigen, kapitale und reife Stücke. Ferner ist die Größe der Glocke, also der Radius der Auslage, relevant für Länge und damit auch Stärke der Trophäe.
Abnutzungserscheinungen sind bei den Spiral Horned Antelopes mit Ausnahme der alten Elandbullen nicht so charakteristisch wie beim Büffel. Bei allen Eland-Antilopen tragen beide Geschlechter eine Trophäe. Wobei die Trophäen der weiblichen Stücke sichtbar dünner sind als die der männlichen. Männliche Stücke sind darüber hinaus im Körper auffallend stärker. Reife Bullen entwickeln einen massigen Träger, der sie sofort von jungen Bullen und weiblichen Stücken abhebt.
Oft werden alte Eland als Blaubullen bezeichnet. Dies rührt daher, dass die „alten Kameraden“ besonders in der Nackenregion und um das Blatt herum eine dunkle, fast stahlblaue Färbung zeigen. Ein weiteres Kennzeichen alter männlicher Elands ist, dass sie mit zunehmendem Alter im oberen Bereich des Nasenbeines und auf der Stirn längere Gesichtshaare ausbilden, die wie eine Bürste abstehen. Die Haare sind dunkelbraun bis schwarz.
Blessböcke
Junge Blessbock-Stücke sind an der Basis fast silbern. Foto: L. Wernicke |
Weibliche Stücke haben im Unterschied zu männlichen deutlich dünnere Schläuche und sind im Wildbret etwas schwächer. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Pinsel, der allerdings im hohen Bewuchs nicht sichtbar ist. Insbesondere ältere Blessböcke zeichnen sich durch einen stärkeren Träger aus. Junge Stücke haben darüber hinaus meist eine etwas weitere Hornstellung und sind an der Hornbasis hell, fast silbern, da sie noch sehr viel Wachstumsgewebe haben. Alte Böcke sind daran zu erkennen, dass deren Trophäen durch Markieren sowie Einstandskämpfe wieder kürzer werden und die Schmuckringe ebenfalls abgenutzt sind.
Zur Bewertung der Trophäe nach SCI werden Hornlänge und Basen herangezogen. Aus der Länge beider Schläuche und den Umfängen der Basen in Inches gemessen wird eine Summe gebildet. Starke Trophäen erreichen eine Hornlänge von mehr als 20 Inches, und dies bei Basen von mehr als 6 Inches.
Hartebeest
Rekordtrophäen des Hartebeest erreichen eine Länge von bis zu 26 Inch. Foto: Dr. C. Schüle |
Alte Stücke sind im Körperbau stets massiger als junge. Sie haben zudem deutlich stärkere Träger. Für ungeübte Beobachter ist das beste Merkmal, um das Alter anzusprechen, jedoch die Trophäe selbst. Trotz der Vielzahl der Vertreter dieser Wildart können für die Altersansprache anhand der Trophäe mehrere Regeln verallgemeinert werden:
1. Je älter der Bulle ist, desto kürzer ist der nicht mit Schmuckringen belegte und nach hinten gerichtete Teil der Trophäe. Umso stumpfer sind die Hornspitzen.
2. Bei alten Stücken sind die Schmuckringe durch Einstandskämpfe und Markieren heruntergewetzt.
3. Bei (zu) jungen Stücken zeigen die Hornspitzen oft nach innen.
Wie bei allen Antilopenarten erfolgt das Wachstum von der Basis weg. Bei jungen Exemplaren ist das Hornmaterial durch das starke Wachstum noch weich. Am lebenden Stück wirkt die weiche Hornmasse spröde und teilweise silbern schillernd.
In Gesprächen zwischen versierten Trophäenjägern wird in aller Regel ausschließlich über die Länge der Schläuche gesprochen, wenn es darum geht, Trophäen zu bewerten. Eine Schlauchlänge von über 24 Inch ist beim Red Hartebeest als sehr guter Wert einzustufen. Rekordtrophäen erreichen eine Länge von bis zu 26 Inch.
Die offizielle Vermessung nach SCI erfolgt analog zu den meisten Antilopenarten, indem Basisumfänge und Längen beider Schläuche, gemessen in Inches, zu einer Summe addiert werden. Rekordtrophäen liegen beim Red Hartebeest bei rund 75 Punkten, wobei zu beachten ist, dass die Basen sehr respektable Umfänge von bis zu 12 Inches aufweisen können.
Oryx
Oryx: Beide Geschlechter tragen eine Trophäe. Foto: W. Schäfer |
Auch beim Oryx tragen beide Geschlechter eine Trophäe. Die Trophäen sind beim weiblichen Oryx dünner, allerdings oft länger als die der männlichen. Das Abnutzen des Kopfschmucks ist nur bei männlichen Trophäenträgern zu beobachten.
Die Länge der Hörner reduziert sich nach Überschreiten des Höhepunktes des Hornwachstums teils um mehr als 20 Prozent. Dies ist auch am lebenden Stück deutlich zu erkennen. Die Wildkörper der Bullen werden im Alter massiger, die Schläuche wirken gedrungen, fast stumpf im Vergleich zu den jungen Stücken. Alte Bullen tragen daher selten Rekordtrophäen.
Riedböcke
Foto: L. Wernicke |
Bei allen Arten tragen nur die männlichen Stücke ein Gehörn. Das Gehörn ist wie bei Wasserböcken bei einer geschwungenen V-Stellung nach vorne geneigt und stets geringelt. An den Hornansätzen bilden sich um das Gehörn herum zirka 1 – 3 Zentimeter breite Hornmassen aus, die wie Rosen bei älteren Stücken mitwachsen und vor allen Dingen zunehmend aushärten.
Männliche Riedböcke sind im Körper auffallend stärker. Reife Böcke (siehe Foto links) entwickeln einen starken Träger, der sie sofort von jungen Böcken und weiblichen Stücken abhebt. Wie bei Wasserböcken zeigen bei den jüngeren Stücken die Hornspitzen nach innen. Und der Hornansatz glänzt etwas heller, da an der Basis noch weiche, im Hornwachstum befindliche Hornmasse sichtbar ist.
Springböcke
Mit zunehmendem Alter drehen sich die Hornspitzen nach hinten. Foto: Dr. C. Schüle |
Die Altersansprache beim Springbock ist recht einfach, weil die Trophäen von jungen, mittelalten und alten Stücken sich deutlich unterscheiden. Junge Springböcke tragen kurze, nach innen geneigte Gehörne, mittelalte haben einen ausgeprägten Bogen mit deutlich zu erkennender Auslage.
Bei alten, reifen Trophäen ist folgendes markant: Die Hornspitzen drehen sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr nach hinten. Das Foto zeigt dies am Beispiel eines alten Springbocks. Auch beim Springbock tragen die weiblichen Stücke ein Gehörn, das jedoch deutlich dünner und schwächer ist als das der männlichen.
Gnus
Streifengnubulle. Foto: Dr. C. Schüle |
Beide Geschlechter tragen Trophäen. Die der weiblichen Stücke sind tendenziell dünner und haben eine geringere Auslage als die der männlichen Hornträger. Hinzu kommt, dass Bullen bei zunehmendem Alter ihr Gehörn durch Kämpfe und Markieren des Territoriums mehr abnutzen als durch Zuwachs des Gehörns nachgeschoben wird. Das bedeutet, dass Gnus ähnlich wie Büffel mit zunehmendem Alter stumpfere Hornspitzen und weniger Maserung aufweisen.
Starke Trophäen der Gnus (ohne Weißschwanzgnu) erreichen eine Auslage von bis zu 33 Inches und kommen somit schon beinahe in die Region schwächerer Büffel.
Fazit
Fasst man diese Erkenntnisse zusammen, sind folgende Faustregeln zur Ansprache einer reifen Trophäe abzuleiten:
Die Trophäe eines alten Stückes
- hat ausgehärtete Basen, die am lebenden Stück nicht heller sind als der Rest der Trophäe. Im abgekochten Zustand zeigen die Hörner keine Risse und sind nicht porös;
- ist gekennzeichnet durch Verlust an Maserung und oft auch Länge;
- muss nicht zwangsläufig auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung stehen.
Bei weiblichen Stücken sind die Trophäen dünner und meist auch kürzer (Ausnahme Oryx). Neben dem Gehörn können auch Körperbau und Kurzwildbret als Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden.