Chatham – Neuseelands ferner Osten

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Noch nie etwas von Chatham gehört? Chatham Island liegt an der Datumsgrenze, und die wenigen Bewohner der Inselgruppe hatten das Glück, als erste das neue Jahrtausend begrüßen zu können

Von Jürgen Hansal

Pelzrobben
Die Pelzrobben spielen bei der Jagd auf Chatham nicht mehr die entscheidende Rolle.
Die Chatham Inseln gehören zu Neuseeland und liegen rund 800 Kilometer östlich im Pazifik.
Die windgepeitschte Inselgruppe liegt auf dem 44. Breitengrad. Die meisten Neuseeländer kennen die „Chathams“ nur deshalb, weil sie jeden Tag als letztes im Wetterbericht erwähnt werden. Die Allerwenigsten haben Chatham je betreten.
Die Gruppe besteht aus circa zehn Inseln, wovon jedoch nur Chatham mit etwa 750 und Pitt Island mit circa 50 Einwohnern ständig bewohnt sind.
Die Hauptinsel erstreckt sich über eine Fläche von rund 90 000 Hektar, ungefähr ein Viertel sind von der riesigen ,,Te Whanga“-Lagune und von Seen bedeckt.
Pitt Island, die zweitgrößte Insel hat eine Größe von 6 000 Hektar.
Beide Inseln werden intensiv landwirtschaftlich genutzt und spielen für die Schaf- und Rinderzucht eine große Rolle. Die anderen, kleineren Inseln haben für den Natur- und Vogelschutz eine große Bedeutung und werden von der neuseeländischen Naturschutzbehörde (Department of Conservation, Doc) überwacht und betreut.
Auch auf den kleinen Inseln wurde früher versucht, eine Landwirtschaft aufzubauen. Diese Versuche schlugen aber wegen der schwierigen Lage der Inseln und des gefährlichen Geländes fehl und wurden von Seiten des „Doc“ unterbunden.
Die Chatham Inseln haben vulkanischen Ursprung.
Noch heute kann man leicht die Erhebungen oder die übriggebliebenen Vulkanschlote erkennen, während das weichere Äußere über die Jahrmillionen erodiert ist. Die Küste ist steil und schroff, bildet aber an manchen Stellen schöne lange Sandstrände.
Das Landesinnere ist leicht hüglig und bis auf ein paar kleine „Berge“ aus Vulkangestein angenehm begehbar.
Der dichte Regenwald ist weitgehend verschwunden und hat saftigen grünen Weiden Platz gemacht. Rodung und Brandrodung hat die Landschaft verändert, jedoch in einigen steilen Schluchten und abgelegenen Flecken ist die ursprüngliche Vegetation erhalten geblieben.
Charakteristisch sind kleine Vegetationsinseln mit windgebeugten knorrigen Büschen, die der Witterung trotzen.
Die Temperaturen sind moderat und liegen durchschnittlich zwischen 18 Grad im Sommer und neun Grad im Winter. Der Wind bläst einem fast immer um die Ohren; es ist meist bewölkt und regnerisch.
Die kleinen Inseln wie South East Island, Mangere Island, Little Mangere, The Sisters und die Forty Fours spielen für den Vogelschutz eine wichtige Rolle. Auf ihnen wurde einer der seltensten Vögel der Welt, der Black Robin (ähnlich dem europäischen Rotkehlchen, jedoch ganz schwarz) vor dem Aussterben gerettet.
Als man eine dringend notwendige Umsiedlung der seltenen Vögel durchführte, waren nur noch sieben der kostbaren Vögel übrig, aber mittlerweile hat sich der Besatz auf etwa 150 Exemplare erholt.
Andere Inseln sind wichtige Brut- und Aufzuchtplätze für Albatrosse und eine beachtliche Vielfalt anderer Meeresvögel sowie für Seelöwen, Seeleoparden und Pelzrobben. Die ersten menschlichen Einwohner der Chathams waren die Moriori, die vor etwa 600 Jahren aus Ostpolynesien auf den Inseln eintrafen.
Wegen ihrer friedlichen Lebensweise waren sie der Invasion der Maoris, die um 1830 aus Neuseeland eintrafen, und den europäischen Ansiedlern nicht gewachsen und sind als Volksstamm völlig verschwunden.
Zu den ersten Europäern auf Chatham Island gehörten deutsche Missionare, die um 1840 ankamen und Schweine und Feldfrüchte wie beispielsweise Kartoffeln mitbrachten und regen Handel mit den Robben- und Walfängern trieben.
Die Inselgruppe erhielt ihren Namen von der Chatham, einem englischen Schiff, dessen Kapitän Broughton die Inseln 1791 „entdeckte“.
Die Inseln mit ihren umliegenden Gewässer waren ehemals reich an Meeresbewohnern und Seevögeln. Die Walfänger und Robbenschläger räumten mit den Beständen schnell und gründlich auf, und um 1840 lohnte sich die Robbenschlägerei nicht mehr.
Auch die Wale waren fast vollkommen verschwunden. Um 1950 gab es nochmals einen Boom für Langusten und Scallopmuscheln, aber auch diese Bestände waren schnell überfischt. Obwohl die Langustenfischerei auch heute noch den größten Anteil an der Fischerei einnimmt, können die genehmigten Quoten nicht erfüllt werden.
Nachdem sich um 1860 der Robben- und Walfang nicht mehr lohnte, versuchten europäische Siedler, ihren Lebensunterhalt mit der Schafzucht zu verdienen.
Das größte Problem der Landwirtschaft auf den Inseln ist die große Entfernung zu den Absatzmärkten in Neuseeland. Der Transport der Schafe und Rinder ist sehr kostspielig.
Durch Rodung, Brand und Beweidung wurden die Chatham lslands nachhaltig verändert, und das Einschleppen von Katzen und Ratten beschleunigte den Niedergang der Vogelwelt erheblich.
Die Naturschutzbehörde und die Einheimischen unternehmen aber heute große Anstrengungen, diesem Trend entgegenzuwirken.
Die Tierarten auf den Inseln, die heute von den Einheimischen als Jagdwild angesehen werden, sind von den ersten Siedlern und Seefahrern ausgesetzt worden und verwildert. Die Sauen und Schafe auf den Inseln wurden von den Seefahrern vor ungefähr 120 Jahren als Nahrungsquelle ausgesetzt, um sich mit Frischfleisch einzudecken.
Wekas (ähnlich dem europäischen Wachtelkönig – eine Rallenart) wurden aus Neuseeland mitgebracht, Stockenten stammen aus Europa und schwarze Schwäne aus Australien.
Gerade auf der riesigen „Te Whanga Lagoon“ tummeln sich unvorstellbare Mengen der schwarzen Schwäne. Jedes Jahr wird eine große Jagd abgehalten, bei der die Anzahl der Schwäne etwas reduziert wird.
Um auf Chatham und Pitt Island auf die Jagd zu gehen, benötigt man unbedingt private Kontakte. Jagden werden nicht im kommerziellen Stil abgehalten, und man braucht die Genehmigung des Landeigentümers.
Ein Hin- und Rückflug von Wellington oder Christchurch in Neuseeland nach Waitangi, der „Hauptstadt“ von Chatham kostet rund 600 NZ-Dollar (1NZ-Dollat entspricht ungefähr 1,10 DM). Air Chatham fliegt täglich von Wellington und drei Mal wöchentlich von Christchurch nach Chatham.
Auf Chatham Island gibt es einige Hotels, Bed-and-Breakfast-Unterkünfte und Backpackers-Unterkünfte. Die Preise bewegen sich zwischen 50 und 95 NZ-Dollar für ein Einzelzimmer und 86 bis 130 NZ-Dollar für ein Doppelzimmer. Die Zimmer in Backpackers liegen bei 20 NZ-Dollar.
Eine Mahlzeit im Hotel kostet etwa zehn bis 20 NZ-Dollar. Es gibt auch einen Supermarkt in Waitangi, in dem man das Notwendigste einkaufen kann. Wegen der langen Transportwege zahlt man jedoch höhere Preise.
Vom Flugplatz aus benötigt man für die Fahrt bis Waitangi eine Transportmöglichkeit. Dies wird meist unkompliziert gelöst, indem man einen Anwesenden fragt, ob er Platz im Auto oder Pick-up hat und man mitfahren darf.
Auf Pitt Island sind die besten Schaf- und Sauenbestände.
Erreichbar ist diese Insel mit einer sechssitzigen kleinen Maschine oder man schippert mit einem Fischerboot hinüber und legt so die 17 Kilometer zurück. Das Wetter ist unberechenbar, und man muß immer damit rechnen, dass sich die Hin- oder Rückreise um einige Tage verzögert.
Für die Übernachtung auf Pitt Island ist unbedingt ein Zelt und ein guter Schlafsack erforderlich, weil es keine kommerziellen Unterkünfte gibt. Am Strand im Süden steht eine Hütte, die zwar keinen Komfort bietet, jedoch windgeschützt und trocken ist, und in der man bei rauhem Wetter den nötigen Unterschlupf findet.
Für das Aufschlagen eines Zeltes, benötigt man die Erlaubnis des jeweiligen Landeigentümers. Da die Temperaturen gemäßigt sind, sind nicht die wärmsten Sachen erforderlich, jedoch wegen des häufigen Regens und immerwährenden Windes ist Regenkleidung zu empfehlen.
Da man viel zu Fuß unterwegs ist und täglich große Strecken zurückgelegt werden, sind gute Wanderschuhe oder Gummistiefel praktisch. Man bekommt schnell nasse Füße wegen des Regens und der vielen sumpfigen Stellen.
Wenn es mal nicht bewölkt ist, verbrennt die intensive Sonne schnell die Haut, so dass ein Hut und Sonnenschutz mit hohem Lichtfaktor immer mitgeführt werden sollte.
Eine leichte selbstaufblasbare Unterlage macht das Nachtlager bequemer, und Mükkenschutz ist im Sommer empfehlenswert. Wegen des vielen Wassers sind die Moskitos in der Nacht ganz schöne Plagegeister. Ein kleiner Rucksack für das Notwendigste und ein Lunchpaket für die Tagestouren sind ratsam.
Es wird nur bei gutem Licht gejagt. Deshalb sind ein mittleres Fernglas und Kaliber im Bereich der .270 Winchester oder 7 x 57 ausreichend. In dem recht offenen Gelände, in dem sich die Schafe hauptsächlich aufhalten, kommt man auf gute Entfernung heran, wenn man tief am Boden bleibt und die menschliche Silhouette nicht zeigt.
Die Schussentfernungen sind moderat. Man kann den ganzen Tag jagen und braucht nicht in „Aller-Hergotts-Frühe“ anzufangen. Der Jagddruck ist minimal. Daher kann auch mit Anblick von Sauen am hellichten Tag gerechnet werden.
Da das gesamte Gepäck im Rucksack zu Fuß mitgenommen werden muß, sollte man sich genau überlegen, was man an Kleidung, Lebensmittel und sonstigem braucht!
Die Chatham lslands sind von Europa und Amerika so weit entfernt, dass für einen europäischen oder amerikanischen Jäger die Anreise alleine schon ein ganz schönes Abenteuer bedeutet.
Da man private Kontakte knüpfen muß, erschwert dies die Jagdorganisation erheblich. Chatham ist wirklich so weit entfernt und scheint in vielen Beziehungen seine eigenen Gesetze zu schreiben. Sobald man aus dem Flugzeug aussteigt, hat man den Eindruck, als würde die Zeit stehenbleiben!
Es gibt ohne Zweifel schwierigeres Gelände als auf Pitt- und Chatham Island, und es existieren vorsichtigere Wildarten als die verwilderten Merinos.
Es ist nicht zu vergleichen mit der Wucht der südlichen Alpen oder der grünen Undurchdringlichkeit der Urwälder von Fjordland oder der Nordinsel Neuseelands. Jedoch die Abgeschiedenheit, die Geschichte der Chathams und das wilde, zottelige Aussehen der schwarzen und weißen Widder mit ihren enorm gedrehten Schnecken machen sie zu seiner begehrenswerten Trophäe.
Hansgeorg Arndt

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